Der Brief
Seit wenigen Tagen war Calvena erst im Schoss ihrer Familie und in der Obhut ihrer Verwandten. So langsam gewöhnte sie sich ein und auch so langsam kam sie zu Recht mit den Dingen, die sich für sie geändert hatten. Auch wenn ihr Leben nicht mehr das war, was es einmal gewesen war. Das Leben wurde durch Veränderungen beherrscht und man konnte diese Veränderungen selten aufhalten.
Hätte aber Calvena geahnt, dass sie in ihrer kurzen Zeit, die sie erst in Rom war, schon die Männerherzen scharenweise gebrochen hatte, dann hätte sie sich wohl vor lauter Verlegenheit in ihr Zimmer gesperrt und wäre nicht mehr freiwillig heraus gekommen. Deswegen war sie auch recht überrascht, als einer der Sklaven zu ihr kam und ihr mitteilte, dass ein Bote auf sie wartete und etwas für sie hatte.
Die Sklaven des Hauses hatten die junge Germanica schnell ins Herz geschlossen. Mit ihrer freundlichen und offenen Art hatte sie sich Beliebt gemacht, zu mal sie in ihren Anforderungen recht Bescheiden und Zurückhaltend war. Außerdem brachte sie etwas Schwung in das verstaubte Anwesen, überall wo sie auftauchte, gab es etwas Musik und auch Farbe und vor allem meist auch noch gute Laune. Zwar war es offensichtlich das sie etwas bedrückte, aber das würde sich mit der Zeit legen, sobald die junge Frau sich richtig eingewöhnt hatte.
„Domina!“ eine Sklavin hatte in ihrem Zimmer angeklopft und den Kopf rein gesteckt. „Würdest du bitte mitkommen… da ist ein Bote für dich!“
Verblüfft schaute Calven auf, in ihren Händen eine zerbrechlich wirkende Lyra, die eine der Sklaven in einer alten Truhe gefunden hatte. Von allen vergessen, von Calvena liebevoll wieder eingeölt und gestimmt.
„Ein Bote für mich?“ fragte sie ungläubig. Wer würde ihr schreiben, sie kannte doch nur wenige Menschen in Rom. Die Sklavin nickte eifrig. „So ist es domina!“ meinte sie nur und lächelte geheimnisvoll.
Neugierig geworden, stellte sie das wertvolle Instrument beiseite und folgte der Sklavin zur Tür und blieb dann aber abrupt stehen. Zwar stand dort ein Bote, leicht gelangweilt, aber hinter ihm, gehalten von einem Sklaven, ein Pferd, so weiß wie frischer Schnee in den Alpen. Als der Bote sie dann entdeckte, nahm er Haltung an und verneigte sich vor ihr.
„Herrin, mich schickt Titus Decimus Verus, er hat euch diesen Brief,“ er reichte ihr eine versiegelte Schriftrolle, „und dieses Geschenk bringen!“ sagte er pflichtbewusst, während sie nur staunend und vorsichtig um das edle Tier herum ging. Sie wusste wie wertvoll ein Pferd war, sie selbst hatten aber ihre Wagen nur von Esel ziehen lassen. Sie waren robuster gewesen, als Pferde.
„Für mich?“ fragte sie ungläubig und der Bote nickte bestätigend. Verus musste verrückt sein, wenn er ihr so etwas schenkte.
„Ich werde das Tier in den Stall bringen!“ erbot sich ein Sklave und führte das Tier fort, wobei er kurz dem Boten einige Münzen in die Hand drückte, für seine Dienste.
Sie schüttelte nur den Kopf, was hatte Verus bitte gebissen, dass er ihr ein Pferd schenkte…. Sie richtete ihren Blick auf die Schriftrolle und seufzte leise. Sie konnte doch nicht lesen…. Es war wohl besser, wenn sie ihren Onkel um Rat fragte. Eilig lief sie los, überließ es den Sklaven sich um ihr Geschenk zu kümmern und suchte ihren Onkel in seinem Büro auf.
*klopf* *klopf*