Beiträge von Germanica Calvena

    Langsam und allmählich schien Melina sich wieder zu beruhigen und zu sammeln. Auch wenn sie noch etwas traurig drein schaute und schniefte. Calvena wusste wie es Melina ging und auch wenn diese nun über ihren Kummer geredet hatte, war es im Grunde nur der Anfang. Melina brauchte Zeit, nur die Zeit konnte die Wunden heilen und den Schmerz lindern. „Du brauchst dich nicht bedanken... wenn du mit mir reden willst, dann hab ich immer ein offenes Ohr für dich.“ Melina umarmte sie stürmisch, dankbar und auch ein wenig halt suchend. Anscheinend hatte diese wirklich eine Freundin gebraucht, die ihr auch einmal zuhörte und nicht immer zu irgendwelchem Unsinn anstifte. Hinter der Fassade des Wildfanges versteckte sich eben eine traurige junge Frau, die noch auf der Suche nach sich selbst war. Irgendwann würde diese sicher auch fest mit beiden Beinen im Leben stehen, aber bis dahin durfte sie ruhig unsicher sein und auch mal über das Ziel hinaus schießen. Außerdem war sie ja kein schlechter Mensch, nur eben mit Brüdern aufgewachsen und Brüder waren nicht immer gute Zuhörer. Dafür aber gute Kumpels mit denen sich Pferde stehlen ließ und reichlich Unfug anstellen. Doch dann kam ein Mädchen meist etwas zu kurz und wenn die Brüder dann erwachsen waren, hatten sie wenig Verständnis für ein wildes Mädchen, welches ihren Brüdern nacheiferte.

    Samtschwarz hatte sich die Nacht über die Welt gelegt, nur die Sterne wirkten am Himmelszelt wie ferne kleine Lichtpunkte. Eine Sternschnuppe glühte kurz auf, ehe sie erlosch. Nur einen winzigen Augenblick hatte sie ihre Bahn gezogen und nicht einmal eine Spur hinterlassen. War es auch so mit dem Menschenleben? Das man nur Kurz da war, erlosch und dann vergessen war. Trotz der wächsernen Ahnenmasken, welche die Familien sorgfältig hüteten. Staubig und mit leeren Augen blickten sie von den Wänden der Lararien herunter und waren doch nichts mehr wie leeren Hüllen. Selten setzte sie sich mit der Vergänglichkeit des Lebens auseinander, dazu gab es zu viel, dass man genießen sollte. Und doch stellte sie sich in dieser Nacht diese Fragen.
    Calvena saß in einem ihrer Korbstühle, hatte die Beine eingezogen und starrte aus dem Fenster. Eine Decke umhüllte ihren Körper und ein Kissen hatte sie sich zwischen Bauch und Oberschenkel geklemmt, darum die Arme geschlungen und auf die Knie den Kopf gebettet. In ihrem Kopf spukte Romanas Brief und das Schicksal, welches wohl Serrana bevorstand.
    Was würde von ihrer Freundin zurück bleiben, wenn die Götter keine Gnade mit ihr kannten? Nicht viel, nicht mehr wie bloße Erinnerung, die dann verblassen würde. Ihr Kind würde nur aus Erzählungen wissen, wie sie gewesen war, so lieb und so nett. Vielleicht etwas naiv, aber sympathisch und eine gute Freundin.
    Eine einzelne Träne rollte ihr über die Wange und glitzerte schwach im Schein der Sterne. Es war grausam und sie wünschte sich, es gäbe eine Möglichkeit das grausame Schicksal zu ändern. Doch selbst ihr eigenes Opfer war fehlgeschlagen... Leise schniefte sie und vergrub das Gesicht in den Armen. Wieso waren die Götter so ungerecht, wie nur, konnte Iuno so etwas zu lassen. Niemand würde wohl je die Beweggründe dieser mächtige Wesen verstehen können. Und doch war es ungerecht.
    Eine ganze Weile saß sie nur so da, ein wenig verzweifelt und voller Gram. Hatte sie nicht genug Menschen bereits verloren? Musste sich nun auch noch ihre beste Freundin, die ihr wie eine Schwester war, nun auch aus ihrem Leben scheiden?
    Tränenverschleiert hob sie wieder den Kopf und betrachtete wieder den Nachthimmel. In solchen Momenten kam ihr die Welt so furchtbar finster vor. Nur die schönen Augenblicke waren wie Sternenschimmer und Hoffnungsträger.
    Aber sie wirkten so klein und fern in dieser undurchdringlichen Finsternis. Dabei hatte sie eigentlich jeden Grund überglücklich zu sein: Sie liebte Valerian, war mehr als nur glücklich, dass sie ihn geheiratet hatte und jetzt erwarteten sie auch noch ein Kind. Und doch waren da doch die finsteren Schatten, die alles zu ersticken drohten und sie fast im Kummer ertrinken ließ. Serrana hatte nun einmal einen ganz besonderen Stellenwert in ihrem Leben.
    Melina hatte sie gesagt, sie solle ihren Kummer nicht verstecken, aber wirklich ein Vorbild war sie selbst nicht. Sie saß hier allein mitten in der Nacht und weinte. Aber sie konnte auch mit niemandem über diese Dinge reden. Weil sie Romanas bitte nach kam. Nur Elissa hatte sie sich anvertraut, aber helfen konnte sie ihr auch nicht. Sie konnten nichts ausrichten, sie waren hunderte Meilen von Rom entfernt.
    Eine weitere Sternschnuppe verglühte am Horizont. Man sollte sich etwas wünschen, wenn man eine sah. Doch sie fürchtete sich davor, denn im Grunde hing doch nur alles von den Launen der Götter ab.
    Schließlich schloss sie doch die Augen und dachte an Serrana, Romana und ihre anderen Freundinnen. Sie sollten glücklich werden.

    Calvena war ganz entzwei gerissen, der Junge tat ihr furchtbar Leid und am liebsten hätte sie ihn gern einmal tröstend in die Arme genommen und ihm gesagt, dass alles gut werden würde. Man würde schon eine Lösung finden. Aber auf der anderen Seite wollte sie ihm nicht falsche Hoffnungen machen, dann würde die zerbrechliche Kinderseele nur noch mehr leiden, weil ihm für kurze Zeit die Tür in ein anderes Leben aufstand und sie ihm dann vor der Nase grausam zugeschlagen wurde. Erst einmal würden sie sich zusammen setzen müssen und sich überlegen, was sie nun machen sollten.
    Die großen Augen des Jungen sahen sie schon fast flehend an, sie konnte sehen, dass er Angst hatte und sich wohl wünschte nicht mehr nur von Halunken wie dieser Varius abhängig zu sein.


    Es war gut, dass sie erst einmal Zeit zum nachdenken bekamen, der Junge würde genug zu tun haben, seine Schweinerei im Keller wieder weg zu machen. In der Zwischenzeit würden sie vielleicht eine Lösung finden, die allen drei Kindern half. Doch sie hatte nicht wirklich eine Ahnung, wie. Es war traurig, dass alle Brücken zu ihrer Vergangenheit abgebrochen waren, sonst würde sie vielleicht einen Platz unter den Gauklern finden. Wobei es nicht ausgeschlossen war, dass nicht vielleicht ein Paar Schausteller derzeit eine Arbeit in Mogontiacum suchten... es wäre eine Möglichkeit, aber das würde sie nicht vor dem Jungen äußern. „Wasser, Eimer und Lappen findest du in der Küche“, erklärte sie ihm. Eine Öllampe war dann auch schnell gefunden, entzündet und dem Jungen in die Hand gedrückt. „Du wirst es nicht besser machen, wenn du versuchst weg zu rennen“, warnte sie ihn sanft, aber eindringlich. Denn dann würden sie ihm gar nicht mehr helfen können. Nicht einmal ein bisschen.

    Melina war völlig aufgelöst und schien ihre Zeit zu brauchen, ehe sie vollkommen ihren Kummer überwunden hatte. Die Quintilia hatte lange ihren Kummer hinter einer dicken Mauer versteckt und nun kam er zum Vorschein. Sanft streichelte Calvena ihr über den Rücken, während diese in die Ferne starrte und versuchte den Gefühlen her zu werden. Wie gut kannte sie dieses Gefühl. Völlige Verzweiflung, gemischt mit einer Spur Einsamkeit und vielen ungeweinten Tränen. Auch wenn Melina so oft unbeschwert und froh tat, dahinter hatte sich eine unglaublich traurige junge Frau versteckt.
    Wenig Damenhaft zog Melina die Nase hoch, aber sie konnte es ihr nicht verübeln, es gehörte dazu, später würde sich Melina dann etwas besser fühlen. Eine ganze Weile lang war Melina in Gedanken woanders, und Calvena gab ihr die Zeit die diese brauchte. Floskeln wie Alles wird gut waren überflüssig, es war viel Wichtiger dass man die Zeit bekam, seinen Kummer auszuleben und den Tränen freien Lauf zu lassen. Sie fühlte sich nun wirklich wie die große Schwester und wartete einfach ab, bis die Quintilia die Stille durchbrach.


    Ganz leicht legte sie den Kopf schief, als Melina ihr dann eröffnete, sie habe gerade das Gefühl gehabt, dass ihr Bruder da gewesen war und nicht wollte, dass diese traurig war. Ein Wink der Laren? Gut Möglich. „Weißt du, du musst dich nicht verstellen. Wenn du traurig bist, dann sei es ruhig. Du musst dich nicht für mich oder jemand anderes verbiegen, Wir haben dich so gern wie du bist!“

    Nur zu gern hätte sie gewusst, welche Pläne sich im Kopf ihres Mannes bildeten. Anscheinend hatte er schon irgendwie eine Lösung gefunden, wollte aber den Jungen zappeln lassen. Kurz biss sie sich auf die Unterlippe, der Junge tat ihr Leid und sie wollte ihm schon irgendwie helfen, aber Valerian hatte recht. Sie konnten nicht jedem einzelnem Straßenkind helfen. Das wäre eine endlose Aufgabe. Aber sie konnten versuchen dem Jungen und seinen Freunden zu helfen.


    Die Frage danach, was seine Freunde machen würden, wenn Varius nicht mehr da war, war wohl nicht so einfach zu beantworten. Anscheinend war dieser Mann wohl der Einzige der diesen Kindern so etwas wie Schutz bot. Doch der Preis war hoch, sie mussten stehlen und vielleicht sogar Schlimmeres. Dieses Leben wünschte sie niemandem.

    Es war, als hätte Melina darauf gewartet, mit jemandem über ihrem Kummer zu reden. Anscheinend hatte die Quintilia weniger Freunde, als es den Anschein hatte, oder aber ihre Freunde bestanden wirklich nur aus einem Haufen wilder Jungs. Beide Möglichkeiten waren nicht sonderlich aufbauend, besonders nicht für eine junge Frau, die Kummer mit sich herum trug. „Ganz sicher hat er das gewusst“, anscheinend hatte sie die richtigen Worte gefunden. Sie gaben Melina wieder etwas auftrieb und ließe wohl die Schuldgefühle schrumpfen.
    Ihr Eingeständnis, dass sie wusste wie es Melina ging, schien die Quintilia erst einmal zu verwundern. Calvena drückte Melina noch etwas mehr an sich und ließ es zu, dass diese ihren Tränen freien Lauf ließ.
    „Du wirst ihn auch noch eine ganze Weile vermissen. So ist das mit Menschen, die wir lieben. Wir vermissen sie, wenn sie nicht mehr da sind und haben dann meist das Gefühl, dass wir vergessen haben ihnen etwas Wichtiges zu sagen. Man ist dann nicht nur traurig, sondern fühlt sich auch ein klein wenig schuldig…“ Zumindest ging es ihr so.

    Zunächst dachte sie, Melina würde nicht reden wollen, weiter die Mauer um sich aufbauen hinter der sie sich versteckte. Den Kummer nicht zeigen, den sie mit sich herum trug. Wie gut konnte sie Melina verstehen. Auch sie hatte so einiges durchgemacht, viel Leid erfahren, viel Kummer erlebt. Es hatte ihr geholfen zu reden, sich jemandem anzuvertrauen. Umso erstaunter war sie dann als Melina sich so plötzlich ihr öffnete. Umgehend stellte sie den Becher ab und setzte sich zu der Quintilia auf die Kline und nahm sie tröstend in den Arm. „Es tut mir Leid“, sagte sie leise und streichelte ihr über den Rücken. „Es ist nie leicht, wenn man jemanden verliert den man liebt“, fügte sie mitfühlend hinzu. „Ich bin mir sicher, dass er wusste, dass du ihn lieb hattest. Brüder wissen so etwas!“ meinte Calvena sanft und ließ es zu, dass Melina ihren Tränen freien Lauf ließ. Kurz zeigte sich auch auf ihren Gesicht der alte Kummer, doch es war nicht mehr so schlimm. Zwar vermisste sie ihre Familie immer noch, aber es gab andere Menschen die sie nun liebte und für sie da waren.
    Umso deutlicher trat nun das Schicksal von Serrana in den Vordergrund und sie schluckte trocken. Auch ihr standen kurz die Tränen in den Augen, sie fürchtete sich davor ihre liebste Freundin zu verlieren.
    „Ich weiß wie es dir geht“, vertraute sie ihr an.

    Lange mussten sie nicht warten, auch wenn sie zu gern gewusst hätte, welche Erfahrungen ihr Mann mit Met gemacht hatte. Sicherlich war der Abend feucht fröhlich geendet. Germanen waren mitunter sehr gesellig und trinkfest. Das konnte einen Römer dann schon aus seinen Sandalen werfen, während Germanen dann gerade erst angeheitert waren. So hatte sie zumindest ihre Erfahrungen mit diesem Volk gemacht, auch wenn dies schon einige Jahre her war und die Tag auf Reisen vorbei. Es war schon verwunderlich, wie sehr ihr Leben sich doch geändert hatte.
    Der ältere Mann der sie ins Haus ließ machte einen leicht kauzigen, aber irgendwie sympathischen Eindruck auf. Mit einem freundlichen Lächeln erwiderte sie seinen Gruß und folgte ihm dann an der Seite Valerians ins Haus. Das Haus war weder typisch germanisch noch römisch. Es war vor allem zweckmäßig, ein wenig rustikal und es waren deutlich die Einflüsse beider Kulturen zu erkennen. Waren die Duccii nun germanische Römer oder römische Germanen? Eine Frage, welche sich sicherlich nicht nur ihr stellte. Sie war neugierig darauf was sie erwarten würde.


    Albin, welcher sich nicht vorgestellt hatte, als er sie ins Haus gelassen hatte, kündigte die Besucher ein. Fast kam sie sich vor wie die Kaiserin persönlich, es war irgendwie imposant so vorgestellt zu werden. Es war jedenfalls eigentlich sonst nicht üblich. Fast könnte man meinen, dass der alte Mann aus einem anderen Jahrhundert.
    Der Raum in den sie geführt wurden, war gemütlich, der große Kamin an der Rückseite zeugte davon wie eiskalt es in den langen Wintermonaten werden konnte. Zu ihrem erstaunen gab es hier mehr römische Einflüsse, als in den übrigen Räumen, durch die sie geführt worden waren. Klinen waren um einen niedrigen Tisch gruppiert.
    Ihre Gastgeber waren schon anwesend, eine etwas erschöpft wirkende junge Frau in ihrem Alter, in den Armen hielt sie einen Säugling und dann ein junger Germane. „Heilsa!“ grüßte sie in die Runde. Es war eine ganze Weile her, dass sie ihre germanischen Sprachkenntnisse hatte nutzen können. „Vielen Dank für die Einladung“, lächelte sie freundlich. Ihr Blick blieb an dem Kind hängen. Kinder waren ja so putzig. Sie mochte Kinder und fand es gar nicht störend, dass ein Säugling mit im Raum war.

    Besteht eigentlich das Interesse mal wieder ein Theaterstück auszusimmen? Etwas in der Art . Ob nun in Mogo oder Rom. Ich wär gern wieder bereit so etwas zu machen, wenn denn Interesse besteht.

    Innerlich musste sie seufzen, anstatt den Ernst der Lage zu begreifen zog sie das Ganze wieder ins alberne und wollte nicht sehen, dass die Welt eben doch nicht aus rosaroten Wattewolken bestand. Doch dann horchte sie auf, als Melina vor sich hin plapperte und abrupt ins Schweigen verfiel. Prüfend musterte sie die Quintilia und fragte sich, was in deren Kopf vor ging. Sie wirkte plötzlich irgendwie bedrückt und in sich gekehrt. Anscheinend gab es Dinge die Melind beschäftigte, aber nicht darüber redete, sondern wohl ehr in sich begrub. Die Fröhlichkeit war wohl zum teil nur aufgesetzt.
    Doch so schnell wie dieser Eindruck gekommen war, so schnell verschwand er auch, weil Melina das Thema wechselte und wieder lachte. Doch so schnell nahm sie ihr jetzt diese gute Laune nicht mehr ab. „Wenn dich etwas bedrückt, dann kannst du ruhig mit dir reden. Ich werd alles für mich behalten, was du mir erzählst“, erklärte sie ernst und suchte kurz den Blick der Quintilia. Sie wollte ihr eine Freundin sein und helfen.


    Verdutzt sah sie Melina dann an. „Du hast Claudia Romana kennen gelernt? Wann war das denn? Sie ist eine meiner besten Freundinnen.“ Das waren Neuigkeiten die sich doch überraschten. „Ich vermute Mal du würdest nicht Vestalin werden wollen, oder?“ fragte sie dann nach. Hatte die Claudia etwa schon Melina bekehrt ohne dass sie es wusste. Zu trauen würde sie es ihrer Freundin. „Nun wenn du im Cultus Deorum anfängst, dann wirst du so einige Aufgaben haben. Besonders die Durchführung von Opfern wird deine Aufgabe sein. Wenn du willst, darfst du mich gern einmal begleiten!“

    Kaum hatte sie sich vorgestellt und der Legionär nur leicht genickt, da erfuhr sie dann auch, mit wem sie es zu tun hatte. „Leider habe ich deinen Verwandten bisher nicht kennen gelernt“, erklärte sie ihm und wurde dann auch sogleich unterbrochen, als ein Trupp Reiter am Tor erschien. Vorsichtshalber machte sie einen Schritt bei Seite. Sie bezweifelte ja, dass man sie einfach nieder reiten würde, aber Pferden waren eindeutig kräftiger wie sie selbst. Zu ihrer Verwunderung tauchte eben jener Terentier auf, nach dem sie gerade gefragt worden war. Der Name war ihr bekannt gewesen, aber just in diesem Augenblick wusste sie wieder, in welchem zusammen hang. Das war doch Valentinas Schwarm. Während Lupus sie musterte, glitt auch ihr Blick kurz neugierig über ihn. Sie musste zugeben, Valentina hatte Geschmack. Es wurde Zeit, dass sie ihre Schwägerin einmal nach Lupus fragte. Sie wollte sich nicht unbedingt in etwas einmischen, dass eigentlich nur Valerian und Valentina anging, aber sie ahnte, dass es zwischen den Beiden noch Klärungsbedarf gab. Vielleicht konnte sie zwischen den Geschwistern vermitteln. Eine weitere Baustelle auf der langen Liste der Dinge die sie angehen wollte. Ganz oben stand eine sinnvolle Aufgabe für Melina zu finden. Und darüber noch die Sache mit Serrana.


    „Ich hab schon von dir gehört“, erklärte sie in Richtung Lupus und grinste leicht verschmitzt, als er ihr ein Kompliment machte. Sie ließ offen, in welchem Zusammenhang sie von Lupus erfahren hatte. Recht schnell waren die Formalitäten dann geklärt und der Terentier mit seinen Männern unterwegs. „Valete“, konnte sie sich noch kurz verabschieden. Nun war es an Tullus sie hinein zu führen. "Wollen wir?" fragte sie ihn freundlich.

    Es war ein kurzer Spaziergang von der Casa Quintilia zum Anwesen der Duccier. Anders konnte man den großen Bau gar nicht bezeichnen. Es war deutlich, dass die Familie großen Einfluss hatte und wohl auch geschätzt wurde. Eigentlich hatte sie ja sonst keine Berührungsängste, aber ein wenig nervös war sie dann doch. „Du sprichst anscheinend aus Erfahrung“, neckte sie ihn liebevoll.

    Romana würde sicherlich den Rat ihrer Freundin nicht in den Wind schlagen. Auch wenn die Claudia sonst ihren eigenen Kopf hatte. Aber auf ihre Freundinnen hörte sie in der Regel. „Das wird sie sicherlich!“ Mit Sicherheit wusste aber Romana bereits, dass Salinator ein gefährlicher Gegner war und genug Vorsicht walten lassen. Der Vorteil war, dass Romana nun ihre Priesterprüfung bestanden hatte, somit stand ihr ein Liktor zur Seite, der hoffentlich gut auf die große Vestalin aufpassen würde.


    Kurz überlegte sie, es darauf anzulegen, sich zu verspäten. Die Gelegenheit wollte schließlich genutzt werden. Aber dann entschied sie dagegen, sicherlich würde sich später noch etwas ergeben. Seine Männer würden sicherlich eine Nacht ohne ihren Centurio auskommen und nicht gleich die Castra in Brand stecken.
    Aber wer wusste schon auf welche dummen Ideen ein Haufen gelangweilter Männer kam, die nicht unter Beobachtung standen. Im Augenblick spielte das so wieso keine Rolle. Schließlich machten sie sich auf den Weg. Calvena war schon gespannt was sie erwartete.

    Melina war ihr glücklicherweise nicht Böse. Sie machte sich eben nur ein paar Gedanken zu der Quintilia und sie war wohl auch die Einzige, der ihr im Augenblick etwas Aufmerksamkeit schenken würde. Sermo war ja noch in Rom und arbeitete an seiner Karriere, Valentina war mit sich selbst beschäftigt und Valerian hatte seine Verpflichtungen in der Castra. Zwar hatte sie ihre Verpflichtungen gegenüber dem Cultus Deorum, aber sie konnte viel Zeit mit Melina verbringen und ihr so etwas wie eine große Schwester sein. Aber vor allem eine Freundin, was wohl wichtiger war.


    Die Ausführungen Melinas zum Thema Realismus spiegelten ihre unbeschwerte Art wieder. So sehr sie diese auch darum beneidete, es fehlte ihr eindeutig ein wenig an Weitsichtigkeit. „Du hast schon recht, offensichtlich droht dir keine Gefahr, aber auch wenn du dich weder für hübsch, noch reich noch mächtig bist, so kann es andere Beweggründe geben um dir zu Schaden. Überleg doch, dein Bruder versucht Fuß in der Politik zu fassen, man könnte, um ihm zu schaden, dich zu bedrohen. Nun, diesen Fall haben wir nicht, weil du hier in Mogontiacum bist und damit weit Weg vom Zentrum. Aber du verstehst sicherlich worauf ich hinaus will!“


    „Du bist jedenfalls kein kleines Mädchen mehr“, meinte sie mit einem verschmitzten Grinsen, als sich Melina lustig darüber machte als ’alt genug’ bezeichnet zu werden. „Wie gesagt, du hättest die Möglichkeit im Cultus Deorum anzufangen. Damit würdest du sicherlich Sermo überraschen. Die Frage ist nur, ob dir dies auch zu sagt.“

    Während Calvena noch versuchte zu begreifen, schien Elissa sich jedenfalls in ihrer Vermutung bestätigt zu fühlen. Diese plapperte auch gleich weiter, nur hörte die Germanica der Keltin nicht wirklich zu. Sie war völlig abgelenkt von dem durcheinander ihrer Gedanken. Zum einen war sie immer noch tief erschüttert von den schlechten Nachrichten über ihre beste Freundin und auf der anderen Seite freute sie sich für sich selbst. Nur zu gern wäre sie jetzt in Rom, um ihren Freundinnen beizustehen. Die ganze Situation war kompliziert. Aber wenn sie selbst jetzt schwanger war, dann würde Valerian sie auf keinen Fall nach Rom reisen lassen. Eigentlich wollte sie sich auch nicht von ihm für so lange Zeit trennen. KUrz warf sie Elissa einen nachdenklichen Blick zu. Diese war ihr ebenso eine gute Freundin wie Serrana.
    Erst jetzt bemerkte sie, dass die Keltin mit ihr redete und bekam noch mit, dass diese sich für sie freute. Sie schenkte ihr ein warmes Lächeln. "Ich bin froh, dass du endlich da bist. Mir hat jemand zum reden gefällt. Valentina ist zwar nett, aber mit sich selbst beschäftigt." So genau wusste sie gar nicht, was ihre Schwägerin alles tat den lieben langen Tag. Zwar hatte diesen wohl einen Verehrer, aber bisher hatten sie darüber noch nicht geredet.
    Ganz sicher war sie noch nicht ob sie nun tatsächlich schwanger war, aber die Vermutung lag ziemlich nahe. Eine Heilerin zu fragen, würde wohl nicht schaden. "Kannst du dich Morgen nach einer Heilerin erkundigen?" fragte Elissa.

    Kurz seufzte sie, anscheinend war Melina nun doch eingeschnappt. „Ich hab nicht behauptet du seist dumm. Nur hin und wieder etwas unüberlegt. Ich mag deine Art, du bist offen, ehrlich und sagst was du denkst. Das ist gut, kann dich aber in Schwierigkeiten bringen“, versuchte sie sich zu verbessern. Allzu lang war Melina ob ihrer Ermahnungen nicht sauer auf sie. Die Quintilia lachte schon recht schnell wieder und war auch nicht Böse, wegen des Scherzes.


    Melina nahm das Leben leicht und locker und wollte anscheinend nichts von den Schattenseiten wissen. Ein wenig beneidete sie das Mädchen um ihre unbeschwerte Art. Sie hatte sich viel von ihrer eigenen unbeschwerten Art erhalten, doch schwebte immer darüber der Schatten ihrer Erfahrungen. Manche Dinge prägten den Menschen stark. Bisher war Melina vor solchen Erfahrungen verschont geblieben. Das war auch besser so. Sie wünschte niemanden solchen Kummer, wie sie ihn erfahren hatte. „Natürlich ist sie nicht nur schlecht, aber ein wenig Realismus kann nicht schaden. Besonders auf Reisen!“ meinte sie nur nachdenklich.


    Das Mädchen sah aus, als hätte sie ihr gerade erzählt dass die Sonne blau war. Anscheinend fand Melina die Idee eine Aufgabe zu übernehmen nicht wirklich toll. „Nun du bist alt genug, dass es Zeit wird, dass du Verantwortung übernimmst. Es muss nicht zwangsläufig sich um eine typische Frauenaufgabe handeln. Aber ich lass dich sicherlich auch nicht mit einem Schwert herum fuchteln. Ich will dir selbst die Wahl lassen. Es soll dir Spaß machen!“ erklärte sie ihr dann.

    Anscheinend hatte er sie völlig falsch verstanden und sie warf seinem Kameraden im Hintergrund einen fragenden Blick zu. Sie wollte ja nicht für unnötigen Ärger sorgen. Durfte sie wirklich einfach so hinein gehen? Ohne jegliche Begleitung? Valerian würde dem armen Tropf wohl den Kopf waschen, wenn er hiervon erfuhr. Sollte sie so nett sein und ihn aufklären.


    „Ich wohne nicht in der Castra“, klärte sie ihn dann netter weise auf. „Ich wohne bei meiner Schwägerin“, sie machte eine vage Geste in Richtung Stadt. „Da es unüblich ist, dass ein Centurio verheiratet ist, wohne ich derzeit im Haus seiner Familie. Ich bin übrigens Germanica Calvena!“ Der Legionär im Hintergrund schaute auf eine Tafel und nickte. Grinste aber immer noch breit. Es machte ihm anscheinend Spaß den neuen etwas zappeln zu lassen.

    Der Legionär fand es wohl ganz witzig den Probati mitten ins offene Messer laufen zu lassen. Wohl eine Prüfung für den armen Tropf, der nun reichlich verdutzt einen fragenden Blick seinem Kameraden zuwarf und dann rot anlief vor Verlegenheit.


    „Das hättest du auch nicht wissen können“, meinte sie. „So oft komm ich ja nun auch nicht hier vorbei“, erklärte sie ihm. Er brauchte sich ja nicht dafür entschuldigen, dass er seinen Aufgaben nach ging. „Aber nur so nebenbei, es ist Frauen durchaus gestattet die Castra zu betreten, ansonsten würden die Frauen der höheren Offiziere nicht im Praetorium leben“, erklärte sie ihm. Ob er wohl wusste, dass es eigentlich unüblich war das ein Centurio verheiratet war? Eigentlich hätte ihn dieser Punkt viel misstrauischer machen sollen, als ihr Geschlecht.

    Der Soldat vor ihr, schien nur wenig begeistert darüber zu sein, dass sie zu Valerian wollte. Ein wenig verblüfft war sie schon und das zeigte sich auch kurz auf ihren Zügen. Eigentlich war doch geklärt worden, dass sie zu ihrem Mann durfte. Aber anscheinend wusste dieser Soldat nichts davon.
    Täuschte sie sich oder grinste der andere Wachsoldat breit? Ein Witz unter Kameraden?


    „Ich bin seine Frau“, erklärte sie dann dem Mann vor ihr, welcher sie so kritisch musterte. „Wenn du mich nicht durchlassen willst, dann sei doch bitte so nett und hol ihn hier her!“ meinte sie mit einem schon fast frechem Lächeln.