Nun ja, vielleicht war ja Häuschen ein wenig untertrieben. Palast wäre das richtigere Wort gewesen! Semiramis staunte mit offenem Mund. Jetzt sah sie den Römer mit ganz anderen Augen. Vielleicht verbarg sich hinter ihm ja doch nicht dieser Angebertyp, für den sie ihn gehalten hatte. "Aha und hier wohnst du also! Starke Hütte! Wirklich!", meinte sie anerkennend.
Einen extra Türöffner hatten sie hier auch. Semiramis staunte noch mehr und als sie erst das Innere der Villa betrat, hätte sie beinahe der Schlag getroffen! So viel Reichtum, so viel Pracht. Es war wie in ihren Märchen, die sie und der alte Aziz den Leuten immer erzählt hatten.
Semiramis´Augen leuchteten, als sie die edle Beschaffenheit der flavischen Einrichtung begutachtete. Hier sollte sie also ab heute leben! Sofort beschloß sie, daß das Türmen, was sie ursprünglich für morgenfrüh angesetzt hatte, auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Sie freute sich schon auf ihr Bad und die neuen Kleider und dann wollte sie noch mehr von der Villa sehen.
Dummerweise achtete sie nicht auf die entgegenkommende Sklavin, denn sie war von den wunderschönen Fresken an den Wänden ganz begeistert und somit abgelenkt. Als eine krächzende Stimme sie plötzlich anfuhr, erschrak sie erst einmal. Als sie in das Gesicht der Alten blickte, fuhr sie vor Schreck zusammen und als die Alte schließlich meinte sie würde jetzt mit ihr mitkommen müssen, hätte sie sich am liebsten an den Römer geklammert. Aber es half nichts. Sie mußte mit der alten Hexe mitgehen! Ihr erster Gedanke war, die Alte hat bestimmt Mundgeruch! Ihr erster Gedanke täuschte sie nicht. Sie hatte Mundgeruch! Alleine das Aussehen der alten Frau ekelte sie schon an. Sie hatte ja schon öfters Geschichten über lebendeTote gehört. Diese Sklavin mußte eine solche lebende Tote sein!
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Der Knollennasenmann hatte es offensichtlich auch mit den Ohren. denn er schmatzte immer noch laut, während Semiramis darauf wartete, endlich von dieser Fessel befreit zu werden. Er brauchte erst noch eine Extraeinladung von dem Flavier, bis er in die Gänge kam.
"Na endlich!", sagte sie vorwurfsvoll zu dem Knollennasenmann und warf ihm einen vernichtenden Blick zu, obwohl der wohl am wenigsten dafür konnte. Semiramis rieb sich das Handgelenk und besah es ganz pikiert, weil das Seil sich in ihre Haut eingeschnitten hatte. "Na toll! Da sieh mal, was dein blödes Seil angerichtet hat! Hoffentlich geht das wieder weg!", meinte sie ebenso vorwurfsvoll zu Piso.
Natürlich rannte sie jetzt nicht weg. Auch wenn sie es nicht immer ganz so ehrlich meinte, mit den Geschäften, die sie machte, so galt dennoch ihr Wort. Außerdem, so eine Nacht in einer schicken Villa zu verbringen, war auch nicht schlecht! "Wirklich, du wohnst in einer echten Villa? Habt ihr da auch ein Bad, in dem man richtig schwimmen kann?" Gegen einen Wellness-Tag war ja wirklich nichts einzuwenden.
Endlich reichte er ihr einen Trinkschlauch, den sie ihm auch mit einem heftigen Ruck aus der Hand riß und trank. "Macht nichts, für mich hat es gereicht!", sagte sie grinsen und drückte ihm den leeren Schlauch wieder in die Hand.
"Na schön, dann zeig mir mal dein Häuschen!" Nachdem sie etwas im Magen hatte, sah die Welt schon ganz anders aus! -
Während sie schmollte, knurrte ihr Magen unvermindert weiter. Ihre Geschmacksknospen im Mund freuten sich schon wie wahnsinnig auf ein Stückchen Brot und produzierten noch mehr Speichel, so daß Semiramis Mühe hatte, ihren Mund gut verschlossen zu halten. Das Schlimmste war allerdings zu hören, wie der Sklave des Römers sich an seinem Teil des Brotes gütlich tat und mit einem solchen Genuß schmatzte, daß es der halbe Platz hören konnte.
Das war wirklich zum aus der Haut fahren! Und überhaupt, mußte das einfach nur ein ganz widerlicher Traum sein! Semiramis würde bestimmt gleich von dem alten Aziz geweckt werden. Aufwachen, meine Kleine! Du hast nur schlecht geträumt. Sieh mal, ich habe uns ein Leib Brot gekauft!
Aber vergeblich wartete sie auf ein sanftes wachrütteln und die gütige, raue Stimme des Alten. Stattdessen drang ein einsichtiges Hier an ihr Ohr. Sie drehte sich zögernd zu ihm um, damit sie sehen konnte, was er mit Hier gemeint haben könnte. Er hielt ihr jetzt ein Stück seines Brotes entgegen und er bat!, ja richtig gelesen, er bat sie, mit ihm zu kommen. Er versprach ihr sogar, die eine Fessel noch abnehmen zu lassen, wenn sie ihrerseits verspräche, nicht wegzulaufen. HA! Wenn das nicht ein vortrefflich, famoser Sieg für sie war! Außerdem bot er ihr nun die perfekte Vorlage, um sich einfach aus dem Staub zu machen. Nie im Leben würde dieser Togaheini mit ihr mithalten können, wenn sie erst einmal losgesprintet war! Dummerweise kam jetzt ihr schlechtes Gewissen dazwischen, dieser alte Spielverderber! Ach nein, einfach so abhauen? Das konnte sie jetzt nicht bringen! Ganz der Devise, was du heut nicht kannst besorgen, das verschiebe halt auf morgen, entschloß sie sich, nicht wegzurennen. Natürlich sprang sie nicht sofort auf sein Angebot, sondern ließ sich Zeit, viel Zeit, bis sie sich dazu herabließ, das Brot zu nehmen, beziehungsweise....
Jetzt, da ihre für Geschmacksknospen das Brot in greifbare Nähe gerückt waren und sie bereits, den Geschmack des Brotes bereits in ihrem Mund schmecken konnte, wurde ihr Speichelfluß noch einmal um ein vielfaches erhöht. Deswegen war zuerst einmal ein leicht unappetitliches, schlürfendes Geräusch zu hören, bevor sie antworten konnte.
"Na schön! Ich verspreche, nicht wegzurennen, heute jedenfalls. So und jetzt gib das Brot her!" Daraufhin riß sie ihm das Brot aus der Hand und begann gierig hineinzubeißen, wie eine hungrige Wölfin, der man schon tagelang die Beute verwehrt hatte. Sie schlang jeden Bissen hinunter, bis von dem Brot nicht der kleinste Krümel übrig war. "Oaah, hast du auch was zu trinken dabei?" -
Semiramis wurde langsam rot vor Zorn. Dieser Kerl drehte ihr doch einfach die Worte im Mund herum und dabei kam er sich auch noch wahnsinnig schlau vor. Solche Klugscheißer konnte Semiramis überhaupt nicht abhaben.
"Soll das ein Versprechen oder eine Drohung sein?" fragte sie spöttisch auf seine Ankündigung hin. Das konnte ja noch heiter werden. Vielleicht sollte sie ich jetzt einfach von dem Knollennasenmann losreißen und davonrennen. Dann wäre sie endlich diesen Dummschwätzer los. Etwas zu essen würde sie auch selbst auftreiben können.Ihr liebliches Lächeln war ihr mittlerweile längst vergangen. Diesmal stak sie ganz tief in der Patsche und weder Aziz noch sonst einer ihrer Freunde waren da, um ihr zu helfen. Sie war ganz allein und ganz weit weg von zuhause. Das wurde ihr nun bewußt. Langsam schwand ihre Hoffnung und dabei machteder Römer sich auch noch über sie lustig. Semiramis wurde verdächtig ruhig und ließ ihren Kopf hängen. Sie konterte nicht einmal mehr auf die verbalen Ergüsse des Römers, selbst als er ihre Antwort zu seinen Gunsten mißbrauchte und erneut eine versteckte Anspielung machte, hinsichtlich der Damen des horizontalen Gewerbes. Sie hätte heulen können, denn letztlich war sie doch nur ein Mädchen, daß einsam und verlassen war, in einer fremden Stadt.
Als der Römer seinen Sklaven nach Brot fragte, war das ihr Stichwort! Ihr Magen knurrte jetzt deutlich hörbar und das Loch in ihrem Magen wurde immer größer.
Das gab es doch nicht! Der Knollennasenmann packte ein großes Stück Brot aus und der Römer riß ein Stück davon ab und ließ es in seinem Mund verschwinden. Ihr Mund wurde feucht und ihre Augen schauten gierig nach dem Brot. Hätte sie beide Hände frei gehabt, hätte sie ihm das Brot einfach aus der Hand gerissen.
Hätte er doch nur seine Schnauze gehalten! Natürlich wußte sie, wie gut das Brot war. Jedes Brot war gut, wenn man Hunger hatte. Jetzt versuchte er sie also mit dem Brot zu ködern, dieser Wicht! Schwacher Versuch! Das war einfach zu viel! Nicht auf diese Tour! Nicht mit Semiramis!
"Dein Brot kannst du dir sonst wohin stecken!", entgegnete sie ihm trotzig und schaute schmollend in eine andere Richtung , bereute es aber schon kurz danach. -
"Das wollte ich die auch geraten haben!", zischte sie giftig. Semiramis hatte langsam die Nase voll. Dieser Hanswurst kam sich ja unheimlich schlau vor. Das fuchste sie so sehr, daß sie sich richtig zusammennehmen musste, damit sie ihm nicht an die Gurgel ging. Dummerweise war es tatsächlich so, daß es für sie immer enger wurde. Aber sich einfach so geschlagen geben, das entsprach nicht Semiramis Art.
"Woher soll ich wissen, was du bist? Ich kenn dich ja gar nicht. Und außerdem nehm ich dir das nicht ab! Du siehst nicht aus, als ob dir die Weiber haufenweise hinterher rennen." Oh, ja, das war ganz schön Böse von ihr! Jetzt wurde es langsam persönlich. Aber auf diese Weise wollte sie ihn aus der Reserve locken.
"Du glaubst wohl alles, was man dir erzählt!" verhöhnte sie ihn, als er auf ihr angebliches Verwandtschaftsverhältnis mit dem parthischen Großkönig ansprach. "Flavius? Nö! Nie gehört! Sollte man die kennen?" Ob das auch solche Dummschwätzer waren wie, wie er hier, fragte sich Semiramis amüsiert.
"Wie? Das Geschäft gefällt dir nicht! Eben hast du mich doch gekauft und glaubst doch tatsächlich, mein Herr zu sein. Das hat doch nichts mit Kriminell zu tun. So haben wir immer unseren Unterhalt verdient. Vom Geschichtenerzählen und Tanzen allein, wird man nicht satt. Und was heißt da Strafe?" Nein, nein, nein! So konnte das nicht weitergehen. Der Kerl meinte es ernst! Der wollte sie tatsächlich als Sklavin halten, wie ein Tier!
"Na klar bin ich erbost! Und wie! Wenn ich so einen Mist höre. Nichts wird gut! Wenn ich mitkommen soll mußt du mich entweder tragen oder hinter dir her zerren! Freiwillig mache ich keinen Schritt! Nur damit du´s weißt!" Semiramis wäre das erstere lieber gewesen. Durch die Gassen geschleift zu werden, damit zog man immer so viel Aufmerksamkeit auf sich. -
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte der Knollennasenmann nicht verstanden, was Semiramis ihm mitgeteilt hatte. Er grinste nur doof und faselte etwas von Möhren. Dabei konnte Semiramis kurzzeitig einen flüchtigen Blick auf seine Beißerchen werfen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit zertrümmerten Häusern aufwiesen. Angewidert verzog sie ihr Gesicht. Das konnte ja noch heiter werden!
Wenigstens quatschte ihr der Römer nicht dazwischen, während sie sprach. Das war das einzig Positive. Allerdings traute er sich nicht, ihrer Aufforderung nachzukommen, weswegen sie ihn schon verhöhnen wollte. Diese Römer, alle samt Hosenschisser, äh pardon, Tunikaschisser!
Stattdessen hielt er ihr seinerseits nun eine Rede, in der er den Beruf des Sklavenhändlers verteidigte, irgendetwas von freier Marktwirtschaft und Zahlensystemen faselte, von dem sie sowieso nichts verstand.
Sein Angebot, sie nach Hause mitnehmen zu wollen, wo sie sich baden könne, etwas zu Essen bekäme und dann, nun ja, das würde man dann schon sehen, entrüstete sie.
"He, was glaubst du denn??? Meinst du vielleicht, ich bin eine von denen? Das kannst du dir abschminken! Ich geh nicht mit dir nach Hause und dann sehen wir weiter!" Semiramis war außer sich. Da konnte dieser Lustmolch noch so streng gucken. Und überhaupt interessierte es sie nicht, wie sein Name war. Allerings nahm sie es ihm nicht ab, daß so einer wie der mit Kaisern verwandt sein sollte.
"Ja, natürlich! Und ich bin die jüngste Tochter von Osroes, dem Shahinshah von Parthien." Angewidert von solchen infamen Lügen, winkte sie ab. "Du suchst doch nur nach einer Ausrede, weshalb du mit mir dieses Ding nicht durchziehen willst, weil du einfach nur die Tunika voll hast! Stimmt doch, oder?" Doch als besondere Beleidigung empfand sie sein Misstrauen gegenüber ihr. "Wer dir das garantiert? Na rate mal, wer wohl? Ich natürlich! Und übrigens, der alte Aziz heißt Aziz!", entgegnete sie pampig.
Aber es wurde noch schöner! Als er offenbar merkte, er kam so nicht weiter, begann er eine neue Masche. Von wegen aufgeregt! "Aufgeregt, wegen dir? Daß ich nicht lache, hahaha! He, wovon träumst du nachts?" -
Das war doch tatsächlich die beste Idee, die er bisher hatte, nämlich ihr endlich diese blöden Fesseln abnehmen zu lassen. Semiramis dankte es ihm mit ihrem unvergleichlichen Lächeln. "Danke Mann! Endlich einer, der mitdenkt!" Der komische Kauz mit der Knollnase begann sogleich die Fesseln zu lösen. Ach, war das ein Gefühl, als sie ihre linke Hand wieder frei bewegen konnte! Aber warum machte er denn jetzt nicht weiter? Das passte überhaupt nicht in ihrem Plan! Er beließ die Fessel an der rechten Hand und hielt das Seilende fest in seiner Hand. "Was ist, Knollennasenmann? Ich hab zwei Hände!" meinte sie mit einer auffordernden Geste zu dem Sklaven. Sie wollte ja nicht unfreundlich sein, aber ihr die Fessel an der einen Hand zu belassen, fand sie nun auch nicht gerade nett.
Piso indes war sein dämliches Grinsen mittlerweile vergangen. Semiramis war das sowieso viel lieber gewesen. Sie mochte es überhaupt nicht, wenn ein wildfremder Kerl sie so ansah. Allerdings konnte oder besser gesagt wollte er Semiramis Meinung ganz und gar nicht teilen. Wieder hatte sie das Gefühl, er mach sich über sie lustig, weil er plötzlich begann, ihr Gesagtes zu analysieren.
"Also hör mir mal zu! Nur weil du vielleicht ein bißchen mehr Glück hattest im Leben, brauchst du mich noch lange nicht so von oben herab zu behandeln! Und außerdem, ich schreie nicht!", schrie sie. Sie hatte ja Verständnis für diese Römer, die immer alles genau wissen wollten und deshalb manchmal etwas länger brauchten, um zu verstehen, was der Rest der Welt eigentlich von ihnen wollte.
"Warum sollte ich dich Herr nennen? Gut, ich habe vielleicht vergessen, mich gleich bei dir zu bedanken, daß du mich aus den Händen dieses schmierigen Mistkerls befreit hast. Also, Dankeschön auch! Aber eins will ich dir mal sagen. Der Kerl hat dich ganz schön übers Ohr gehauen, denn der hat dem alten Aziz in Damaskus nur schlappe dreihundert Sesterzen gezahlt! Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Drei-hun-dert Sesterzen! Du hast ihm 1610 Sesterzen gegeben. Äh sag mal, was solltedaseigentlich mit den zehn Sesterzen? Bist wohl Individualist, oder wie das heißt, hä? Und davon,also von den dreihundert, soll einer leben? Das ist ja wohl ein Witz! Dieses Aas macht hier seinen satten Reibach, während andere am Hungertuch nagen! Apropos Hunger, da fällt mir ein, ich habe heute noch gar nichts gegessen! Ach, ähm, wo waren wir eigentlich stehen geblieben? Ach ja richtig! Wie du wieder an dein Geld kommst! Also das ist eigentlich ganz einfach! Das haben wir mindestens schon tausendmal gemacht, der alte Aziz und ich. Also, Aziz, das wärest dann du, sucht sich einen Idioten in der Menge aus, dem er mich verkaufen will. Er, also du bequatschst den Kerl dann solange, bis er einen ordentlichen Preis zahlt. Der Kerl gibt dir das Geld, ich gehe mit dem Kerl und spätestens am Abend mache ich mich dann wieder aus dem Staub. Auf diese Art kannst du an richtig viel Zaster kommen. Man muß es nur richtig anstellen! Na, was meinst du, ist doch eine tolle Idee! Sollen wir es vorher erst mal üben? Also ich bin der Kerl den du ausgesucht hast. Na, komm probier’s mal! Ich lache auch nicht, wenn es beim ersten Mal nicht klappt!" Böse Zungen behaupteten ja, Semiramis würde viel zu viel reden, was sie eigentlich gar nicht so richtig nachvollziehen konnte.
Jetzt sah sie Piso ganz erwartungsvoll an und zwinkerte ihm aufmunternd zu, es doch einmal zu versuchen. -
Endlich hatte dieser Widerling seine schmutzigen Hände von ihr genommen. Hätte er sie auch gleich von ihren Fesseln befreit, hätte sie ihn vielleicht sogar zum Abschied noch geküßt. Aber daraus wurde nichts, den Göttern sei Dank!
Der Römer, der soeben ein kleines Vermögen für sie ausgegeben hatte und dem sie dafür aus der Patsche geholfen hatte, bedankte sich bei ihr. Aha, doch nicht einer von diesen hochnäsigen Angebern, dachte Semiramis sich. Es klang (vorerst) ganz freundlich, was er sagte.
"Ach, nichts zu danken! Schwamm drüber! Das hab ich doch gerne gemacht! Aber das war auch nichts Besonderes. So was mache ich normalerweise jeden Tag. Also in letzter Zeit nicht mehr, aber bis vor kurzem noch. Und ähm ja, genau das wollte ich dir auch noch sagen, denn ich.. ich… Äh ja, Semiramis heiße ich. Aber ich.. äh ich… Aha, schön dich kennen zu lernen, Piso! Aber ich bin … ich… Ja, das ist wirklich nett von dir aber das ist nicht nötig, denn….äh, denn ich bin …nein ich bin gar keine… was?" Dieser Kerl plapperte die ganze Zeit und ließ sie nicht einmal ausreden! Dabei wollte sie ihm doch einfach nur erklären, daß sie doch …äh nein… äh eigentlich… Nun grinste er auch noch so dämlich! Nicht genug, daß man sie soeben wie ein Stück Vieh an den Mann gebracht hatte, nun machte er sich über sie auch noch lustig! "Verdammt noch mal! Laß mich doch mal ausreden! Ich bin keine Sklavin! Wirklich nicht! Das ist alles nur ein ganz dummer Irrtum! Und ich werde dich bestimmt nicht Herr nennen, nein!", schrie sie ihm entgegen. "Es tut mir ja leid, wenn du wegen mir so viel so viel Geld bezahlt hast. Aber weißt du was? Ich mach dir einen Vorschlag, wie du das wieder zurück kriegst!" Verschwörerisch zwinkerte sie ihm zu. Was schon duzende Mal in Damaskus geklappt hatte, konnte auch in Rom klappen, davon war Semiramis überzeugt. -
"Du wolle gleich mitnehmen, Frau?", fragte der Grobian, wobei Semiramis ihn ganz fasziniert von der Seite musterte, da sie die ganze Zeit geglaubt hatte, er könne gar nicht sprechen. So konnte man sich in der Menschheit täuschen, oder was man so alles für die Menschheit hielt.
In der Zwischenzeit hatte der Römer all sein Geld zusammengeklaubt. Er hatte alles, bis auf die zehn Sesterzen. Jetzt begann das große Suchen, nach den letzten fehlenden Münzen. Semiramis beobachtete nur stumm und verrollte die Augen, nachdem die beiden, Herr und Sklave endlich noch zehn Sesterzen zusammen bekamen und dem Römer bei der Übergabe auch noch eine Münze aus der Hand fiel. Jetzt waren es nur 1609 Sesterzen und 3 Asse.
"Das zu wenig! Du nix können mitnehmen, Frau!" Semiramis seufzte! Womit hatte sie das nur verdient? Sie hätte schreien, oder sich vor Frust in den Arm beißen können! Die Münze lag doch direkt vor dem Grobian! Er mußte sich nur bücken! Wären Semiramis Hände nicht gebunden gewesen, hätte sie sich gebückt und das fehlende Ass aufgehoben. Dann wäre allen geholfen gewesen.
Doch eine unbewegliche Kraft raste in diesem Moment auf ein unbewegliches Ziel zu und keiner der Beteiligten befand, daran etwas ändern zu wollen. Glücklicherweise war Semiramis außerordentlich gelenkig. Denn in ihren jungen Jahren hatte sie gelernt, sich wie die Schlangenmenschen aus dem fernen Osten zu bewegen. Langsam begann sie sich nach unten zu bewegen und schaffte es schließlich, dicht über dem Boden mit Hilfe ihres Mundes die Münze aufzuheben. Dann kam sie langsam wieder hoch und streckte dem Grobian die Münze entgegen. Wie sie das geschafft hatte, war ihr Geheimnis. Es hatte jahrelanges Training und gute Körperbeherrschung vorausgesetzt. Endlich wußte sie, wofür sie das alles all die Jahre gelernt hatte!
Der Grobian nahm ungläubig die Münze an sich, besah sie sich noch einmal genau und nickte dann, nachdem er noch mal nachgerechnet hatte. "Is gut! Du können mitnehmen, Frau!" -
Dieses Dreckschwein von einem Sklavenhändler! Nicht genug, daß er sie an den unmöglichsten Stellen betatscht hatte, nun zerrte er sie auch noch so fest am Arm, das es blaue Flecken geben mußte. Aber Semiramis´ Tritt hatte ihm bewiesen, daß sie sich nicht alles gefallen ließ. Was er ihr daraufhin zugeflüstert hatte, hätte jedem hartgesottenen Halsabschneider die Schamesröte ins Gesicht getrieben. Das machte Semiramis nur noch zorniger. Wenn sie gekonnt hätte, dann hätte sie dem Widerling die Augen ausgekratzt. Besser war es aber, sie hielt sich zurück, sonst würde ihr junges Leben noch hier und heute auf diesem elenden Podest enden, so glaubte sie. Eigentlich wollte sie nur noch, daß es endlich vorbei war. Sie hatte sich insgeheim schon ein Plänchen zurecht gelegt. Sobald man sie vom Podest herunter geführt hatte und sie endlich diese dämlichen Fesseln los war, würde sie die Flucht ergreifen und in die Menge abtauchen. Mit einem bißchen Glück hatte sie dann ihre Freiheit wieder zurück. Und das Schicksal sollte es gut mit ihr meinen...
Ungeachtet dessen, gingen die Gebote weiter hoch. einer, der sich besonders witzig fand, bot schließlich 1610 Sesterzen. Semiramis schaute hinunter auf den Mann, der in Begleitung eines leicht gebückt gehenden anderen Mannes war. Der arme Kerl war wahrscheinlich sein Sklave und er selber wohl einer von diesen arroganten superreichen Oberschichtaffen, von denen es hier in Rom jede Menge geben mußte.
Was war jetzt? Es bot gar keiner mehr! Waren die Leute etwa von diesem genialen Gebot so beeindruckt, daß ihnen glatt die Spucke weg blieb?
Sorgenvoll blickte der Sklavenhändler in die Menge. War das schon alles?
"Höre ich noch ein höheres Gebot? 1610 zum ersten…" Die Augen des Sklavenhändlers bewegten sich nach einer erhobenen Hand suchend über die Menge. Aber keiner bot mehr etwas. "1610 zum zweiten…" Nein, keiner! "…und zum dritten! Verkauft für 1610 Sesterzen für den netten jungen Mann dort drüben!"
Das durfte doch jetzt nicht wahr sein, schoß es durch Semiramis´ Kopf. Ausgerechnet der! Aber umso besser, dem konnte sie doch leicht entwischen!
Der Grobian von vorhin kamwieder und schob sie hinunter, damit ihr neuer Herr sie in Empfang nehmen konnte. -
Sim-Off: Wie wärs mit Joe Dassin Les Champs Élyssées?
Die Meute, die um den Podest herum standen, waren kurz davor, Stielaugen zu bekommen, besonders dann, als der Sklavenhändler Semiramis einmal um sich selbst herum drehte, damit die ehrenwerte Kundschaft auch die Rückenansicht der frischgebackenen Sklavin zu sehen bekam. Ohne Zweifel, die zierliche Syrerin hatte einiges zu bieten, was wohl auch der Grund war, weswegen die Gebote sich beinahe überschlugen.
Der Sklavenhändler war ganz eifrig bei der Sache und sah bereits die Berge von Münzen vor sich, die die Sklavin ihm einbringen würden. Niemals hätte er gedacht, daß ihm das störrische Weib so viel einbringen würde, obwohl er doch selbst dem alten Halsabschneider in Damaskus nur dreihundert Sesterzen gezahlt hatte.Semiriamis kochte innerlich vor Wut. Nicht nur, daß sie in der Falle saß auch die Tatsache, daß dieser schmierige Kerl von Sklavenhändler nun schon mehr als das dreifache an ihr verdienen würde, wie er Azizs für sie gezahlt hatte. Daß sie hier und heute einem neuen Besitzer zugeführt wurde, ließ sie eigentlich kalt. Wenn das Glück sie nicht ganz im Stich ließ, dann geriet sie an einen Schachkopf, dem sie über kurz oder lang wieder davonlaufen konnte. Dann würde sie sich eben in Rom durchschlagen. Rom oder Damaskus, wo lag da schon der Unterschied?
Der Sklavenhändler, der den Rachen nicht voll genug bekommen konnte, begann nun mit seiner zweiten Verkaufsphase, um selbst die zu mobilisieren, die eigentlich gar kein Interesse an der Sklavin hatte. Um die körperlichen Vorteile noch besser zur Geltung zu bringen, betatschte er seine Ware mit seinen dicken Wurstfingern und hob ihre Tunika an, damit man ihre wohlgestalteten Beine erkennen konnte. "1000 Sesterzen sind geboten, höre ich noch ein höheres Gebot? Seht nur, welch ein Prachtweib das ist! Die hat Beine, die gehen bis hier! Also höre ich ein höheres Gebot?" Die Taktik des Griechen ging auf, gleich kletterten die Gebote bis auf 1500 Sesterzen.
Beine waren Semiramis´Stichwort! Sie wäre nicht Semiramis gewesen, hätte sie es einfach so hingenommen, von dem Sklavenhändler auf diese Weise betatscht zu werden. Mit voller Inbrunst trat sie dem Griechen gegen sein Bein, so daß er zu straucheln begann. Nur mit großer Mühe konnte er sich wieder fangen und wetterte die Sklavin wütend an. Der Kundschaft gegenüber übermalte er seinen Zorn. "Seht ihr, was für ein Teufelsweib das ist? Mit ihr werdet ihr viel Spaß haben! Na, höre ich noch 1600 Sesterzen?" -
Ein Hauch von Anis lag in der Luft. Für einen kurzen Augenblick schloß Semiramis die Augen und sog den vertrauten Duft ein, ehe sie sie wieder öffnete und dem Grobian, der sie plötzlich mit seinen großen Pranken packen wollte, ins Gesicht schrie. "Nein, das ist ein Fehler! Ich bin keine Sklavin! Wie oft soll ich das euch noch sagen! Das war nur Spaß! Glaubt mir doch!" Mit aller Kraft versuchte sie sich aus seinen Fängen zu befreien. Sie schlug und trat um sich. Aber nichts half! Der Grobian, ein kahlköpfiger Ägypter grinste nur dumm und zog sie aus dem Bretterverschlag heraus, um sie anschießend den Schau - und Kauflustigen auf dem Podest zu präsentieren.
"Gib dir keine Mühe Mädchen, die Leier kennen wir schon! Wenn du keine Sklavin warst, dann bist du eben jetzt eine und glaub mir Kleine, der der dich abbekommt, wird seinen Spaß mit dir haben!", antwortete der Sklavenhändler, ein untersetzter, mondgesichtiger Grieche mit spärlichen Haaren und fetten Fingern, der sie in Empfang nahm und neben sich zerrte.
Sogleich richtete der Grieche seine Stimme an seine Kundschaft, die zahlreich um den Podest versammelt war.
"Sehet her Römer, was ich hier für euch habe! Ein liebliches Kleinod aus Syrien. Gut gewachsen und bei bester Gesundheit! Diese orientalische Schönheit wird euch so manche Stunde versüßen. Sie kann tanzen und Geschichten erzählen. Sie ist im Haushalt einsetzbar und wird auch eure einsamen Abende versüßen und das alles für ein Anfangsgebot von nur 300 Sesterzen! Da heißt es zugreifen!"
Semiramis Blick hatte sich mehr als verfinstert, als sie hinunter in die Menge schaute. Diesmal war ihr Plan ganz schön in die Hose, pardon, in die Tunika gegangen! Es war fraglich, ob sie den alten Aziz und ihr geliebtes Damaskus je wieder sehen würde. -
...umschmeichelte ihr Antlitz, auf der Suche nach ihrem Herrn. Ihn fand sie schließlich nach einer langen, beschwerlichen Reise in der ewigen Stadt. Wird sie sich treu und ergeben ihrem Schicksal fügen? Wer weiß..?
Name: Semiramis
Wohnort: Roma
Stand: Sklavin
Herr: Aulus Flavius Piso