Manius Flavius Manii Filius Gracchus, Sohn eines Senators und Pontifex, ausgestattet mit dem deplorablerweise stark verdünnten Blut von Kaisern und Feldherren, dessen Ahnen bereits in der Republik zum Consulat aufgestiegen waren und dem ein großes Schicksal beschieden war, lag friedlich in seinem Bettchen und schlief tief und fest. Sein Vater sah keine Regung in seinem Gesicht und er reagierte auch nicht, als Sciurius die Tür schloss. Stattdessen spazierte er, wie es auch sein Vater so oft tat, durch das Reich des Morpheus.
~~~ Gefangen in Morpheus' Reich* ~~~
Endlos hoch erschienen die Wände der Villa Flavia Felix, die sich rund um ihn herum auftürmten. All jenes geschäftige Treiben jedoch fehlte, stattdessen herrschte eine geradezu geisterhafte Stille. Er stand im Halbdunkel des Atriums und blickte auf das Impluvium, dessen Inhalt stillstand, als sei es jäh erstarrt. Er ging darauf zu, doch auch seinen Schritten gelang es nicht, jene Mauer der Stille zu durchbrechen. Vorsichtig bückte er sich und streckte den Finger aus. Nahezu unerreichbar schien das Wasser. Doch endlich durchstieß die Fingerkuppe die Oberfläche, worauf sich die Wellen ringförmig verbreiteten und, als hätte diese Störung jedwede Ruhe zerstört, mit einem Male ein leiser Klang wie von jenen Tibiae, die seinen Vater beim Dienst der Götter begleiteten, ertönte, gleich den Wellen im Kreise um seinen Finger anschwellend und versinkend. Doch während die Wellen im schwächer wurden, schwoll die Musik weiter an, mehr und mehr Instrumente setzten ein und ein wahres Konzert erhob sich. Sanft erklang die Kithara, mächtig die Tuba, die Syrinx, quäkend die Hydraulis, von Tympanon und Kymbala begleitet.
War sie anfangs heiter und fröhlich, sodass er gewillt war, von wir bewegt den Raum tanzend zu durchqueren, verstummte sie ein weiteres Mal, als ein kaltes Gefühl sein Haupt erfasste. Er griff danach, doch auch seine Hand wurde von diesem Gefühl erfasst, als sie in eine zähe Masse eindrang, die sein Haupt umgab und einem unaufhaltsamen Heere gleich seinen Hals hinabrann. Zögernd folgte sein Blick dem angenommenen Quell jenes Tropfens, als die Instrumente erneut erklangen, diesmal jedoch horrend, ein namenloses Grauen prophezeiend.
Trübe Augen blickten in seine Augen, als er das Haupt in den Nacken legte. Über ihm schwebte jener furchterregende Molosserhund, den er so fürchtete. Sein Leib war tiefschwarz, dunkler als die dunkelste Nacht, die er je verlebt hatte. Doch von größerer Bedrohung war sein Rachen, in den er blickte, aufgerissen wie das Tor des Orcus, umgeben von blankglänzenden, spitzen Zinnen. Unbarmherzig kam jener Schlund näher, er versuchte zu zu entweichen, doch seine Füße waren gelähmt wie die rechte Gesichtshälfte seines Vaters. Er schrie, obschon die immer stärker anschwellende Musik jedes Geräusch, jeden Laut schluckte, als sei er niemals dagewesen.
Dann, als ein finaler Abschluss, umgab ihn Schwärze, die Musik endete und...
...Manius Minor erwachte schweißgebadet. Angstvoll riss er die Augen auf, glaubte noch den schleimigen Sabber von Serenus' Molosserhund auf seinem Körper zu spüren, erwartete jederzeit den Schmerz, den die Zähne des Tieres in seinen Leib bohren würden. Doch stattdessen umgab ihn nur jene weiche, aufgewühlte Decke, mit der seine Mutter ihn am Abend bedeckt hatte. Nun erst wurde er der Geräusche des Hauses gewahr, realisierte, dass jene grausame Musik verschwunden war im Reich der Träume und die Welt ihn wieder hatte. Vorsichtig blickte er sich um, betrachtete die vertraute Umgebung. Durch die Ritzen der Fensterläden spähte bereits der warme Morgen herein.
"Mama?"
artikulierte sein dünnes Stimmchen in die Leere des Zimmers.
"Maaaaaaaaaamaaaaaaaa!"
Auf dem kleinen Beistelltisch seines Zimmers lag ein Brief, dem Manius Minor in Anbetracht seiner deplorablen Lage jedoch keine Beachtung schenkte.
Sim-Off:* tributum pro patre