Beiträge von Manius Flavius Gracchus Minor

    Der junge Flavius trat ein und blickte um sich. Seit seinem letzten Besuch hier, als er in similärer Intention erschienen war, obschon diesmalig er beschieden hatte, nicht wie ein gemeiner Bittsteller sich unter die Klienten der Salutatio zu mischen, sondern als Gast sich anzumelden.


    Selbstredend vermochte er nicht zu erahnen, dass Claudia Silana sich hinter einer der imposanten Säulen verbarg, weshalb er schlicht dem Ianitor zu der Sitzgruppe folgte, vor welcher er verharrte, bis Menecrates erschien.

    In einer Sänfte ließ Gracchus Minor sich hinüber zur Villa Claudia eskortieren. Da er insekur war, ob der alte Claudius ihn zu einem Mahl zu empfangen gedachte, hatte er sich statt für die Toga für eine an das Militärische gewahrende Tracht entschieden und trug zur Tunica Laticlava, selbstredend aus edlerem Stoff als jene, welche er in Germania zu tragen gepflogen hatte, ein purpurnes Sagum, das trotz seiner fein aufgestickten geometrischen Muster entfernt einem Paludamentum glich. Dies war sein erster Wahlkampftermin, welchen er wahrnahm und er hoffte, dass Menecrates, welcher ihm zuletzt durchaus große Zuneigung gezeigt hatte, ihm auch heute hold sein würde.


    Während der Jüngling also der Sänfte entstieg, eilte Patrokolos, sein Sklave, bereits zur Pforte und meldete ihn an:
    "Mein Herr, Manius Flavius Gracchus Minor, ist auf Einladung des Hausherrn hier."

    Ein wenig desillusioniert war der junge Flavius genötigt zu erkennen, dass just seine Stiefmutter, jene aurelische Natter, ihn als erste der Familia (jenseits des Gesindes) in Empfang nahm. Wie er erkannte, ehe sie durch die Approximation zu einem Schemen verschwamm, welcher kaum von mancher der weiblichen Servae zu differieren war, war auch ihr das vergangene Jahr nicht übel bekommen, erstrahlte sie doch nach wie vor in juvenilem Glanz.


    Doch selbst wenn sein Ohr nicht sensibilisiert gewesen wäre für die Nuancen der humanoiden Stimme, so hätte er zu erlauschen vermocht, dass ihre äußerlich überschwänglichen Salutationen nicht lediglich ohne jede Seriosität formuliert war, sondern vielmehr geradehin von Sarkasmus troff. Keineswegs hatte folglich die Separation von ihrem Stiefsohn ihre Abneigung gegen diesen gemildert, sondern augenscheinlich eher noch aggraviert, wie er zu erkennen genötigt war. Dessenungeachtet beruhte diese Aversion jedoch auf Gegenseitigkeit, denn obschon Manius Minor geneigt war, sich mit Manius Maior zu versöhnen und ein getreuer Sohn zu werden, so erschien es ihm, bestärkt durch das Mandat seiner Ahnen selbst, weiterhin als seine heilige Pflicht, das flavische Vermögen und Vermächtnis gegen den Zugriff jener garstigen Natter zu defendieren, welche so voreilig sich in das Leben der Flavii Gracchi getrennt hat.
    "Dies ist mir bekannt."
    , erwiderte der Jüngling somit kühl, wobei sich ihm die Frage ergab, ob die Trennung seines Vaters von der Aurelia eher positiv zu ponderieren war, da dieser somit ihrer maliziösen Einflüsterungen entzogen war, oder doch negativ, da damit Prisca bar jedweder Konstriktionen das Regiment über die Besitztümer der Flavii Gracchi hier in Rom hatte geführt. In jedem Falle würde er, obschon er hinsichtlich schnöder Zahlen überaus großen Degout verspürte, die Bücher der Familie prüfen lassen müssen.
    Geradehin intuitiv konfirmierte diese Sorge ihre weitere Frage, sodass intuitiv auch des jungen Flavius' Augenbraue nach oben schnellte, ehe er die Kontrolle über seine Mimik zurückerlangte, durchatmete, um nicht vor dem versammelten Gesinde eine Szene zu riskieren, und erwiderte:
    "Bis auf weiteres werde ich hier bleiben, immerhin ist dies mein Haus und das meiner Väter."
    Besondere Gravität legte er in die Artikulation der Possessivpronomen, um der aurelischen Natter zu signalisieren, dass keineswegs er gewillt war ihre Prätentionen auf das flavische Vermögen, zweifelsohne der similäre Grund für ihre Infiltration seiner Familie, zu akzeptieren.

    Praetorius Herius Claudius Menecrates
    Villa Claudia
    Roma


    M' Flavius Gracchus Minor Praetorio H. Claudio Menecrati s.p.d.


    Ein gewisse Zeit ist vergangen, seit wir zuletzt das Vergnügen hatten, doch hoffe ich, selbige ist Dir ebenso wohl bekommen wie mir. Bis vor kurzem leistete ich ein Tribunat bei der Legio II Germanica in Germania Superior ab, der einstmals ja auch Du vorstandest. Nun gedenke ich im kommenden Jahr mich als Quaestor für den Senat zu qualifizieren, weshalb ich Dich um einen Termin für ein Gespräch bitten möchte, welches jedoch womöglich auch dazu dienen mag, Remineszenzen an die mogontinische Legion auszutauschen.


    Je nach Deinem Gusto stünde es Dir offen, ob Du mir die Ehre, einen Consular in meinem Hause zu bewirten, erweisen möchtest oder ich Dich zu einem beliebigen Termin aufsuche.


    Vale bene!

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    Consularis Spurius Purgitius Macer
    Domus Purgitia
    Roma


    M' Flavius Gracchus Minor Consulari Sp. Purgitio Macri s.p.d.


    Ein gewisse Zeit ist vergangen, seit wir zuletzt das Vergnügen hatten, doch hoffe ich, selbige ist Dir ebenso wohl bekommen wie mir. Bis vor kurzem leistete ich ein Tribunat bei der Legio II Germanica in Germania Superior ab, der einstmals ja auch Du vorstandest. Nun gedenke ich im kommenden Jahr mich als Quaestor für den Senat zu qualifizieren, weshalb ich Dich um einen Termin für ein Gespräch bitten möchte, welches jedoch womöglich auch dazu dienen mag, Remineszenzen an die mogontinische Legion auszutauschen.


    Je nach Deinem Gusto stünde es Dir offen, ob Du mir die Ehre, einen Consular in meinem Hause zu bewirten, erweisen möchtest oder ich Dich zu einem beliebigen Termin aufsuche.


    Vale bene!

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    Aedilicius Marcus Iulius Dives
    Casa Iulia
    Roma


    M' Flavius Gracchus Minor Aedilicio M Iulio Diviti s.p.d.


    Ein gewisse Zeit ist vergangen, seit wir zuletzt das Vergnügen hatten, doch hoffe ich, selbige ist Dir ebenso wohl bekommen wie mir. Bis vor kurzem leistete ich ein Tribunat bei der Legio II Germanica in Germania Superior ab, doch nun gedenke ich im kommenden Jahr mich als Quaestor für den Senat zu qualifizieren. Deine durchaus konstruktiven Fragen bei meiner letzten Kandidatur wie Dein Ruf als Mann von Klugheit und Bildung lassen es mir geraten erscheinen, Deinen Rat für ein dergestaltes Unterfangen einzuholen, weshalb ich Dich bitten möchte, mir einen Gesprächstermin zu gewähren.


    Je nach Deinem Gusto stünde es Dir offen, ob Du mir die Ehre, Dich in meinem Hause zu bewirten, erweisen möchtest oder ich Dich zu einem beliebigen Termin aufsuche.


    Vale bene!

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    Consularis Marcus Decimus Livianus
    Casa Decima Mercator
    Roma


    M' Flavius Gracchus Minor Consulari M Decimo Liviano s.p.d.


    Ein gewisse Zeit ist vergangen, seit wir zuletzt das Vergnügen hatten, doch hoffe ich, selbige ist Dir ebenso wohl bekommen wie mir. Bis vor kurzem leistete ich ein Tribunat bei der Legio II Germanica in Germania Superior ab, der einstmals ja auch Du vorstandest. Nun gedenke ich im kommenden Jahr mich als Quaestor für den Senat zu qualifizieren, weshalb ich Dich um einen Termin für ein Gespräch bitten möchte, welches jedoch womöglich auch dazu dienen mag, Remineszenzen an die mogontinische Legion auszutauschen.


    Je nach Deinem Gusto stünde es Dir offen, ob Du mir die Ehre, einen Consular in meinem Hause zu bewirten, erweisen möchtest oder ich Dich zu einem beliebigen Termin aufsuche.


    Vale bene!

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    Wenige Tage waren vergangen, seitdem der junge Gracchus nach Roma zurückgekehrt war. Dennoch oder gewissermaßen eben deswegen füllte bereits ein dichtes Geflecht an Terminen und Obliegenheiten den Tag Manius Minors, da erstlich zahlreiche Klienten der Familie, die nun beinahe ein Jahr ohne einen Spross der Stirps der Flavii Gracchi hatten vertröstet werden müssen, ihre Aufmerksamkeit einforderten ebenso wie Anverwandte und Freunde der Familie, denen es neuerlich seine Referenz zu erweisen galt. Am heutigen Tage nun hatte Gracchus Minor die Cornelii Scapulae mit seiner Verlobten Cornelia Philonica geladen.


    Dem Usus entsprechend empfing der Jüngling sie im Atrium, welches der beginnende Herbst zu jener vorgerückten Stunde bereits in mäßiges Dämmerlicht hüllte. Ein wenig Nervosität befiel den Jüngling, als er sich fragte, welche Entwicklung Cornelia Philonica im vergangenen Jahr wohl genommen haben mochte, nachdem er sie von ihrem letzten Rendez-vous als eher unansehnliche, von Akne geplagte junge Dame memorierte. Er selbst zumindest war durchaus einer gewissen Evolution unterlegen, hatte einerseits an Bartwuchs gewonnen, andererseits marginal an Leibesumfang verloren, sodass des Morgens gar noch ein Vestificius zu engagieren war gewesen, um die Synthesis des jungen Flavius an die neuen Körperformen zu akkomodieren.


    Als Acanthus indessen die Gäste hereinführte, erkannte er bereits von Ferne, dass seine Hoffnungen in noch marginalerer Weise waren erfüllt worden als jene hinsichtlich seiner Gewichtsabnahme: Noch immer glich die Cornelia einer Bohnenstange kurz vor der Ernte; hoch aufgeschossen und schmal, doch auf gewisse Weise trotz ihrer wenigen Lenze vertrocknet sich ausnehmend. Als sie näher trat, erkannte er die wohlvertraute Fehlstellung ihrer Zähne, obschon er zumindest zu konzedieren genötigt war, dass er unter der dicken Schicht an Puder, welche ihr Antlitz bedeckte, außerstande war aknöse Pusteln zu identifizieren.
    "Flavius, wie schön dich wohlbehalten wieder zu sehen!"
    , ergriff Cornelius Scapula, der Amtscollega und Freund Manius Maiors das Wort und lächelte den Jüngling jovial an.
    "Ich habe mir die Freiheit genommen, neben Philonica auch ihre beiden Brüder mitzubringen. Du kennst sie sicherlich bereits?"
    Beinahe war Manius Minor entgangen, dass neben den Leibsklaven zwei Herrschaften die cornelische Entourage geleiteten, deren Leibesform der seiner Verlobten in stupender Weise glich, zumal sie ja ohnehin kaum über jene fraulichen Rundungen verfügte, welche sie von ihren Brüdern womöglich abgehoben hätten.
    "Ave, Flavius. Ich glaube wir sind uns länger nicht begegnet. Zuletzt wohl auf einem Geburtstag meines Onkels?"
    , meldete sich der Ältere von beiden zu Wort. Caius Cornelius Scapula hatte, wie der junge Flavius sich entsann, bereits die Quaestur absolviert und war in den Senat eingetreten.
    "Dies mag sein. Welch freudige Überraschung indessen, meine Schwäger in spe endlich einmal in meinem Hause begrüßen zu dürfen."
    , erwiderte Manius Minor in ehrlicher Freude, obschon weniger ob der unerwarteten Visite, welche die Dienerschaft nötigen würde, kurzfristig umzudisponieren, sondern aufgrund der Option, durch jene weiteren Gäste weniger genötigt zu sein sich mit Cornelia Philonica zu befassen.
    "Meine Gattin leidet leider unter Schwangerschaftsbeschwerden, weshalb sie sich entschuldigen lässt."
    , vermerkte Scapula Minor indessen noch, während sein jüngerer Bruder, ein Jüngling etwa sechzehn Lenzen, der den Flavius jedoch an Körpergröße beiweitem überragte, sich eher wortkarg gab:
    "Salve, Flavius."
    Nun endlich war Gracchus Minor genötigt, sich auch seiner Verlobten zuzuwenden und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange, wie es gegenüber einer baldig ihm Angetrauten erwartet wurde, obschon der Gedanke, womöglich unter der Schminke verborgene Pickel mit seinen Lippen zu berühren, ihn ein wenig abhorreszieren ließ.
    "Cornelia Philonica, du bist ebenso hübsch wie ich dich beständig memoriert habe."
    , komplimentierte er, obschon selbstredend jene Worte in seinen Augen eher implizierten, dass sie mitnichten an Schönheit gewonnen hatte. Dennoch reagierte das Mädchen mit einem genanten Lächeln, welches ihre monströse Zahnlücke zwischen den oberen Schneidezähnen voll zur Geltung brachte.
    "Oh, Flavius Gracchus. Ich freue mich, dass du wieder in Rom bist."

    Nach Abschluss seines Tribunates war der junge Flavius voll Tatendrang, sodass er prompt seine Kandidatur verkündete, kaum hatten die Consuln die Wahltermine publiziert:

    Consul Quintus Ninnius Hasta
    [Haus des Consuls]
    Roma


    M' Flavius Gracchus Minor Consuli s.d.


    Für die kommenden Wahlen zum Cursus Honorum gebe ich, Manius Flavius Gracchus Minor, Sohn des Manius Flavius Gracchus, meine Kandidatur für das Amt des Quaestor bekannt. Ich bitte Dich ob dessen, meinen Namen auf der entsprechenden Kandidaturenliste zu vermerken.


    Vale bene!

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    Durchaus lang und beschwerlich war die Reise gewesen, doch final hatte auch sie ein Ende gefunden, als Manius Minor endlich die Pforten der Villa Flavia Felix durchschritt und sich ins Atrium begab. Ob der Tageszeit hatte er nicht mit dem Wagen, sondern in einer jener zahllosen Mietsänften den Weg durch die Gassen der Urbs genommen, weshalb auch seine Equippage noch irgendwo vor den Toren Romas bei einem Sklaven wartete und lediglich Patrokolos ihn hierher eskortiert hatte. Sogleich wurden selbstredend sämtliche Bewohner der Villa informiert und nicht nur die Herrschaft, sondern ebenso die abkömmlichen Sklaven strömten zusammen, um dem Sohn des Hausherrn ihre Referenz zu erweisen.


    Der junge Gracchus präsentierte ein genantes Lächeln, als er die Formation des Gesindes erblickte, welche sich im Atrium gleich einer Centuria seiner Legion hatte aufgereiht. Mit dem Ende seines Dienstes hatte er auch das Paludamentum abgelegt, welches er das vergangene Jahr nahezu permanent getragen hatte, und gegen einen edlen, doch schlichten Reisemantel getauscht, doch straffte auch er sich beim Anblick jener pseudo-militärischen Formation und nahm jene soldatisch aufrechte, straffe Haltung an, welche er sich in der Enge einer Rüstung als einzig kommode Position hatte angeeignet.
    "Es ist mir eine Freude, wieder zu Hause zu sein!"
    , proklamierte er saturiert und blickte sich in der vertrauten Weitläufigkeit des Raumes um, wo er selbst in seiner Hypermetropie jeden Winkel mit größter Exaktheit zu beschreiben vermochte. Mitnichten war dies die erste Rückkehr hierher nach langem Exil, doch erschien es ihm, als sei sie niemals so erfreulich gewesen wie am heutigen Tage!

    Nach der überaus kommoden Passage über den Rhenus hatten die patrizischen Gefährten auf dem Weg von Mogontiacum nach Roma auch die überaus beschwerlichen Alpenpässe überwunden. Nicht immer hatte der junge Tiberius dabei in seinem Reisewagen fahren können, da bisweilen die gemieteten Knechte und Transporteure das Gefährt über enge Stellen und unwegsame Wege hatten tragen müssen. Auch für Manius Minor und dem Centurio hatte der Ritt durch jene Landschaft gewisse Konzentration abverlangt, weshalb sie weniger miteinander geplaudert hatten als während der vergnüglichen Bootstour. Mit dem älteren der Tiberii zu parlieren verspürte der junge Flavius indessen ohnehin wenig Neigung, nachdem jener in geradehin perverser Extensität von seinen Schlachtenerlebnissen hatte berichtet, die auch einen ehemaligen Tribun zu schrecken vermochten und so gänzlich von dem differierten, was der patrizische Jüngling im Exercitus erfahren hatte. Seinen Zynismus hinsichtlich von 'Rom und Ehre' wusste er zwar durchaus zu akzeptieren, war er doch in seinen epikureischen Tagen selbst zu similärer Verachtung für jene vermeintlichen Ideale gekommen, welchen er auch nun nicht aus Neigung, sondern lediglich aus Pflicht nachstrebte. Dennoch pflichtete er Verus selbstredend in jener weinseligen Nacht nicht weiter bei, um den Idealismus Merulas nicht zu destruieren, der doch ein weitaus besserer Motivator mochte sein als die Furcht vor dem Zorn der Unsterblichen, sondern kalmierte den sichtlich irritierten Jüngling mit Worten, welche nahelegten, dass eine derartige Desillusionierung eine Art soldatische Krankheit darstellte, der keine sonderliche Beachtung zu schenken war. Der Blick auf Luna mit ihrem Wolf ließ den jungen Flavius dagegen immer wieder an die drastischen Schilderungen ihrer Versklavung zurückdenken und konfirmierte umso mehr seine Admiration für die Gleichmut, mit welcher sie jene himmelschreiende Ungerechtigkeit augenscheinlich akzeptierte und trotz allem jenem Staat, der ihr nichts als Knechtschaft und Schmerz hatte gebracht, zu Hilfe geeilt war.


    Nach den steinigen Wegen der Montes Alpes erreichten sie so die Poebene, von wo aus es auf den weitaus besseren Via Aurelia die finale Etappe ihrer Reise antraten. Abwechselnd ritt Gracchus Minor auf seinem Trautwin und nutzte die Offerten des jungen Tiberius, ihm in seinem Reisewagen Gesellschaft zu leisten, um seinen Gliedern von den Strapazen des Reitens Ruhe zu gewähren und zugleich die Gelegenheit zur Konversation zu nutzen. Auch heute saß er folglich Merula gegenüber und fragte, nachdem sie eine Weile über Ciceros Rhetorik hatten disputiert, ein wenig unerwartet:
    "Sind dir übrigens auch die Briefe von Ciceros Bruder Quintus an ihn bekannt? Mir fiel kürzlich das Commentariolum Petitionis in die Hände, als ich darüber nachdachte, welche Präparationen für meine geplante Kandidatur zu treffen seien und ich muss sagen, dass es mir noch immer als eine überaus luzide Handreichung zum Wahlkampf erscheint."
    Er gewährte dem Tiberius einen Augenschlag Zeit für eine Replik, dann fügte er an:
    "Gedenkst du auch, direkt bei der kommenden Wahl zu kandidieren?"

    Der Nutzen leuchtete dem Jüngling augenscheinlich nicht ein, weshalb er seine Anfrage prompt retirierte. Einen Augenschlag reute es den jungen Flavius, dass er sein Patronat nicht offensiver angepriesen hatte, wäre doch ein klientelärer Kontakt in diese Provinz überaus reizvoll gewesen. Doch war es andererseits unter der Würde eines Flavius, sich einem gemeinen Peregrinus anzudienen, selbst wenn in dessen Adern Häuptlingsblut mochte fließen. Und womöglich benötigte Norius Carbo lediglich ein wenig Bedenkzeit um zu erkennen, welchen Nutzen die Protektion eines einflussreichen Senators in spe einem gemeinen Mann zu bieten vermochte, sodass er eines Tages seine Bitte erneuern mochte. Doxh selbst so er dies nicht tat, würde Manius Minor in Rom eine hinreichende Zahl flavischer Klienten vorfinden, um einem singulären Verlust nicht weiter nachzutrauern.


    Folglich präsentierte der Tribun ein reserviertes Lächeln, erwiderte die Salutation:
    "Vale, Norius Carbo!
    , und machte sich samt seiner militärischen Entourage auf den Heimweg.

    Augenscheinlich hatte der Jüngling dem Tribun nicht bis zuletzt gelauscht, was indessen zu seinem sprunghaften Gemüt zu entsprechen schien. Dennoch wurde der junge Flavius nun mit der Zeit ein wenig unwillig, fühlte er sich doch beinahe genötigt, sich für seine Offerte zu rechtfertigen, welche lediglich die Replik auf eine Bitte dargestellt hatte.
    "Nun, es liegt im Auge des Betrachters."
    , erwiderte er dennoch mit schwindender Geduld, obschon selbstredend Libertini genötigt waren, ihren früheren Herrn als Patron zu akzeptieren und er sich somit einer Generalisierung befleißigte.
    "Für jene, welche ihren Patron beständig begleiten und mit Naturalien entlohnt werden, ist die Alternative nicht selten, als Bettler alleinig der Annona heimzufallen oder gar ehrlose Lohnarbeiten auszuüben."
    Mitnichten waren Rom und Mogontiacum hinsichtlich des Arbeitsmarktes zu vergleichen, ebensowenig bezüglich der Kosten für den Lebensunterhalt, selbst wenn der Tribun ob seiner Neglegenz für alltägliche Belange nicht exakt zu sagen vermochte, wie groß sich jene Differenzen ausnahmen. Jedoch schien es genug, dass eine ganze Grex togata bereit war, seinen Vater oder ihn gegen milde Gaben zu begleiten.
    "Doch wie ich sagte, differiert die klienteläre Relation von Person zu Person. Ein Senator, welcher Klient des Kaisers ist, wird kaum seinen Patron beständig begleiten können, ja womöglich nicht einmal alltäglich zu seiner Salutatio erscheinen. Dasselbe mag für einen Mann gelten, welcher ein anderes Amt auszufüllen hat. Ebenso erhält eine derart respektable Person selbstredend keine Almosen, sondern genießt immaterielle Formen der Protektion, welche er wiederum mit immateriellen Gefälligkeiten vergilt.
    Auch dies mag mancher Knechtschaft nennen, doch präponderiert für die meisten Römer augenscheinlich der Nutzen eines potenten Fürsprechers, respektive eines Mannes, welcher ihnen in der Not zur Seite steht. So dir dies nicht einleuchtet, empfehle ich dir von einer derartigen Bindung Abstand zu nehmen und alleinig deiner Wege zu ziehen."

    Ein römischer Aristokrat war nicht eben der adäquateste Mensch, um die Grundprinzipien der römischen Gesellschaft zu explizieren, war er es doch gewohnt, dass lediglich solche Personen bei ihm vorsprachen, welche bereits darum wussten und entsprechend mit serviler Bescheidenheit sich ihm approximierten. Dass Norius Carbo jedoch nicht lediglich fragte, sondern in Unwissenheit jene heilige Bindung erstlich als Geschäft, dann gar als Haft diffamierte, trug nicht eben zu einer geduldigen Haltung des Tribuns bei.


    Folglich beschied er nun doch, jener Unterredung ein Ende zu setzen und wandte sich an den schweigenden Patrokolos:
    "Patrokolos, ich denke ich habe für heute genug getrunken. Lasst uns nach Haus gehen."
    "Wie du wünscht, Domine."
    erwiderte der Sklave und erhob sich prompt, um den Pedites singulares am benachbarten Tisch, wo selbige noch vergnügt zechten, das Zeichen zum Aufbruch zu geben.

    Die Art und Weise, in welcher Norius Carbo sich hinsichtlich seiner Obliegenheiten informierte, irritierte den jungen Flavius aufs Neue, zumal sie zu beweisen schien, dass die Kenntnis über jene Form der Gefolgschaft in diesen Regionen doch nicht so evident war, wie er dies vermutet hatte.
    "Nun, erstlich handelt es sich bei einem Patronat nicht um ein Geschäft."
    , begann er somit an zentraler Stelle, da jenes Vokabular ihm ohnehin missfiel, schien es doch zu implizieren, als konkurriere Manius Minor in jenem Gespräch mit anderen potentiellen Patronen um Norius Carbo, obschon es doch dieser war, welcher sich bei jenem bewarb.
    "Der Terminus 'Patronus' stammt vielmehr von der Vokabel 'Pater', dem Vater also. Dies vermag bereits alles Wesentliche über diese Relation zu erklären: Der Patron gleicht einem Vater für Klienten, der Klienten einem Kind für seinen Patron. Der eine ist dem anderen zu Gehorsam und Dienstbarkeit verpflichtet, der andere den einen zu protegieren und für ihn zu sorgen. Was dies im Einzelnen bedeutet, ist weder durch Recht normiert, noch bei jedem gleich: So gibt es Klienten, welche alltäglich zur Salutatio dem Patron ihre Aufwartung machen, ihn beständig begleiten und ihm diverse Dienste erweisen, wofür im Gegenzug sie mit kleinen Gaben entlohnt werden. Andere dagegen besitzen selbst wieder Klienten und einflussreiche Positionen, sodass es ihnen nicht möglich ist, alltäglich vor ihrem Patron zu erscheinen. Statt materiellen Gaben erhalten sie die Fürsprache ihres Patronus, etwa wenn sie sich um ein Amt bewerben, womöglich auch einen Kredit, so sie dessen bedürfen oder andere Gefälligkeiten, wie sie auch unter Freunden gebräuchlich sind."
    Der junge Flavius beugte sich ein wenig nach vorn, obschon er ob seiner Fehlsicht dadurch ihn keineswegs schärfer, sondern eher schlechter inspizieren konnte. Doch wie in jener konkreten Situation, so war es auch generell um die Kenntnisse des Tribuns über jenen Peregrinus bestellt, den vor wenigen Minuten er erst kennen gelernt hatte und welcher nun bereits um sein Patronat anhielt.
    "Wie sie nun in deinem konkreten Falle ausfielen, das hinge stark davon ab, in welcher Position du dich jeweilig befindest, welche Ziele du verfolgst und inwiefern ich dir dabei behilflich sein kann. In jedem Falle offeriert meine Familie jedem Klienten ihre Protektion, sei es durch gerichtliche Vertretung oder Fürsprache in geeigneten Fällen. Dafür erwartet sie ihrerseits die Dienste ihrer Klienten. In deinem derzeitigen Stande könnte es etwa von Interesse sein, wenn du mir über die Lage hier in Mogontiacum und der Provinz berichtest, so ich dich darum bitte."

    Der junge Flavius zauderte noch immer ein wenig. Jener Jüngling schien durchaus ehrgeizig, doch selbst mit flavischer Protektion würde es zweifelsohne Jahre dauern, bis er das Bürgerrecht erringen und nach Roma kommen würde (so dies überhaupt jemals geschah). Selbstredend hätte Manius Minor ihm offerieren können, schlicht an seiner Seite nach Rom zurückzureisen, von wo aus es lediglich ein Katzensprung zum Orakel vom Cumae war (zumindest in Relation zu der Distanz von hier aus). Doch würde jener augenscheinlich eher wankelmütige Noriker in Rom nicht auch nur ein Fremder in einer fremden Stadt sein, dependierend allein von den Sportulae wie der Gnade des flavischen Hauses? Zu viele desperate Existenzen hatte Manius Minor in den Gassen Roms betteln gesehen, ihre zerborstenen Träume von einer Karriere in der Urbs aus ihren Augen gelesen, um leichthin den Optimismus dieses Jünglings zu befeuern. Dessenungeachtet jedoch war überhaupt zu fragen, ob es einem Provinzialen nicht besser zu Gesicht stand, sich in sein Schicksal zu fügen und in der Provinz seinem Tagwerk nachzugehen, als hochtrabenden Plänen nachzujagen, deren fades Scheitern dem jungen Flavius nur allzu vertraut war (wenn auch in die konträre Direktion).
    "Nun, wenn du es wünscht, werde ich gern dein Patron sein. Doch muss dir bewusst sein, dass aus jener Relation in diesem Falle für dich vorerst mehr Pflichten als Vorteile erwachsen werden. Weder verfüge ich hier über sonderlichen Einfluss, noch kann ich dir aus meinen Gütern ökonomische Hilfe zukommen lassen. Du dagegen wärst mir dennoch zu Gehorsam und Gefolgschaft verpflichtet."
    Fortunablerweise verfügten die Germanen ja über eine der Klientel similäre Institution mit jenem Namen, sodass er nicht fürchten musste, dass sein Klient in spe seine Obligation nicht abzuschätzen wusste.
    "So du also dennoch mein Klient in der Ferne sein willst, werde ich dich akzeptieren."

    Sim-Off:

    Aus jener Direktion also weht der Wind :D


    Aufs Neue vermochte der Peregrinus den Tribun mit einer imprävisiblen Wendung des Gespräches zu disturbieren. Augenscheinlich empfand jener Norius trotz seines irritierenden Auftretens eine gewisse Sympathie zu ihm, selbst wenn dem Jüngling nicht recht ersichtlich war, aus welchem Grunde, da sie doch soeben erst wenige Worte hatten gewechselt und vorherig niemals sich begegnet waren. Indessen mochte es einem ehrgeizigen jungen Mann der Provinz als günstige Gelegenheit erscheinen, einen relativ mächtigen Patron zu gewinnen, wenn er einem solchen inmitten eines unscheinbaren Gasthauses begegnete. Und in der Tat beschämte die Frage den Noriker augenscheinlich, kaum hatte er sie formuliert, was den jungen Flavius wiederum ein wenig amüsierte.


    Der junge Gracchus verfügte bisherig über keinerlei eigene Klienten, ja vielmehr hatte bisherig stets nur sein Pater familias, der ältere Gracchus, als Patron fungiert, dabei jedoch wiederum auch Klienten seines absenten Vetters Felix mit betreut, wie nun auch Manius Minor die Klienten seines Vaters betreute, wenn dieser außerhalb der Stadt sich befand. Dessenungeachtet mochte es für einen römischen Aristokraten kein sonderliches Risiko darstellen, einen jungen Mann aus der Ferne als Klienten zu akzeptieren, denn konträr zur großen Masse der Grex togata Roms würde er kaum allmorgendlich zur Salutatio erscheinen, um Sportulae zu empfangen und ihn womöglich bisweilen mit unbedeutsamen Bitten zu enervieren. Dementgegen generierte ein derartiger Klient jedoch auch kaum Nutzen für seinen Herrn, da er doch weder dessen Ansehen stützte, indem er ihn auf seinen Wegen durch die Stadt geleitete, Botengänge für ihn erledigte oder anderweitige Funktionen im Interesse der Familie wahrnahm.
    "Prinzipiell widerspräche dem nichts."
    , erwiderte er somit und blickte Norius Carbo bedächtig an.
    "Indessen werde ich in Kürze wieder nach Roma zurückkehren, während du doch hier in Amt und Würden bist, sodass weder du mir, noch ich dir eine rechte Hilfe sein könnte. Aus der Ferne wäre es mir kaum möglich, deinem Fortkommen in dieser Stadt in irgendeiner Weise behilflich zu sein, ja verfüge ich noch nicht einmal über Besitzungen in dieser Provinz, von welchen ich dir Sportulae zukommen lassen könnte."
    Die Netzwerke der Flavii waren weitgespannt, doch jenseits des Umstandes, dass Duccius Verus eine flüchtige Bekanntschaft zu seinem Vater hegte, waren Manius Minor während seines Tribunates keine nennenswerten Relationen bekannt geworden, an welche er als Patron eines derartigen Klienten hätte anknüpfen können. Es stellte sich also die Frage, ob nicht ein anderer, lokaler Magnat dem jungen Noriker von größerem Nutzen sein würde.
    "Ich will dir deine Bitte also nicht gänzlich abschlagen, doch würde ich dir raten, die Wahl deines Patrons nicht voreilig zu treffen. Und in deiner Situation mag ein lokaler Patron womöglich von größerem Nutzen sein."
    Er wollte den Jüngling nicht desillusionieren, doch erschien es ihm ebenso unredlich, seine Bitte schlicht zu akzeptieren, obschon es nun, da er ein wenig den Gedanken hatte erwogen, nicht eben unklug erschien, eine Klientel auch in jener distanten Region des Imperiums zu errichten, um etwa exklusiv Informationen und Novitäten aus ihr zu erfahren oder gezielt in Erfahrung bringen zu lassen.

    Zitat

    Original von Marcus Iulius Licinus
    "Danke für deine guten Wünsche," entgegnete Licinus und konnte nicht ganz verhehlen, dass es ihn freute, dass der scheidende tribunus die legio auch als die seine ansah.
    "Und deine guten Wünsche mag ich zurückgeben. Möge Hermes eure Reise segnen und euch sicher zurück nach Rom geleiten und deine Lares et Penates dort über dich wachen."
    Die letzten, leiser gesprochenen Worte gingen dem alten Mann, der immer darauf bedacht gewesen war, sein Wissen mit jüngeren zu teilen, runter wie Öl.
    "Wir danken für deinen Willen dich in alle Belange hier einzuarbeiten. Du bist ein guter Mann Flavius. Pass auf dich auf," in letzter Sekunde gelang es Licinus noch, dass allzu vertrauliche "Junge" hinunterzuschlucken und durch ein neutrales "tribunus" zu ersetzen. Dann salutierte er ein letzten Mal vor dem Mann.


    Der Jüngling lächelte wiederum und gedachte im Stillen des Götterboten, welcher vor mehr als einem Jahre ihn bereits im Traume geleitet hatte. Womöglich würde er, ehe sie im Portus Militaris ablegten, eine kleine Opfergabe für ihn in dem Sacellum des Vicus platzieren, mit größter Sekurität jedoch nach seiner Heimkehr nach Roma dem häuslichen Lararium einen Besuch abstatten. Die Maiores, die Laren und Penaten der Flavii hatten ihm in der Tat bereits vielfältig ihre Gunst erwiesen und ihn letztlich ermächtigt, an jenem Orte zu stehen, an welchem er sich nun befand.


    Ihnen war es zu verdanken, dass er nun jener 'gute Mann' war, den der Praefectus Castrorum nun so rührig rühmte, weshalb weniger Stolz als Demut ihn angesichts jener Worte erfüllte.
    "Dasselbe erbitte ich deinerseits!"
    , erwiderte er endlich und korrigierte ein wenig den Sitz in seinem Sattel. Beinahe fühlte er sich genötigt, noch einmal vom Pferd zu steigen, um sämtliche der zu Verabschiedenten persönlich Handschlag zu salutieren, doch erschien dies ihm doch ein wenig unschicklich, zumal sie bereits lange genug sich aufgehalten hatten.
    "Lasst uns gehen!"
    , mahnte er also und trieb Trautwin an, um endlich die Porta Praetoria zu durchschreiten.


    Dahinter erwartete ihn bereits eine Ehrenformation von Legio und Ala, welche den scheidenden Tribun in der Tat unerwartet traf, weshalb höchste, wenn auch freudige Erregung ihn erfasste und beinahe ihm ein Tränlein aus dem Augenwinkel lockte. An dieser Stätte hatte er vieles erlebt und manches erreicht, hatte er Disziplin und Frustrationstoleranz erworben. Obschon die Soldaten zweifelsohne auf Befehl des Praefectus Castrorum, respektive des Praefectus Alae waren aufgezogen, so glaubte er doch darin eine Konfirmation zu erkennen, dass seine Mühen mitnichten vergebens waren gewesen. Er mochte kein rauher Soldat sein wie der Tiberius, kein erfahrener Offizier wie Iunius Seneca oder Iulius Licinus. Statt mit Schärfe und Strenge hatte er seinem Temperament folgend seinen Dienst mit Leutseligkeit und Offenheit versehen und dennoch reüssiert. Suum cuique.

    Als die Legion sich dem Tribunal näherte, vor welchem die Männer Aufstellung beziehen sollten, erwachte der junge Flavius aus seinem autoreflektiven Sinnen, denn immerhin war ihm die Supervision jener Zeremonie obgelegt worden, sodass er nun zu achten hatte, dass sämtliche Abläufe in korrekter Weise verliefen. Selbstredend war mitnichten irgend etwas an dieser Festivität nicht bereits durch nunmehr beinahe hundertjährige Übungen aufs kleinste Detail prädeterminiert, sodass lediglich ein Verständnis der Abläufe und eine Zuteilung der diversen Obliegenheiten seine Aufgabe waren gewesen, doch hatte er dennoch sich gemüht, jenen würdigen Rahmen nach besten Kräften zu wahren.


    Also wendete er sein Trautwin an jener Stelle, die er am vorherigen Tage nochmals besichtigt und hinter welcher nun bereits der Legionsadler mit seiner Garde Position genommen hatte. Hinter seinem Rücken reihten sich sodann Kohorte um Kohorte, Turma um Turma die folgenden Formationen an ihrem Platze ein, dirigiert und kontrolliert von ihren Centurionen und Decurionen, welche am Vortage ebenso eingewiesen worden waren. Indessen nickte der flavische Tribun unmerklich (doch merklich verstärkt durch die Höhe seines Federbusches) dem Praefectus Castrorum zu, dem die Übergabe des Wortes traditionsgemäß oblag. Iulius Licinus begab sich also auf die Tribüne, welche unmittelbar vor dem freien Exerzierplatz und neben dem Feuer sich befand.


    Als dann die Pila zu Boden gesetzt wurden, legte sich erwartungsvolle Stille über das Feld wie das Publikum. Gemächlich begab sich sodann der Redner des heutigen Abends an seine Position, salutierte vor dem jungen Flavius, welcher den Gruß selbstredend erwiderte, und begann zu sprechen.
    Gleich einige seiner ersten Worte blieben in den Ohren des jungen Tribuns haften: 'welche nicht nur Soldaten führten, sondern von ihnen auch geschätzt und mit größter Loyalität bedacht wurden'
    Er selbst hatte auch eine Vexillatio über den Limes hinaus geführt, doch niemals sich als wahrer Kommandeur jener Einheit verstanden, da doch sämtliche praktischen Angelegenheiten durch den ranghöchsten Centurio, jenen Tiberius, waren bewerkstelligt worden, während er mehr als ein Gast jenem militärischen Spektakel beigewohnt hatte. Durchaus hatte er sich bemüht, seiner Legion ein guter Offizier zu sein, ja hatte ein offenes Ohr und paternale Fürsorge gelobt und das Herz mancher Stabsperson gewonnen, doch bei rechtem Licht betrachtet war es ihm doch nie gelungen, zu jenen Milites gregarii durchzudringen, als deren singulärer Exponent ihm Tiberius Verus war begegnet. Schlagartig aktivierte sein Geist die mahnenden Worte des Praefectus Urbi, welcher ihm nicht lange vor seinem Aufbruch hierher nahegelegt hatte, Auftreten und Verhalten zu exerzieren, um sich den Respekt seiner Männer zu erwerben, worum er nach Kräften sich durchaus bemüht hatte, doch obschon er über mangelnde Autorität gegenüber seinen Untergebenen er nicht zu lamentieren vermochte, so fehlte es doch stets an jener wahren Zuneigung, wie sie ihm etwa sein Leibdiener Patrokolos erwies. Auch während jener Einweisung am Vortage waren sämtliche Centurionen stets kühl und geschäftsmäßig verblieben, hatten sie seine Order zwar akzeptiert, doch kaum Anteil genommen an seinen Wünschen und Ideen. Womöglich war es sein mangelnder Sinn dafür, derartige Symbolhandlungen zu vollziehen, wie Germanicus sie durch den mehrfachen Besuch des Varianischen Schlachtfeldes hatte bewerkstelligt, und damit die Motivationen und Normen seiner Männer anzuerkennen, was ihn am ehesten von den erfolgreichen Feldherren Roms trennte, mochten sie Drusus, Germanicus oder Caesar sich nennen. Einen Kriegsmann verlangte augenscheinlich es nicht danach, dass seine Interessen vor den Princeps oder gar den Senat wurden getragen, während es von größter Importanz ihm war, dass seinen gefallenen Kameraden Ehre erwiesen wurde, die er im Gegenzug seit nunmehr einem Saeculum auch Drusus und Germanicus erwies. Ehre und die Pietas gegenüber den Verblichenen waren auch einem quiritschen Patrizier ein Begriff, doch waren jene Tugenden doch in der urbanen Aristokratie Roms doch in anderer Weise besetzt als unter denen, die tagtäglich im Staube ihr Leben riskierten, um jene Zivilisation zu schützen, derer sie niemals teilhaftig werden mochten.


    Die Fähigkeit der beiden heutig geehrten Feldherren verdiente somit in den Augen des flavischen Jünglings durchaus Admiration, da sie doch selbst similären Verhältnissen entstammten wie er selbst, jedoch weitaus erfolgreicher die Herzen ihrer Legionen gewonnen hatten. So spendete auch der Tribun Applaus, nachdem Iunius Seneca geendet hatte und stimmte ein in das Dröhnen tausender Pilae, welche die Legionäre zum Zeichen ihres Konsenses auf ihre Scuta schlugen. Worte wollte Manius Minor dagegen keine weiteren verlieren, spürte er doch, dass all dies trotz sämtlicher Mühen nicht recht sein Feld war. Denn gewiss mahnte ihn der Tod des Drusus inmitten seines Kriegszuges, seine Obliegenheiten nicht zu sehr zu prokrastinieren, ja hatte er durch sein Opfer selbst gelobt, seine dekadente Vergangenheit hinter sich zu lassen und als neuer, tugendhafter Mensch Rom zu dienen. Doch wurde ihm nach jener Rede doch bewusst, dass sein Schicksal doch eher in Rom lag als hier an den Ufern des Rhenus.

    Soeben wollte der junge Flavius zum Aufbruch mahnen, als unerwartet eine weitere Eskorte die Porta Principalis durchschritt und an der Spitze der Truppe Iunius Seneca, der Praefectus Alae in das Castellum einritt. Mitnichten hatte der Tribun erwartet, dass selbst jener Kommandeur einer fremden Einheit ihm noch seine Referenz würde erweisen, obschon sie bisweilen während den Stabsbesprechungen diese oder jene Worte hatten gewechselt und auch bei den Präparationen des diesjährigen Drusus-Festes trefflich kooperiert hatten.
    "Zu viel der Ehre, werter Iunius!"
    , erwiderte er somit sichtlich erfreut und präsentierte ein genierliches Lächeln, da aufs Neue seine Qualitäten so überschwänglich gepriesen wurden, obschon er doch seinem Dafürhalten nach nicht mehr und nicht weniger als seine Pflicht geleistet hatte.
    "Dennoch danke ich dir, dass du mir die Ehre deines persönlichen Abschiedes erweist. Es war mir stets eine Freude, mit dir zu kooperieren und ich werde auch dich in bester Erinnerung bewahren."