Beiträge von Emilía Bantotakis

    Emi erhob sich und verschränkte die Arme vor der Brust, während ihr Blick langsam über die anderen Sklavinnen glitt. Sie konnte sich den Rücken ihrer Schwester einfach nicht mehr ansehen ohne in Tränen auszubrechen und innerlich malte sie sich die schlimmsten Bilder aus, was mit ihrer Schwester passiert sein konnte. Ihre Eltern hatten sie verheiratet, mit einem Händler, das war vor sieben Jahren gewesen und somit hatten sich die Schwestern trennen müssen. Wie es nun mal üblich war, wurde Berenike in die Familie ihres Ehemannes aufgenommen und lebte von da an mit ihm in Rhodos. Leider zu weit von ihrem Elternhaus entfernt, als dass man sich ohne weiteres besuchen konnte. Das letzte Mal, dass die beiden richtigen Kontakt hatten war, als Berenike von der Geburt ihrer Tochter berichtete, Arsinoë. Und dann irgendwann brach der Kontakt einfach ab und die Briefe, die ihre Familie ihr geschrieben hatten, verschwanden einfach, höchstwahrscheinlich ungelesen. Wie war sie in Gefangenschaft geraten, wie zur Sklavin geworden? Ob ein dummer Rhomäer sie einfach dazu gezwungen hatte? Und wo, bei allen Göttern, war Arsinoë?


    Alles Fragen auf die sie nun noch keine Antwort kriegen würde und daher schaute sie nur mit möglichst ausdruckslosem Gesicht auf Menas, der sich gerade bei ihnen im Verschlag einfand. Er schaute noch immer sehr skeptisch und seine Laune verbesserte sich kein Stück, als Ánthimos ihn so anfuhr. Er schaute auf die Sklavin, natürlich keinerlei Ahnung habend, dass sie eine Bantotake war und ging näher an sie heran, um sie mit der Sandalenspitze in die Rippen zu treten. Nicht fest, um sie zu verletzen, aber fest genug um eine Reaktion zu bewirken. Anscheinend war das seine Art zu überprüfen, in welchem Zustand sie sich befand. Er seufzte einmal laut und theatralisch und für einen kurzen Augenblick dachte Emi daran ihn wie eine Furie anzuspringen und ihm die Augen auszukratzen. Doch der Gedanke verflog und sie beobachtete schweigend, wie Menas auf das Angebot ihres Cousins einging.


    "Ánthimos, was du mir anbietest ist nichts weiter als ein schlechter Handel. Es ist mir völlig egal, Chancen interessieren mich nicht, aber ich hatte nicht vor noch fünf Tage hierzubleiben. 250 Drachmen kann ich so oder so für sie kriegen - auch mit gepeitschtem Rücken. Die Rhomäer mögen etwas Feuer bei ihren Sklavinnen, gerade bei den griechischen." Er lachte etwas dreckig und schaute nochmal zu Emi, was sie mit aggressivem Blick erwiderte. "350 und meine Männer tragen sie dir nach Hause." Bot er an und blickte den Agoranomos schief grinsend an. Es widerte Emi an, dass man hier um das Leben ihrer Schwester feilschte und sie war froh, dass sie beiden Männer sich dann bei 300 einigten. Es fiel ihr ebenso schwer, still zu sein und die Fassung zu bewahren. Ihr Blick schlich immer wieder zu Nike und sie konnte es nicht abwarten, bis die zwei Aufseher endlich mit einer Trage kamen. Jetzt brauchte man sie nur noch verladen und zu ihnen nach Hause tragen, ihr Haus war ja im selben Stadtviertel, was Emi erleichtert feststellte. Tyche würde ein großes Geschenk erwarten können, soviel war Emi klar -sie war so unheimlich dankbar. Und Nike würde es auch sein, wenn sie erst mal in Sicherheit war und Ánthi sie versorgt hatte und sie aus ihrem Delirium aufwachte und feststellen konnte, dass es kein Traum war. Dass Emi wirklich hier war und sich um sie kümmerte.


    Die beiden großen, muskelbepackten Aufseher gingen nicht grade zimperlich vor, als sie Nike an Schultern und Fußgelenken packte und auf die Liege legten und Emi warf ihnen einen anschuldigenden Blick zu. Welcher natürlich ignoriert wurde, aber wenigstens waren sie jetzt alle aus dem Verschlag heraus und der Heimweg konnte angetreten werden.

    Auf dem Weg zu ihrem Zimmer legte Emi einen Zwischenstopp auf der Latrine ein und in ihrem Zimmer trank sie mehrere Gläser kaltes Wasser, bevor sie das Geschenk für Timos an sich nahm und den Rückweg antrat. Das Wasser machte ihren Kopf wieder klarer und auch der Schluckauf verschwand. Wäre ienfach zu peinlich, am ersten Abend betrunken zu werden. Obwohl es eigentlich eine lustige Idee wäre, wie Emi grinsend feststellen musste. Timos war sicher auch nicht abgeneigt. Wie die beiden Brüder dort so saßen, konnte man ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten gut vergleichen und Emi ließ sich Zeit mit dem laufen, so dass sie den Anblick noch etwas genießen konnte. Sie freute sich ja so unheimlich hier zu sein!


    Dann setzte sie sich wieder auf die Cline und reichte Timos das lederne Armband.Es war aus breitem Leder und wurde mit einem Lederbändchen geschnürt. In das dunkle Leder hatte ihr Vater die Darstellung eine Hoplon und einige Weinranken eingebrannt, es war extra für Timos angefertigt worden, kein reiches oder protziges Geschenk, aber gute Handwerksarbeit. Sie wußte nicht ob er solchen Schmuck mochte, er trug jedenfalls keinen und blickte ihn daher etwas gespannt an.


    "Bitteschön, ein kleines, handgefertigtes Stück von Hikates, der dir die besten Grüße entsendet. Natürlich schicken dir auch alle anderen ihre Grüße. Ich hoffe es gefällt dir."

    In einer anderen Situation hätte sie wahrscheinlich lachen müssen, dass er sich den Kopf stieß, doch dazu war ihr jetz gar nicht zumute. Auch er flüsterte und sie nickte ihm nur zu, denn er wandte sich bereits zum gehen. Auch machte ihr kleines Schauspiel mit und so taten beide, als gäbe es etwas zum beanstanden. Menas, der Sklavenhändler, beäugte sie kritisch, aber nicht argwöhnisch. Als sie dann bei Nike angekommen waren, hockte sich Emi wieder hin. Es schien nicht so, als wenn sie bei Bewußtsein war.


    "Ich bin mir ganz sicher, dass sie es ist. Ich habe sie zwar ungefähr sieben Jahre nicht mehr gesehen, aber sie sieht wirklich aus wie Berenike. Außerdem hat sie mich Emi genannt. Ich bin nur nicht sicher, ob sie das bei vollem Bewußtsein gemacht hat, sie ist eingeschlafen."


    Sie zeigte einmal auf den Rücken und blickte Ánthi nur an, ihr schauspielerisches Talent reichte einfach nicht aus, um sich jetzt noch eine überschminkte, alte oder vertuschte Verletzung auszudenken.

    Ha! Das hatte sie gleich gewußt, Timos war immer noch so ein fröhlicher Mensch wie früher. Sie grinste ihn an und wurde sogar eine Spur rot, als er sie musterte und ein Kompliment machte. Sie erwiderte seine Küsschen und ließ sich dann bereitwillig wieder auf die Cline setzen. Stehen war eh viel zu anstrengend. Er beäugte die Weinflasche interessiert und Emi fing an zu lachen.


    "Wir haben dir etwas von Mamas gutem Wein übrig *hicks* gelassen und trinken stattdessen dieses Traubenwasser. Sie hat mir eine Flasche für deinen Bruder mitgegeben, als Gastgeschenk.*hicks*Du kommst also grade zur richtigen Zeit."


    Dann fiel ihr siedend heiß ein, dass sie ja auch noch ein Geschenk für ihn hatte und machte ein erschrockenes Gesicht. Sie stand auf, diesmal ohne zu schwanken und grinste die beiden an. "Ich *hicks* bin gleich wieder da, nicht *hicks* weglaufen." Sprachs und verschwand mit hlab rennendem Gang, um das Geschenk aus ihrem Zimmer zu holen.

    Der Neuzugang im Garten blieb für die junge Bantotakis nicht unbemerkt und sie drehte sich halb zu ihm um ihn zu mustern. Sie grinste breit und versuchte den nervigen Schluckauf zu unterdrücken, während er sie kurz ansah und dann zu Ánthi blickte. Das war doch sicher Timos! Ilías war schließlich nicht da und ein Sklave wäre nicht so selbstsicher aufgetreten. Sie stellte ihren, sowieso schon wieder leeren, Becher auf und stand mit einem großen Grinsen auf, was aber schon gar nicht mehr so einfach war. Während des sitzens auf der Cline hatte sie es kaum bemerkt, aber der Wein war ihr tatsächlich bereits zu Kopf gestiegen und sie schwankte sie für einen klitzekleinen Augenblick, bis sie aufrecht stand. Sie musterte denn jungen Strategos unverhohlen und lächelte ihn an, dann ging sie die wenigen Schritte auf ihn zu.


    "Chaire *hicks* Thimótheus!" sagte sie fröhlich und umarmte ihn stürmisch. "Ich hatte schon *hicks* befürchtet, dass du *hicks* gar nicht *hicks* mehr auftauchst." meinte sie noch, wie immer vergessend, sich erst vorzustellen. Als ihr das auffiel, kicherte sie und machte ein gespielt ernstes Gesicht. "Ich bin, die kleine *hicks* nervige Emilía aus Syria."

    Emi war - zum vielleicht vierten oder fünften Mal in ihrem Leben - völlig sprachlos und grinste nur glückselig vor sich hin. Diese Lobrede, die Ánthi mit solcher Inbrunst vorgetragen hatte, war wirklich wunderschön und er war der wohl glücklichste Mensch, den Emi kannte. Vielleicht von ihren eigenen Eltern mal abgesehen, deren Verbindung ebenso innig war. Aber diese Pelo musste einfach ein Klasseweib sein, soviel stand fest, denn auch wenn sie schon etwas launisch war und wohl auch eher eine ruhige Person, was Ánthi von ihr hingerissen. Emi hob ihren Becher, goß den beiden nocheinmal an und grinste ihn an, damit er mit ihr anstieß.


    "Auf Penelope, deine wundervolle Frau und auf eine ganze Heerschar Bantotaken, die ihr noch zur Welt bringen werdet!" sagte sie feierlich und trank ihren Becher in einem großen Zug aus. Sie lehnte sich zurück und begann zu kichern, weil sie plötzlich einen Schluckauf bekam. Sie versuchte die Luft anzuhalten und machte kugelrunde Wangen, aber dann kicherte sie doch wieder und der Schluckauf blieb.

    Bei den Göttern! Es war tasächlich Nike! Den letzten Zweifel vertrieb Nike selbst, in dem sie Emi noch einmal beim Namen nannte und sie sogar trösten wollte. Ihre berührung war schwach, aber zärtlich und wieder traten Tränen in die Augen der Jüngeren. Die letzte Hoffnung, dass dieses arme Geschöpf da vor ihr nicht ihre Schwester war, waren damit ebenso vertrieben und sie blickte sich hektisch um, bis sie Ánthi sehen konnte. Er war noch mit der Germanin zu gange und Emi öffnete ihren Mund um ihn zu rufen, wobei ihr jetzt erst bewußt wurde, wie belegt ihre Stimme war. Sie stand auf, auch wenn sie ihre Schwester viel lieber auf den Arm und am besten direkt nach Hause getragen hätte. Doch der Sklavenhändler war in der Nähe und beobachtete sie, wenn er wüßte, dass es sich hier um ihre Schwester handelte würde es alels nur verkomplizieren. Emi atmete tief durch, räusperte sich und versuchte sich nichts anmerken zu lassen, als sie den Verschlag verließ und zu ihrem Cousin herüber ging.


    Für einen Augenblick beobachtete sie ihn noch, doch dann hielt sie es nicht mehr aus und trat zu ihm. "Ánthimos?" fragte sie ernst und wartete, bis sie seine Aufmerksamkeit hatte. Dann beugte sie sich zu ihm und flüsterte ihm ins Ohr. "Die Griechin ist meine Schwester, Berenike."

    Es war nur allzu deutlich, dass der geschundene Körper nach Ruhe verlangte, denn die Augen der Griechin wurden schwer und dann schloß sie sie. Doch als sich ihre Lippen bewegten, erschrack sich Emi bei der Wortwahl so sehr, dass sie ihre Hand wegzog als hätte sie einen heißen Topf angefasst. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie auf die Sklavin vor ihr, deren Kopf unsanft auf dem Boden landete. Sofort griff sie wieder hin, nahm den Kopf diesmal sogar noch sanfter in ihre Hände und schaute in das Gesicht. Sie hatte sie beim Namen genannt, bei ihrem Kosenamen sogar und auch die Wortwahl war ihr nur allzu vertraut. So hatte ihre ältere Schwester sie immer zu beruhigen versucht, wenn irgendwas vorgefallen war oder Emi auch einfach nur mal wieder zu stürmisch gewesen war. Berenike, ihre ältere Schwester von der sie sechs Jahre nichts gehört hatte. Die eigentlich mit Mann und Kind in Rhodos leben müsste!


    Tränen traten dem wilden Lockenkopf in die Augen und sie sah sich das Gesicht noch einmal ganz genau an, nein, es gab keinen Zweifel, sie hatte Nike gefunden. Die anderen Sklavinnen schauten sich das Beispiel interessiert an und verstohlen wischte sich Emi die Tränen weg. "Nike?" fragte sie sanft und leise und versuchte, sie aufzuwecken.

    Huch dachte Emi nur, als ihr Cousin dem Händler sehr unmissverständlich antwortete und dabei auch kein Blatt vor den Mund nahm. Seine Stimme war kalt und seine Haltung steif und sie hätte ihn fast nicht wieder erkennt, er wirkte so viel härter und herrischer. Dabei war er ja eigentlich ihr Cousin, mit dem sie lachte und Wein trank und Witze riss. Aber das hier war etwas ganz anderes und sie beobachtete die beiden Männer interessiert. Irgendwann würde sie sich vielleicht auch mal so durchsetzen müssen, wenn sie dann wirklich Scriba war oder sogar ein Amt inne hatte. Ánthi stellte sie bereits als Scriba vor und auch wenn Emi eigentlich noch gar nicht ja gesagt hatte, war ihr das nur allzu recht. Sie nickte dem Händler kurz zu, für eine persönlichere Begrüßung fehlte die Zeit und Emi war froh darum.


    Als ihr dann aufgetragen wurde nachd er Griechin zu sehen nickte sie nur kurz und öffnete und betrat dann den Verschlag. Der Geruch hier drin war um einiges intensiver als draußen und Emi sah sich erstmal einen Moment um, es gab hier mehrere Frauen - unterschiedlich alt und von vielen unterschiedlichen Völkern - und alle waren in einem mehr oder weniger erbärmlichen Zustand. Sie sahen müde und hungrig aus und vielleicht waren auch einige krank und selbst bei dem jungen Mädchen konnte Emi schon aus dieser Entfernung blaue Flecken sehen. Weder der Händler noch seine Schergen schienen allzu vorsichtig mit ihrer Ware umzugehen und mit einem traurigen Kopfschütteln ging Emi zu der Griechin, die am Boden lag und das Mädchen anlächelte. Sie besah sich den Rücken und sah die aufgeplatzte Haut und wie das Blut langsam daraus sickerte, ihr wurde fast übel. Sie war keine Ärztin und kannte sich höchstens mit aufgeschlagenen Knien aus, aber das hier war gleich etwas ganz anderes. Wenn sich keinerdarum kümmerte würde sie Narben zurückbehalten. Emis Blick streifte sie nackten Beine und sie konnte immer mal wieder Kratzer und blaue Flecken sehen, aber keine Vertuschungsversuche von Seiten des Händlers.


    Emi beugte sich zu ihr runter und sah ihr dann ins Gesicht, es wunderte sie etwas, dass sie lächelte. Sie war wunderschön und kam Emi plötzlich sehr bekannt vor. Sie nahm zwei Finger und hob den Kopf langsam an, damit sie sie besser ansehen konnte. "Du siehst aus wie meine Schwester." sagte sie sanft und lächelte der Griechin liebevoll zu.

    Traurig schüttelte Emi mit dem Kopf. ihr Cousin hatte leider Recht und das wußte sie auch. Keiner von beiden konnte etwas machen und es schien auch sonst kaum jemanden zu interessieren. Wäre die junge Griechin kein so lebensbejahender Mensch gewesen, hätte sie jetzt vielleicht mit den Schultern gezuckt und wäre davon gegangen. So wie viele Andere, die einfach ihrer Wege gingen. Resigniert liess sie ihre Schultern hängen und blickte zu Ánthi, der ebenso traurig aussah. Ihr Blick glitt wieder zu dem Aufseher und sie sah, wie er zum elften Schlag ausholte. Die lange, ledernde Peitsche sauste durch die Luft und ließ sogar auf die Entfernung einen zischenden Laut erklingen. Die Spitze der Peitsche traf die Griechin und ein Ruck ging durch ihren Körper und ihre langen, braunen Locken hüpften auf und ab. Locken genau wie sie, etwas ordentlicher vielleicht, wenn man sie nur waschen und kämmen würde. Aber daran hatte der Sklavenhändler kein Interesse, was eigentlich seltsam war, denn eine saubere Sklavin würde doch sicherlich mehr Geld einbringen. Als auch der letzte Schlag die Griechin getroffen hatte, brachte man sie in ihren Käfig zurück und beschäftigte sich stattdessen mit der Blondine.


    Noch bevor es Emilía richtig begriff, lenkten ihre Füße sie auch schon näher heran und mit einer morbiden Faszination beobachtete sie die Frau in ihrem erbärmlichen Zustand. Sie war kein Mensch, sondern ein Gegenstand. Vorm Gesetz und in den Augen vieler - doch Emi hatte Mitleid. Sie drehte sich um und sah, dass Ánthi ihr folgte, so dass sie auch die letzten Schritte zum Verschlag zurücklegte. Sie wußte nicht recht, ob sie etwas sagen sollte, weil ihr schlicht und ergreifend die Worte fehlten. Was sollte man auch sagen, dass es ihr leid tat? Sie hatte ja nichts schlimmes gemacht, sondern die dummen Aufseher, die ihr im Moment noch keine Beachtung schenkten. Wahrscheinlich hielten sie sie für eine potentielle Käuferin.


    Dann plötzlich stand ein älterer Herr neben ihr und grinste sie an, wobei Emilía den Eindruck nicht los werden konnte, dass dieses Grinsen einen frivolen Unterton hatte. Ihre Miene blieb steinern und sie blickte wieder auf den Käfig, so dass der Händler sich direkt an den Marktaufseher wandte.


    "Chaire Ánthimos Bantotakis, wie schön dich erneut hier begrüßen zu können. Hast du Interesse an meiner Ware gefunden?"

    Ein Jahr, das war eigentlich keine besonders lange Zeit. Je nachdem wie ordentlich der Vorgänger sein Amt ausgeübt hatte und vor allem den dazugehörenden Schreibkram konnte es lange dauern sich einzuarbeiten. Und dann, wenn man alles begriffen hatte und endlich loslegte, war es schon fast wieder vorbei. Emi schüttelte den Kopf, sie konnte die Zeitspanne verstehen, aber irgendwie hätten ihr zwei Jahre sinnvoller erschienen. Nun denn, es lag nicht an ihr sowas zu ändern und sie hörte lieber zu, was er ihr über die Goldwaage erzählte. Eine Hand abhacken, nein, auf sowas konnte man wirklich gut verzichten. Im Grunde gut, dass der Händler soviel Gold besessen hatte, denn so wurden auch die entschädigt, denen er vorher das Geld aus der Tasche gezogen hatte. Und es kamen auch noch Drachmen in die Staatskasse, woher ja schlussendlich auch Ánthi seinen Lohn bezog. Obwohl es eher als Aufwandsentschädigung zu sehen war, weil man der Polis einen Dienst erwies. Und dann sogar einen Schwarzmarkt! Emi blickte auf und staunte nicht schlecht, dieser frühere Strategos hatte sich da anscheinend echt gut angestellt. Was für ein Erfolg!


    "Wäre es eigentlich auch für mich möglich Agoranomos zu werden? Dazu brauch ich dann erst die Ephebia, richtig? Wir dürfen nicht vergessen mich dazu anzumelden. Ich habe schon wirkliche Lust darauf auch eine Aufgabe zu kriegen. Stell dir mal vor, was das für einen Eindruck macht, wenn ich dann auch eine Prytane bin. Dann hätten wir drei Stück in der Familie!"


    Sie grinste ihn an und freute sich wie etwas, dass man später als Schneekönig bezeichnen würde und was wahrscheinlich in Alexandria auf ewig unbekannt war. In ihrer manchmal recht stürmischen Fantasie sah sie sich bereits zusammen mit Ánthi und Timos durch die Stadt gehen und die Leute grüßten sie, weil sie die drei wiedererkannten. Ein Strategos, ein Agoranomos und sie … ja, welcher Posten bliebe denn dann für sie!? Ach, etwas gab es immer und wenn die zwei ein höheres Amt annahmen, konnte sie ihnen folgen.


    Emilía nickte, als er meinte, dass sie zuerst zu dem Sklavenmarkt gehen wollten. Generell hielt sie nicht wirklich große Stücke auf die Sklaverei, aber sie auch den Nutzen darin und verstand, dass das römische Reich ohne die Sklaven niemals funktionieren würde. Man musste sicherlich keine drei Sklaven haben, deren einzige Aufgabe darin bestand immer frische Weintrauben in Reichweite zu bringen, aber wenn man ein Geschäft führte konnte ein treuer Sklave Gold wert sein. Oder sogar mehr. Daher ging sie mit ebenso neugierigem Blick zu dem Bereich, den Ánthi ihr wies und besah sich den kleinen Schauplatz. Es gab auch ein Podest hier und dann, in langen Reihen, unzählige Käfige. Teils waren sie fest verankert und groß, teils waren sie aus Holz und kleiner, so dass man sie transportieren konnte. Der Geruch von Kot und Urin wehte nicht in ihre Richtung, so dass die beiden Bantotaken davon nun verschont blieben, doch etwas anderes erregte die Aufmerksamkeit der jungen Griechin. Zwei Aufseher standen um zwei Sklavinnen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Eine große, stabil gebaute und etwas rundlich wirkende Germanin, mit blondem Haar und einem wilden Aussehen und neben ihr eine Griechin, ganz eindeutig. Die dunklere Haut, die braunen Locken und ihre Grazilität machten es für Emi ganz selbstverständlich, dass dort eine Landsmännin versklavt worden war. Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, als sie sah, dass die Griechin bitterlich aufschrie, wenn die Peitsche auf sie niederfuhr, während der Germanin diese Prozedur noch bevorstand. Unweigerlich hatte Emi angehalten und stupste Ánthi nun mit ihrem Ellenbogen an, bevor sie mit einem Nicken in die Richtung wies.


    "Sieh mal." Sagte sie leise und es klang gar nicht fröhlich, was bei ihrer sonst immer so ausgelassenen Art beinahe seltsam wirkte. Irgendwie hatte sie Mitleid mit den Sklavinnen, reichte denn die Hitze nicht aus, dazu das stundenlange Warten in der Sonne und im Dreck der Anderen? Musste man sie noch auspeitschen? Der Aufseher mit der Peitsche kam grade bei "zehn" an, als sich Emi an Ánthi wandte. "Kann man da denn nichts machen?"

    So schnell wie er sprach wäre sie nie dazu gekommen sich Notizen zu allem zu machen und deswegen schrieb sie nur noch die wichtigstens Stichwörter auf und lauschte stattdessen lieber. Es war wichtiger, es direkt beim zuhören zu verstehen, als sich hinterher zu fragen, was man da überhaupt in den Wachs gekritzelt hatte. Zumal ihre Handschrift nur dann wirklich schön war, wenn sie sich Zeit nahm zum schreiben. Einen Moment ließ sie sich seine Antworten noch durch den Kopf nehmen und überlegte, dann nickte sie. Sie hatte sogar alles verstanden! Ánthi erklärte es und sie lächelte ihn an.


    "Was war denn das schlimmste Vergehen, dass du mal aufgedeckt hast? Und für wie lange bist du eigentlich gewählt?" Die Idee, Essen anzumalen wäre ihr gar nicht gekommen, aber das zeigte wie gewitzt die Händler waren um ihre Ware doch noch zu verkaufen. Wahrscheinlich musste man ihnen immer irgendwie einen Schritt voraus sein. Da fiel ihr etwas ein, was ihr Vater ihr mal gezeigt hatte. "Wusstest du, dass man Obst zum glänzen kriegt, wenn man es mit einem Tuch abreibt, dass man mit Öl befeuchtet hat. Obwohl, ich glaub das ist nicht wirklich schädlich, oder? Aber dann sieht alles super frisch aus, auch wenn es das nicht ist."


    Zufrieden, dass ihr das noch eingefallen war, blickte sie zu Ánthi.


    "Wollen wir weitergehen? Oder vielleicht jemanden kontrollieren?" Au ja, das wäre doch mal ein Spaß. er hatte schließlich die Macht dazu und so würde sie einmal aus erster Hand erleben, wie so eine Kontrolle von statten ging.

    Interessiert hörte sie zu als Ánthi seine normale Vorgehensweise erklärte und nickte hin und wieder. Bei der Erwähnung der Stadtwache musste sie allerdings grinsen, denn sie dachte an Timos, der ja der Oberbefehlshaber war. Ganz schön praktisch, so konnten sich die Brüder immer schnell über auffällige Händler austauschen und mussten nicht erst den Umweg über Briefe und Notizen machen.


    "Kommt es denn oft vor? Also, dass ein Händler keine Erlaubnis hat oder seine Waagen fälscht? Man müsste doch meinen, dass sich die Kontrollen rumsprechen. Und wie viele erwischt ihr so? Also die meisten ist ja nicht grade sehr deutlich, sagen wir mal von zehn, die es versuchen, wie viele findet man. Und bist du der einzige, der kontrolliert? Wie sollst du denn allein einen sooo riesigen Markt überwachen??" fragte sie ungläubig. Nein, es musste einfach noch andere Personen geben, sie nahm an die Stadtwache. Da ihr Cousin ihr schon gesagt hatte, dass sie so viel fragen sollte, wie sie wollte, ließ sie sich das nicht zweimal sagen und sah sich noch einmal um, bevor ein neuer Redeschwall auf den Athleten einprasselte. "Bei der Qualität schaust du also, dass Lebensmittel frisch sind und die Verarbeitung der anderen Produkte akzeptabel ist, richtig? Vergibst du dann auch neue Erlaubnisse an neue Händler? Und wie entzieht man einem Händler seine Erlaubnis? Und, nehmen wir mal an, einer verkauft ohne sie und Timos fängt ihn ein, was für eine Strafe erwartet ihn dann?"


    Sie war stehen geblieben und drückte sich etwas näher an Ánthi, der wie ein Fels in der (Menschen-)Brandung war und durch seine Größe und Statur die anderen dazu verleitete an ihnen vorbei zu gehen. So konnte auch Emi alles beobachten und wurde nicht herum geschubst oder stand jemandem im Weg. Was an und für sich auch mal sehr angenehm war.


    "Ich sehe, dass hier generell viel mit Lebensmittel und Gewürzen und exotischen Dingen gehandelt wird. Überwachst du auch die Getreidelieferungen nach Rom? Und dann sehe ich Dinge zum Leben, Kleidung, Geschirr, Möbel und sowas. Gibt es auch Sklavenhändler hier? Überwachst du die auch?"

    Eigentlich wollte sie noch etwas zu langweiligen Scriba in verstaubten Räumen sagen, doch er fing bereits an von Penelope zu schwärmen und da konnte sie ihn einfach nicht mehr unterbrechen. Er schmunzelte etwas und sah gleich jünger aus, fand Emi, irgendwie so richtig strahlend. Sie beneidete ihn beinahe etwas, wie er da so liebevoll erzählte und sie nickte geflisstentlich. Er sprach offen über seine Frau und hatte eine für einen Mann erstaunlich bestimmte Vorliebe für ihr Aussehen. Die Haarspangen wären also ein wirklich gutes Geschenk, denn sie konnte damit störende Haare aus dem gesicht halten und den Rest offen tragen oder sie zur Zierde einsetzen, wenn sie es eh zusammensteckte. Zufrieden nickte Emilía, vergessend, dass er ihrem Gedankengang wahrscheinlich gar nicht folgen konnte. Ein Blick in ihren Kelch verriet ihr, dass nur noch ein winziger Schluck des guten Weines da war und in der Flasche war auch nicht mehr so viel. Sie begann nun die Wärme zu spüren, die sich in ihrem Bauch ausbreitete und ihre Füße schwer werden ließ und so lehnte sie sich entspannt zurück und beobachtete einen Moment den dunkler werdenden Himmel. Ihre langen Beine zog sie an sich, unbemerkt rutschte ihre sowieso nur knielange Kleidung höher und gab den Blick auf ihren Oberschenkel frei, nun ja, die eine Hälfte davon zumindestens. Sie beugte sich vor, griff nach dem billigeren Wein und goß sich nach. Natürlich vermischte sie die Weine nicht, die Götter mögen solchen Frevel behüten!


    Es war herrlich entspannend und zu der allgemeinen Müdigkeit, die sich ja schon am Nachmittag eingestellt hatte, wirkte der Wein nochmal zusätzlich."Also so wie du über deine Frau sprichst, weiß ich gar nicht wen ich mehr beneiden soll. Dich, weil sie anscheinend eine wirklich wundervolle Frau ist und du sie ganz offensichtlich wirklich liebst. Oder aber Sie, eben weil du sie liebst und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dich weniger liebt." Sie nippte an ihrem Wein. "Und dann auch noch ein Kind, das ist wundervoll. Ich habe meinen Schwestern immer beigestanden, wenn sie schwanger waren und kenne mich sogar ein bisschen aus. Fühlt sie sich denn schon schlecht und hat manchmal schlechte Laune? Und überhaupt, was ist sie eigentlich so für ein Mensch?"


    Auch Emilías Stimme wurde vom Wein gelockert, immerhin hatte sie beinahe eine halbe Flasche alleine getrunken und sie hatte zudem das Gefühl, mit Ánthi offen reden zu können und ihm einfach Löcher in den Bauch zu fragen. Wenn sie an früher zurückdachte, dann hätte sie das wahrscheinlich nie für möglich gehalten.

    Belustigt beobachtete sie, wie er einen kräftigen Schluck nahm und den Wein mochte. Jetzt trank auch sie etwas mehr und nickte, als er den Wein und somit ihre Mutter lobte. Sie war ja selbst ziemlich stolz auf sie und genoss den Wein, den man ihr auch nur selten gönnte, demnach umso lieber. Ánthi goss ihnen noch einmal ein und Emi konnte ihm erst antworten, als sie ihren zweiten Becher bereits zur Hälfte ausgetrunken hatte. Den Wein, der zusammen mit dem Gebäck auf dem Tisch stand, rührte im Moment (noch) keiner an - genauso wenig wie die Nascherei, die nur den Geschmack des Weines verfälscht hätte.


    "Das klingt nach einem ausgezeichneten Plan, mein lieber Cousin. Ich würde mich sehr freuen dich einfach einen Tag zu begleiten, dann wird dir auch nicht so langweilig, wenn ich dich mit dummen Fragen löchre." Sie grinste frech und trank noch einen großen Schluck, für eine junge Frau, noch dazu von ihrer schlanken Statur legte sie ein beachtliches Tempo vor. Doch anmerken konnte man ihr nichts. "Außerdem wäre das die perfekte Ausrede für dich aus den stickigen, grauen und langweiligen Schreibstuben zu entfliehen und einen Tag mit mir laufenderweise an der frischen Luft zu verbringen. Sollen doch deine Scriba im Schatten sitzen, geschieht ihnen recht. Außerdem ist auch normales Gehen eine Art von Training, man muß nicht immer schwitzen und beinahe umfallen, wenn man in der Übung bleiben will."


    Sie gluckste herum und beugte sich noch einmal vor, um ihm und sich nachzuschenken. Es schmeckte einfach zu herrlich um aufzuhören und sie fühlte sich grade so beschwingt und frei, dass sie einfach loslachen musste. Eine Haarsträhne verfing sich in ihrem Becher und sie fischte sie heraus, nur um dann den wertvollen Wein zu retten und nuckelte etwas an der Haarsträhne herum, bis sie diese wieder hinters Ohr verbannte. "Hat Penelope eigentlich auch Locken?" fragte sie dann noch hinterher, plötzlich an die zwei Haarspangen denkend, die auf ihrem Bett lagen.

    Seit ihrer Ankunft in Alexandria war eine Woche vergangen und Emi hatte sich schnell an ihr neues zu hause gewöhnt, die zwei Brüder, die anwesend waren, hatte sie direkt ins Herz geschlossen und Penelope sowieso. Es war schön noch eine andere Frau da zu haben und sie hoffte darauf, dass die beiden sich noch anfreunden würden, aber sowas konnte man schlecht überstürzen. Sie war auch deren Großvater begegnet und hatte sich artig vorgestellt, aber seitdem war sie ihm aus dem Weg gegangen. Er war wirklich ein garstiger Mensch, ganz so wie Ánthi sie ja vorgewarnt hatte. Und so war es der jungen Griechin nur allzu recht nicht zu viel mit ihm zu tun zu haben. Stattdessen unternahm sie viel mit ihren Cousins, wenn diese die Zeit dafür aufbringen konnte und heute hatten sie und der große Athlet der Familie sich vorgenommen, einmal eine Runde über den Markt zu gehen. Ánthimos war schließlich Agoranomos hab und es gehörte somit zu seinem Beruf und er war froh, wenn er aus seinen Räumen herauskonnte und an die frische Luft kam. Das hatte er ihr mehrmals beteuert und nachdem sich - Emi - wie er ihr es bereits an ihrem ersten Abend vorgeschlagen hatte - also in der Agora umgesehen hatte, ließen sie Ànthis andere Scriba zurück und gingen hinein in das bunte und quirlige Treiben am Hafenviertel. Die Schreibstuben waren wirklich nicht allzu aufregend, das gab Emi gerne zu, dennoch verstand sie die Wichtigkeit dahinter. Die anderen Scriba waren nett, aber sie wirkten alle etwas träge und unscheinbar. Emilía konnte bereits erkennen, warum sie so angeworben worden war, er brauchte tatsächlich Unterstützung.


    Auch wenn Emi am Tag ihrer Ankunft bereits am Hafen gewesen war, hatte sie die vielen Eindrücke nicht wirklich aufnehmen können, es waren einfach zu viele gewesen. Doch nun, an der Seite ihres Cousin und ohne lästiges Gepäck, auf dass sie Acht geben musste, wurden ihre unterschiedlichen Augen riesengroß und sie sah sich neugierig um. Natürlich hatte sie auch in Syrien Märkte besucht, viele sogar und häufig, aber allein die Menge und Qualität der Waren hier in Alexandria war auf einer ganz anderen Stufe. Dazu die vielen, unterschiedlichen Menschen, die teilweise in fremden Sprachen redeten und sich anschrien, die Fuhrwerke und beladenen Esel, die Gerüche und Düfte - es war kaum auszuhalten. Immer wieder zeigte Emi dorthin und hierhin, um Ánthi auf etwas hinzuweisen, was er wahrscheinlich schon zig tausend Mal gesehen hatte, doch für Emi war das alles unglaublich abenteuerlich. Sie strahlte bis über beide Ohren und man konnte ihr ansehen, wie sehr es ihr gefiel sich in das Gewimmel zu stürzen.


    "Also, großer starker Ánthi, dann erzähl doch mal was du immer machst, wenn du auf dem Markt bist. Gehst du nur rum und guckst oder sprichst du auch mit den Händlern und kontrollierst sie?" Neugierig blickte sie ihn an und wich einigen Sklaven aus, die gemeinsam eine große Statur schleppten, reich verziert und bemalt. Der Schweiß rannte ihnen von der Stirn und sie ächzten ganz schön. Sehr zu ihrer eigenen Freude hatten die Sklaven bis auf eine rockähnliche Hose nichts an und ihre traditionelle Schminke und Haarpracht ließ darauf schließen, dass sie Ägypter waren. Vielleicht waren es ja auch keine Sklaven, sondern Arbeiter!? Und wie sollte man da bitte einen Unterschied erkennen?

    Emi legte ihren Kopf leicht schief und blickte Ánthi einen Moment lang an, Verbrecherjagd klang natürlich spannender als Händler unter Augenschein zu nehmen, aber es machte auch einen weitaus gefährlicheren Eindruck. Sie hatte wirklich nicht vor sich ihr hübsches Gesichtchen zerschneiden zu lassen oder sonst wie in Schwierigkeiten zu geraten. Nein, da wirkte das Angebot des mittleren Bruders viel angenehmer. So würde sie viel unter Menschen kommen und die Stadt auch schnell und gut kennenlernen. Und, da hatte er ganz recht, sie war eben eine Frau und liebte Märkte, es machte ihr Spaß nach den besten Waren zu suchen und zu handeln. Meistens kaufte sie ja Lebensmittel, damit ihre Mutter und sie kochen konnten und wenigstens da kannte sie sich schon sehr gut aus. Je länger sie darüber nachdachte, desto besser gefiel ihr die Idee. "Ich schaue sehr gerne mal rein in deine Arbeit, wenn du mich mitnimmst. Entscheiden solltest du dann aber auch, ob du mich überhaupt haben willst und ich geeignet bin. Wenn es darum geht, den ganzen Tag auf dem Markt zu sein, Kontakt zu den Händlern zu haben und etwaige Übertritte zu entdecken, dann sag ich dir jetzt schon, dass du auf mich zählen kannst!"


    Doch jetzt war nicht die Zeit zum Pläne schmieden, wie sie verschmitzt feststellte, sonder die zeit für eine kleine Feier. Zu der dann hoffentlich Penelope und auch Timos hinzustoßen würden. Sie nickte heftig, als er davon sprach Ärger zu bekommen, sollte er es wagen das Geschenk abzulehnen, doch Emi wusste, dass er so doof nicht sein konnte. Der Wein ihrer Mutter, den sie in mühseliger Kleinstarbeit selber herstellte, war in der Familie bekannt und sehr geschätzt, zumal sich Dionysia nicht lumpen ließ und zu Familienfesten immer einige Flaschen mitbrachte. Emi war nur froh, dass die wertvolle Flasche die Reise überstanden hatte und sie hielt ihrem Cousin die Becher freudestrahlend hin. Als er anstieß, erwiderte sie seinen Blick und schüttete auch etwas Wein auf den Boden.


    "Auf eine glorreiche Zukunft für die Bantotaken!" sagte sie laut und fröhlich und nippte dann. Der Wein war stark und vollmundig, süß und fruchtig und so dunkel, dass er eher schwarz als rot wirkte. Bisher hatte Emi ihrer Mutter das Geheimnis noch nicht entlocken können, wie sie diesen Wein herstellte und sie befürchtete, dass Dionysia dieses Geheimnis erst auf dem Sterbebett lüften würde. Also beobachtete sie lieber, wie Ánthi auf das starke Getränk reagierte, denn er kannte den Geschmack wahrscheinlich nicht. Sie war sich nicht sicher, ob er schon von diesem Wein getrunken hatte. Sie sollten auf jeden Fall noch jeweils einen Becher für die anderen zwei bereithalten, damit auch diese in den Genuss kamen.

    Der Nachmittag war in den Abend übergegangen und nach dem Essen in der Küche hatte Ánthi sie noch durchs Haus geführt. Die junge Griechin war sehr beeindruckt von der sanften Noblesse im Haus, die nicht protzig war, sondern eine familiäre Wärme ausstrahlte. Bisher hatte sie zwar auch in einem Haus gelebt, aber viel ländlicher und nicht so luxuriös. Obwohl es sicher noch luxuriösere Häuser gab, aber dieses reichte mehr als nur aus und ihr Cousin gab ihr sogar ein eigenes Zimmer! Sie lächelte ihm dankbar zu und er ließ sie für eine Weile allein, in der sie nicht nur ihren großen Beutel auspackte, sondern sich auch gründlich wusch und so den Staub der langen Reise los wurde. Sie rubbelte ihre Haare trocken, die sich sogleich in wilden Locken in alle Richtungen kräuselten und wechselte in eine bequeme Peplos, die zu ihren Lieblingsstücken gehörte. Der Stoff war von einem dunklen grün und sie schnürte ihn mit einer hellen Kordel um ihren Bauch, zu ihren nackten Waden blieb sie barfuß. Auf Schminke und Schmuck verzichtete sie nicht, sie wollte einen guten ersten Eindruck machen, auch wenn sie eh bald im Bett verschwinden würde. Aber was sein musste, musste eben sein und sie kramte freudig nach den Geschenken für die drei Brüder.


    Für Ilías hatte sie ein altes Holzpferdchen dabei, wahrscheinlich würde er sich nicht erinnern können, aber als sie sich das letzte (und zum ersten mal überhaupt) begegnet waren, hatte er damit gespielt. Die Familie hatte es aufbewahrt und es hatte schon vielen Kindern als Spielzeug herhalten müssen, doch Emilía hatte darauf bestanden es mitzunehmen. Für Timos hatte sie ein kunstvoll gefertigtes Armband dabei, es war aus breitem Leder und wurde mit einem Lederband gehalten. In das dunkle Leder hatte ihr Vater die Darstellung eine Hoplon und einige Weinranken eingebrannt, es war extra für Timos angefertigt worden und sie legte es ordentlich auf ihr Bett um es ihm später zu geben. Das Geschenk für Ánthi nahm sie in die Hand und stellte erschrocken fest, dass sie gar nichts für Penelope dabei hatte. Schnell kramte sie weiter in ihrem Beutel und entdeckte zwei Haarspangen, die wie Weinranken aussahen und sie legte sie zur Seite. Sie selbst wendete sie zwar gerne an, aber die Blöße der Herrin des Hauses nichts mitzubringen war Grund genug sie abzugeben. Also nahm sie nur die Flasche Wein für Ánthi mit nach draußen, die ihre Mutter ihr mitgegeben hatte. Es war zehn Jahre alter Wein, den ihre Mutter selbst hergestellt hatte und der in ihrem dunklen Keller gelegen hatte, bis sie der Meinung war Emi solle ihn mitnehmen.


    Mit der Flasche Wein bewaffnet folgte sie ihm also in den Garten und machte es sich auf einer Kline gemütlich, ihr störrisches Haar mehrmals aus dem Gesicht fegend.


    "Ich habe mir noch gar nicht vorgestellt, als was ich arbeiten möchte. Ich weiß nur, dass ich es möchte und ich hätte auch absolut nichts dagegen dir zur Hand zu gehen. Deine Arbeit ist sicher aufregend und ich bin gerne draußen und unterwegs, es macht mir nichts aus viel zu laufen. Das bin ich gewöhnt." Sie stellte die Flasche auf den Tisch und grinste den Gleichaltrigen schelmisch an. "Ich hoffe die Wettkämpfe sind noch weit genug entfernt, dass du das Geschenk meiner Mutter annimmst und ihren Wein probierst. Es ist der beste syrische Wein, wenn du mich fragst und sie hat ihn zehn Jahre lang gehütet, sei froh, dass ich ihr eine Flasche abschwatzen konnte." Sie lachte und griff nach zwei bechern, die sie demonstrativ vor Ánthi hinstellte, damit er die Flasche entkorkte und ihnen einschüttete.

    "Ich hoffe die Stadt bringt mir genauso viel Glück wie euch." Emi blickte auf den nun leeren Teller mit Oliven, ihr Magen war gesättigt und sie strich mit großen, runden Bewegungen darüber. "Das tat gut." Sagte sie sichtlich zufrieden und grinste wie ein glückselige Katze, die satt und zufrieden ein paar Mäusen beim Spielen zusah. Ob Timos wohl etwas dagegen hatte, wenn sie sich die ein oder andere Katze anschuf? Es waren seit jeher die Lieblingstiere von Emi gewesen und sie mochte deren arrogante und dennoch anhängliche Art. Manchmal wurde sie auch boshaft von dem ein oder anderen Menschen als eine Katze bezeichnet, sie hätte die gleiche Boshaftigkeit und Spaß daran mit ihren Mitmenschen zu spielen. Doch sah Emi das ganze natürlich ganz anders und zeigte dort eine Spur dieser königlichen erhabenheit den man auch Katzen nachsagte. Allerdings waren das nun wirklich Dinge, die sie mit Ánthi nicht besprechen wollte, schon gar nicht am ersten Tag ihrer Zusammenkunft.


    Sie schüttelte heftig den Kopf, als er sie fragte ob sie sich hinlegen wollte. "Nein, ich habe beschlossen aufzubleiben bis Penelope und Timos hier sind. Um nichts in der Welt will ich es verpassen sie zu begrüßen und mich vorzustellen. Hast du denn eine Ahnung wann sie kommen? Du kannst mir ja solange eine Hausführung geben, dann vergeht die Zeit schneller."