Beiträge von Semiramis

    Pisos fester Griff um Semiramis Arm schmerzte. Das gab wieder blaue Flecke! Semiramis aber beschäftigten weitaus wichtigere Dinge, wie das Hämatom an ihrem Oberarm, vielmehr verschlechterte sich ihr Zustand zusehends. Der Brechreiz steigerte sich und sie begann schon zu Würgen. Dieser Reflex verstärkte sich noch, als er sie plötzlich losließ und sie mit einem Wortschwall übergoß. Für die Schönheiten des Gartens hatte sie keine Augen gehabt. Auch jetzt nicht, als er sie darauf hinwies. Eigentlich hatte die Syrerin für das Grünzeug, wie sie es nannte, eh keinen Sinn. Für sie gab es nur Blumen und Blumen und nur Bäume und Bäume und sonst nichts.
    Nur mit größter Anstrengung gelang es ihr, dem Lauf der Mauer zu folgen, womit er ihr die Ausweglosigkeit einer möglichen Flucht vor Augen halten wollte. Im Normalfall hätte sie sich davon sicherlich unbeeindruckt gezeigt, denn Semiramis hatte bis jetzt so ziemlich jede Mauer geschafft, die sich ihr in den Weg gestellt hatte. Außerdem, Rom war auch nicht anders, als Damaskus!
    Als er endlich fertig war und sie voller Erwartung anstarrte, weil er nun schwer damit rechnete, sie damit jetzt gebrochen zu haben, gab es nichts mehr, was Semiramis davor hätte bewahren können, sich vor dem natürlichen Lauf der Dinge zu drücken. Der Drang ihres Mageninhaltes, der wider die Schwerkraft nach oben wollte, war so groß, daß es sie direkt vor Piso in die Knie zwang. Mit einem sehr unappetitlichen Geräusch übergab sie sich. Dem folgte ein erschöpftes Stöhnen, als nichts mehr ging. Selbstverständlich hätte diese Handlung durchaus auch als Antwort auf das Gerede des Römers gelten können, denn das genau beschrieb es, was die Syrerin über ihren selbsternannten Herrn dachte.
    Mit einiger Kraftanstrengung rappelte sie sich wieder auf und kam neben Piso wieder zum stehen. "Ääähhh", stöhnte sie noch einmal und wischte sich mit ihrem Handrücken den Mund ab. Sie war recht jämmerlich anzuschauen. "Netter Garten, habt ihr hier. Was hast du gemeint, was ist unmöglich? Ich glaube ich habe dir nicht ganz folgen können!" Allmählich normalisierte sich wieder die Farbe in Semiramis Gesicht.

    Semiramis Kichern verging ihr gleich wieder, nämlich in dem Augenblick, als auch er zu kichern begann. Abrupt verzog sie das Gesicht, so als wäre ihr etwas auf den Magen geschlagen und sie sich gleich deswegen übergeben mußte. Tatsächlich fühlte sie einen Brechreiz, was allerdings mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht von ihrem Weinkonsum herrührte, der sich doch auf ein Minimum beschränkt hatte. Die sich ausbreitende Blässe in ihrem Gesicht war bedenklich und alles was sie ihm in diesem Moment antworten konnte war: "Ich glaub, mir ist schlecht." Gern hätte sie ihm noch mitgeteilt, dass sie kaum einen Unterschied sah, zwischen ihm und dem Besagten Blödmann. Das wäre aber wahrscheinlich ein zu starker Tobak gewesen. Deshalb ließ sie es. Eigentlich wollte sie nur noch hinaus. Raus aus dem Zimmer, Raus aus dem Gebäude und am liebsten auch runter von dem flavischen Anwesen. Aber diesen Gefallen würde er ihr sicherlich nicht tun, was er ihr schließlich klipp und klar ins Gesicht sagte.
    "Ähm… könnten wir nicht endlich… ich glaub ich muß…." Zu der Blässe in ihrem Gesicht hatte begonnen, sich ein dezentes Grün dazuzugesellen, was dem Flavier aber entweder entgangen war oder schnurzpiepegal war. Er griff nach ihrem Arm und zog sie hinaus. Sie konnte ihm kaum folgen, diesem Irren. Wenn ihr nicht so verdammt schlecht gewesen wäre, hätte sie aufs schärfste protestiert. So ließ sie sich mitreißen.

    Sie tat es der Gladiatrix gleich und musterte sie nun auch von oben bis unten. Dabei fiel ihr die leicht feucht schimmernde Haut der Anderen auf. Der süßlich herbe Duft des frischen Schweißes, der von ihr herrührte, war bis in Semiramis Nase gedrungen, was an sich keine Kunst gewesen war, denn die Gladiatrix stand nun direkt vor ihr. Semiramis spürte noch die Hitze, die von ihr ausging und der rasche Atem, der sich allmählich verlangsamte. Der Schlitz in ihrer Tunika erlaubte es ihr, einen Blick auf ihre muskulösen Oberschenkel zu erhaschen. Auf eine gewisse Weise hatte sie an diesem Anblick Gefallen gefunden und es fiel ihr sichtlich schwer, davon abzulassen und ihre Blicke wieder nach oben wandern zu lassen, zu ihrem feminin wirkenden Gesicht, das zu dem Rest auf den ersten Blick nicht passen wollte. Es war dieses seltsame Gefühl, welches immer dann auftrat, wenn sie sich zu jemand in besonderer Weise hingezogen fühlte. Dies war in Semiramis bisherigen Leben noch nicht all zu oft geschehen und wenn sie sich so gefühlt hatte, dann bestimmt nicht wegen einer Frau. Aber die Gladiatrix, war sie denn wirklich eine Frau oder war das ein Mann der im Körper einer Frau gefangen war? Ihrem Verhalten nach zu urteilen, war sie eher maskulin. Aber Semiramis hatte schon von diesen seltsamen Wesen gehört, in deren Körper sich das weibliche und das männliche zu einer Person vereinten. Diese Wesen waren weder Mann noch Frau, sondern beides. Die Syrerin fand das faszinierend und wandte sich deshalb nicht angewidert von der Anderen ab, als diese ihr eindeutige Offerten machte, Dinge zu empfinden die weitaus besser waren, als Angst. Dieses Spiel mit dem Feuer, das die Andere zu spielen begann, hatte eine große Wirkung auf sie. Semiramis entschied, eine Weile mit zu spielen.
    "Ich habe keine Angst.", hauchte sie ihr entgegen. Sie spürte, wie etwas ihren Körper durchfuhr, was ihr beinahe die Kontrolle über sich selbst entrissen hätte. Doch sie nahm sich zusammen. Schließlich wollte sie ja nicht schwach vor der Anderen dastehen. Doch die Diskrepanz, zwischen dem, wie Semiramis nach außen wirkte und dem, was in ihr vorging, wurde mit jedem Atemzug größer.
    "Ach ja? Was kannst du dir denn vorstellen?", raunte sie der Galdiatrix zu und sah sie dabei so unschuldig an, daß es jedem Betrachter klar sein mußte, daß Semiramis alles andere als ein Unschuldslamm war. Zweifellos hatte sie doch schon eine Vorstellung von dem, was nun folgen könnte. Semiramis Phantasie war dahingehend an keinerlei Norm gebunden, was nicht hieß, daß sie deswegen anspruchslos war. Ganz und gar nicht. Eines was sie am meisten hasste, war wenn man ihr nicht das bot, was man ihr zuvor versprochen hatte. Unglücklicherweise war sie in der Vergangenheit schon einigen Schaumschlägern auf den Leim gegangen. Doch die Tatsache, daß ihr Gegenüber eine Frau war, machte sie nicht nur neugierig, sondern forderte siedirekt dazu auf, Neuland zu entdecken.
    "Och weiß du, es ist ein angenehmer Frühlingsabend und ich habe auch sonst nichts anderes vor."
    Sie zuckte leicht mit den Schultern und auf ihrem Gesicht entstand ein leicht frivol anmutendes Lächeln.

    Das war vielleicht eine schöne Scheiße, in die Semiramis sich da hinein manövriert hatte! Seit Tagen saß sie hier nun schon fest und mußte sich das dämliche Gedudel von dieser musikalischen Nullrunde anhören. Selten hatte sie erlebt, daß man andere Menschen alleine nur mittels einer harmlosen Lyra so foltern konnte. Es mußte ein Zeichen des Himmels gewesen sein, als heute Nachmittag endlich eine Saite riß und Piso eine Zwangspause einlegen mußte. Vielleicht gelang es ihr ja sogar, den Knollennasenmann zu bestechen, morgen steif und fest zu behaupten, alle Lyrasaiten in der Stadt seien ausverkauft, wenn er von seinem Einkauf zurück kam. Cassivellaunus würde dann nicht nur Semiramis, sondern der gesamten Menschheit einen großen Gefallen tun.


    Um diesen schrecklichen Tag nun etwas angenehmer ausklingen zu lassen, beschloß die Syrerin, sich noch ein wenig die Beine zu vertreten. Außerdem war es höchste Zeit, einmal nachzusehen, wo man am besten die Mauer des Anwesens überwinden konnte. Denn wie bereits angekündigt, wollte sie sich hier ja nicht auf ewig verlustieren oder sogarWurzeln schlagen. Die ersten Tage nach ihrer Ankunft war sie zu träge gewesen, um Fluchtpläne zu schmieden. Ihre Heimat lief ihr ja schließlich nicht weg. Außerdem gab es hier jeden Tag etwas essbares, was in seiner Qualität allerdings sehr gewöhnungsbedürftig war. Doch sie sah das genauso wieder alte Aziz, der immer sagte: Einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul. Natürlich war dasEssen nicht geschenkt, denn dafür sollte sie ja arbeit. Doch Semiramis gelang es jedenTag aufs Neue, sich dahingehend zurück zu halten. Im faulenzen und im sich nicht erwischen lassen, war sie eine Meisterin.


    Ach ja, der alte Aziz! Gerade an den Abenden vermisste sie den alten Mann, der wie ein Vater für sie gewesen war, doch sehr! Was er nur ohne sie machte, zu Hause in Damaskus? Das Gefühl des Heimwehs war um die Abendstunden herum besonders groß. Die Sklaven in der Villa waren ihr dabei keine große Hilfe. Die meisten kümmerten sich nur um ihren eigenen Kram. Andere wiederum waren irre Spinner, wie zum Beispiel die alte Nike, mit der Semiramis überhaupt nichts mehr zu tun haben wollte. Manche der Sklaven verhielten sich sogar sehr abweisend ihr gegenüber, weil die Syrerin ganz anders war, wie ihre übrigen neuen Standesgenossen. Semiramis sagte einfach, was sie dachte und machte damit vor niemandem Halt. Nicht mal vor Piso, diesem Klugscheißer, der sich nun ihr Herr schimpfte.


    Angelockt durch das wirre Herumspringen einer Frau, betrat Semiramis einen Teil des Gartens, den sich die Frau wohl für ihre eigenartigen Übungen auserkoren hatte. Noch war ihr nicht bewußt, daß sie ein fremdes Revier betreten hatte.
    Das sah ja mächtig gefährlich aus, wie sie mit diesem Stock hantierte. Als sie näher an sie herangekommen war, erkannte sie die Frau. Es war die, die sie alle nur ehrfurchtsvoll oder aber auch abschätzig die Gladiatrix nannten. Kaum einer kannte ihren richtigen Namen und kaum einer wollte wirklich etwas mit ihr zu tun haben. Da hatten die beiden Frauen doch schon etwas gemeinsam, ohne daß sie dies vielleicht von einander vermuteten.
    Semiramis hatte sich sehr nahe an die Gladiatrix herangewagt. Sie wollte ihr bei ihren Übungen einfach nur zusehen. Doch dann wurde sie vom Schrei eines Raubvogels abgelenkt, der üer ihnen am Himmel kreiste. Sie sah hinauf und ehe sie sich versah, war die Frau wie eine Furie gleich, herumgefahren und hielt Semiramis ihren Stock entgegen. Im Gegensatz zum Rest der flavischen Sklaven, hatte Semiramis keinerlei Angst vor ihr. Gut, sie war vielleicht etwas erschrocken. Aber Angst? Nein! Dafür war die Syrerin einfach zu sehr abgebrüht. Wenn man sein ganzes Leben im Umkreis einer Gauklertruppe zugebracht hatte, wie Semiramis, war man an vieles gewöhnt.
    Den warnenden Worten der Gladiatrix konnte sie deshalb auch nicht viel Respekt zollen. "Uuuuh, da hab ich aber Angst, Süße!", antwortete sie trocken, mußte dann aber auch sofort, wie ihr Gegenüber schelmisch grinsen.

    "Na dann!", murmelte sie kaum hörbar und verrollte die Augen dabei. Wenn das Wasser eben kalt blieb, gab es auch keinen triftigen Grund, sich der Körperpflege hinzugeben. Ab einem bestimmten Grad konnte übler Körpergeruch sehr unangenehm sein und Semiramis war da sehr hart im nehmen.
    Dieser Angeber! Der hatte doch wirklich für jede dumme Frage eine Antwort. Das trug nur bedingt dazu bei, daß Semiramis ihn jemals etwas wie Sympathie entgegenbringen konnte. "Apenwas? Das ist ein Gebirge, nicht?! Pah, Kunststück! Auf dem Hermon liegt auch im Sommer Schnee. Und na logisch hab ich schon mal Schnee gesehen. Ab und zu mal im Winter. Dann sind alle ganz hysterisch und trauen sich nicht mehr auf die Straße, weil sie Angst haben, sie würden sich dann auf die Kinnleiste legen.", meinte Semiramis kichernd. Die weiße Pracht hielt meist nicht lange, höchstens einige Tage und dann war der Spuk wieder vorbei. "Ach da fällt mir noch ein Grund ein, weswegen ich dich nicht mag: Du bist ein verdammter Klugscheißer!" fügtesie noch trocken hinzu.
    "Baruch ist ein Halsabschneider! Der läßt von seinen Leuten alten Tand im Müll sammeln, richtet in wieder her und verkauft das Zeug dann für viel Geld!" Semiramis warf einen Blick auf die Lyra, die angeblich neu sein sollte. Mit Musikinstrumenten kannte sie sich zufällig ein wenig aus, auch wenn sie nicht des Lyraspielens mächtig war. Doch so konnte sie sehr gut erkennen, daß die Lyra schon einiges auf dem Buckel haben mußte. Neu war sie jedenfalls nicht. "Wenn die neu ist, fresseich einen Besen! Oder du mußt sie schon ganz schön viel gequält haben, wenn die neu sein soll. Wasauch noch sein kann, der, bei dem du sie gekauft hast, hat dich übers Ohr gehauen!" Beides war möglich, denn sie nahm ihm das nicht ab, daß ausgerechnet einer wie er ein begnadeter Musiker sein sollte. "Na klar mindestens so gut wie der Kerl der eure Stadt beinahe ganz abgefackelt hätte. Wie heißt der noch mal, ach scheiß drauf! Ist ja auch egal!"
    Dummerweise zeigte der Wein noch nicht die gewünschte Wirkung. Einfach noch ein Weilchen abwarten, meint Semiramis zu sich selbst. Sie hatte ja Zeit und musste nicht das nächste Schiff nach Syrien erreichen. Um überhaupt ein Schiff zu besteigen, brauchte sie zunächst einmal Geld und das mußte erst mal verdient werden. Außerdem tickten die Uhren im Orient sowieso etwas anders, als im Westen. Das war einfach so und das würde sich so schnell auch nicht ändern.
    "Na siehst du! Jetzt klugscheißerst du schon wieder! Und ich hab dir gesagt, das mit der Sklavin ist ein Irrtum. Das war nur blödes Zeug. Wirklich! Das mußt du mir glauben. Und außerdem machst du mir einen stinkreichen Eindruck. Dir machen die paar Kröten doch gar nichts aus, die du dem Scheißkerl von Händler für mich gegeben hast. Also laß mich einfach gehen, ich besorg mir eine Schiffsfahrkarte nach Sidon oder Tyros, du bist mich los und mußt dich nicht mehr über mich ärgern und die Sache ist für mich geritzt."
    Warum hatte sie nur das dumpfe Gefühl, daß er auf ihren genialen Vorschlag nicht eingehen würde? Es war zum Haare raufen!
    "Na schön, wenn´s dich irgendwie glücklich macht, dann zeig mir halt die Villa. Du willst ja doch nur angeben! Stimmt’s?!" Mal ganz ehrlich, herum laufen war doch besser, als hier sitzen zu müssen.

    "Ahso! Na, hoff ich doch mal, wenn das Wasser nicht wieder so saukalt ist!", meinte sie nur ganz trocken. Ob du dich da mal nicht geschnitten hast, dachte sie, als er sagte, sie würde lange genug in der Villa bleiben. Natürlich verriet sie ihm nicht, was sie vorhatte, Sie war ja nicht blöd! Schade nur, daß sie sein dummes Gesicht nicht mehr sehen konnte, wenn sie erst einmal weg war. Aber man konnte eben nicht alles haben!
    Seine Beteuerung, ihr kein Haar krümmen zu wollen, klang nicht besonders überzeugend und warum ließ er auf einmal seine linke Hand nach hinten gleiten? "Na klar und es schneit bei euch im Sommer!" Für wie blöd hielt er sie eigentlich?Semiramis schüttelte nur noch den Kopf. Wo war sie hier nur gelandet? Ein Haus in dem es Hexen und Spinner gab, ach ja und den widerlichen häßlichen Kerl, den der Spinner dabei hatte, nicht zu vergessen.
    Wie er nur den Ramsch, den er hier überall herum stehen hatte, beäugte. "He, ich kenn einen, der kauft dir das ganze Zeug bestimmt ab. Baruch, der Trödelhändler. Der steht auf römischen Kram, den keiner mehr will. Ich schwör´s! Der hat einen ganzen Laden davon! Du müßtest mich nur gehen lassen!" Wobei sie wieder beim Thema war.
    Semiramis rührte den Wein nicht noch einmal an. Der war ihr viel zu sauer. Auch nicht als er ihn als einen erlesenen Wein bezeichnete. "Na und, davon wird er auch nicht besser!"Ja, trink du mal alleine deinen Fusel. Wenn du erst mal besoffen bist, mach ich die Mücke, dachte die Syrerin bei sich. Dummerweise hatte der Wein eine ganz andere Wirkung bei dem Flavier. Statt besoffen und müde zu werden, wurde er noch redseliger und schmiß mit verdammten Fremdwörtern um sich. "Hä? Was? Ich geb dir gleich konstrudings! Was ich gegen dich habe? Na hör mal! Du schleppst mich halb gefesselt durch die Stadt und behauptest allen Ernstes, ich sei deine Sklavin. Außerdem hast du mich eine Memme genannt und dann grinst du mich ständig so blöde an. Ach ja, und du willst mich nicht wieder nach Hause gehen lassen. Mhh, hab ich noch was vergessen? Nein ich glaube, das war´s!" So das mußte doch als Erklärung genügen.

    Der Römer sprach in Rätseln oder Semiramis stand gerade auf dem Schlauch, eine Option, die gelegentlich auch zutraf. "Hä?! Wie was funktioniert? Das verfluchen oder das baden, oder beides?" Aber die Syrerin verstand noch einiges nicht, von dem was der Flavier ihr erzählte. Er machte sich doch tatsächlich Hoffnungen, sie könnte nun auf immer und ewig bei ihm bleiben. Na, das würde der noch früh genug mitbekommen, dass das reines Wunschdenken war.
    "Hör mal zu, dafür wir es immer zu spät sein, Klar?! Wenn du mich auch nur anrührst, dann knallt´s! Also, laß deine blöden Finger bei dir." Sie hoffte für ihn, ihre Warnung richtig verstanden zu haben. Denn eines hatte ihr der alte Aziz auch beigebracht – er hatte ihr gezeigt, wo es den Kerlen am meisten weh tat!
    Es war wirklich ein Jammer! Auf den ersten Blick gab es nichts, was ihr erlaubt hätte, sich zu verdünnisieren. Da kam seine Bemerkung über sein Zimmer.
    "Ja, das sieht man!" Eigentlich war Semiramis noch niemals bei so betuchten Leuten im Haus gewesen, aber das Zimmer hatte mehr Ähnlichkeit mit Baruchs altem Trödelladen in Aziz´ Nachbarschaft. Sie ließ ihn spüren, dass sie ihn nicht mochte. Schließlich hatte er sich ja auch strikt geweigert, in ihr Geschäft einzuwilligen, was ihn gleich noch viel unsympathischer gemacht hatte.
    Semiramis nahm mit gespielter Langeweile den Becher.
    "Auf wen? Achso, ja, na dann!" Sie nippte vorsichtig daran. "Äääh, was ist das denn? Igit, das schmeckt ja scheußlich!" Um ehrlich zu sein, war Semiramis keine Weinkennerin. Sie hatte bisher nur ein einziges Mal Wein getrunken. Einen süßen Tropfen vom Golan, oder besser gesagt, der billige Fusel, den Aziz immer getrunken hatte.

    Sie seufzte. "Na ja, es ging so. Aber was, wenn doch was an ihrem Fluch war? Die Alte hat übersinnliche Kräfte! Bei den Göttern, ich schwöre es!", bestätigte sie ihm eindringlich. Doch da war schon wieder dieses dämliche Grinsen. Hoffentlich bekam er nicht irgendwann eine Gesichtslähmung. Das wäre dann kaum auszuhalten gewesen. Ohnehin hätte sie es nicht lange aushalten müssen, denn sie wollte ja sobald als möglich türmen. Dann würde dem Affen sein blödes Grinsen schon vergehen. Der alte Aziz würde stolz auf sie sein!
    "Was für eine Beziehung? Ich hab keine Beziehung mit dir. Das kannst du dir gleich abschminken! Und natürlich baden wir in Syrien. Auch getrennt. Glaube ich." Sie hatte nie das Vergnügen gehabt, eine der öffentlichen Badeanstalten aufzusuchen. Aber das mußte sie ihm ja nicht gleich auf die Nase zu binden. Überhaupt, Semiramis kochte langsam vor Wut und sie wußte nicht, wohin damit. Sie sah sich noch einmal um, ob es nicht doch noch einen Schlupfwinkel für sie gab. Das war allerdings aussichtslos, wenn sie nicht gerade aus dem Fenster springen wollte. Wieder seufzte sie und auch seine Freude über ihre Fähigkeiten, ließ nichts Gutes vermuten.
    "Nein, ich weiß nicht was!", antwortete sie gereizt. Daran änderte sich auch nichts, als er, wie aus dem Nichts Wein herzauberte. "Wenn du nichts anderes hast!", gab sie patzig zurück. Wenn er glaubte, er könne sie jetzt mit Wein gefügig machen, dann sollte er noch sein blaues Wunder erleben!

    Wenn das nicht dreist war! Er gab es auch noch zu, die alte Hexe auf sie angesetzt zu haben. Mit seiner Raffinesse hätte er gut zu der Gauklertruppe gepasst, mit der Semiramis und der alte Aziz herumgezogen war. "Natürlich bin ich mit ihr fertig geworden. Aber dieses alte Waschweib hat mich mit einem Fluch beladen. Sie hat mir versprochen, ihn wieder zurückzunehmen. Aber was, wenn sie es nur gesagt hat und es dann doch nicht macht, he? Dann hast du schuld, wenn mir etwas Schlimmes geschieht!" So! Ein wenig schlechtes Gewissen konnte nicht schaden! Was aber Semiramis am meisten störte, war dieses dämliche grinsen in seinem Gesicht, das er zu jeder Gelegenheit zur Schau trug. Semiramis Faust juckte, sie wollte in das Gesicht des Römers. Aber Semiramis´ Faust durfte nicht. Es war wirklich ein Jammer!
    Schließlich schoß der Römer den Vogel ab, indem er steif und fest behauptete, man könne im Sklavenbad schwimmen. Und dann nannte er sie auch noch indirekt eine Memme! "Eine Memme? Du nennst mich eine Memme? Das glaub ich jetzt nicht! Hör zu, ich bin keine Memme! Klar?! Ja ja, am Abend baden gehen. Mit dir wahrscheinlich, du Lustmolch!" Semiramis hatte schon oft diese Geschichten gehört. Dieser Knilch! Er glaubte wohl, nur weil er einen Haufen Geld für sie hingeblättert hatte, konnte er sich nun alles erlauben. Schon wieder grinste er! Ahhh, das war ja nicht zum aushalten!
    "Hör zu, ich habe schon genug von diesem Laden gesehen. Mir reichts! Aber bitte, du kannst mich ja gerne noch vom Gegenteil überzeugen." Das schaffte er nie! Semiramis Meinung war bereits vorgefaßt und man konnte sie nur schwer davon abbringen.
    "Du fragst mich ob ich lesen und schreiben kann? Na, hör mal, was denkst du denn? Ich bin Geschichtenerzählerin. Der alte Aziz hat es mir beigebracht, als ich noch kein war. Du fragst vielleicht blöde!"

    Semiramis sah sich argwöhnisch um. Der Römer wohnte nicht schlecht! Dafür dieSklaven umsoschlechter. Im Grunde war sie vorher noch nie in einem so edlen Zimmer gewesen. Seine Familie musste tatsächlich irgendwie wichtig sein und er wahrscheinlich auch. Aber mal ganz ehrlich, dieser eigebildete Fatzke war auch nur aus Fleisch und Blut auch wenn er aus unerfindlichen Gründen plötzlich fürchterlich nett war. Außerdem fragte sie sich allmählich, ob sie Phrima vielleicht doch falsch verstanden hatte. Das Kauderwelsch der Raeterin konnte ja niemand verstehen. Höchstwahrscheinlich hatte sie etwas da etwas in ihre Worte hineininterpretiert, was völlig daneben war. Natürlich, sie konnte sich doch nicht so geirrt haben!


    Der Flavier hatte sich indessen zu ihr gesetzt und begann Süßholz zu raspeln. Semiramis Augenlied wanderte langsam nach oben. Dieser Widerling! Der wollte sich doch nur über sie lustig machen! Da war er aber bei ihr an der falschen Adresse!
    "Dein blödes Gesülze kannst du dir sonst wohin stecken! Du hast mir doch die alte Hexe auf den Hals gejagt! Also frag nicht so dämlich, ob man mich gut behandelt hat!" Da war sie wieder, die gute alte Semiramis, der man kein X für ein U verkaufen konnte! Ihre Augen funkelten vor Zorn bei seiner nächsten Frage. Semiramis hatte noch nicht allzu viel von der Villa gesehen. Nur dieses erbärmliche Bad, in dem man nicht einmal schwimmen konnte. "Du hat mich angelogen! Du bist ein erbärmlicher Lügner! In dem Bad konnte man gar nicht schwimmen. Man hätte es auch nicht gekonnt, wenn das Wasser nicht so schweinekalt gewesen wäre! Ich will hier nicht bleiben! Nein, will ich nicht!" Wenn er etwas von ihr wollte, dann mußte er sich etwas besseres einfallen lassen.

    Das Unvermeidliche war geschehen. Sie waren dem Gang entlang gegangen und standen nun vor einer hölzernen Tür.
    Semiramis hörte ein Klopfen. Dann ging die Tür auf. In dem Raum war es hell. Die Syrerin konnte erst nichts erkennen, denn Phrima stand vor ihr. Dann drehte sie sich um und ging. Vorher schob sie aber Semiramis noch in das Zimmer hinein und schloß dann hinter sich die Tür.


    Wie verloren stand die Syrerin da. Es war ihre große Klappe, die sie unterwegs verloren haben mußte. So schien es jedenfalls.
    Er stand auf, kam ihr entgegen und bot ihr einen Stuhl an. Er war sogar richtig nett. Semiramis zweifelte einen Moment lang, daß diese unerwartete Freundlichkeit nicht echt sein konnte. Gleich würde er sein wahres Gesicht zeigen. Dann würde sich der Irre, der Brutale, der Grauenhafte zeigen, so wie es Phrima gesagt hatte. Oder besser gesagt, wie es Semiramis verstanden hatte.
    Die Syrerin setzte sich. "Danke!", meinte sie, leicht eingeschüchtert und blickte ihn dann mit ihren großen dunklen Augen an.

    Ganz ohne Zweifel, Phrima war eine ganz Nette und die Chancen standen gut, daß sie noch Semiramis beste Freundin werden konnte, aber den Durchblick konnte die Syrerin nicht behalten, wenn es darum ging, ihren Dialekt zu verstehen. Genauer gesagt, verstand sie nur die Hälfte, oder eigentlich nur Bruchstücke dessen, was aus dem Mund der Raeterin kam. Mieser Kerl…, brutal….,bekannt als der nutzlose Vetter. und Er spielt die Lyra…, grauenhaft. Semiramis schluckte erst einmal und starrte Phrima mit offenem Mund an. Dieser Irre hatte gar nicht diesem Eindruck auf sie gemacht. Aber es mußte einen Grund geben, weshalb Nike sich so benommen hatte und Angst vor dem Flavier hatte.
    Als Semiramis endlich angezogen war, folgte sie Phrima, wenn auch etwas mit gemischten Gefühlen. Das konnte ja noch heiter werden! Ganz klar, hier würde sie nicht alt werden. Auf gar keinen Fall!

    Niemals hätte sie geglaubt, daß sie mit ihrer Drohung einen solchen Erfolg bei der alten Hexe erzielen würde. Die Alte war dadurch richtig eingeschüchtert. Vor diesem seltsamen Vogel hatte sie einen großen Respekt, was sie sogar dazu veranlasste, den Fluch zurückzunehmen. Aber wieso nur?
    Semiramis sah der Alten noch nach, wie sie schmollend das Bad verließ und dabei noch einmal zurück geiferte, die Zeit sei jetzt um.
    Die Syrerin grinste daraufhin der Raeterin verschmitzt zu und ergriff deren Arm, um aus dem Becken zu steigen. "Danke, für deine Hilfe!"
    Sie hatte genug vom Baden! Jetzt nur noch ein frisches Handtuch und trockene Kleider, bevor sie sich noch den Tod holte. Semiramis begann sich abzutrocknen und dachte dabei noch einmal über Nikes Verhalten nach.
    "Aber jetzt mal ehrlich, was ist denn an diesem Kerl so besonderes, dass die alte Hexe so panisch reagierte? Die hat sich ja fast ins Hemd gemacht!", fragte sie Phrima. Auf den ersten Blick hatte die Syrerin nichts Außergewöhnliches an dem Flavier feststellen können, außer daß er hochgestochen und blasiert war.

    Das waren ja richtig tolle Neuigkeiten! Einfach umwerfend, was Semiramis da von Phrima erfuhr. Die Syrerin war beileibe nicht Abergläubisch, aber mit Hexen und den den dunklen Künsten war das so eine Sache. Ihre Bedenken wurden noch gestärkt, indem die Alte mit einem Mal, scheinbar ganz ohne Schwierigkeiten sich aus dem Becken stemmte und wie durch Zauberhand am Beckenrand stand. "Junge, Junge!" dachte Semiramis laut. Das war ja ganz schön beeindruckend, was die Alte da vollführte. "Wie geht denn so was?" Entweder hatte sich die alte Hexe wirklich gut gehalten und war dadurch in ihrem Alter noch so gelenkig oder es war tatsächlich schwarze Magie im Spiel!
    Das war ja jetzt wirklich knifflig! Es mußte doch eine Möglichkeit geben, wie man die Alte in ihre Schranken weisen konnte. Irgendetwas, was mächtiger war, als sie. Semiramis überlegte angestrengt, während sie noch immer im kalten Wasser des Beckens stand und langsam zu frieren begann. Aber Semiramis´ Phantasie, die ihr als Märchenerzählerin in den letzten Jahren das nötigste zum Leben eingebracht hatte und die sie auch jetzt nicht im Stich ließ, übertraf sich wieder selbst.
    Aber natürlich! Der verrückte Flavier, der sie gekauft hatte und seine ganze Familie, die sie ja noch gar nicht kennen gelernt hatte, mußte die Lösung dafür sein. Nun ja, Piso hatte auf sie nun wirklich nicht den Eindruck gemacht, besondere Kräfte zu haben. Aber bekanntlich gab es ja in einer Kette immer ein schwächstes Glied. Was, wenn er nun diese Schwachstelle war und der Rest seine Mischpoche über unglaublich starke Zauberkräfte verfügte, die es ihnen erlaubten, Macht über die alte Hexe zu haben und sie sogar als ihre Sklavin zu halten? Genauso mußte es sein!
    "Du wirst den Fluch zurücknehmen, alte Hexe! Und du wirst mich und Phrima auch in Zukunft in Ruhe lassen! Sonst..." Jetzt mußte sie alles auf eine Karte setzen! "Sonst hetzte ich den verrückten Flavier auf dich und der macht dann kurzen Prozeß mit dir! Hast du das jetzt?"
    Ha, das hatte gesessen! Die Alte schaute auf einmal ganz verdutzt. Der Flavier war also doch zu etwas Nütze! :D

    Das kalte Wasser konnte Semiramis nicht mehr viel anhaben. Sie war von oben bis unten klatschnaß bis auf die Haut. Nässer konnte man nicht mehr werden.
    Dabei hatte sie alle Hände voll zu tun, die alte in Schach zu halten, da Phrima nun wirklich keine echte Stütze war, wenn es gegen Nike ging.
    "Hä? Was ist los?", schrei Semiramis ihr zu, weil sie des alpenländischen Kauderwelschs, dessen Phrima sich wieder einmal bediente, nicht verstanden hatte. Doch die Raeterin bewies, daß sie auch anders konnte.
    "Nein, was passiert denn, wenn man eine Hexe tötet?", fragte die Syrerin unschuldig, derweil sie die Alte noch immer unter Wasser drückte.
    Vielleicht hatte Phrima ja recht, was sie sagte. Damit die Alte nicht frühzeitig die Reise in die Unterwelt antrat, zog sie sie wieder nach oben, damit sie nach Luft schnappen konnte. Die alte Hexe jedoch verblüffte sie schon wieder. Statt nach Luft zu japsen, kicherte sie, so wie es eben nur Hexen machten. Davon so irritiert, ließ Semiramis von ihr ab. Diese Hexe war ihr nicht geheuer! Vielleicht bestand ja so auch die Möglichkeit, daß die Alte ihren Fluch wieder zurück nahm.
    "Na schön, ich laß dich in Ruhe. Aber dafür nimmst du sofort den Fluch wieder zurück." Das war doch ein guter Handel, dachte Semiramis. Nur was, wenn die Alte sie wieder linkte?

    Diese alte Hexe! Wie hatte sie das nur fertig gebracht, fragte sich nicht nur die Raeterin, nein auch Semiramis konnte sich darauf keinen Reim machen. Das war Magie! Und zwar von der übelsten und schwärzesten Sorte, die es gab!
    Semiramis verging das Lachen, als die Hexe ihren Fluch gegen sie aussprach. Nie wieder sollte sie ihre Heimat sehen? Nein das ging zu weit!
    Phrima indes schien gänzlich von dieser Kanaille eingeschüchtert zu sein. Das konnte doch nicht sein! Eigentlich hätte dies Semiramis eine Warnung sein sollen, sich mit der Hexe nicht weiter anzulegen. Doch wie allzu oft in ihrem Leben hörte sie nicht auf diese übervorsichtigen Warnungen. Wahrscheinlich war dies auch letztlich der Grund, weswegen sie eigentlich als Sklavin in Rom gelandet war, fernab der Heimat und fernab ihrer Freunde.
    "Du alte Hexe du! Solche Weiber wie dich, ersäuft man im nächsten Brunnen, oder grillt sie am Spieß, wenn gerade kein Wasser da ist!", schrie sie der Alten entgegen.
    Wie eine Irre stürzte sie sich nun auf die klatschnasse Nike und stieß sie zurück ins Becken. Dummerweise fiel sie diesmal gleich selbst mit hinein, so daß sie schließlich doch noch zu ihrem kalten Bad kam. Sie schrie auf, als ihr Körper mit dem kalten Wasser in Berührung kam. Doch zum Frieren hatte sie jetzt keine Zeit! Sie mußte die Alte in Schach halten. "Deinen dreckigen Fluch nimmst du sofort zurück! Hast du verstanden!", schrie sie sie an und drückte sie dabei abwechselnd ins Wasser, ließ ihr aber genügend Zeit, um Luft zu holen und gegebenenfalls auch zu sprechen.

    Das War ein Bild, als die Alte im hohen Bogen ins Becken flog, begleitet von Semiramis lautem Lachen. Da nahm sie doch gerne einige Spritzer des kalten Wassers in Kauf!


    Zu Semiramis hämischem Gelächter gesellte sich plötzlich noch das der anderen Sklavin, die diese eigenartige Sprache gesprochen hatte. Sie sah auf und fing sie mit ihren Augen ein. Sie hatte eine frische Tunika und Handtücher für sie dabei. Nun, die Handtücher würde sie momentan noch nicht brauchen, es sei denn ein Wunder geschah und das Waser erhitzte sich auf wundersame Weise.
    Die alte Hexe meldete sich noch einmal kurz aus dem Becken und befahl der Sklavin, sie da herauszuholen. Doch die entgegnete ihr etwas, was Semiramis beim besten Willen nicht verstehen konnte. Offenbar war das so eine Art von Absage. „Na, und? Schön naß!“, rief sie der Alten noch schadenfroh zu.
    Die Sklavin, die Phrima hieß, näherte sich Semiramis. Jetzt stellte sich heraus, daß sie auch noch in einer verständlichen Sprache kommunizieren konnte.
    "Freut mich, Phrima. Ich heiße Semiramis. Sag mal, ist das hier euer einziges Bad? Ich meine, gibt es hier kein warmes Wasser? Da friert man sich ja noch die wichtigsten Teile ab." Außerdem hatte doch dieser Wicht gesagt, hier gäbe es ein Bad, in dem man sogar schwimmen konnte. Oder hatte sie sich das jetzt nur eingebildet?

    Semiramis von Damaskus! Wow! Das hörte sich vielleicht gut an! Obwohl es die häßliche Alte war, die das mit einer solchen Ehrfurcht sagte, daß sie beinahe Gänsehaut davon bekam. Wenn sie hier weg war, würde sie sich nur noch so nennen. Das schindete enormen Eindruck bei den Leuten. Aber Semiramis war nicht auf den Kopf gefallen. Schon bald merkte sie, dies war nur die Art, wie sich die alte Hexe über sie lustig machte.
    "Ach herrje, wirklich?" fragte sie spöttisch. "Das glaube ich dir auf´s Wort! Für die Syrerin war es ein Leichtes, sich vorstellen zu können, wie die Alte vor rund hundertfünfzig Jahren ausgesehen haben mußte, damals als sie noch jung war. Da wollte sie wahrscheinlich schon keiner haben. Doch die Alte ging zum Gegenangriff über und machte Semiramis abwegige Vorstellungen von einem entspannenden Bad endgültig ein Ende. Sie war gerade im Begriff, Semiramis ins Wasser zu stoßen, als plötzlich die Tür auf ging.
    Ein Wortschwall in einer nicht zu identifizierenden Sprache brach über die Alte herein. Die junge Frau die hereingekommen war, sah eigentlich ganz nett sein. Aber auch das konnte nur Tarnung sein. Leute die man nicht verstand, sollte man auch nicht über den Weg trauen! Semiramis war sich zwar durchaus bewußt, das Erscheinen der Frau hatte sie vorerst vordem kalten Wasser bewahrt. Trotzdem ahnte sie nichts Gutes. Das war keine Villa, das war ein Irrenhaus!
    Die beiden begannen sich zu streiten, wer sich der neuen Sklavin, die eigentlich nach eigenen Angaben ja gar keine war, annehmen durfte. Zu Semiramis Entsetzen setzte sich die Alte durch. Aber für die Syrerin war klar, wenn hier einer Baden gehen würde, war es die Alte! Sie jedenfalls nicht!
    "Das glaubst auch nur du! Nimm du doch ein Bad! Das soll schön machen, habe ich gehört!" Mit einem Ruck zog sie die Alte zu sich und stieß sie ins Becken, so daß das Wasser nur so spritzte!

    Semiramis wollte schon lautstark protestieren! Nur eine halbe Stunde wollte er ihr zugestehen? In einer halben Stunde konnte man ja kaum ein schönes erquickendes Bad nehmen. Aber bevor sie nur einen Ton sagen konnte, zog die Alte sie schon mit sich fort. Und überhaupt, wieso wollte er sie dann in seinem cubiculum sehen? Der wollte doch nicht etwa..? Na, sie würde ihm das schon gründlich austreiben!


    Die Alte war wirklich unheimlich. Sie sah nicht nur aus, wie eine Hexe, sie war es auch, so wie sie behauptete. Semiramis hörte ihr nur zu und wurde immer stiller. "Aha!", war alles, was sie sagte. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihr Glauben schenken sollte, oder nicht. Aber die Alte erinnerte sie sehr stark an eine alte Hexe aus ihren Märchen, die kleine Kinder fraß. Wenn man mal nach den Zähnen der Alten ging, fraß die bestimmt keine kleinen Kinder mehr. Nun starrte sie sie an, so als wolle sie von ihr hören, mit wem sie es zu tun hatte.
    "Ich bin Semiramis", sagte sie vorsichtig. "Aus Damaskus und ich bin Tänzerin und Märchenerzählerin."
    Sie erreichten die Tür zum Bad und Semiramis war noch voller Vorfreude auf das erfrischende Nass. "Oh ja! Ich freue mich schon so auf das Bad." Die Alte öffnete die Tür und der Syrerin rutschte erst einmal der Unterkiefer runter. Wenn das das Bad sein sollte, hatten die Flavier aber ganz schön viel gespart! Oder vielleicht wurde das richtige Bad gerade renoviert und dies war nur ein Notbehelf.
    "Äh, hier kann man aber gar nicht schwimmen!" Das war ihr einziger Kommentar. Nein, das Bad gefiel ihr überhaupt nicht! Außerdem war der Raum nicht geheizt! Hoffentlich war das Wasser warm genug.
    Etwas widerwillig legte sie ihre Kleidung ab. Die Alte war zwar eine Frau, aber sie mochte es nicht, wenn man ihr dabei zusah. Vorsichtig stieg sie ins Wasser und stieß sofort einen hohen kreischenden Schrei aus. "Das ist ja eiskalt!" Na warte, dem Römer würde sie nachher noch etwas erzählen!