"MAn sollte die Götter niemals warten lassen!" sagte Emi mit extrem tiefer, verstellter Stimme und hob ermahnend einen Finger, ihren eigenen Vater imitierend. Er hatte regelmäßige Götterhuldigungen immer äußerst ernst genommen und tat es sein ganzes Leben schon, immer nach dem gleichen Schema. Allerdings hatte seine jüngste Tochter, Emilía, da ganz eigenen Vorstellungen, die eher zu ihrem wilden und lebensbejahenden Charakter passten. So auch jetzt.
"Vielen Dank, etwas Weihrauch wäre wirklich gut. Ich habe nicht daran gedacht, als ich mich auf dem Weg zu dir gemacht habe, wenn ich ehrlich sein soll. Eigentlich hatte ich gedacht, mir etwas zu kaufen, nach unserem Gespräch und vor meiner Erkundungsrunde durch Alexandria. Aber es geht schon, Vater sagt immer, es kommt nicht darauf an wie viel wir opfern, sondern wie viel wir beten."
Mit diesen Worten wandte sie sich an den steinernen Altar, der mit Blümen geschmückt war und die einen trägen, süßlichen Geruch ausströmten. Sie waren sehr dunkel, was Emi gut gefiel, wahrscheinlich sollten sie an die Nacht erinnern. Das Herrschaftsgebiet von Bendis. In einer fließenden Bewegung warf Emi das bisschen Weihrauch in die glimmende Opferschale, sofort stieg etwas Rauch herauf und verteilte sich in der Luft. Emi sah einen Moment zu, wie sich die dunkelgrauen Wolken empordrehten und zog dann ein kleines Taschenmesser, dass sie meistens am Gürtel trug. Es war mehr ein Küchenmesser denn alles andere, aber hin und wieder einfach nützlich. Mit diesem Messer ritzte sie schnell und relativ unbekümmert in einen riesengroßen Pfirsich, der eigentlich ihr Nachmittagsimbiss hätte sein sollen. Sie zerschnitt ihn in zwei Hälften und tat dasselbe mit einer Orange. Die Fruchthälften legte sie vor die Füße der Bendis Statue, die mittig auf dem Altar stand und mit Jagdutensilien dargestellt war.
"Chaire, Bendis, Göttin und Jägerin der Nacht. Ich, Emilía Bantotakis, erbitte deinen Beistand für unsere Familie, auf dass sie sich vermehre, gedeihe und wachse. Schenke allen ihren Mitgliedern Fruchtbarkeit und Glück in der Jagd und schütze uns vor Unglücken."
Fertig. Nicht schön, aber ehrlich. Und Emi war zufrieden, daher ging sie von dem Altar fort und stellte sich wieder in die Nähe zu Anthi. Sie lächelte ihn an und nickte, um zu zeigen, dass er jetzt dran war.