Beiträge von Titus Duccius Vala

    "Die Landwirtschaft.", antwortete Vala ohne zu zögern. Die römischste aller Tugenden, die Arbeit auf dem Felde, die sich selbst ranghöchste Senatoren nicht nehmen ließen. Die Arbeit auf dem Felde war ihm nicht fremd, natürlich nicht, auch wenn er sich die meiste Zeit nur von Beute und Tributzahlungen ernährt hatte. Natürlich dachte er keinen Moment daran, selbst das Land zu bestellen, immerhin hatte er andere Pläne, aber ein solches Gut, eine Villa Rustica gar, zu besitzen, ja, das klang in Valas Ohren mehr als verlockend. Daraus, dass sein Interesse an der Feldarbeit durchaus römisch geprägt war, machte er keinen Hehl, vor allem nicht bei der Auswahl der Feldfrüchte, die er anzubauen gedachte.


    "Ich könnte einen Bauernhof betreiben. Was meinst du? Vielleicht sogar ein Weingut. Oder gar einen Olivenhain?"


    Sim-Off:

    Alles klar!

    Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein? Er sprach mit ihm, als sei er ein ungebildetes Kind, das nicht wusste wie man das Leben meisterte. Zorn wallte in ihm auf, und er schluckte die giftige Antwort, die schon auf seiner Zunge lag, mit sichtlicher Mühe herunter, bevor er sich seine folgenden Worte sorgsam überlegte: "Ich beherrsche die Sprache Roms in Schrift und Wort, wahrscheinlich besser als du. Ich kann mit den Zahlen der Griechen umgehen, ebenso kenne ich das Verwaltungssystem in den Provinzen, sowie das in Rom. Mein Vater war Quaestor Roms! Zweifle nicht an meinen Fähigkeiten, Lando, das meine ich ernst. Ich weiß wie ein Duumvir gewählt wird, und ich weiß was zum Aufgabenspektrum eines Legaten gehört. Ich kann dir erzählen, wie eine Legion aufgebaut ist, und wie ein Feldzug organisiert ist... glaube mir Lando, mein Vater hat nicht die ganze Zeit herumgesessen und Däumchen gedreht. Ich bin sein Sohn, und ich habe sein Wissen geerbt, ebenso das meiner Mutter. Also: was kann ich tun? Das mit der Wirtschaft klingt nicht schlecht, was muss ich dafür tun?"

    Während Lando über Alriks Gedanken nachdachte :P leerte Alrik den ersten Becher, füllte ihn erneut und prostete dem Familienoberhaupt mit einem schmalen Lächeln zu.


    "Schmeckt wirklich hervorragend. Selbst angesetzt?", Vala liebte Floskeln, aber Lando anscheinend nicht, der darauf zu warten schien, dass er auf den Punkt kam. Vala zuckte mit den Achseln, stellte den Becher auf dem Tisch ab und beugte sich vor, um Lando sofort das Anliegen der Unterhaltung darzulegen: "Ich bin jetzt schon einige Tage hier, und habe mir die Umgebung angesehen. Sehr schön, alles. Aber ich will meine Zeit nicht damit verbringen mir die schöne Gegend anzusehen, ich will etwas machen! Du verstehst was ich meine... ich will Verantwortung übernehmen, ich will weiterkommen. Ich bin nicht hierher gekommen, um länger als nötig damit zuzubringen mir das Leben der Römer anzusehen. Ich kenne es ja sogar schon, meine Güte! Meine Eltern haben mir ALLES darüber erzählt, und alles was mir dazu fehlte waren die Bilder im Geiste. Die habe ich jetzt... also, du weißt doch bescheid, was kann ich tun, um dem Reich und unseren Leuten dienen zu können?"
    'Dienen' war vielleicht nicht der passendste Begriff, schließlich hatte Vala alles andere im Sinn als zu dienen, aber er machte sich keine Illusionen darüber, dass man lange Zeit dienen MUSSTE um irgendwann führen zu können... ein Opfer, das er zu bringen bereit war, wenn auch nicht mit freudiger Hingabe.

    Vala hatte eine Karaffe Met in der einen Hand, und einen Becher in der anderen, als er mit dem Ellenbogen die Tür zum Kaminzimmer aufdrückte. Er hatte das Zimmer schon mehrere Male bewundernd besucht, war das doch irgendwie vollkommen untypisch für das, was man sich von römischen Häusern doch so erzählte. Er ließ sich in einem Sessel nieder, dessen Komfort ihn sofort in Beschlag nahm. Karaffe und Becher wurden auf einem kleinen Tisch abgestellt, letzterer gleich mit Met gefüllt, und dann mit einem genießerischen Lächeln an den Mund geführt.


    Die Zweifel, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte, sich im Reich seiner Sippe anzuschließen, waren in den letzten Tagen verschwunden, so begeistert war er von dem, was er hier in dieser kurzen Zeit erlebt hatte. Und gleichzeitig machte sein Geist nicht halt, sondern blickte nach vorne, in eine Zukunft, die die seine sein würde.


    Er hatte nach Lando rufen lassen, und wartete nun darauf, dass der Mann, der ihm sogleich suspekt wie bewundernswert war, eintraf.

    Nachdem Lando sich abgesetzt hatte, verständlicherweise, denn die Erschöpfung war diesem sofort anzusehen, nutzte Alrik die Gelegenheit, sich neben Rodewini nieder zu lassen, stieß kurz mit seinem Krug an den auf dem Tisch stehenden von Rodewini und sah diesen eindringlich an, denn es galt Dinge zu bereden, die für ihn nicht unbedingt unwichtig waren.


    "So, du hast es also fertig gebracht deine Sippe mit der meinen zu verbinden. Interessant, ein guter Schachzug, wenn ich das so sagen kann. Darf ich das als Zeichen betrachten, dass du deine Aufmerksamkeit wieder in Richtung Rhenus ausrichtest?", er nahm einen tiefen Schluck Bier, und winkte daraufhin wie selbstverständlich eine im Hintergrund stehende Frau heran, ihm nachzufüllen.


    "Ich nehme an, du willst dich nicht an der Klärung des Machtvakuums beteiligen, das nach dem Tod Modoroks entstanden ist? Ich kann es dir nicht verdenken... in den Wäldern des Ostens ist nichts zu gewinnen als der Tod für dich und viele deiner Männer. Die Heruten und die Hermunduren wollen das unter sich ausmachen, aber die anderen großen Stämme halten bisher zu verdächtig die Füße still. Die Friesen und Chatten haben Frieden, und selbst die Markomannen haben Gesandte in der Gegend. Wenn du mich fragst, liegt der nächste große Knall keine drei Sommer mehr entfernt. Die Frage ist nur: ist der Knall laut genug, um selbst am Rhenus gehört zu werden? Ich jedenfalls habe genug von diesen Spirenzien, mein Vater hat sich daran aufgerieben, im irrsinnigen Glauben die Stämme könnten ihre Haltung zu Rom wenigstens weniger feindselig gestalten, wenn Modorok erst einmal gestürzt ist. Er hat sich geirrt, wie wir wissen. Aber: was willst du tun?"

    Auch Vala ließ es sich nicht nehmen, an der Beerdigung teilzunehmen. Immerhin war eine Beerdigung immer ein Ereignis, bei dem die Oberen einer Sippe in ihrer Funktion als Repräsentanten derselben fungierten, und Vala sah sich deshalb in der Pflicht, genau das zu sein. Auch wenn Lando wohl (noch) die Sippe führte, Vala würde zeigen, dass er dem nicht unwürdig war.


    Etwas befremdet war er allerdings von der Tatsache, dass die Beerdigung tatsächlich nach Art der Ahnen stattfand. Irgendwie hatte er erwartet, dass die Sippe sich da mehr den Römern anpasste, aber anscheinend hatte er sich da geirrt. Hier stand wohl eine traditionelle Verbrennung mit anschließender Beisetzung an, und Vala verbuchte dies als das, was es wahrscheinlich war: Traditionspflege. Die Gräber, an denen sie auf dem Weg hierher vorbeigekommen waren, hatten mächtig Eindruck auf ihn gemacht. Steinerne Sarkophage, manche sogar mit kunstvollen Steinmetzarbeiten verziert, und sogar einige Bauten, die er eher als Schrein einstufen würde, denn als Behältnis für die vergänglichen Überreste eines Menschen.


    Mit ernster Miene verfolgte Vala das Prozedere, und wartete darauf, dass das Feuer entfacht wurde, das die Seele seiner Verwandten freigeben würde, damit diese in Hels Reich einkehrte. Sein Blick schweifte über die Steine, die den Traditionen entsprechend die Toten und ihre Bedeutung symbolisierten. Der größte Stein, wer würde darunter liegen? Vielleicht sein Großvater, Landogar, der erste Nachkomme Wolfriks, der das römische Bürgerrecht erwarb. Würde hinkommen... allerdings: hatte sein Vater nicht davon gesprochen, dass sein Großvater woanders gelebt hatte, als hier in Mogontiacum? Er wusste es nichtmehr genau, er würde Lando wohl fragen müssen, wem genau jetzt welcher Stein gehörte.
    Und welche Steine gehörten seinen Eltern? Das interessierte ihn noch mehr, schließlich hatte er da noch eine Aufgabe, die zu erledigen war, bevor sie wieder zurückkehrten.

    "Naja, was heißt kennen?", versuchte Vala den wohl enttäuschten Rodrik zu beschwichtigen, "Ich kannte es nur aus Erzählungen. Meine Mutter hat hier gelebt, genauso wie mein Vater. Sie haben mir viel erzählt, vom Leben in Reich und so. Und von der Familie... es gibt ein Bad? Ein richtiges Balneum? Interessant..", er folgte dem Deuten seines jungen Vetters, und blickte die hölzerne Treppe hinauf, die wohl zu den Wohnräumen führte. So, wie er es mitbekommen hatte, wohnten schon einige Menschen in der Casa. Die Langhäuser der Heimat hatten keine Probleme mehr als zehn Menschen zu beheimaten, schließlich schlief man eng zusammen, um sich gegenseitig zu wärmen.


    "Jeder hat ein eigenes Zimmer, sagte man mir? Stelle ich mir seltsam vor... aber das wird wohl der Einfluss der Römer sein, was?", er sah Rodrik fragend an, der ja wohl vor einigen Monden auch noch in den Verhältnissen rechts des Rhenus gewohnt hatte. Er selbst würde es wohl auch befremdlich finden, nicht mit mehreren Menschen das Bett zu teilen. Wobei Bett wohl auch der falsche Begriff war.


    "Was ist mit den Tieren? Also, mein Vater erzählte, dass die Familie Land besitzt, und davon lebt. Wo bringt ihr das Vieh unter, wenn nicht im Haus?", das war eine Frage, die er sich irgendwie nicht selbst beantworten konnte. In den Erzählungen seiner Eltern hatte das irgendwie nie eine Rolle gespielt. Immer ging es um den Staat, wie das Reich aufgebaut war, und wie die Familie sich darin zurecht fand. Aber nie, wovon sie eigentlich lebte.

    Sim-Off:

    Pas de probleme... flüssige Konversation kommt auch ohne lange Gedankenmonologe aus. :)


    "Kann man wohl sagen...", antwortete Vala, bevor er überhaupt registrierte, dass sich jemand zu ihm gesellt hatte. Er wandte sich um und erblickte einen Mann, der wohl Südländer sein musste, Haar- und Augenfarbe kamen durchaus auch bei Germanen vor, doch der Mann hatte in allem eine Erscheinung, die nicht in diese unwirtliche Gegend passen wollte.
    Er musterte den Mann mit unverhohlener Neugier, und streckte ihm schließlich die Hand hin, um die aufkommende Stille mit der für ihn angebrachten Vorstellung zu verhindern: "Salve, ich bin Titus Duccius Vala. Ist mir eine Freude..."


    Das war natürlich gelogen, immerhin kannte er den Menschen noch garnicht, aber Vala wusste, dass auch falsche Höflichkeit zu gewünschten Situationen führen konnte. Oder einfach nur unerwünschte verhinderte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er Latein sprach. Es wunderte ihn schon, wie sehr ihm das in Mark und Bein übergegangen war, was man wohl seiner Mutter zuschreiben konnte, die sich zu Lebzeiten nur in der Sprache der Römer mit ihm unterhalten hatte, in weiser Vorraussicht, oder einfach nur weil sie die Bildung ihres Sohnes in römischer Kultur sehr ernst genommen hatte.


    "Das ist wirklich ein beeindruckendes Bauwerk, dass ihr hier stehen habt.", begann Vala schließlich von neuem, "Wie lange braucht es, um so etwas zu bauen? Ich kann mir vorstellen, dass dafür ganze Gebirge abgetragen werden. Soviel Stein... ich kannte eure Gebäude bisher nur aus Erzählungen, die aber wohl nie dem gerecht wurden, was ich jetzt hier vor mir sehe. Unglaublich. Wieviele Menschen passen da rein? Und vor allem: wer wohnt da? Entschuldige meine Neugier..."


    Sicherlich ein hoher römischer Beamter. Vielleicht sogar mehrere. Vala versuchte die Amtsstruktur zu rekapitulieren, von der sein Vater ihm oft erzählt hatte. Der Kaiser wohnte in Rom, das war sicher. Aber vielleicht hatte sich ein Patrizier einen Palast mitten auf das Forum setzen lassen? Oder vielleicht war dies eins der vielen Regierungsgebäude? Die Curia vielleicht.. oder die Regia. Oder etwas, was er überhaupt nicht kannte. Es war eine Zeit lang her.. allerdings ließ der Algenbewuchs in den Fugen darauf schließen, dass das Gebäude schon länger hier stand.

    Vala wusste nichts vom Denken seines Vetters, und wenn, hätte er ihn nur verständnislos angesehen. Der markanteste Unterschied zwischen den beiden Männern war nicht ihr Aussehen, sondern ihre Vergangenheit. Während Rodrik einigermaßen behütet im Schoße des mattiakischen Stammes aufgewachsen war, hatte Vala von früh auf gelernt sich zu verstecken, Hunger zu widerstehen und den Verlust von gerade erst schätzen gelernten Menschen zu verkraften. Dass ihn dieses Leben körperlich gestählt hatte, war wohl einer der positiven Effekte in seinem Dasein, genauso wie es der Tod des Modorok gewesen war. Das war es dann aber auch... Im Grunde genommen war Vala eine Maschine, in eine grausame und gewalttätige Welt mit stetig wechselnden Allianzen reingeboren worden, während Rodrik den Luxus gehabt hatte, eben dies nicht zu sein. Hätte Vala auch nur ansatzweise verstehen können, wie das Leben außerhalb von Auseinandersetzung und Intrige, Not und Leid aussah, er hätte keine Sekunde gezögert mit Rodrik zu tauschen. Hatte er aber nicht...


    "Noch nicht lange? Achso... Lando hat von dir erzählt. Deine Mutter tat gut daran, dich her zu schicken. Die Mattiaker sind ein verlässliches Volk, das sind nicht viele. Ich zweifle nicht daran, dass du in guten Händen aufgewachsen bist...", was für ihn auch implizierte, dass Rodrik irgendwann ebenso wie alle anderen seinen Platz in der Familie einnehmen würde, denn die Laissez-Faire-Führung von Lando war ihm fremd.
    Das was Rodrik ihm nun erzählte wusste er schon. Insulae, Casae, Villae und so weiter und sofort... nur die Bilder fehlten ihm, er hatte keine Ahnung wie was nun aussehen würde, denn Erfahrungen dembezüglich waren rar bis nicht vorhanden, wenn man weit jenseits des Rhenus aufwuchs.
    Als er ihm folgte, und das Atrium mit dem erwähnten Loch in der Decke betrachtete, lächelte er, allerdings war das Lächeln eher geringschätzend als ehrlich heiter.


    "Meine Mutter hat mir erzählt, dass das Atrium dafür da ist, dass die Sonne auch ins Haus scheint. Die normalen römischen Häuser haben keine Fenster nach außen, wohl des Lärms wegen.. diese Casa hat allerdings welche. Die Sonne scheint durch das Atrium ins Haus, und erhellt so auch die Räume.", dozierte er aus seinem Wissen, das seine Mutter ihm beigebracht hatte. Seine Mutter hatte ihn mit allem nötigen Wissen über die Kultur und die Lebensweise der Römer versorgt, während sein Vater sich meist auf Politik und Militär und Verwaltung und so weiter beschränkt hatte... ihm fiel auf, dass er Rodrik belehrt hatte. Er lächelte entschuldigend, und nickte dem Mann aufmunternd zu: "Und weiter? Haltet ihr manchmal solche Sitzungen im Atrium ab? Mit politischen Freunden, und Verbündeten, und so?"

    Nachdem er sich an der Castra satt gesehen hatte, was durchaus eine komplette Stunde in Anspruch genommen hatte, wanderte Vala langsam an dieser vorbei, und bog schließlich links in die breite Straße einbog, die direkt vom Haupttor des Castellums durch die ganze Stadt bis zum Rhenus zu führen schien. Die Gebäude hier schienen um Welten größer zu sein, für Valas Verständnis schon fast perfekt groß. Natürlich nicht so breit wie die Mauern des Castellums, dafür aber mit atemberaubender Behäbigkeit in Höhe und Bauart. Was ihm erst jetzt auffiel, war, dass die Häuser und Paläste der Römer kaum Holzeinbauten aufwiesen, ganz im Gegenteil zur Casa Duccia, die mit in nicht unwesentlichen Teilen mit dem Holz der hiesigen Wälder verstärkt war. In diesem Moment begriff er, dass das wohl eine Anlehnung an die Bauweise der Ahnen sein musste, die die Erbauer der Casa, bzw. ihre Umbauer, in die Heimstatt des größten Teils der Familie hatten einfließen lassen. Was Vala in diesem Moment noch nicht wusste, weil es ihm bisher einfach als zu natürlich vorgekommen war, war, dass die Familie sich in mehr als nur der Bauart der Casa von den römischen Mitbürgern unterschied.


    Während er so die Straße entlangwanderte, und jede Neuigkeit in sich aufsog, fiel ihm irgendwann auf, dass die Menschen, die in dieser Stadt lebten, längst nicht alle als Römer zu erkennen waren. Viele sprachen Latein, eigentlich alle, aber kaum jemand war so prägnant als Italiker zu erkennen, dass man sofort sagen konnte dass dies eine Stadt römischen Ursprungs war. Viele erkannte man sofort als Germanen, wenn sie sich untereinander grüßten, andere als Kelten, und wiederrum andere als Menschen, die Vala nicht sofort zuzuordnen wusste. Diese Stadt war voll mit ihnen, und alle sprachen Latein. Zumindest, wenn sie es mit Römern zu tun bekamen, so schien es Vala. Denn die germanischen Dialekte hatten sich hier wohl zu einer Sprache verwoben, die mehrere Menschen mit verschiedenem Hintergrund sprachen... Vala hatte zuerst Probleme, dem zu folgen, was ihn sehr verwirrte, war es drüben doch anders gewesen, in den Landen Midgards sprach er oft mit seinem Vater Latein, damit man sicher gehen konnte, dass gewisse Personen es nicht verstanden, und so Geheimnisse verraten wurden, und hier sprach man germanisch, und Alrik verstand es nicht. Nicht sofort, zumindest. Die Sprachen der verschiedenen Stämme jenseits des Rhenus ähnelten sich genug, um nach einer Weile kommunizieren zu können... aber dies hier? Das war ein Mischmasch aus Latein, verschiedenen germanischen Dialekten, und wahrscheinlich auch keltischen.
    Vala gab sich größte Mühe, zu lernen... und irgendwann gelang es ihm auch, sich in die Gespräche reinzuhören, um zu lernen was diese Menschen bewegte, die in dieser Stadt lebten.


    Die Erkenntnisse wichen weit von dem ab, was er zu erwarten hatte. Die Aussaat der zu kommenden Ernte war kaum ein Thema, vielmehr ging es um Handel und Arbeit. Wie sein Vater gesagt hatte, in den Städten gab es Menschen, die keine eigene Landwirtschaft betrieben, sondern nur von dem lebten, was sie an Leistung für andere erbrachten. Das gefiel Vala... und es ging um Politik. Hier und da schnappte er Namen auf, die ihm bekannt vorkamen, weil es die römisczhen seiner Verwandten waren. Dort ging es um ein Gerichtsurteil, dass Witjon in seiner Funktion als Duumvir gefällt hatte, dort um seinen Vetter Phelan, der im Tempelbezirk für Ordnung zu sorgen, und hier um seine Cousine Eila, die den Staub aus der Schola zu fegen schien. Aber auch unbekannte Namen, die er nicht sofort zuordnen konnte. Petronius Crispus war einer dieser Namen, und man wunderte sich, warum er sich aus dem politischen Amt der Stadt entfernt hatte, hier wedelte man mit einer Ausgabe der Acta, was auch immer das war, und zitierte Texte, die wohl vom politischen Geschehen in der Stadt handelten. Sein Vetter war also zum Ritter ernannt worden... Vala wusste, was das bedeutete, sein Vater, selbst Ritter, hatte es ihm erzählt. Stolz war er schon ein wenig... und dann gewisse Beförderungen in der Legion, Ränge, die er kannte, aber die Namen dazu nicht. Terentius Lupus wurde Vexilarius. Ein Hadrianus Legionär, und irgendein Aurelius Tribun. Aurelius, da klingelte etwas in Vala. Hatte sein Vater nicht von den Ordines der Römer gesprochen? Oder war das doch etwas anderes... diese Patricii, wie er sie genannt hatte. Doch, die Aurelier gehörten dazu. Sein Vater hatte sie damals mit dem höheren Adel verglichen, der sich langsam in den Stämmen etablierte, wohl genau nach römischem Vorbild. Und ihm wurde beigebracht, dass seine eigene Sippe garnicht mal so entfernt von einem solchen Stand gewesen war... kurz bevor der Stamm vernichtend angegriffen und aufgerieben wurde. Vala hielt inne, als ein kleines Kind über die Straße tollte, und beinahe von einem Pferd totgetreten wurde... aber eben nur beinahe. Wie vergänglich alles doch war. Die Nornen hatten für dieses Kind vorgesehen, den Schreck seines Lebens just in diesem Moment zu bekommen, wie sie es für seine Sippe vorgesehen hatten, als eine der wenigen den Untergang des alten Stammes zu überleben, um jetzt, so absurd es klang, in Gesellschaft der alten Feinde wieder nach dem zu streben, was ihr einst inne war.


    Gedankenverloren schlendete Alrik die Straße weiter entlang, bemerkte die große Taberna, die wohl auch seiner Familie gehörte, und blieb kurz darauf mit schreckgeweiteten Augen stehen: die Regia des Legaten!


    "Meine Fresse..", ächzte Vala hilflos, als er sich mit dem oppulenten Palast des Statthalters konfrontiert sah. Diese Größe! Diese Bauart! Diese Ausstattung! Diese ALLES!
    Der Anblick hielt Alrik so gefangen, dass er es gerade schaffte darauf zu achten, dass ihm nicht ähnliches widerfuhr wie dem Kind, als er die Regia langsam umrundete, und in schierer Bewunderung für soviel in Stein gehauene Macht den Mund nichtmehr zu bekam.
    Dass der Bau im Vergleich zum Prätorium in der Colonia nur ein schwacher Abglanz war, oder gegen die Bauten die später in Augusta Treverorum entstehen sollten, oder gar gegen die in Rom oder den anderen Zentren des mediteranen Lebens, das wusste Vala nicht. Und er hätte es sich auch garnicht vorstellen können, so atemberaubend war dieser Moment für ihn...


    "Das ist Rom..", stelle er irgendwann fest, und die Erkenntnis, die vorher nur Ausgeburt theoretischem Denkens im Diskurs mit seinem Vater und den Stämmen war, bekam im Palast des Statthalters eine physische Existenz. Er stellte keine Fragen mehr... sein Vater hatte ihm von der Übermacht der Römer erzählt, von der Brillanz ihres baulichen wie politischen wie militärischem wie kulturellen Wirkens, aber fassen, oder auch nur glauben, konnte Vala dies nie. Zu abstrakt erschienen ihm die Gedanken und Erzählungen seines Vaters bisher... bis jetzt.

    Nachdem die anderen ihrer Wege gegangen sind, wohl um zu schlafen und sich von der Reise zu erholen, hatte Rodrik Vala angeboten ihm das Anwesen zu zeigen, und so standen sie nun, von den anderen alleine gelassen, vor der großen Casa, unter dem hölzernen Beiwerk das den Balkon trug, und blickten sich ratlos an. Schließlich rückte Vala mit der ersten Frage raus: "Lando meinte, dies wäre mal eine Bauernkate gewesen. Für mich gleicht das eher einem Palast... so viel Stein... sind alle Gebäude der Römer so?"

    "Ich bestehe darauf.", zwinkerte Alrik dem jungen Mann zu, der sich unter seinem Blick zu winden schien. Etwas enttäuscht davon, dass nicht alle Verwandten den Stolz zu haben schienen, wie Lando und die anderen, die ihn hierher gebracht hatten, und auch die junge Frau namens Sontje, ihn gezeigt hatten, klopfte Alrik dem Mann auf die Schulter und wandte sich dann wieder der langsam auseinandertreibenden Gesellschaft zu, "Nun denn... ich danke euch für die sichere Heimreise, Männer. Ich das, was ihr getan habt, nicht vergessen."


    Dann wandte er sich wieder Rodrik zu, und sah diesen auffordernd an: "Nun, können wir?"

    Sim-Off:

    Wer mag... :)


    Nachdem Vala ganze zwei Tage gebraucht hatte, um sein neues Zuhause zu erfassen, und zu erfahren, machte er sich auf die Stadt zu erkunden, die den Büchern in der Casa zufolge um ein Legionslager herum entstanden war. Das Legionslager war wohl das Gebilde, das von weitem zu erkennen war, auch wenn die Höhe der anderen Gebäude in der Stadt für Valas Verhältnisse irrwitzig war, überragten die Wachtürme des Lagers die Dächer der Häuser und waren somit eindeutiges Zeichen, wer hier das Sagen hatte.
    Das imponierte Vala, und so entschloss er sich von der Casa der Straße westwärts zu folgen, an der Wiese der Hros vorbei, einen langen Blick auf die mächtige Stadtmauer werfend, die noch geräumig genug angelegt worden war, um ausladende Grünflächen in der Stadt zu ermöglichen. Schließlich stand Vala nahe des nördlichsten Wachturms, machte einem vorbeiziehenden Karren Platz, der wohl auf dem Weg zum Haupttor war, und beobachtete.
    Das, was ihm als erstes auffiel, und was ihn in größeres Erstaunen versetzte, war die steinerne Bauweise. Das ganze, ungeheuer große Ding war aus Stein erbaut. Die Türme, die Mauer, alles aus Stein!


    Vala hatte rechts des Rhenus im Laufe der Jahre, die ihn an so ziemlich jeden Ort Midgards geführt hatten, und das selten in friedlicher Mission, einige ehemalige Römerkastelle gesehen, die meisten davon unbefestigt und schon mit der Flora der Gegend verwachsen, stille Einkerbungen im Boden die an die ehemalige Präsenz des Reichs rechts des Rhenus erinnerten. Und wenige ehemals befestigte, nurnoch Holzgerippe, von den umwohnenden Sippen für Baumaterial geplündert und abgerissen, und nurnoch in seinen Grundzügen als ehemaliges Bollwerk der römischen Militärmacht erkennbar. Und jetzt stand er der, seiner unwissenden Meinung nach, Perfektion der Baukunst gegenüber.
    Am Tor war reges Treiben, größtenteils Zivilisten, wohl viele Sklaven, waren dabei Dinge rein und rauszutransportieren, der Grund dafür erschloss sich ihm allerdings nicht. Auch Soldaten, davon allerdings die wenigsten gerüstet...


    Vala ging lockeren Schrittes an der Castra vorbei, blieb hier und dort stehen weil ihm etwas aufgefallen war, und ließ seinen Blick immer wieder von der Castra zur Stadt schweifen, und zurück... so viel gab es für ihn zu entdecken. Seine Eltern hatten nicht übertrieben. Eigentlich kannte er dies alles schon, allerdings nur aus den Erzählungen seiner Eltern her, und nun bekamen diese Erzählungen reelle Grundlagen. Die sein persönliches Bild von den Erzählungen weit übertrafen... er kam aus dem Staunen nichtmehr heraus.

    Einen Tag nach seiner Einkehr in die Heimstatt der Duccii war Vala immernoch paralysiert von den Eindrücken, die sich ihm hier eröffneten. Vor allem die Nacht! Er hatte geschlafen wie ein Stein, wenn man jährlichen leichten Schlaf, man wusste ja nie wer einen nachts besuchen kam, betrachtete.
    Nachdem er schon am vorherigen Tag die, für sein Verständnig, riesige Casa und den Garten ausgekundschaftet hatte, nahm er sich das Gehöft vor. Gehöft deshalb, weil die Hros, so wie Albin sie ihm beschrieben hatte, schon die Ausmaße eines Hofs hatte. Einige Höfe in Germanien waren gerade mal so groß gewesen, und hier züchtete man nur Pferde.


    Sowieso, die Pferde. Nachdem er sich von Leif die Erlaubnis geholt hatte (bzw. sie eingefordert hat), waren die Ställe dran. Die Tiere, die hier ihre Ställe hatten, sahen dezent anders aus, als die Tiere die jenseits des Rhenus geritten wurde. Sie waren schlanker, weniger behaart und vor allem größer. Alles Dinge, die ihm schon an den Reittieren von Lando und den anderen aufgefallen waren.. er wandelte durch die Ställe, streichelte hier dem einen oder anderen über die Nüstern, wurde dort gebissen und ganz woanders ignoriert. Alles in allem sehr eindrücklich, wie er fand... ein ganzer Hof, nur für Pferde. Was hatte Lando gesagt? Die Tiere wurden unter anderem bei der Ala eingesetzt?
    Stolz erfüllte Valas Brust... die Pferde aus familieneigener Zucht reichten für den überlegenen Militärapparat des Reichs, für ihn ein unglaublicher Gedanke. Und ein weiterer Beweis dafür, wie sehr sich die Familie in das Reich integrierte... er konnte den Groll der Seherin irgendwie verstehen, allerdings sah er die Dinge, die sich seiner Sippe vorwarf eher als Vorteil. Mehr noch... sie war auf dem Weg in die Zukunft.


    Mit einem leisen Lächeln um die Lippen wandelte Vala weiter durch das Gehöft, um zu den einjährigen Fohlen zu schauen...

    Bevor ihm jemand antworten konnte, tauchte ein weiterer Mann auf, der sich ihm sogleich als Rodrik vorstellte. Auch diese Unterarm ergriff er und drückte kurz und fest zu, während er den Mann mit ebenso festem Blick fixierte.
    "Heilsa Rodrik, ich bin Alrik, Sohn des Leif."


    Rodrik, Rodrik... den Namen hatten Lando und die anderen während der tagelangen Rückreise auch schon erwähnt. Sohn des Hagen? Ja, jetzt fiel es ihm wieder ein... Sohn des Hagen und einer Mattiakerin, allerdings wohl aus den westlichen Stammesgebieten, sonst hätte Alrik mit Sicherheit schon von dem Jungen gehört. Amsivarische Väter sprachen sich schnell herum, und solche Geschichten noch schneller.


    "Nun?", sprach er nun wieder an alle gewandt, "Darf ich diese Festung alleine erkundschaften, oder erübrigt jemand etwas Zeit für mich?"

    "Ehm... nein?", murmelte Vala, als Sontje ihm eine Frage stellte. Was sollte ihm denn schon zwischen den beiden auffallen? Dass beide blond waren und blaue Augen hatten war erstens bei Menschen dieser Gegend keine Besonderheit, noch war sie es bei Geschwistern. Er runzelte die Stirn und sah noch einmal genauer hin... nein, da wollte ihm nichts auffallen.


    Etwas verwirrte es ihn schon, dass Lando einfach in die Casa verschwand, konnte es aber irgendwo auch verstehen, die Reise war nicht zuletzt für ihn verlustreich verlaufen. Und dennoch war Valas Verlangen, dieses Haus, und dann die Stadt!, kennen zu lernen ungebrochen, nein, stärker noch!


    "Nun, wer zeigt mir das Haus?", sah er die Gesichter abwechselnd an, und es war klar, dass er niemanden seiner Reisegefährten meinte, die wohl nurnoch ins Bett wollten...

    Alrik, der nur die Hälfte der beschwerlichen Reise unternehmen musste, und demzufolge etwas weniger erschöpft war, hatte sich ein wenig abgesetzt und die Gesellschaft aus der Distanz beobachtet. Ein gut funktionierender Haufen, und selbst Rodewini schien sie mit Respekt zu behandeln, was Alrik irgendwie überraschte. Sein Vater hatte seine Sippe als kleinen Haufen beschrieben, der irgendwie den Kopf über Wasser hielt, aber diese Gruppe strahlte durchaus Selbstbewusstsein aus. Über das, was Runhild ihm über seine Sippe erzählt hatte, wollte er garnicht weiter nachdenken, so sehr hatten die Geschichten vom Scheitern und von Fehlschlägen gehandelt. Dies sah ganz anders aus.


    Als es zum Abendessen geladen wurde, folgte Alrik den anderen ins Langhaus, hockte sich auf einen Schemel in eine Ecke der Tafel und beobachtete weiter, während er schon auf einem Stück Brot rumkaute.

    Alrik war fasziniert. Er hatte Stunden zugebracht, um auch nur annähernd zu begreifen wie viel neues er hier zu erwarten hatte. Und als sich alle anderen, müde wie sie von der Reise waren, verzogen hatten, wurde ihm offenbahrt, dass mittlerweile schon ein Zimmer für ihn hergerichtet worden war. Ein eigenes Zimmer! Es war unfassbar. Kein schlafen mehr unter behelfmäßigen Dächern mitten in der Wildnis, oder in Anwesenheit von mehr als zehn Personen, oder, oder, oder...


    Er war begeistert, und verstand immer mehr, warum sich die Sippe Wolfriks entschlossen hatte, ins römische Reich überzusiedeln. Nicht alleine dieser für seine Maßstäbe ungehörige Komfort, nein, auch die Tatsache mit der Casa eine Burg zu haben, zu der man sich zurückzog, und die einem Schutz bot... etwas, das er in seinem Leben nicht kannte.
    Seine Gedanken rauschten, und schon fast wollten sie sich überschlagen, dann ergriff ihn jedoch die Erschöpfung der letzten Tage, nein, JAHRE, und riss ihn augenblicklich in einen tiefen Schlaf, bevor er sich überhaupt noch mit diesen dekadent sauberen Wolldecken zudecken konnte...

    Alrik war der erste, der sich am Gebetsfelsen einfand. Mit wachem Geist und großem Interesse sog er alles an Eindrücken auf, was ihm die Schritte durch den Garten zum Felsen so auffiel. Die Obstbäume, die Knospen bildeten weil sie rochen, dass kein Frost mehr folgen würde, zurückkehrende und nie weggewesene Vögel, die in den noch kahlen Zweigen sangen, der große Teich im Garten, der noch aussah wie mit Wasser gefülltes Loch im Boden, und alles war grau, braun und dreckig. Die Natur holte Luft zum großen Ansturm gegen das, was sie sich jedes Jahr vom Winter zurückeroberte, und Alrik begriff, dass er sich diese Gedanken zum ersten Mal machen musste, ohne sich um bevorstehende Kämpfe zu sorgen. Nicht, dass er sich gesorgt hätte, er hatte sein Leben in dem Moment in Theiwaz' Hände gelegt, als er den ersten Speer in die Hand gedrückt bekam, um zu töten, oder zumindest kampfunfähig zu machen. Und jetzt dieser Moment der Stille... es war so friedlich, dass es ihn beinahe berauschte.


    Als er am Gebetsfelsen ankam, sah er, dass Phelan schon anwesend war, und er nickte dem jungen Priester anerkennend zu, den er dafür respektierte, den langen Weg nach Rom aufgenommen zu haben, und tatsächlich wieder zurückgekehrt zu sein, um hier den Göttern beider Völker dienlich zu sein.


    Der Opferstein vor dem Gebetsfelsen zeigte einige Scharten, einige neuer, andere von Alter gezeichnet, und offenbahrten die Götterfürchtigkeit seiner Familie. Alrik war mehr als nur zufrieden... hier war gutes am Werk.