Beiträge von Titus Duccius Vala

    Das lief sogar richtig gut, dachte Vala bei sich, und für so stürmisch hätte er Lando garnicht gehalten. Aber er konnte es verstehen, Elfleda war eine Frau die alleine durch ihren Körper das Blut in Männerhirnen hätte dünn werden lassen. Und jetzt gehört sie ihm, dem wahrscheinlich glücklichsten Mann des Abends.


    "Wie glücklich er erst sein wird, wenn er ihren Körper heute Nacht in Besitz nimmt?", flüsterte er grinsend zu Rodrik rüber, und stupste diesen mit dem Ellbogen an.


    Die Ehegelübde waren durchaus leidenschaftlich, was sich auch in dem Kuss wiederspiegelte, den das Brautpaar tauschte. Der Sprung über das Feuer besiegelte die Zeremonie, und Vala rieb sich unauffällig die Hände...


    "Rodrik, komm. Ich kann es kaum erwarten mich in den ersten Krug zu stürzen!", natürlich würden sie erst dem Brautpaar gratulieren, aber danach... eine Feier, ohne davon ausgehen zu müssen am nächsten Tag tot im Feld zu liegen. Das hatte etwas, und das wollte Vala so lange auskosten wie nur irgend möglich.

    "Natürlich.", nickte Vala ernst, und entließ die Mutter mit ihren beiden Bälgern. Der Tag neigte sich dem Ende zu, das Licht der strahlenden Sonne wechselte ins goldene, und anscheinend schien auch der Gode dies für den richtigen Moment für die Vermählung zu halten, denn im hinteren Teil des Gartens wurde ein Ritualkreis bereitet, zu dem sie nun gerufen wurden.
    Und wo sie sich nun auch allmählich hinbegaben...

    "Dann wird das Amt in der Familie weitergereicht?", versuchte Vala sich in einer falschen Schlussfolgerung. Er wusste, dass dem nicht so war, hatte aber früh gelernt, dass es manchmal nützlich sein könnte sich dumm zu stellen wenn man auf Informationen aus war, "Ach, quatsch. Obwohl... wird die Kaiserwürde nicht auch innert einer Blutlinie weitergegeben?"


    Vala zog die Augenbraue leicht hoch, als der Mann davon erzählte, sich solch Unsicherheit nicht vorstellen zu können. Vala wusste, dass das Leben im Reich alles andere als so wild und unberechenbar war, wie im freien Germanien, allerdings war es auch alles andere als sicher. Selbst in der Stadt war man sich seines Lebens nicht sicher, wenn jemand es darauf anlegte, einen loszuwerden.
    "Kannst du nicht?", murmelte er daher betont unwissend, "Ist das Leben hier denn so sicher? Ich habe davon gehört, dass Menschen dafür bezahlt werden die Stadt zu schützen. Söldner, wahrscheinlich, oder? Was ist denn mit den Wegen, den vielgerühmten römischen Straßen, werden die auch rund um die Horae überwacht? Das muss ein enormer Aufwand sein... "


    Achja, die linksrheinischen Germanen. Jene, die sich den Römern unterworfen, oder einigermaßen faire Bündnisse mit ihnen geschlossen hatten, wobei letztes definitiv die Ausnahme war. Vala hatte keine allzu gute Meinung von ihnen, weil diese sehr militärisch geprägt war. Es hatte in den Kämpfen gegen Modorok einige Freiwillige aus römischen Civitates gesehen, die kaum kämpfen konnten, und in der ersten beinharten Auseinandersetzung fielen wie Fliegen, oder direkt die Flucht ergriffen. Das einzige, was er ihnen zugute halten konnte war ihre pragmatische Sicht auf das Leben im römischen Reich. Romanisierung hin oder her, Vala hielt es nicht für unvereinbar sich an die Kultur aus dem Süden anzupassen, und gleichzeitig den alten Traditionen treu zu bleiben. Einige seiner Vetter sahen das anders, und besonders der alte Kauz Albin hatte kaum ein gutes Wort für die römische Gesellschaft übrig, aber Vala sah darüber hinweg, solange seine Sippe dem Kaiser und dem Reich treu diente, würde er es ihr nicht verübeln sich an die alten Traditionen und Sitten zu krallen.


    "Achja.. die. Nein, zu denen gehöre ich nicht.", war daher das einzige, was Vala abfällig als Antwort zu bieten hatte.

    Auch Vala stand rechts vor der Eiche, mitsamt seiner Sippe, die doch größer war, als er erwartet hätte. Zu den Leuten, die er schon seit seiner Ankunft hier in Mogontiacum kennengelernt hatte, waren noch Dagmar mitsamt ihren Kindern, der junge Ragin und natürlich der momentan älteste Duccius nach Lando, Arbjon.
    Jener vertrat in diesem bedeutungsschwangeren Moment auch die Sippe, als er Elfleda, die an diesem Tag wirklich eine wunderschöne Braut war (und in Vala sehr männliche Gefühle weckte, die er selbstredend für sich behielt, sie allerdings genoss) vor sie trat, und um Aufnahme und Akzeptanz bat, in einer Art, die Vala schon stolz machte so ein Weib bald in seiner Sippe zu wissen.


    Als Lando dann vor die Sippe der Braut trat, und im tiefsten cheruskischen Akzent um Erlaubnis bat, Elfleda zu heiraten, musste Vala ob des Kontrasts zu Arbjons Ubisch doch schmunzeln. Was für ein Feld an bunten Wildblumen seine Familie doch war. Je ferner man ihm war, desto einheitlicher sah es aus, doch je genauer man hinsah, bemerkte man die feinen Unterschiede in den Blüten.


    Während er so lächelnd vor sich hinsinnierte, wartete er darauf, dass die Sippe Rodewinis, jenes grobschlächtigen Kämpfers wie feinsinnigem Politiker, auf die Bitte reagierte...

    Vala zog überrascht eine Augenbraue hoch, als sie ihn danach fragte, was er so gemacht hatte. Das klang, als würde er auf einem Ausflug ins nächstgelegene Dorf verloren gegangen sein...


    "Ich bin in den Sümpfen des Landes zwischen Heruten und Hermunduren geboren und aufgewachsen. Mein Vater schrieb es sich auf seine Fahne, Modorok zu Fall zu bringen, er wollte für ein Germanien kämpfen, dass in seinen Stämmen friedlich mit dem römischen Reich koexistieren kann. Oder zumindest um die Gefahr für einige Zeit zu bannen, die er für seine Sippe und das Reich, das er liebte, konkret vor Augen hatte. Meine Mutter stellte sich diesem Drängen... aber das wäre zu weit ausgeholt. Ich schweife also ab. Kurz gesagt: ich habe getötet. Gekämpft. Getötet. Intrigen überlebt. Intrigen gesponnen. Verraten und wurde verraten, was soll ich groß erzählen? Ich hab mir davon erzählen lassen, dass die Söhne Ildruns behütet im Schutz des Reiches aufgewachsen sind. Ich bin es nicht.", konstatierte Vala mit nüchterner Stimme und unberührter Miene, es war, als würde er eben von jenem Ausflug ins Nachbardorf erzählen... er war beinahe versucht zu lachen, so hilflos schien ihm die Sippenälteste gegenüber zu stehen. Wusste sie denn rein garnichts? Vielleicht hatte sein Vater die Nachrichtensperre, um einerseits seine Sippe, als auch sich selbst und seine Familie zu schützen, so perfekt beherrscht, dass auch die Leute hier glaubten, er wäre auf dem Felde verschollen. Aber erzählte Albin nicht von der Rückkehr von Marbod und Sarolf, die in Magna Abschied von seinem Vater genommen hatten? Eigentlich müsste das doch zuhause jemand erzählt haben... zuhause. Er sprach schon von seinem Zuhause. Er lächelte...

    Vala, noch nach Tagen total verkatert von den Exzessen der Hochzeit zwischen Lando und Elfleda, gähnte herzzerreissend, nahm zu spät die Hand vor den Mund und erntete so von Marga einen bösen Blick, den er mit einem verschmitzten, aber müden Grinsen quittierte.
    Er hatte sich zusammen mit Rodrik einen Platz in der letzten Reihe gesucht, da die Zeremonie nur familiär gehalten war, war auch die Liste der Anwesenden sehr überschaubar.


    "Ist das zu fassen...", murmelte Vala und stupste Rodrik mit dem rechten Ellbogen an, "Jetzt kommen wir zu einer solchen Gelegenheit an diesen Ort, und die Hälfte der Leute steckt noch in Gedanken im Bierkrug von vor zwei Tagen. Mich eingeschlossen, natürlich. Die hätten die.. was ist das hier eigentlich? Wiederverlobung? Nocheinmalverlobung? Reverlobung? Na, egal, auf jeden Fall hätten sie es etwas später ansetzen können."
    Daraus, dass 'etwas später' für ihn wahrscheinlich am Tag darauf, zu noch späterer Stunde bedeutete, machte Vala keinen Hehl, und zwinkerte Rodrik müde an, während er seine Aufmerksamkeit wieder nach vorne richtete, wo sich immernoch nix neues getan hatte.

    "Ich habe meine Hausaufgaben gemacht.", konzerte Vala trocken mit schmalem Lächeln. Er hatte wohl einen ganzen Tag über den Aufzeichnungen über seine Familie gesessen, und hatte den alten Mann ausgefragt wo er nur konnte. Letztendlich musste er zwar herausfinden, dass er das meiste schon wusste, hatte sich aber für jede neue Anekdote dankbar gezeigt.


    "Wie sollte er auch?", lachte Vala nun, als sich Dagmar anscheinend unwissend über ihn selbst gab, "Mein Vater verließ die Familie noch vor meiner Geburt, soweit ich weiß war der Kontakt mit euch danach sehr spärlich, wenn er überhaupt stattgefunden hat. Ich glaube, man hat ihn für auf dem Felde verschollen erklärt..."


    Hierdurch wurde mal wieder bewiesen, dass die Zeit im IR sehr relativ zu bemessen war, aber das war Vala und Dagmar in diesem Moment ja egal, denn sie wussten nichts von Einstein und Konsorten, sondern wunderten sich nur über die fehlenden Informationen über den Verbleib von Leif, Sohn des Landogar.

    Überrascht war nicht nur Valas Gegenüber, sondern auch er selbst. Das war also die sagenumwobene Dagmar, die Älteste der Familie, und wahrscheinlich die letzte lebende, die seine Eltern als germanische Römer erlebt hatte, und nicht als römische Germanen. Er trat einen Schritt zurück, unweigerlich, einfach weil es ihn so überraschte. Jedoch dauerte es nicht so lange, er fasste sich sofort wieder und lächelte Venusia angestrengt ehrlich an.


    "Die sagenhafte Dagmar, es ist mir eine Freude. Ich habe schon viel über dich gehört... vor allem mein Vater war es, der mir von dir erzählt hat. Allerdings waren das eher Geschichten aus eurer gemeinsamen Kindheit damals in den alten Landen. Schön zu sehen, dass du es aus den heißen Südlanden doch hierher geschafft hast. Dann sind dies wohl die Kinder des ehemaligen Praefectus Alae und Ritter des Reiches Decimus Magnus. Interessant...", er musterte die Kinder nun, als würde er sie zum ersten Mal sehen, aber mit einer Spur von Kälte in den Augen, die weniger emotionales Familieninteresse, als Standesdenken bewegten...

    "Keine Ursache...", meinte Vala mit beinahe ehrlichem Lächeln, als er den jungen Mann wieder seiner Mutter übergab, und sich kurz darauf seiner Manieren entsann. Mit einer angedeuteten Verbeugung und einer freundlichen Geste leitete er das Prozedere ein, das ihm mittlerweile an diesem Tag in Mark und Bein übergegangen war.


    "Titus Duccius Vala mein Name. Unter uns natürlich Alrik, Sohn des Leif, es ist mir eine Freude. Du hast einen sehr aufgeweckten Jungen da, ich bin mir sicher er ist der ganze Stolz seines Vaters...", neugierig und gewinnend lächelnd taxierte Vala die Frau, der man nicht sofort ansah, wie wohlhabend ihr Haushalt war. Was allerdings nichts zu heißen hatte, pflegten viele seiner eigenen Verwandten doch die Schlichtheit der germanisch-bäuerlichen Tradition. Was selbst unter Germanen auffällig war, waren diese doch schnell für Statusobjekte und Individualität zu begeistern... diese Frau jedoch konnte aus dem höheren Gesinde der Familie stammen, vielleicht die Frau eines Geschworenen?

    Auch Vala hatte sich von der Trauergemeinde abgesetzt, sich von Albin die Steine seiner Eltern zeigen lassen, und darauf gewartet bis er relativ alleine mit ihren war. Er hatte Sontje in ihrem Gebet alleine gelassen, und so wollte er es selbst auch, schließlich hatte hier jeder einen nahen Verwandten liegen.


    Der Hügel seines Vaters war mit Abstand der größte hier, der seiner Mutter sehr viel kleiner, bestach aber durch seine Nähe zum größeren. Wahrscheinlich hatte die Familie es gewusst, es nur nicht öffentlich diskutiert, die Ehe seiner Eltern, die als Geschwister miteinander aufgewachsen waren, und doch nicht eines Blutes waren.


    Er ließ sich in das noch dünne Gras sinken, und begann ein kleines Loch in den Hügel seines Vaters zu graben. Als seine Finger schwarz waren, nahm er einen kleinen Lederbeutel hervor, und legte diesen in das Loch. Ebenso verfuhr er auf dem Hügel seiner Mutter. Nachdem dies getan wurde, sprach Vala ein kurzes Gebet, nicht, weil er dachte, dass seinen Eltern die Einkehr nach Hel oder Valhall bisher verwehrt geblieben war, sondern weil es ihn beruhigte, die Götter ein weiteres Mal auf das Leben und Sterben dieses Paares aufmerksam machen zu können.


    "Not läßt einem wenig Wahl;
    ein Nackter friert im Frost.


    Eis nennen wir die breite Brücke;
    der Blinde muß geführt werden.


    Mensch ist eine Vermehrung des Staubes;
    groß ist die Klauenweite des Falken.


    Eibe ist der grünste Baum im Winter;
    sie pflegt zu knistern, wenn sie brennt."


    Die geschlossenen Löcher, mit den Beuteln darin, in denen ein kleiner Teil der Asche seiner Eltern war. Der Teil, der nicht über die Moore und Wälder Midgards verstreut worden war. Er hatte lange gehofft, sie zurück zu bringen, und jetzt war ihm dieser erste kleine Erfolg gegönnt worden. Es war ein guter Tag...


    "Wir sind wieder zuhause."

    "Hat dieser Vinicier sich etwas zu Schulden kommen lassen, dass er abberufen wird? Marcus Vinicius Hungaricus, sagst du?", fragte Vala mit konzentriertem Blick, und prägte sich gleichsam den Namen ein. Der konnte noch wichtig werden, und daher konnte es sich als wertvoll herausstellen, diesen Namen zu kennen. Nomines sunt Omines.


    Sein Blick ruhte noch auf dem Palast, ohne diesen wirklich anzusehen, als die Frage des Mannes zu ihm drang. Er sah den Mann schräg an, lächelte dann aber matt: "Wo ich herkomme, fragst du? Da, wo alle Menschen herkommen, die ihr Germanoi nennt. Oder Germani. Germanoi waren die Hellenen, richtig? Das Land jenseits des Limes und des Rhenus hat mich ausgespuckt, wie so viele andere vor mir... ich bin im Niemandsland zwischen den Stämmen der Hermunduren, der Cherusker und den Chatten aufgewachsen. Nicht unbedingt die wohnlichste Gegend, und die Nachbarn sind auch eher darauf aus, dich im Moor verrotten zu sehen, als mit dir auf Freundschaft zu trinken, wenn du verstehst was ich meine."


    Vala sah das ganze ziemlich trocken, den Luxus an Frieden, den er hier erlebt hatte, konnte man drüben nicht erwarten, und er selbst gewöhnte sich langsam an den Gedanken, hier nicht dauernd einem vorschnellen Ende ausgesetzt zu sein. Was nichts an seiner kaltschnäuzigen Einstellung zum Leben an sich änderte... sie waren alle schon tot, wussten es nur nicht. Und jeder schaffte für sich selbst eine gewisse Anzahl an Schritten, bis einem der Faden gekappt wurde...

    Vala war einfach begeistert. Die Hochzeit, und alleine der Brautlauf, entwickelte sich genauso, wie er es sich vorgestellt hatte. Römer und Germanen im friedlichen Beisammensein, im Haus das sein Vater erbaut hatte, oder eher umgebaut. Bedeutungsschwangerer konnte dieser Moment garnicht sein, und er war sich nicht sicher, ob die anderen es überhaupt bemerkten. Die beiden ersten Höhepunkte seines Lebens wurden durch die Hochzeiten markiert, die seine Familie in Richtung freies Germanien, und in Richtung Rom banden. Am liebsten hätte Vala laut geklatscht, einfach weil er so zufrieden mit dem war, was sich hier tat.
    Er hatte die Möglichkeit genutzt, sich bei den Menschen bekannt zu machen, Smalltalk zu betreiben, dafür zu sorgen, dass man sich seinen Namen merkte. Und hatte sich gleichum alles gemerkt, was ihm erzählt wurde. Schließlich waren Informationen überlebenswichtig, wenn man etwas gelten wollte. Und das wollte er. Schließlich hatte er sich wie alle anderen in Schale geworfen, auch wenn er feststellen musste, dass er Landos Abneigung gegen Prunk teilte. Das Hemd, das er trug war schlicht Dunkelgrün, die Hose in farblosem Leinen gehalten, und bis auf einen Armreif aus poliertem Eisen, und einem dünnen Sommermantel aus dunkelrotem Stoff, der von einer römischen Phalera zusammen gehalten wurde. Die Auszeichnung eines Soldaten hatte er aus Magna mitgenommen, weniger als militärische Selbstpräsentierung, als denn als schlichtes Andenken an seinen Vater, der diese Phalera nicht verkauft hatte, weil es seine erste gewesen war, die er als junger Centurio errungen hatte.


    Just als er in Gedanken versunken durch die Menge spazierte, hier und da ein freundliches Nicken tat, und auch hier und dort eins bekam, bemerkte er in den Augenwinkeln einen kleinen Blitz, und als er seinen Blick senkte, konnte er gerade eben noch verhindern gegen ein kleines Kind zu treten, das aus demselben Grund wohl gerade mit offenem Mund und großen Augen an Vala hochstarrte, und ebenso ins Straucheln kam wie sein großes Gegenüber.


    "Woah! Hah, wer bist du denn?", lachte Vala, als er sich wieder gefangen hatte, und den kleinen Kerl ohne größere Mühe hochhob, und ihn im Arm hielt, "Wo hast du denn deine Mutter gelassen?"

    Nachdem Vala die paar Schriften in der Casa Duccia, größtenteils Mythen und Geschichten, in wenigen Tagen durchgearbeitet hatte, hatte er sich sagen lassen, dass die Bücherbestände in der Schola erstens frei zugänglich und zweitens viel umfassender waren.
    Er liebte es. Schon früh in der lateinischen Schrift und der Sprache unterrichtet, fehlte es ihm immer am Gegendstand des Unterrichts, mehr als das lesen, was ihm seine Mutter auf dünnes Holz geritzt hatte, hatte er nicht gekonnt, und jetzt sah er sich beim Eintreten in den mit Regalen vollgestopften Bibliotheksraum konfrontiert. Ihm gingen die Augen über... so viel Wissen.


    Wahllos nahm er eine Schriftrolle aus einem Regal, prägte sich die Stelle ein, ließ sich in den nächsten Stuhl, die hier überall mal rumstanden, fallen und begann zu lesen... es war wohl ein Werk von Sallustius Crispus, er meinte sich daran zu erinnern, aber konkret wollte ihm nichts einfallen. Also las er einfach weiter... Zeit hatte er ja genug.

    Auch Vala ließ es sich nicht nehmen ein Stück seines Mantels vor den Mund und die Nase zu ziehen, um dem bestialischen Gestank zu entkommen, den so eine Verbrennung mit sich brachte. Selbstverständlich sprach auch er die Gebete mit, die er in anderer Form schon oft gehört hatte. Er wusste garnicht mehr, wie viele Männer er schon verbrennen hat gesehen, manchmal so viele auf einmal, dass der Himmel schwarz vom Qualm war.
    Was immernoch besser war, als die vielen Männer, die ohne Bestattung in den Wäldern verrotteten und dort mit ihren Geistern ruhelos umher wanderten, weil ihnen eine ehrvolle Einkehr nach Valhalla von den Feinden verwehrt geblieben war.


    Mit solch düsteren Gedanken behaftet beobachtete Vala also, wie Dagny in Hels Reich einkehrte, und wünschte ihr eine gute Reise. Er war nicht so trauerbehaftet wie die anderen, denn der Tod war für ihn eigentlich schon immer etwas alltägliches gewesen. So alltäglich, dass es ihn nicht einmal mehr aus der Bahn geworfen hatte als sich abzeichnete dass Leif den Speerstoß eines der letzten sich verzweifelt wehrenden Hermunduren nicht überleben würde. Und jetzt stand er hier, und betete dafür dass seine anderen Verwandten, die so unkriegerisch den Tod gefunden hatten, ebenso in Hels Reich und nach Asgard einkehren würden.


    "Götter, bringt uns Trost und Stärke in dieser Zeit der Veränderung,
    und helft uns, auf unserem eigenen Lebensweg weiterzurreisen.
    Götter, seid in unseren Herzen, wie Brandinar in unserem Herzen ist,
    wo wir immer vereint sein werden im Glauben und in Liebe.


    So war es, so ist es, und so wird es immer sein."


    Die Worte hallten in Valas Kopf wieder, und er lächelte. Der junge Priester, sein Vetter, machte seine Sache ziemlich gut für sein Alter. Er fragte sich, was ihm die alte Frau erzählt hatte, während Lando, Witjon und er sich gegenseitig beschnuppert hatten.
    Lando sah das Engagement Phelans für die römischen Götter sehr kritisch, wie Vala hatte feststellen müssen, doch er selbst respektierte seinen Vetter für seine Entscheidung, die Brücken zwischen den Welten auch im spirituellen Sinne zu schlagen... das war ein Zeichen, und Vala war bereit es zu deuten.

    Während Vala gewohnt fest und entschlossen zudrückte, lag die Hand des Fremden in Valas wie ein toter Fisch, was den jungen Germanen sehr befremdete. Hatte er nicht das Bild der entschlossenen Römer im Kopf, jener furchtlosen Menschen, die die halbe Welt erobert haben? Der Gedanke verließ seinen Geist so schnell wie er ihn betreten hatte, denn der Fremde, der sich als Phaeneas vorstellte, fuhr sofort fort ihm das Gebäude zu erklären.


    "Wie, noch größer?", Vala runzelte die Stirn und sah den Fremden an, mit dem offenen Vorwurf der Hochstapelei im Blick, "Das kann doch garnicht sein, wie soll sowas halten?"


    Dann wurde ihm erklärt, dass dies die Regia des Legaten sei, also der Palast des mächtigsten Mannes in der Provinz. Vala ging ein Licht auf, und Erinnerungen sammelten sich in seinem Geiste: "Mein Vater hat mir davon erzählt.. er hat unter Traianus Sedulus gedient, glaube ich. Wer ist denn zur Zeit Legat?"
    Nicht, dass Vala sich Hoffnung machte den Namen zu kennen, immerhin waren Jahrzehnte vergangen seit sein Vater dem Reich den Rücken gekehrt hatte, aber Nomines sunt Omines, das wusste er. Und was konnte es schaden, den Mann ein wenig auszufragen?

    Vala war schon ein wenig stolz. Seine Sippe würde sich mit einer wichtigen der Mattiaker verbinden, ein Zeichen, das es wahrzunehmen galt. Und so wie er die Vorbereitungen zur Hochzeit mitbekommen hatte, sparte Lando auch nicht. Alleine die Vorratskammer war zum Bersten gefüllt, und das Bier, das hinter dem Haus in soliden Fässern gelagert wurde, sprach auch eine eindeutige Sprache.


    Und nun standen sie hier, und warteten auf das Ende des Brautlaufs, und Vala versuchte sich zu erinnern, wann er das letzte Mal bei einer solchen Zeremonie dabei gewesen war. Mit Sicherheit schon fünf Sommer her war es, als er die Verlobte eines verbündeten Markomannenfürsten mit ihrem Gefolge zur Übergabe an die Sippe des Mannes führte, nur damit Valas Vater von diesem Markomannen zehn bewehrte Männer bekam. Die letztendlich das Zünglein an der Waage bei der folgenden Schlacht darstellten.
    Und jetzt das hier. Die Umstände könnten unterschiedlicher nicht sein, und Vala genoss es. Der Frieden, einfach alles... sie mussten nicht einmal sicher gehen, dass sie nicht aus dem Hinterhalt angegriffen wurden. Die Pax Romana hatte in diesem Moment ihren größten Bewunderer auf der Brücke Mogontiacums stehen.


    Vala beobachtete mit amüsiertem Lächeln, wie Landos sonst so souveräne Selbstsicherheit allmählich einer jungenhaften Nervosität wich. Er hatte schon gestandene Männer in Buben verwandelt gesehen, wenn es darum ging sich in den Hafen der Ehe zu begeben, und sein Vetter stellte hier keine Ausnahme dar...


    "Ach Loki, ich will mich freuen und mich totlachen, solange ich kann,
    und wiedergeboren werden, entzündet bei meinem geheimen Geliebten,
    für Dich und von Dir, Du schöner lockender Lokemann."
    , sang Vala mit viel Schalk in der Stimme das bekannte Liebesgedicht an Loki nach, und stimmte danach mit den anderen in schallendes Gelächter ein. Das würde ein Spaß werden... :D

    Vala hörte Lando angestrengt zu... dass er klein anfangen würde, war ihm klar, seine Vorgeschichte brachte ihm vielleicht unter Germanen etwas, aber unter Römern würde er wohl zugegebenermaßen erst kritisch beäugt. Und das galt es zu verhindern, beziehungsweise: von Anfang an klarzustellen, dass er kein Wilder aus den Wäldern war, sondern Sohn des Quaestoren Flavius Duccius Germanicus.
    Die Liste der potentiellen Patrones war kurz, das war Vala klar, was vor allem daran lag, dass Lando sich vornehmlich auf Männer der hiesigen Provinz beschränkte. Vala verstand, dass sich seine Familie wohlweislich vor allem auf Germania beschränkte, immerhin hatte es hier seine Basis, viel Unterstützung in der Bevölkerung, viele treu ergebene Sippen und Männer, und eine wirtschaftliche wie politisch maßgebliche Existenz. Doch Vala würde sich nicht diesen Grenzen fügen, das war ihm klar. Irgendwann würde Rom rufen, je früher, desto besser...


    "Der Legat wird abgelöst? Marcus Vinicius Hungaricus, hmhmh....", ein Entschluss reifte in Vala heran, warum sollte er nicht gleich oben anfangen? Mehr als Scheitern konnte er nicht, und er würde es schon schaffen, sein Ziel zu erreichen. Über die beruflichen Anfänge machte er sich so seine Gedanken, aber vor allem beschäftigte ihn die Frage, ob er überhaupt hier anfangen wollte, wo doch seine Familie so viele Einflussmöglichkeiten hatte. Eigentlich wollte er sich doch beweisen, und das würde er nicht können, wenn er vorgelaufene Pfade abschritt.


    "Was ist mit Rom?", fragte Vala schließlich, "Haben wir dort Verwandte? Gibt dort etwas, was ich machen könnte? Das Zentrum der Macht? Ach, natürlich könnte ich dort etwas tun... "

    Zitat

    Original von Elfleda


    "Gut zu hören.", erwiderte Alrik, den es schon enorm beruhigte seine Sippe in weiter Entfernung zu weiteren bewaffneten Konflikten zu wissen. Denn es war klar, dass Rodewini im Fall der Fälle auch bewaffnete Manneskraft aus dem Umfeld der Sippe Wolfriks fordern konnte, wozu diese Hochzeit mit Sicherheit auch gedacht war. Allerdings wusste er nicht, ob Lando eben so weit gedacht hatte. Eine reiche Familie bedeutete gleichzeitig viele Speerträger aus dem wirtschaftlichen und verschworenen Gefolge der Sippe, wie auch einige Schwertträger.


    "Sollen sie sich gegenseitig zerfleischen, meine Hand hat in letzter Zeit genug Blut vergossen, als dass es mir nach noch mehr verlangte. Zum Wohl.", Alrik stieß klirrend seinen Krug gegen den von Rodewini, und leerte ihn danach in zünftigen Zügen, nur um ihn danach leer und mit Wucht auf den Tisch zu schmettern, "So mein Freund, und jetzt erzähl mal... ich habe mir sagen lassen, dass eure Godin Blasenschwäche vorraussagen kann? Ich habe einen mal einen Trupp Söldner geführt, die von nichts anderem sprachen."


    Alrik liebte Kleinsprech, vor allem weil es richtige Konversation vortäuschte, und auf die wirklich wichtigen Dinge vorbereitete. Aber auch er wurde bald müde, und zog sich mit einer höflichen Entschuldigung zurück, um sich ebenfalls in der Ecke bei den anderen niederzulassen...

    "Dem Konsortium anschließen? Naja, warum nicht... wenn mir das einigen Papierkram erspart, werde ich mich nicht dagegen wehren.", meinte Vala mit desinteressierter Miene, als es um Landos Steckenpferd, das beachtliche Freya Mercurioque-Konsortium ging. Auch wenn Vala nicht die geringste Lust verspürte, sich ebenfalls so stark auf dem Markt zu engagieren, er hatte andere Pläne.


    "Wieso? Ich habe gehört, dass selbst die mächtigsten Senatoren und Beamte des römischen Reichs sich nicht zu schade sind, ihre Finger bei der Landarbeit schmutzig zu machen, einfach weil es sie daran erinnert wie Rom angefangen hat bevor es so unvorstellbar groß und mächtig wurde! Ich müsste lügen wenn ich behauptete, dass mir das nicht imponiert, und ich denke, da ist etwas dran. Die Landarbeit holt einen auf den Boden der Tatsachen zurück, wenn man Gefahr läuft, diesen zu verlieren. Verstehst du, was ich meine? Aber genug davon... ich werde mich morgen darum kümmern, zurück zu meinem eigentlich Anliegen: wie komme ich hier vorwärts? Was kann ich tun? Und wenn ich als einfacher Scriba anfangen muss, ich werde es tun!"