Beiträge von Emilía Bantotakis

    Ach du ... Emi blickte von Anthi zu Timos und zurück und wieder her. Die Männer hatten sich anscheinend heute gar nicht gern und Timos ging ebenfalls hinaus, kein gutes Haar an den Frauen lassend. Dabei fand Emi, dass gerade die Frauen ein ausgesprochenes Feingefühl bewiesen hatten, die Männer dagegen waren die Hitzköpfe. Zuviel Wein, zuviel Machtgehabe. Männer eben. Emi konnte, im Gegensatz zu den anderen Bantotakinnen grinsen und tat das ausgiebig. Der Streit zwischen den Männern stimmte sie zwar traurig, aber es bekümmerte sie nicht so arg, wie man das vielleicht denken könnte. Sie war der felsenfesten Überzeugung, dass die zwei sich früher oder später einig werden würden und wieder vertragen - zumal in dieser Angelegenheit eh Timos der Entscheidende war.


    Pelo ergriff als nächste das Wort und Emi wandte sich zu ihr, strich sich einmal durch den wilden Lockenkopf und lächelte immer noch.


    "Ja, das denke ich auch. Im Moment sind sie sauer, aber das verfliegt. Ich schätze mal, dass sie bald darüber reden werden und im Grunde ist es ja eh Timos, der entscheidet. Mein Vater wird ihm so oder so zupflichten, wenn er erstmal weiß, wer Nikolaos ist und welche Position er hier bekleidet." Emi lächelte, blickte zu NIke, die sehr still war und dann wieder zu Pelo. Sie griff sich einige Oliven und sprach weiter, während sie noch kaute. "Mir kam der Gedanke eine Taberna zu eröffnen. Ich weiß, das ist eigentlich kein Beruf und auch gar keine Beschäftigung für eine anständige Frau. Aber ich koche gerne. Und gut. Vielleicht kann man einen Verwalter einsetzen oder Timos oder Anthi führen sie und ich koche nur. Da lässt sich bestimmt eine Möglichkeit finden. Das beste wäre ja, wenn ich den Betrieb dann auch in der Ehe behalten könnte. Aber ob Nikolaos sowas erlaubt?"


    Die jüngste Bantotakin zuckte mit den Schultern und schluckte die letzte Olive hinunter. Dann dachte sie kurz über das, was Pelo zu den Feinden gesagt hatte, die sich Nikolaos erarbeitet hatte. Ihre Augenbraue zogen sich zusammen und sie zuckte nochmal mit den Schultern. Und grinste fröhlich.


    "Sollte ich ihn wirklich heiraten und spätestens wenn sich der erste Erbe ankündigt, wird Nikolaos sicherlich gut auf mich Acht geben. Wahrscheinlich bekomme ich eine Leibwache oder sowas. Da mach ich mir keine Sorgen." Doch dann wurde ihr Gesicht allerdings ernst. "Das einzige, was ich bedauer ist, dass ich dann hier ausziehe. Ich werd euch Mädels alle schrecklich vermissen. Es fühlt sich an, als wäre ich gestern erst hier angekommen. Aber wir sind uns ja wenigstens alle einig, dass ich zuerst die Ephebia bestehen sollte. Das ist mir wichtig."

    Ha! Sie hatte es doch gewußt. Unwillkürlich erwiderte sie sein Lächeln und beobachtete, wie sein Gesichtsausdruck weicher wurde. Er mochte sie! Da konnte man sagen was man wollte, aber ihr Gefühl schien sie nicht zu trügen. Gleich zwei "schön", die grinste und nickte, als er nach Siegelwachs fragte.


    "Es muß auch anstrengende Tage geben. Das machen die Götter extra, damit wir die Entspannung zu schätzen wissen, wenn sie uns gegönnt wird. Kein Licht ohne Schatten." Sie lächelte, genug Weisheiten für heute, sonst wurde sie ihrem Vater noch ähnlicher. Sie beobachtete seine feinen Schreiberhände und stellte sich kurzzeitig vor, wie sie statt des Papyrusses dort liegen wurde, verwarf den Gedanken aber schnell. Emi! schalt sie sich selbst in Gedanken und schmunzelte still. Wie schön, dass Gedanken frei waren.

    Ja Ja Ja. Männer. Emi grinste etwas schadenfroh und drehte sich etwas weg, damit es nicht so auffiel. Was sie immer alle auf Titel und das damit verbundene Gehabe gaben. Eitle Pfaue waren die Griechen, ja, die meisten. Wazeb sah sich bald umringt und obwohl Emi alle vorgestellt hatte, sprachen sie ihn nach der Reihe nochmal selber an. Der etwas anschuldigende oder auch tadelnde Blick von Cleonymus wurde zwar registriert, aber nicht darauf reagiert. Sollte er sich nur pikiert geben, weder Anthi noch Nikolaos schienen sonderlich brüskiert. Und darauf kam es an. Und überhaupt, jetzt war es auch zu spät. Sie grinste weiterhin und beobachtete das Schauspiel vor sich.

    Cleonymus, was für ein seltsamer Name. Emilía erwiderte sein Nicken und lächelte ihm dann zu. Wieder verlagerte sie ihr Gewicht, die Sandalen drückten, aber ihr Lächeln war fröhlich und unbekümmert. "Danke für das Lob, Cleonymus. Meine Schwester und ich werden alle uns gestellten Aufgaben mit bestem Wissen und Gewissen erledigen. Ich freue mich schon sehr auf die Wettkämpfe." sagte sie in einem unverbindlichen Plauderton und blickte überrascht zu Anthi, der von irgendwoher aus dem Nichts kam und plötzlich bei ihr stand. Mit einem einzigen Seitenblick bemerkte sie, dass er sich zwischen Nikolaos und ihr stellte, was sie eigentlich hätte schmunzeln lassen. Allerdings konnte sie sich zurückhalten, denn sie wollte ihren Cousin nicht bloßstellen. Bisher hatte sie noch nicht herausgefunden warum er den sogenannten mächtigsten Griechen in Alexandria nicht leidern konnte, aber sie wußte ganz genau, dass es um die Heiratspläne ging. Wahrscheinlich wollte er nicht, dass sie sich mit ihrem Lehrer anfreundete. Bei dem gemeinsamen Essen, als Timos die Idee dazu hatte, war er sehr deutlich in seiner Ablehnung gewesen...


    "Chaire Anthi, stell dir vor, Nike und ich sind gelost worden als Preisrichterinnen bei dem musischen Wettbewerb. Das wird sicherlich sehr interessant und spannend." Sie grinste ihm schwesterlich zu und wurde etwas verlegen, weil er sie so gelobt hatte. Es schien die Männer setzten alle große Hoffnungen in sie und sie hatte nicht vor, sie zu enttäuschen. Andere wären sicherlich nervös unter diesem Druck geworden, aber Emi war viel zu unbekümmert und im Moment freute sie sich einfach nur auf die Darbietungen. Wie schwer konnte es schon sein, den Besten zu finden!?


    Es war sehr interessant zu beobachten, wie Anthi und Nikolaos sich benahmen, wie zwei Kämpfer kreisten sie umeinander, suchten Angrifssfläche und gaben kleine Seitenhiebe aus. Natürlich alles nur mit Worten, aber sie tänzelten umeinander wie Krieger. Emi war nicht erst jetzt klar geworden, dass es hier nicht um sie ging, da war etwas, dass viel tiefer lag. Obwohl Anthi den schlaksig wirkenden Griechen nicht leiden konnte, war er ausgesprochen höflich. Beide lächelten, doch Emi bekam das Gefühl, sie wären sich viel lieber an die Gurgel gegangen. Wie gut, dass sie nicht zwischen ihnen stand.


    Dann trat ein weiterer Mann zu ihrer Runde, der sich sehr höflich vorstellte und sogleich erkennen ließ, dass er ebenfalls ein Athlet war, der antreten würde. Emi konnte nicht umhin, seine Gestalt zu mustern und heimlich mit Anthi zu vergleichen. Er schien keine unbedeutende Person und besonders der Hut zog Emis neugierigen und völlig unbekümmert musternden Blick auf sich. Irgendwie sah der Hut sehr seltsam aus, aber er passte gut zu dem Gesamtbild, welches Wazeb abgab. Anders als vorhin wartete sie nicht, dass einer der Männer das Wort ergreifen und sie vorstellen würde.


    Chaire, Wazeb aus Aksum. Es ist uns ebenfalls eine Freude dich hier begrüßen zu dürfen und wir hoffen, du hattest eine angenehme Reise." Sie lächelte und kam sich vor, als hätte sie das schon hundertmal gemacht. "Im Wettkampf wirst du dich wahrscheinlich mit diesem Mann hier messen dürfen, Anthimos Bantotakis. Er ist ein Athlet hier aus Alexandria. Und das sind Nikolaos und Cleonymus, beides Polites Alexandrinos. Cleonymus ist Kosmetes und somit Trainer und Schiedsrichter hier im Gymnasion, während Nikolaos unser Gymnasiarchos ist und somit organisiert er den Lehrbetrieb am Gymnasion und sorgt für die Ausbildung der Epheben. Außerdem ist er der Ansprechspartner des Volkes für das Prytaneion." Erklärte sie sehr ausführlich, da sie nicht wußte, wieviel der Fremde schon wußte. Lieber einmal zuviel was erklärt, als einmal zu wenig. Dass sie dabei ganz vergaß, sich selbst vorzustellen, entging ihr - sie selbst empfand sich noch nicht bedeutend genug um im gleichen Atemzug mit diesen engagierten und politisch aufgesteigenen Männern genannt zu werden.

    Für eine Weile schaute Emi zu wie Kiya alle Dinge suchte und zusammenstellte. Die Küche war zwar nicht klein, aber auch nicht groß genug, dass hier zwei Frauen gleichzeitig an verschiedenen Dingen herumwerkelten. Vor allem da Anthi in der Mitte stand und immer gereizter wurde. Er war sehr nervös und besorgt, das sah man ihm an und seine Stimme wurde schneidend scharf, das hatte Emi bei ihm so noch nicht erlebt. Aber als Kiya weitersprach nickte sie zustimmend.


    "Ablenkung wird die gut tun, Anthi. Aber die kannst du auch hier haben. Vielleicht magst du mir ja kochen helfen? Oder wir setzen uns in den Garten und reden einfach? Obwohl es wohl besser ist, du tust etwas. Wenn ich mich ablenken muß, dann mach ich etwas, bei dem ich mich stark konzentrieren muß. Oder magst du etwas trainieren? Ich guck auch zu und mach ne menge dummer Kommentare, wenn du willst."


    Sie grinste ihn an und versuchte ihn so wieder etwas zu beruhigen. Ihre SPäße kamen nicht immer bei jedem an, aber bisher hatte sie sich mit Anthi blendend verstanden. Er war so schrecklich aufgeregt, dass er ihr beinahe leid tat. Und es imponierte ihr, wie stark das Band zwischen ihm und Pelo war, sie liebten sich wirklich sehr.

    Mit Zustimmung und einem Lächeln hörte sich Emi an, was Pelo sagte und nickte. Sie hatte vollkommen Recht und nannte ein paar sehr gute Gründe, genau wie Emi es auch selbst eingewendet hatte. Ephebia, eigener Besitz, noch etwas warten. Das klang gut und absolut plausibel, das würde wohl auch Timos einsehen. Dann allerdings war es Anthi, der alle Blicke auf sich zog und sehr laut und bestimmt seinen Unmut äußerte. Natürlich hatte Emi mitbekommen, dass er Nikolaos nicht wirklich leiden konnte, aber sie wußte weder wieso noch warum diese Abneigung so groß war. Aber groß war sie , riesig sogar. Als er auf den Tisch schlug, konnte sie gar nicht anders als zusammenzuzucken, auch wenn sie sich nicht wirklich erschreckte. Es war eher das Geräusch und die klappernden Essensschalen, die dem was er sagte noch mehr Nachdruck verliehen und dann - schwupps - verließ er den Raum. Oh ihr Götter, er war wirklich sauer gewesen. Irritiert blickte Emi von einem zum anderen, was hatte der Gymnasiarchos denn getan, dass der Athlet ihn so verachtete? Sie war neugierig und wollte fast schon fragen, als auch Nike etwas dazu sagte und eine weitere reihe guter Gründe für die Ehe einbrachte. Sein Charakter, in die Entscheidung mit eingebunden sein. Emi dachte etwas nach und fühlte sich irgendwann, als würden alle sie ansehen.


    "Ich tus." Sagte sie und zuckte wenig überzeugt mit den Schultern, fast so als würde es ihr gar nichts ausmachen. "Ich kenne ihn zwar nicht gut, aber ich wäre generell nicht abgeneigt. Allerdings bin ich auch der Meinung, dass ich zuerst die ephebia bestehen sollte. Dann wäre da noch die Sache mit dem eigenen Besitz, eine sehr gute und solide Sache, ich würde mich viel besser fühlen, auch wenn ich immer in diese Familie zurückkehren könnte. Außerdem heirate ich nur, wenn meine ganze Familie dabei ist, also müssen wir unseren Eltern einen Brief schreiben, sie müssen einverstanden sein und genug Zeit haben anzureisen. Ich heirate nicht, wenn meine Mama nicht dabei ist." An dieser Stelle verschränkte sie die Arme um ihren Wörtern Nachdruck zu verleihen. Allerdings würde ihr Vater so oder so zustimmen, wenn er erstmal wußte, wer der potentielle Ehemann wäre. Sie blickte zu Timos und widerstand dem Drang, zu ihrer Schwester zu blicken.

    Es war ein langer und langweiliger Tag gewesen bisher, doch Emi ließ sich die Laune nicht verderben. Da sie die "Neue" war blieben oft die unbeliebteren Arbeiten an ihr hängen und so hatte sie den ganzen Vormittag lang alte Dokumente durchgesehen und genauestens sortiert. Einige davon musste sich Anthi erneut ansehen, weil irgendwelche Fristen abgelaufen waren, andere konnten getrost zur Seite gelegt werden. Diese etwas stupide Aufgabe ließ nicht viel Platz zum nachdenken und so war Emi froh, es erledigt zu haben. Gerade brachte sie die Papyrusrollen in Anthis Zimmer, als ihr zwei bekannte Gesichter begegneten. Da war ihr Lehrer Nikolaos und Cleonymus, den sie bei den jährlichen Spielen vorgestellt worden war. Sie lächelte beide freundlich an und legte die Rollen ab, während sie mit halben Ohr zuhörte, wie der Schreiber ein gelangweiltes "Da muß ich erstmal nachfragen" herunterleierte. Sein Arbeitseifer hatte bereits gelitten und so fudelte sich Emi, in ihrer bekannt einnehmenden Art, einfach dazwischen.


    "Chaire, Nikolaos, Chaire Cleonymus. Ich hoffe euer Tag war bisher spannender als meiner." Sie lächelte und ließ erkennen, dass ihr die Arbeit Spaß machte, auch wenn es sich nur um Ordnen handelte. Dann blickte sie interessiert auf das Schriftstück. Soso, eine Schenkung. Interessant. Mit Grundstücksübertragung und einer Betriebserlaubnis. Sehr interessant. "Ihr beide müsst alle drei Schriftstücke unterzeichnen, dann bekommt jeder von euch eine Ausgabe und die dritte bleibt hier. Die Änderungen machen wir direkt, aber erst wird Anthimos es überprüfen. Allerdings sehe ich nicht, dass es da ein Problem geben wird." Emi blickte freundlich lächelnd von einem zum anderen und ignorierte den missmutigen Blick des anderen Schreibers, weil sie sich eingemischt hatte.

    Sie war überhaupt nicht verwundert, die erste aus dem Kollegium zu sein, die sich hier eingefunden hatte. Es war tatsächlich noch reichlich früh und wahrscheinlich brauchten die anderen einfach noch etwas, sich einzustimmen. Da ja auch heute "nur" die Eröffnung war, dennoch empfand es Emilía als eine Art von Sehen und Gesehen werden und sie hatte nicht vor, ihrer Familie Schande zu bereiten. Nein, ganz und gar nicht. Das Lächlen von Nikolaos war ansteckend, zumal Emi sowieso jemand war, der eigentlich immer ein Lächeln oder wenigstens ein Schmunzeln zur Schau stellte. "Meiner Meinung nach dürften diese Festtage wieder etwas Glanz und Gloria verteilen und werden sowohl Griechen als auch Rhomäern gefallen, vielleicht kann man sich gemeinsam an den schönen Künsten erfreuen, ohne das der eine den anderen zu bevormunden versucht." Wobei sie natürlich das bevormunden nur in eine Richtung meinte. Aber das würde ihr Lehrer sicherlich verstehen. Wo sie ja in diesem Punkt eh eine ziemlich ähnliche Meinung hatten.


    Dann sprach er an, dass Pelo am musischen Wettbewerb teilnehmen würde und Emi nickte. Sie hatte sich schon gedanklich darauf eingerichtet, ihre Verwandte nicht allzu hoch zu loben. Wobei, wenn sie überragend spielen würde, würde Emi sie überragend loben. Familie hin oder Familie her, soviel Urteilsvermögen erwartete sie auch von den anderen Preisrichtern. Allerdings war sein Einwand berechtigt, schließlich würden zwei bantotakische Frauen unter den Preisrichtern sein. Was wiederum einen doppelt schlechten Eindruck machen konnte. Daher nickte sie nun zustimmend und lächelte milde. "Ja, daran habe ich auch schon gedacht, aber sei versichert, dass Berenike und ich dort genug Fingerspitzengefühl beweisen werden. Penelope wird sicherlich … "


    Weiter kam Emi nicht, denn es trat ein Mann zu ihnen, den sie noch nicht kannte. Er war ganz augenscheinlich ein Ägypter, das sah man direkt, er war groß, größer als sie selbst und hatte grüne Augen, dazu schwarze Augen. Durch seine athletische Erscheinung und seine Aufmachung hätte ihn Emi fast attraktiv gefunden, wenn sie generell Ägypter attraktiv gefunden hätte. Aber sie war zu sehr Griechin und für sie kam nur ein Grieche in Frage. Sie lächelte ihm freundlich zu und überließ es Nikolaos sie vorzustellen, vor ihm wollte sie einen besonders wohlerzogenen Eindruck machen. Obwohl sie sonst eigentlich einfach drauflos geplappert hätte.

    Es dauerte nicht lange, da konnte Emi eine Gestalt erkennen, die auf sie zukam. Oder jedenfalls in ihre Richtung. Und sie glaubte auch zu erkennen, dass es sich dabei um Nikolaos handelte. Sie wußte nicht recht, wie sie sich zu verhalten hatte, denn nachdem Timos diese wahnwitzige Idee gehabt hatte sie solle den Gymnasiarchos heiraten, spukte dieser Gedanke auch in ihrem Kopf herum. Allerdings hatte eine solche Art von Nervösität Emi noch nie davon abgehalten, genauso unkonventionell und unbedarft zu sein wie sonst auch und so lächelte sie den Griechen an, als er bei ihr stehen blieb. Er war älter als sie, nicht viel, aber doch etwas. Außerdem nutzte er beinahe soviel Schminke wie sie selbst, was den Lockenkopf schmunzeln ließ. Er war relativ klein, sie überragte ihn vielleicht wenige fingerbreit und er war ziemlich schmächtig, was Emi noch gar nicht so aufgefallen war. Allerdings hatte sie ihn vorher auch noch nie so eingehend gemustert. Die berühmte Katze im Sack wollte sich Emi nun wirklich nicht antun und so riskierte sie schon mal einen Blick - hier und da.


    Guten Morgen, ehrenwerter Nikolaos." sagte sie und nickte ihm zu. Als er ihr dann sagte, dass sie ausgesucht war, grinste sie. Da hatte sich das Geldausgeben heute früh ja gelohnt, wenn man schon auf den Ehrenplätzen sitzen durfte, sollte man auch so aussehen. Sie blies sich eine vorwitzige Locke aus dem Gesicht, die sich trotz Haarband nicht bändigen ließ und strich sie hinters Ohr. "Es wäre sicher hilfreich, wenn ich in etwa wüßte, was auf mich zukommt. Aber vielleicht macht es mehr Sinn damit zu warten, bis auch meine Schwester hier ist. Dann musst du es uns nicht doppelt erzählen." Sie lächelte ihm zu und verlagerte ihr Gewicht auf das andere Bein. Die neuen Sandalen drückten ziemlich, aber das hätte sie natürlich nie zugegeben. Wer schön sein will, muß leiden. Das hatte ihr ihre Mutter schon immer gesagt und es bewahrheitete sich immer wieder. "Ich hoffe doch, dass sich viele Menschen heute einfinden und wir viele interessante Darbietungen erleben dürfen. Ich bin schon richtig gespannt. Am meisten freu ich mich auf die Musik. Und du?" Ups, da war es raus. Ob er sich scheute so direkte Fragen zu beantworten? Obwohl, sie hatte ja nichts schlimmes gefragt, wie zb. "Mein Cousin will, dass ich dich heirate, was meinst du denn dazu?" oder sonst etwas dummes. Sie schmunzelte.

    Emi hatte sich heute morgen schon früh aus dem Haus gestohlen und einige Erledigungen getan, bei denen sie ihre Familie nicht zu begleiten brauchte, allem voran stand der Erwerb von neuer Kleidung. Sie wollte sich für das Fest schick machen und dafür würde sie auch gerne mal etwas tiefer in ihren Münzbestand greifen, etwas, dass Nike sicher nicht gutheißen würde und so ging die Bantotakin ohne sie auf die Pirsch. Schlußendlich hatte sie etwas gefunden, dass ihr gefiel, dazu neue Sandalen und auch beim Barbier war sie gewesen, hatte sich die wilden Locken zurechtzupfen lassen und alles störende Haar entfernt. Sogar einen neuen Armreifen gönnte sie sich, der das Bild vervollkommnete. Und so war Emi eine der ersten Menschen, mal wieder viel zu früh und wartete darauf, dass ihre Familie nachkam und ihr Gesellschaft leisten würde.


    Ob Nikolaos auch schon hier war?

    Aus dem Haus schicken? Ha, na wenn das mal gut ging. Emi grinste und blickte zu Anthi, der irgendwie immer noch reichlich verloren aussah. Es war interessant und belustigend zu sehen, dass der Athlet nicht wußte wohin mit sich selber, so sah man ihn nämlich nur ganz selten. Als Kiya die Worte der Hebamme ausrichtete, nickte Emi nur, das war ihr klar gewesen und da das Wasser kurz vorm Kochen war, konnte das Feuer etwas geschürt werden. Aber zum kochen brauchte sie ja auch etwas.


    "Du findest alles hier drinnen." sagte Emi und öffnete eine der drei Türen, die in eine kleine, dunkle Speisekammer führte. Hier war alles Notwendige sauber und ordentlich verstaut, in Amphoren oder Körben und teilweise von der Decke hängend. "Also, soll ich was bestimmtes kochen?" Sie blickte wieder zu Anthi.

    Die unterschiedlich farbenen Augen der jüngsten Bantotakin wurde groß und immer größer, als sie Timos zuhörte. Sie sollte was? "Aber!" sagte sie und blickte skeptisch zu dem Familienoberhaupt. Bevor ihr überhaupt noch ein Argument eingefallen war, hatte sie schon mal losgeplappert - typisch Emi und sie merkte ja eh, dass ihr niemand zuhörte. Schon gar nicht Timos, der lieber seinen jüngeren Bruder fragte anstatt sie selbst. Heiraten! Nikolaos heiraten! Er hatte gesagt sie "sollte" ihn heiraten, nicht, dass sie musste. Emi schnappte nach Luft und sah für einen Moment aus wie ein Fisch auf dem Trockenen. Sie war nicht wirklich wütend, eher überrascht und vor allem ganz und gar nicht glücklich über die Tatsache, dass sie selbst ihrem Cousin diese Idee eingetrichtert hatte. Schöne Sache das! Ein Haus in der Basileia.


    Mit einem Seufzen stellte Emi fest, was ihr dann alles fehlen würde, sie würde umziehen müssen, würde nicht mehr mit Berenike unter einem Haus leben, würde keine wirkliche Gelegenheit bekommen Pelo richtig kennenzulernen oder Pasiphaë oder Kiya, bald würde sie Kinder kriegen und sicherlich keine Zeit mehr haben Scriba zu sein. Außerdem musste sie doch die Ephebia erst bestehen, wie sah das denn aus, wenn Nikolaos sie jetzt heiratete? Timos hatte das ganze wohl noch nicht wirklich durchdacht, wie Emi mit einem Schmollen feststellte. Und überhaupt, würde der Gymnasiarchos sie denn überhaupt wollen? Wo sie doch direkt in der ersten Unterrichtsstunde aufgefallen war? Der mächtigste Grieche in Alexandria. Emi blickte gedankenverloren zu Nike und dann wieder zu Timos, der wiederum Anthi ansah. Sie würde den Männern schon ihre Meinung mitteilen, legte sich die Wörter zurecht. Doch noch wollte sie warten was Anthi dazu sagte. Sie war neugierig und wollte mit ihrer Antwort seine nicht beeinflußen.

    Emi nickte freudig und lächelte ihre Schwester an. Ha, Preisrichterin! Wer hätte das gedacht! Die quirlige und etwas vorlaute Emi würde bald etwas Wichtiges zu entscheiden haben, innerlich platzte sie fast vor Freude und Stolz. Das musste sie unbedingt Anthi erzählen, der würde Augen machen.

    "Sich Nikolaos zu unterstellen ist eien Sache, aber ihn zu unserem Partner zu machen, der uns wohlgesonnen ist und uns hilft, wenn wir Hilfe brauchen eine ganz andere. Ich denke mal wir Bantotaken sind Stolz genug um ihn nur als ebenbürtig anzuerkennen." An dieser Stelle grinste sie freimütig zu Anthi, der sich ganz klar gegen ihn ausgesprochen hatte. "Aber wie willst du ihn zu unserem Partner machen?"


    Emi überlegte einen Moment und verzog ihre hübschen Lippen zu einem Schmollmund. "Ich würde es nicht vermessen finden. Ja, er ist der mächtigste Grieche, aber auch er war mal ein schreiender Säugling, der seiner Mutter den letzten Nerv geraubt hat." Sie nickte. "Er hat sich hochgearbeitet, hat Fehler gemacht, daraus gelernt und war dann irgendwann so reich und mächtig, wie er jetzt ist. Genau wie ihr oder wir. Wir erkämpfen uns auch unseren Platz, vor allem seid soviele liebe, nette und tapfere Frauen in der Familie sind." Sie kicherte und blickte zu Nike und Pasiphaë, die zwar beide ganz ruhig waren aber sicherlich auch eine Meinung dazu hatten. "Man müsste irgendwie die Familie mit ihm verknüpfen. Dann würde auch jeder Außenstehende begreifen, dass er im Ernstfall zu uns hält."

    Soviele Informationen, Emi grinste immer noch und konnte es sich nicht nehmen lassen kurz zu den Jungs zu gucken. Sie selbst konnte ihrem Lehrer noch gut folgen und hörte aufmerksam zu. Sie mochte seine Stimme und er erzählte in einem guten Tempo, so dass es leicht fiel zuzuhören. Sie war gespannt, welche Themen er noch ansprechen würde und ob sie das Gesagte bei einem Test oder einer Fragestunde würden wiedergeben müssen.

    Emis Gesicht hellte sich auf und sie grinste. Spiele! Klasse, da hatte sie immer einmal mitmachen wollen und sie nickte eifrig, so dass ihre Locken lustig hin und her sprangen. "Ja, gerne." Sie würde zwar nicht selber antreten, sondern vielleicht ein Preisrichter sein, aber das machte ja gar nichts. So war sie mitten im Geschehen und hatte sogar noch eine lustige und ehrenvolle Aufgabe. Sie grinste. Alexandria war einfach toll!

    "Aber natürlich helfe ich dir, Dummerchen." Emi grinste noch und blickte dann über die sauber gelagerten und ordentlichen sortierten Lebensmittel. "Ich wollte jetzt eigentlich Essen kochen, damit wir später alle etwas Stärkung haben. Gibt es etwas, dass Pelo besonders mag? Ansonsten könntest du natürlich zu ihr gehen und ihre Hand halten, wenn sie das will. Aber generell ist Kinder kriegen eher Frauensache. Mit der Hebamme und Nike hat sie fähige Frauen an ihrer Seite, über Kiya wissen wir ja noch nicht soviel."

    Emi hatte zugehört und wollte bereits losplappern, als Anthi ihr zuvor kam und sie erstmal ihren Mund schloß. Sie kannte Nikolaos und er war ihr bisher sehr sympathisch vorgekommen, als ihr Lehrer hatte er ihr bereits einiges beigebracht. Darüber hinaus kannte sie ihn eigentlich nicht. erst durch Anthis Worte dachte sie etwas genauer darüber nach und sprach erst dann.


    "Ich weiß nicht recht. Einerseits ist er nett und seine Unterstützung sicherlich hilfreich, allerdings kann ich Anthi auch gut verstehen. Wir sind eine große und stolze Familie, ihr seid mit Nichts in diese Stadt gekommen und habt soviel erreicht. Ohne seine Hilfe. Da sollte das kommende doch auch ohne ihn bewältigt werden können, oder?"


    Emi blickte zwischen den beiden ältesten Männern um, dann zu ihrer Schwester und auch Ilias und Pasiphaë. Was hätte sie auch besseres sagen können?

    Emi wurde zwischen Zorn, Mitleid und Traurigkeit hin und her getrieben und die Gefühle schwellten an und ab wie die Wellen des Meeres, das zu ihren Füßen lag. Ihre Hand hatte bei seinen Ausführungen angehalten, doch als sie sich dessen bewußt wurde, strich sie wieder regelmäßig über seinen Arm. Sie war geschockt und stellte sich in ihrer kindlichen Natur die Seefahrt bildlich vor, die Angst der Seemänner, die Hektik und Planlosigkeit wenn jeder zuerst an sich selbst denkt, die lauten ZUrufe, das Schlagen der Wellen, das Brüllen von vergeblichen Befehlen und nicht zuletzt das Bersten des Holzes. Bisher hatte sie nur eine längere Seefahrt gemacht, hierhin nach Alexandria, aber es graute sie noch immer... Und Anthi hatte soviel Glück gehabt. Dass Ilias und auch Timos nicht nur überlebt hatten, sondern in seiner Nähe angespült worden waren.


    "Poseidon muß euch drei sehr lieben, dass er euch diese Ehre zuteil werden ließ. Ihr habt schreckliches überstanden in seinem Reich, habt überlebt und seid nun eine angesehene Familie hier in der Stadt."


    Emi war eine gottesfürchtige Person und beschloß nicht erst jetzt in diesem Moment, dass man Poseidon ein größeres Opfer bringen sollte.

    Emi hatte zwar gewusst, dass sie ganz offiziell die Erlaubnis ihres Cousins nicht brauchte um ein Amt anzutreten, aber im Grunde war ihr das viel lieber so. Ihre gute Erziehung und das Gefühl der Dankbarkeit zu diesem teil ihrer Familie war groß genug, dass sie nicht einfach mit dem Kopf durch die Wand wollte. Zumal sie sich ja weder dazu entschlossen hatte auch wirklich ein Amt zu übernehmen oder welches sie wollte. Erstmal war sie Scriba und dann gab es da den Unterricht hier bei Nikolaos und dann konnte man immer noch mal weitersehen.


    Allerdings fand es der Lockenkopf doch etwas enttäuschend, dass ihr Lehrer nun doch nicht so wirklich mit der Sprache rausrückte. Ihre Schwester stellte eine Menge kluger Fragen und Emi lauschte aufmerksam, doch es wurden heute keine Geheimnisse verraten. Als er von einem reichen Ehemann sprach, nickte Emi nur, nicht daran denkend, dass er etwas bestimmtes meinen könnte. So hellhörig wie ihre Schwester war sie dahingehend nicht sondern sah eher das praktische an einem reichen Ehemann. Er würde ihr ein Amt finanzieren können, wenn er es denn erlaubte. Wenn er es nicht tat, wäre sie in einer Art goldenem Käfig gefangen und müsste ihre Cousins und ihre Schwester verlassen. Ein schlechter Tausch.


    Da stellte Nike schon wieder so gute Fragen und Emi glaubte einen Moment, sie müsste auch ganz schnell was sagen. Sonst sah sie gegen ihre Schwester schlecht aus, aber so vorlaut ihr Mundwerk auch einfach war, ihr fiel keine gescheite Frage ein. Daher begnügte sie sich - erstmal noch - mit zuhören.