Beiträge von Manius Flavius Gracchus Minor

    Sim-Off:

    Nun muss ich aber doch zuschlagen und mein Ross für mein Tribunat erwerben, ehe ich der Provinz den Rücken kehre :D


    Der junge Flavius legte seine juvenile Stirne in feine Runzeln, als der Duccius das neue Gebot nannte und entsprechende Explikationen hinzufügte. Durchaus luzide erschien ihm selbige, da doch es eine Binsenweisheit war, dass Produkte von hoher Qualität, mit welchen ein Aristokrat sich zu umgeben pflegte, stets den Wert gemeiner Gebrauchsgüter überstieg.
    Insonderheit hielt er jedoch dafür, dass einige Sesterzen mehr, selbst wenn sie den Marktwert jenes Rosses überschritten, bei dem Procurator rationis privatae der Provinz wohl investiert waren, da er damit ja zweifelsohne auch ein wenig Wohlwollen von selbigem Amtsträger erwerben mochte.
    "Akzeptiert."
    , erklärte er somit, während Patrokolos bereits zur Widerrede ansetzte, sich sodann jedoch dem gestrengen Blick seines Herrn beugte.
    "Ich würde gern sogleich mit mir nehmen und den Preis an Ort und Stelle begleichen."
    Selbstredend hatte der Jüngling seinen Leibdiener angewiesen, eine angemessene Summe Geldes für jene Kaufverhandlungen mitzuführen.

    Zitat

    Original von Marcus Iulius Licinus
    "Kein Grund sich zu entschuldigen tribunus" winkte Licinus ab.
    "Hier kommt am Ende ja doch keiner raus, ohne dass ich es merke!" Licinus bildete sich schließlich nicht völlig unberechtigterweise ein, dass ihm keine größere Angelegenheit in seinen vier Wänden entging. und mit vier Wänden waren die Kastell-Wälle gemeint.
    "Ich wünsche in jedem Fall eine gute Reise zurück in die urbs aeterna. Und viel Erfolg bei allen folgenden Aufgaben."


    "Wie beruhigend."
    , erwiderte der Tribun leutselig und lächelte dem Iulius zum Lebewohl zu.
    "Und ich danke dir. Auch ich wünsche dir und deiner-"
    Er hielt inne und blickte kurz die schnurgerade Via zur Principa hinauf, dabei bedenkend, wie häufig er im vergangenen Jahre jenen Weg zurückgelegt hatte.
    "nein: unserer Legion alles erdenklich Gute. Mögen Mars und er Genius Legionis über sie wachen und sie vor allem Unbill bewahren!"
    Nun, da wärmende Worte ihn verabschiedeten, verspürte der junge Flavius geradezu eine Melancholie, diesen inzwischen durchaus vertrauten Posten hinter sich lassen zu müssen, welcher ihm zwar vieles abverlangt, doch in seiner Strukturiertheit und Klarität durchaus auch Geborgenheit hatte geboten.
    "Ich werde diese Legion und insonderheit dich wie die Kooperativität des gesamten Stabes stets dankbar memorieren."
    , fügte er damit in leiserem, doch überaus verbindlichem Ton an.

    Zitat

    Original von Titus Tiberius Merula
    Während er nun das weitere Gespräch verfolgte und auf das finale Startsignal wartete, vernahm er aus den Augenwinkeln, dass sich Connell, sein Custos Corporis der Truppe genähert hatte. Mit starrem Blick und regungslos stand er etwas abseits der Gruppe aber doch nur wenige Schritte entfernt von Luna, die ihn ziemlich zu interessieren schien. Als sie seinen Blick traf, formten sich seine durch den ungepflegten Bart nur schwer erkennbaren Lippen zu einem dümmlichen Lächeln. Diogenes war hinterher geeilt und hatte sich schräg hinter seinem dominus platziert, welchen er, als Merula verwundert über seine Schulter sah, darüber informierte, dass das böse enden konnte. "Ich konnte den Dümmling in seiner Beschränktheit nicht davon abhalten, dominus." Was der junge Tiberius nur mit einem strafenden Blick und einem leisen "Das sehe ich selbst!" kommentierte. "Connell, nicht machen. Komm her." befahl er dem Hünen mit bestimmendem Tonfall und einem Fingerzeig auf einen Fleck abseits der Gruppe. Dieser schien seine Augen aber nicht von der Sklavin abwenden zu wollen, weshalb der Tiberius noch einmal nachhakte "Connell!", woraufhin der Berg von Mann mit einem schlichten "Huh? Okay, donimus" antwortete. Diogenes vergrub sein Gesicht beschämt in der rechten Hand. Dieser Trottel war so unbelehrbar wie eine vertrocknete Orange! War dominus nicht das erste Wort, was er ihm beigebracht hatte? Connell zog sich zurück, nachdem er die Sklaven noch einmal dümmlich anlächelte und ein "Frau, hübsch!" von sich gegeben hatte.
    "Ich muss mich entschuldigen, Connell überzeugt mehr durch seine Größe und Kraft als durch seine Intelligenz und Umgangsformen." erklärte er den Umstehenden. Dass der Sklave weit davon entfernt war, Latein perfekt zu verstehen oder gar zu sprechen, konnte man anhand Merulas simpel formulierten Anweisungen erahnen.


    Die emotionale Szenerie des Abschieds wurde indessen disturbiert durch den tumben Kelten, welcher gleich einem geistig retardierten Stück Vieh sich Luna zuwandte, ehe scharfe Worte ihn aufs Neue kontrollierten und von dem zweifelsohne durchaus nicht wehrlosen Geschöpf abwandten.
    "Nun, es wäre doch auch nicht sonderlich gerecht, wäre er neben überragender Kraft auch noch mit überragendem Intellekt gesegnet."
    , scherzte der junge Flavius indessen und lächelte dem Tiberius freundlich zu. Obschon derart schlichte Gemüter wie jener Connell dem Jüngling selbst in Rom höchst selten begegnet, respektive aufgefallen waren, so war die Situation, dass ein Diener seinem Herrn durch sein Missverhalten Schande bereitete, zweifelsohne jedem Halter von Unfreien eine wohlvertraute Begebenheit, die folglich in unkritischen Fällen wie diesem eher Compassion denn strengen Tadel evozierte.

    Nachdem die Reisegesellschaft den Vicus Salutaris erreicht hatte, bestiegen die drei Gefährten ein Prahmboot der Classis Germanica, welches in dienstlicher Mission ohnehin eine Frachtladung vom Castellum in Bonna zur Legio VIII Augusta in Argentoratum zu liefern hatte und auf dem Wege von Mogontiacum zu seiner Destination genügend Raum bot, um auch dem scheidenden Tribun, dem versetzten Centurio und ihrem noblen Gast als kommodes Gefährt auf ihrer Reise nach Roma zu dienen. Der flache Einstieg gestattete es gar, den Reisewagen des jungen Tiberius in lediglich rudimentär zerlegtem Zustand auf dem Deck zu transportieren, sodass seine Kabine den Passagieren als agreable Rückzugsort mochte dienen. Erst als somit sämtliches Gepäck verstaut war, ruderten die Nautae das Boot aus dem Portus Militaris und hissten die Segel, um der mächtigen Strömung des Rhenus zu widerstehen und gen Süden sich zu wenden.


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    Die folgenden Tage folgten dem immergleichen Rhythmus der Flussschifffahrt auf dem Rhenus: Des Tags segelten sie entgegen der Strömung oder quälten sich bei Flaute mit Muskelkraft allein in torquierlicher Langsamkeit voran, sofern sie nicht schlicht den Anker setzten, um zumindest der mühsam erkämpften Flussmeilen stromaufwärts nicht verlustig zu gehen. Des Nachts legten sie dagegen in einer der zahllosen Dörfer oder Städte entlang des Flusses an, um in Stationes oder privaten Gasthäusern das Nachtmahl einzunehmen, in der Sekurität fester Häuser zu nächtigen und am folgenden Tage wieder aufzubrechen. Insonderheit den Rossen mochte jene Form des Reisens nicht sonderlich behagen, sodass die Sklaven des Abends genötigt waren, den Tieren noch einigen Auslauf zu gewähren, doch zumindest kamen sie dank der flachen Kiele des Bootes mit beachtlicher Velozität voran, ohne sich der Insekurität der Heerstraßen auszusetzen.


    Manius Minor genoss die Ruhe des Flusses und nutzte den Tag, um sich von den Strapazen des vergangenen Jahres, welches kaum ihm die Muse anregender Lektüre oder kurzweiliger Konversation hatte geboten, zu relaxieren, sodass oftmals er lediglich auf dem Deck sich niederließ, die Szenerie am Ufer beobachtete und dabei den Rezitationen seines Dieners Patrokolos aus der Reisebibliothek zu lauschen.
    Dennoch erwies selbstredend er sich auch als manierlicher Reisegefährte und pflegte mit den Tiberii (obschon eher mit dem jüngeren der beiden) anregende Konversation, sofern die Brüder, welche augenscheinlich über diverse Jahre der Separation sich auszutauschen hatten, daran Interesse zeigten. Selbstredend disputierten sie so über die jüngsten Geschehnisse des Sklavenaufstandes in Roma, dessen Ursachen und Folgen, wobei der junge Flavius eine eher milde Position gegenüber den Unfreien einnahm, welche er sich aus der epikureischen Schule bewahrt hatte, obschon neben Mitleid mit den teils miserablen Umständen ihrer Haltung auch er die Obligation der Sklaven zu dienen für geboten erachtete. Daneben sprachen sie indessen auch über ihre eigenen Biographien und insonderheit jenen Bürgerkrieg, welcher ihre Generation wie ihren Stand in so fataler Weise hatte geprägt. Manius Minor berichtete über seine Flucht aus Roma im Knabenalter, nachdem sein Vater an der Verschwörung des Tiberius Durus und des Vinicius Lucianus hatte partizipiert (obschon er die horriblen Details und die traumatischen Remineszenzen daran selbstredend aussparte), seinen infantilen Wunsch, ins Kriegsgeschehen einzugreifen und als Offizier dem Usurpator die Stirne zu bieten, weshalb er heimlich sich dem Tross der Legio I Traiana hatte angeschlossen, um auf halbem Wege durch seinen Anverwandten Aurelius Ursus, den damaligen Legatus Legionis, aufgegriffen und in die Sekurität des Hauses eines Klienten, des guten Vindex in Cremona, verfrachtet zu werden und erst nach erfolgter Eroberung Romas durch die Truppen des Cornelius Palma nach Hause zurückzukehren. Während er dessenungeachtet auch erquicklichere Lebensphasen nicht aussparte und etwa berichtete, wie er als Knabe die Hochzeitsfackel des Manius Tiberius Durus, eines Freundes seines Vaters, getragen und jener Greis ihn stets mit überaus großer Freundlichkeit traktiert hatte, oder über die aufreibenden Verhandlungen mit den Chatten sinnierte (nicht ohne selbstredend den Verdienst des Tiberius Verus und die Ehrerbietung, mit welcher die Barbaren ihn traktiert hatten, hervorzuheben), wich er den Episoden rund um seine Bildungsreise nach Alexandria wie auch seinen Opium-Abusus und seine zeitweise mehr denn ruinierte Relation zu seinem Vater weitgehend aus. Doch erwiesen die erfreulicheren Partien der flavischen Biographie durchaus als hinreichend, um die ennuyanten Stunden an Bord des Schiffes zu füllen, während wie von selbst sie sich immer weiter den mächtigen Bergen des Montes Alpes approximierten, die zuletzt es noch zu überwinden galt, ehe der Weg final sie durch das fruchtbare Italia würde führen.


    Sim-Off:

    Bildquelle: David Fisher: The twisty Rhine river at Loreley rock

    Ein Spross von Barbarenfürsten war es also, welchen der junge Flavius inmitten einer gemeinen Taverne aufgegriffen hatte, der darüber hinaus gar über ein gewisses Maß an Bildung verfügte. Der junge Flavius war sichtlich beeindruckt angesichts eines derartigen Ziehvaters und fühlte sich sogleich an seinen eigenen Mentoren erinnert, obschon der gute Vindex selbstredend ihn nicht mit Karten und Plänen der Monumente der Urbs torquiert hatte und ihn lediglich für relativ kurze Zeit unter seine immediaten Fittiche genommen hatte.


    Die Replik auf seine zweite Frage hingegen erstaunte den Tribun in noch höherem Maße, erschien sie doch als das vollendete Duplikat seiner eigenen Experientien, welche der Noriker wiederum, horribile dictu, geradehin zu antizipieren schien, sofern der Gebrauch des Indikativs in seiner Explikation nicht lediglich einer einem Barbaren durchaus zu verzeihenden grammatischen Fahrlässigkeit geschuldet war. Doch noch ehe er sich diesbezüglich äußern konnte, hatte der emsige Scriba bereits wieder neue Pläne gefasst und war augenscheinlich geneigt, ihn schlichtweg sitzen zu lassen. Ein wenig unartig mochte dies dem jungen Aristokraten zwar erscheinen, da er doch, zumindest soweit er dies intendiert hatte, keineswegs Desinteresse an dem jungen Mann aus Noricum gezeigt hatte, ja in Wahrheit durchaus fasziniert war von jener haarsträubenden Geschichte, welche dieser ihm gänzlich unvermittelt berichtet hatte.


    Doch fortunablerweise besann der umtriebige Jüngling sich ein weiteres Mal und gewährte dem perplexen Tribun zumindest ein retardierendes Moment seines Abschiedes, welcher ebenso unerwartet gekommen war, wie sein Erscheinen.
    "Selbstredend. Für heute drängen mich keine weiteren Geschäfte."
    , erklärte er somit und gewährte damit zugleich die Option für den Scriba, ihre Unterredung fortzusetzen, obschon er im selben Augenblicke sich zu fragen begann, ob eine Unterredung über eine derart gewaltige ständische Distanz hinweg nicht in erster Linie dem Peregrinus inkommod erscheinen mochte, wie dies auch bei den niedersten Klienten der Fall war, welche tagtäglich zur Salutatio seines Vaters in die Villa Flavia Felix gekommen waren und lediglich zu extraordinären Anlässen die Gunst erhalten hatten, dem Pater Familias immediat entgegenzutreten.

    Zitat

    Original von Aulus Tiberius Verus
    Einen Glückwunsch? Verus verstand, was der Flavius mit den Prätorianern verband aber er selbst sah diesen Punkt völlig entgegensetzt. Scheinbar war der Flavius nicht mit den Schatten in einem Umfang in Berührung gekommen, so dass sich seine Meinung derart hoch halten konnte. Oder war es nur eine Höflichkeitsfloskel, die Verus falsch bewertete? Der Centurio war sich unsicher und reagierte sachlich mit einem knappen: "Danke". Insofern war die Aufgabe erledigt und Verus konnte sich wieder den Resten seines Alltagsdienstes widmen. "Ich denke, dass du den Abreistag als Tribun festlegen wirst. Du findest mich in meiner Stube, sobald du bereit bist," sagte Verus nüchtern und überging das herausreichende Lob, dass der Flavius bestens protektiert wurde. Für diesen Veteranen war nichts positiv am Kampf, den Prätorianern oder seinem zukünftigen Handlungen. Diese Welt war berechnend kalt. Verus wollte immer noch verdrängen, dass er bald das Schwarz tragen würde. Der Mann kramte die Wachstafeln vom Tisch und verschwand dann. Ohne weitere Unterredung verließ der angeschlagene Soldat das Amtszimmer und ging seine einsamen Schritte in Richtung seiner Aufgaben, die er zum letzten mal abwickeln würde. Noch eine Patroullie und eine Verhaftung, dann wäre Germanie erledigt. Mit ihm war auch ein beträchtlicher Teil von Verus erledigt.


    "Ich werde dies mit dem Praefectus Castrorum erörtern und dich in Kenntnis setzen."
    , erklärte der Jüngling knapp, da er selbstredend außerstande sich sah, in gänzlicher Willkür das Ende seines Dienstes zu bestimmen, ohne den Verantwortlichen für die Dienstpläne und organisationellen Belange des Castellum zu konsultieren.

    Sim-Off:

    Ich nehme an, die Partizipiation deines Bruders werden wir in einem weiteren, nicht ausgesimmten Gespräch erörtert haben?

    "Nichts, was nicht bis zur nächsten Stabsbesprechung warten könnte."
    , erwiderte der Tribun mit einem Lächeln, um den Praefectus Castrorum so kurz nach seiner Rückkehr nicht über Gebühr mit seinen Obliegenheiten zu torquieren, da zweifelsohne die übrigen Tribunen bedeutsamere Angelegenheiten zu disputieren haben würden.
    "Ich bin sicher, der Legatus wird auch nach meiner Abreise adäquate Diplomaten für diese Aufgabe finden."

    Zitat

    Original von Aulus Tiberius Verus
    Auch Verus ein Wolf unter Schafen, der seine eigene Existenz verachtete aber nicht entkommen konnte. Im Mondlicht sangen beide ihr Lied. Er im Lichte seiner Luna und der Wolf im Lichte des wahren Mondes. Fenrir und Verus hatten das gleiche Herz, welches machtvoll aber gleichsam schwach schlug. Beide waren dieser Welt entrückt, wie auch Luna. Das Schicksal hatte diese armen Seelen zusammengeführt, damit sie wenigstens eine Zeit lang ein Rudel waren. Ein Wolfsrudel in einer Stadt der dunklen Wölfe und der eitlen Schafe, die ungeschoren waren. Der Blick des Verus wurde maskenhaft, fast so als ob er seine Gesichtszüge eingefroren hatte. Er ließ den Flavius spüren, dass ihm das Wort Gebrauch erheblich missfiel aber sprach dies aus Standeshöflichkeit nicht an. Verus wollte dem Mann nicht erneut einen Vortrag über Ehre, Krieg oder die Welt halten. Denn Verus war klar geworden, dass die Welt des Flavius eine andere war. Der Flavius hatte nicht das Blut Fremder gekostet, war nicht im Kampfesrausch gewesen und hatte nicht mit Mühe etwas überlebt, was andere als Hölle beschreiben konnten. Es war mühselig einem Mann, der durch seinen eitlen Stand gefesselt war, die Probleme eines Niederen zu erklären. Die Bestie konnte sich auch nicht erklären, da sein Angesicht keine Bewunderung hervorrief, sondern eher Abscheu. Seine Rede zerstörte Weltbilder und war nicht erwünscht. Sein Selbst war unpassend in dieser Zeit und somit fügte sich Verus in dieses Theater, denn er wusste das Luna und der Wolf Fenrir warten würden.


    Der Tribun benannte den Weg und erklärte Merula, seinem Bruder, noch die Strecke. Verus nickte knapp. "Ich denke, dass der Präfekt noch auftachen wird," sagte der Centurio sachlich und in dieser Sekunde tauchte, wie von magischer Hand gesteuert, der Präfekt auf und grüßte den ranghöheren Tribun. Verus trat höflich einen Schritt zurück, nahm für einen kurzen Moment Haltung an und grüßte miltärisch: "Ave, Praefectus." Es war üblich und standardmäßiger militärischer Drill, den Verus nicht ablegen konnte. Seine Welt war geprägt von diesen leeren Ritualen, die dem blutigen Handwerk eine gewisse Ordnung gaben, damit es nicht vollens in dem Wahnsinn ertrank. Dabei waren diese Rituale selbst ein Irrsinn und in diese Welt gepflanzt von gieriger Menschenhand. Sie waren so leer aber so bedeutsam für die gebrochenen Geister an Maschinenherzen und Bestienmenschen. Sie waren alles, was sie noch hatten in einer Welt, die sie nicht schätzte, sondern benutzte.


    Obschon der junge Flavius die Mimik des Centurio nicht zu entschlüsseln vermochte, das sein Antlitz in jener Distanz ihm lediglich als indifferenter Scheme erschien, so verspürte er doch aus dem Timbre in seiner Stimme, dass irgendetwas an seinen Fragen ihn indigniert haben mochte, selbst wenn er nicht zu ersinnen vermochte, welchen Fehltritt er diesmalig mochte getan haben.

    Zitat

    Original von Marcus Iulius Licinus
    Er selbst kam jedoch aus Richtung der principia und vorerst ließ nichts auf die kleine Überraschung auf der anderen Seite des Tores schließen.


    "Ah, tribunus Flavius, ich hatte schon Angst zu spät zu kommen, wollte ich mich noch persönlich verabschieden. Aber das ist mir ja doch noch gelungen."


    Fortunablerweise erschien in jenem Augenschlag gleich einem Deus ex machina der Iulius, der das gesamte vergangene Jahr ihm sich überaus freundlich hatte erzeigt, gleichsam als respektabler Lehrmeister in militärischen Belangen und kooperativer Mitarbeiter in sämtlichen Belangen. Insofern präsentierte der scheidende Tribun ein herzliches Lächeln in die Direktion des Praefectus und erwiderte die Salutation:
    "Ich hatte bereits befürchtet, dass wir ohne Lebewohl voneinander scheiden, Iulius! Deplorablerweise okkupierten mich die letzten Reisepräparationen gestern Abend in einem Maße, dass es mir nicht mehr vergönnt war, dich nochmals aufzusuchen."
    , erklärte er daraufhin sogleich, warum er nicht selbst die Initiative hatte ergriffen, sich in adäquater Weise zu verabschieden.

    Zitat

    Original von Aulus Tiberius Verus
    Er antwortete das, was am nächsten hinkam und sicherlich nach römischer Sicht sinnvoll war: "Ja, das ist mein Wolf. Er heißt Fenrius." Er latinisierte den germanischen Namen, damit er dem Tribun leichter verständlich war und sich ebenso leichter aussprechen ließ. Latein war eine Sprache des Sprachflusses und konnte nur schlecht fremde Silben adaptieren. Wieder nickte Verus und überließ seinem geschätzten Präfekten des Feld, jedoch ohne sich direkt zu entfernen. Er war anwesend.


    Wieder kehrte sein Blick zu dem älteren Tiberius zurück, welcher nunmehr seine Argwohn konfirmierte, dass jene Bestie sein Eigen war.
    "Welch extravagantes Haustier. Ich wette, der Magister Familiarum Gladiatoriarum würde ein Vermögen für ein derartiges Prachtexemplar bieten."
    , entfleuchte es gleichsam in leichten Konversationston seinen Lippen, uneingedenk des Umstandes, dass eine derartige Taxierung dem geneigten Haustierbesitzer womöglich ein wenig sauer aufstoßen würde. Doch deplorablerweise hatte Manius Minor niemals ein Haustier sein Eigen nennen dürfen, weshalb ihm in jenen Belangen eine gewisse Insensibilität anlastete.

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    Die Flammen des Feuers erhellten die Antlitze der Soldaten gleich der Sonne zur Mittagszeit und ließ das polierte Metall der Rüstungen erglänzen. Als der junge Flavius seinen Blick abwandte, erkannte er dagegen schier infinit gezogene Schatten, welche einem Geisterheer gleich über die Tribünen sich stürzten, flackernd im Rhythmus des sanften Windes. Die Finsternis unterstützte die Tristesse jenes symbolischen Leichenzuges und erweckte in Manius Minor Remineszenzen an jene alljährlich durch Manius Maior vollzogenen nokturnen Riten zu den Lemuria. Dies indessen evozierte in ihm ein Frösteln, obschon die Hitze des Feuers nun, da sie in gebührlichem Abstand es umrundeten, die Szenerie eigentlich stärker temperierte, als es vonnöten gewesen wäre.
    Langsam kreuchten im Geiste des Jünglings nämlich jene Lemuren auf, welche ihn seit seiner horriblen Flucht aus Roma mit größter Regularität heimgesucht hatten und die erst durch die nebulösen Grotesken in Morpheus' Reich, die das Opium ihm hatte bereitet, vertrieben worden waren. Voller Erstaunen erkannte er, dass er seit geraumer Zeit nicht mehr ihrer gedacht hatte, obschon sie ihm nun, da er wieder das leichenblasse Antlitz mit dem blutverkrusteten Bart und das hingemordete Ehepaar vor seinem inneren Auge erblickte, noch immer unplaisierlich vertraut erschienen. Schon ergriffen ihn wieder Furcht und Schrecken und er schloss die Augen, als könne jener Gestus die Gesichte in seinem Inneren vertreiben, obschon sie dadurch lediglich umso klarer sich ihm präsentierten.


    "Nein!"
    , hauchte er jedoch endlich, um seinen eigenen Trutz gegen die Schatten des Vergangenen zu konfirmieren und wandte seinem Blick jenem wärmenden Licht zu, das heute zwar zu Ehren des Drusus Germanicus, in seinem Herzen indessen für seine geliebte Mutter leuchtete. Obschon er mitnichten bereits sich in jener Position befand, in der jener Kriegsheros in die Gefilde der Seligen gefahren war, so leuchtete ihm doch die Perspektive, welche Claudia Antonia ihm offerierte, similär dem Pharos für ein sturmgepeitschtes Schiff im Mare Nostrum. Ihre, wenn auch vagen Worte bildeten gleichsam den Antipoden des alexandrinischen Leuchtfeuers, welches jenen Punkt auf Erden bezeichnete, der in der Biographie des jungen Flavius wie kein anderer als Sündenpfuhl sich hatte erwiesen, und trieben ihn fort vom dekadenten Osten in den tugendhaften und pflichtbewussten Norden, an den er nun gelangt war.


    Zaghaft zog der Jüngling so aus einem Beutlein seine Opfergabe zugunsten des Drusus Germanicus hervor: Ein gülden glänzender Becher, dekoriert mit den Heldentaten des Achilleus. Doch mitnichten handelte es sich dabei um eine gewöhnliche Ehrengabe, wie sie einem modernen Heros wie dem claudischen Prinzen entsprechen mochte. Vielmehr war dies jener Becher, aus welchem Manius Minor seinen letzten Schluck jenes teuflischen Opiums hatte genommen, sodass er ihm gleichsam als Remineszenz an sein dekadentes Leben, in dem er als spöttliche Karrikatur des Sohnes des Peleus diesen wie sich selbst entehrt hatte, erschien. Wahrhaftig hatte er jenes Gefäß recht zufällig entdeckt, als er beim Verstauen seines Hausrates für den Heimweg ihm in die Hände gefallen war, nachdem Patrokolos es wohl als persönlichen Artikel seines Herrn aus Rom hierher gebracht haben musste, doch sogleich erkannt, dass dies eine adäquate Gabe für Drusus Germanicus war, dem er damit wie sich selbst seinen Vorsatz konfirmierte, jenem getreuen Feldherrn gleich sein Leben in den Dienst Roms zu stellen, zumal es den Manen des Drusus wohl gestattet, nach jenem Leben voll Pflicht und Kampf sich dem süßen Nichts des Opiums hinzugeben.


    Mit einem beherzten Wurf also trennte er sich von diesem ihm einst so lieb gewonnenen Trinkgefäß und folgte mit seinem Blick seinem Flug, ehe es gegen das lodernd brennende Holz stieß, eine Funkel hervorspringen ließ und dann in der Glut versank.
    Wie dieser Becher nun schmelzen würde, um womöglich am folgenden Tage einem Schrotthändler zum Rohstoff für ein neues, nützliches Utensil zu werden, so würde auch Manius Minor' Alter Ego Achilleus sich umschmieden zu einem nützlichen Diener des Imperiums!


    Diesem Gedanken nachhängend achtete der Tribun nicht sonderlich darauf, dass vor, neben und hinter ihm zahlreiche weitere Soldaten ihre Opfergaben in die Flammen warfen, um dem großen Drusus weitaus profanere Gaben wie ein Fläschlein mit Wein oder Parfum, womöglich auch schlicht eine kleine Speise darzubringen, wie dies bei der Verbrennung eines Leichnams dem Usus entsprach.


    Sim-Off:

    Bildquelle: Steven Bochniewicz: FIRE

    Erst als der jüngere Tiberius gebannt den Wolf blickte, welchen Luna herbeiholte, nahm auch der junge Flavius von selbigem Notiz und erschrak, denn obschon die Wälder jener rauhen Provinz von jenen Bestien wimmeln mochten, so zählten sie nicht eben zur gewöhnlichen Fauna innerhalb geschlossener Ortschaften. Dass er sich innerhalb des Lagers verborgen hatte und seiner Dienerin in der Solitude fern ihres Geliebten Trost gespendet hatte, war ihm ebenso entgangen wie der Umstand, dass die Seherin überhaupt über ein derartiges Vieh verfügte, noch dazu über ein weißes Exemplar.
    Da sie das Tier indessen an der Leine führte und es ferner mitnichten einen sonderlich aggressiven Eindruck machte, wandte er seinen Blick zurück zu Merula und nickte, als jener seine beiden Begleiter präsentierte, ohne dass er jedoch sonderlich Notiz von ihnen nahm, da doch weder barbarische Custodes Corporis, noch hellenische Leibdiener als sonderlich exotisch gelten mochten.


    Folglich erfreute auch er sich an jener finalen Präsentation militärischen Gepränges, deren Zeuge er vermutlich nun für eine Weile nicht werden würde. Der Centurio antizipierte dagegen augenscheinlich, differente Aspekte seiner hiesigen Position zu vermissen, was den Tribun indessen nicht sonderlich verwunderte, da doch bereits der Beschluss, sich als Miles gregarius zu verdingen, anstatt seiner patrizischen Prädestination zu folgen, ein geringes Interesse am Leben in der Urbs erwarten ließen.
    "Welch honoriger Gebrauch!"
    , kommentierte er seine Explikation in der Annahme, jene Ehrenformation gelte auch ihm selbst, ehe er sich wiederum der Frage des anderen Tiberius zuwandte:
    "Nun, wir werden uns lediglich zum Portus Militaris begeben, doch diesen Weg gedachte ich zu Pferd zurückzulegen, in der Tat."
    Dass man Merula nicht informiert hatte, in welcher Weise sie reisen würden, irritierte den Tribun ein wenig, doch unternahm dessen Bruder es, ihn über seine Optionen zu informieren.


    "Ist dir bekannt, ob sonst jemand uns zu verabschieden gedachte?"
    , fragte er sodann ein wenig unschlüssig, da doch ihre Abreise bekannt war und er erhofft hatte, zumindest der Praefectus Castrorum, mit welchem er so trefflich kooperiert hatte, oder einer der Tribunen würde ihnen nochmalig die Ehre erweisen.
    Als sein Blick jedoch zwischen den beiden Tiberii hin- und herging, fiel sein Blick aufs Neue auf den weißen Wolf, der mit seinem glänzenden Fell kaum zu übersehen war.
    "Und ist dies übrigens dein Wolf, Centurio?"

    Zitat

    Original von Titus Tiberius Merula
    Merula schritt derweil auf Gracchus Minor zu, welchen er anhand seiner Kleidung identifizierte, und stellte sich selbst vor, um sich im Anschluss daran für die Offerte der Teilnahme an der Reise zu bedanken, welche er über seinen Bruder erhalten hatte. "Flavius, ich grüße dich. Ich bin Tiberius Verus Bruder, Titus Tiberius Merula. Ich möchte dir jetzt schon meinen Dank dafür aussprechen, dass du mir die Partizipation dieser luxuriösen Möglichkeit der Reise nach Rom offeriert hast." Es war ihm auch nie ein Grund in den Sinn gekommen, wieso das nicht möglich gewesen sein sollte, immerhin war Verus sein Bruder und alle drei hatten das selbe Ziel. Dennoch war ihm der Dank an Gracchus Minor wichtig und gehörte zur höflichen Etikette schlichtweg dazu. "Mir scheint, mein Bruder lässt noch auf sich warten?"


    Vom Rücken Trautwins herab erblickte der Tribun, als sie die Porta Praetoria erreichten, den noblen Jüngling, dessen Statur geradehin eine Antithese zu der eigenen darstellte, so lang und hager wie sie war. Fortunablerweise saß der junge Flavius indessen noch auf seinem Ross, sodass er zumindest nicht genötigt war zu ihrem Reisebegleiter aufzublicken, welcher sich in überaus partikulären Worten bei ihm vorstellte.
    "Nun, wie sollte ich einem so verdienten Soldaten wie deinem Bruder einen Wunsch abschlagen?"
    , erwiderte er, da selbstredend es nicht seine Offerte gewesen war, welche dem tiberischen Jüngling die Partizipation gestattete, sondern vielmehr die Bitte des Centurio, seinen Bruder mit auf diese Reise zu nehmen, denn obschon Manius Minor bereits erfahren hatte, dass weitere Tiberii (abseits der Gattin des Legaten) in Mogontiacum weilten, so war es ihm bisher nicht vergönnt gewesen, einige Worte mit ihnen zu wechseln. Indessen würde dafür nunmehr hinreichend Raum auf ihrer Reise verbleiben.


    Ehe noch er zu zweiterer Frage Stellung zu beziehen vermochte, vernahm er bereits das inzwischen wohlvertraute Geräusch einer Kolonne auf dem Marsche und nicht lange darauf erblickte er hinter sich eine Einheit, deren Stärke dem Duplum einer gewöhnlichen Centuria oder eben einer Centuria der ersten Kohorte entsprach.
    "Da ist er bereits!"
    , bemerkte der Tribun somit lächelnd und wartete, bis der Tross mit dem in voller Rüstung erschienenen Soldaten sie erreichte. Kurz blickte er zu Luna, deren fröhliches Wesen, wie ihm schien, in den vergangenen Tagen ein wenig gedämpft worden war, obschon sie doch nun endlich Gelegenheit hatte, in die Arme ihres geliebten Tiberius zurückzukehren.
    "Dies ist im Übrigen Patrokolos, mein Leibsklave. Und das Mädchen dort hinten Luna, eine Sklavin deines Bruders, welche jedoch meinen Haushalt bis heute unterstützte."
    , nutzte der junge Flavius die Zeit bis zum Eintreffen der marschierenden Kolonne, um seinen geliebten Leibsklaven, eine schlanke Gestalt, womöglich einige Jahre älter als sein junger Herr, doch von weitaus größerer Attraktivität, und die zweite Dienerin, die sie geleiten würde, zu präsentieren. Artig salutierte Patrokolos daraufhin den jungen Tiberius:
    "Salve, Domine."
    Unterdessen erreichte Verus ihr bescheidenes Grüpplein und grüßte sie ebenfalls. Mit ein wenig Neid beobachtete der Tribun, mit welcher Anteilnahme seine Untergebenen ihn verabschiedeten, da er selbst doch mitnichten zu irgendeinem der Legionäre eine derart enge Bindung hatte entwickeln können, sodass selbst sein Beneficarius es vorgezogen hatte, in dieser unwirtlichen Provinz zu verweilen, als ihm weiter zu dienen.
    "Mir scheint, wir sind vollzählig, nicht wahr?"

    Der Weg führte aus dem Castellum heraus durch die Stadt, sodann auf die Via Borbetomaga und schließlich hinüber zum Cenotaphium Drusi, wo vor einhundertdreiundzwanzig Jahren die getreuen Legionen jenes Enkels des Divus Augustus ihren Feldherrn aufgebahrt hatten, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Manius Minor hatte in Präparation dieses Tages die Historien studiert und entdeckt, dass Drusus Germanicus eben jene Stämme, mit denen er selbst kürzlich Frieden hatte geschlossen, mit Feuer und Schwert bezwungen hatte, dass er final jedoch vor den Naturgewalten des Albis ebenso gescheitert war wie dem Widerstand der Cherusker. Sein Ende, welches eine Seherin ihm prophezeit haben soll, hatte ihn schließlich nicht in der Weise heroischer Epen, sondern überaus profaner Weise ereilt: Nicht in der Schlacht, sondern von seinem eigenen Pferd war er gefallen und seinen Wunden im fiebrigen Wahn erlegen.


    Dieses Ende entbehrte einer gewissen Ironie nicht, wie der junge Flavius befand: All die heroischen Taten des mit dem Ehrennamen Germanicus geehrten Feldherrn, welchen Divus Augustus womöglich gar zu seinem Erben hatte erkoren, hatten ihm am Ende kein persönliches Glück gebracht. Weder wurde er alt, noch war ihm ein leichter Tod beschieden. Den Ruhm seiner Feldzüge, ja das gesamte Imperium seines Stiefvaters erntete sein jüngerer Bruder, die Früchte seiner Triumphe gingen einige Jahre nach seinem Verscheiden schnöde zugrunde in der Clades Variana, in der nun die von ihm niedergedrückten Cherusker und Chatten um die römischen Waffen triumphierten und dem von Vergil besungenen Imperium sine fine eine finale Grenze setzten.
    Das Schicksal dieses hier an der Grenze so prächtig gefeierten Heroen rührte den Jüngling zwar an, doch erschien es ihm gleichsam als Warnung der Kürze des irdischen Daseins. Selbst den populärsten Helden vergönnten die Unsterblichen nicht, ihr Werk zu vollenden und rissen sie dahin inmitten der Blüte ihres Lebens, sodass auch ihm das vorzeitige Verscheiden drohte. Er würde ihm nicht gestattet sein seine Verdienste für Familie und Vaterland auf spätere Lebensalter zu prokrastinieren, wenn Etabliertheit und Erfahrung ihm solche mit größerer Leichtigkeit würden ermöglichen; vielmehr durfte er niemals ruhen, wollte er dem potentiell allzeitig niederfahrenden Damokles-Schwert seiner Ahnen und Götter entgehen.
    Indessen mühte er sich nach Kräften und sein Erfolg auf dem diplomatischen Parkett vermochte ihn zumindest für den Augenblick ein wenig zu saturieren. Faktisch war auch diese Festivität nichts anderes als Gehorsam gegen die Mores Maiorum und seine Pflichten als Offizier.


    So blickte Manius Minor mit umsichtiger Zuversicht voraus, wo bereits der Scheiterhaufen loderte und das Kenotaph in rötliches Licht tauchte.

    Es war früh am Morgen, als Manius Minor sich unweit der Wache an der Porta Praetoria einfand. Wie im gesamten vergangenen Jahr trug er sein Paludamentum, darunter die Tunica Laticlava, wie nicht selten saß er hoch zu Ross auf Trautwin, seinem favorisierten Reisepferd. Der scheidenden Tribun folgte sein Hausgesinde, welches seine bescheidenen Habseligkeiten auf mehrere Packesel verstaut hatten, um sie hinab zum Rhenus-Hafen zu transportieren. Als der Jüngling sich umblickte, erkannte er erstaunt, welch große Mengen an persönlichen Gegenständen sich in diesem bescheidenen Zeitraum angesammelt hatten, in dem er doch retrospektiv beinahe beständig im Dienst war gewesen. Selbst das Aufstehen im Morgengrauen war ihm inzwischen derart vertraut, dass er heute nicht einmal mehr einen Gedanken daran hatte vergeudet, wie früh am Tage er sich zu erheben genötigt sei.
    Sie wollten zeitig aufbrechen, um das Licht des Tages für ihre Reise zu nutzen, welche erstlich den Rhenus hinauf sie zu den Alpen, sodann zu Pferd durch den Norden Italias bis nach Rom würde führen. Neben dem jungen Flavius würden Tiberius Verus, der Centurio, sowie dessen Bruder, ein Jüngling namens Titus Tiberius Merula, dessen Bekanntschaft Manius Minor noch nicht gemacht hatte, obschon er augenscheinlich nicht seinem Bruder ins Leben eines gemeinen Soldaten zu folgen gedachte.


    "Ich hoffe, das Schiff ist bereits präpariert."
    , erklärte Manius Minor an die Adresse seines Beneficarius, von dem der junge Offizier sich nunmehr auch scheiden würde, nachdem er das vergangene Jahr gewissermaßen zu einem Substitut für Patrokolos geworden war, der die Casa seines Herrn zu hüten gehabt hatte.
    "Ein Patrouillenboot der Classis Germanica wird euch und euer Gepäck mitnehmen. Die Jungs sind auf Zack, das wird alles wunderbar klappen."
    , erwiderte der Beneficarius gleichmütig. Selbstredend hatte er persönlich Sorge dafür getragen, dass sein scheidender Vorgesetzter in kommoder Weise in seine Heimat würde zurückkehren können.
    Manius Minor hatte zu konzedieren, dass er den jungen, wenn auch bisweilen ein wenig groben Mann durchaus lieb gewonnen hatte, weshalb er nach unzähligen Malen erneut bekräftigte:
    "Ich danke dir. Ich wünschte, du könntest mich begleiten."
    Der Beneficarius lächelte.
    "Mein Posten ist hier. Irgendjemand muss ja auch deinen Nachfolger einweisen!"
    Der getreue Sekretär hatte die Offerte des jungen Flavius ausgeschlagen, die Legion zu verlassen und ihm als Scriba personalis zu dienen, obschon er ein fürstliches Salär und günstige Konditionen ihm dargeboten hatte. Aufs Neue blieb dem Tribun somit nur jenes augenscheinlich unabwendbare Schicksal zu beklagen:
    "Wie überaus deplorabel."

    Regen trommelte auf das Dach des Tempelbaues, als Manius Minor zum letzten Male für sein Tribunat vor dem Kultbild des Mars Thincsus erschien. Wie bei seiner ersten Visite, so trug er auch heutig die Toga eines Bürgers und Hauspriesters, deren über das Haupt gezogenes Ende ihm zugleich als Kapuze gegen die nässenden Tropfen auf dem Wege hierher hatte gedient. Nicht sonderlich ansehnlich mochte er somit erscheinen, durchtränkt gleich einem begossenen Pudel, doch gestimmt in ernsten Respekt für jene Gottheit, der er heute seine Gelübde erfüllte.
    Dem Jüngling folgte Patrokolos, in dessen Armen seine in Tuch eingeschlagene Gabe ruhte, dazu sein gesamtes häusliches Gesinde.


    Dem römischen Usus gemäß reichte einer von ihnen ihm die Acerra, aus welcher er einige Weihrauchkörner entnahm, um sie in die Glut des Foculus vor ihm zu werfen.
    "O Mars Thincsus, du Herr über Krieg und Frieden! Höre mein Gebet!"
    , variierte er diesmalig jedoch seine Oration. Denn obschon er beständig in den vergangenen Monaten sich in ein Paludamentum hatte gehüllt, bisweilen seine lederne Rüstung getragen und einige wenige Male gar sein Schwert hatte gezogen, so war er doch niemals in einen Kampf verwickelt worden, hatte niemand ihn genötigt, seine rudimentären Kenntnisse des Fechtens in einer realen Situation zu erproben oder gar sein Leben auf dem Schlachtfeld zu riskieren.


    Keineswegs war sein Tribunat beständig friedlich gewesen, wie bereits Duccius Vala ihn bei seiner Antrittsvisite hatte gewarnt: Er hatte sich gar in die Höhle des Löwen begeben, um jenen Krieg zu verhindern, welcher similär zu den heutig überaus sinistren Wolken am Horizont hatte gelauert, hatte bisweilen auf dem Wege zu den Chatten um sein Leben gebangt und Sorge getragen, dass seine Legion stets parat stand, um in einem possiblen Kriege zu obsiegen. Doch war es fortunablerweise niemals erforderlich gewesen, seine Männer in die Schlacht zu führen, vielmehr hatte der Jüngling im vergangenen Jahre beständig sich eingesetzt, um den Frieden zu kultivieren, indem er Iustitia in die Gaue der unterworfenen Germanen wie seine eigenen Reihen getragen und mit den ungebändigten Chattenhäuptlingen, wenn nicht mit Waffen, so doch mit Worten gefochten hatte.
    "Du ziehst deinen Söhnen voran in die Schlacht und verheißt ihnen den Sieg. Doch vermagst du auch die Gemüter zu temperieren, um Frieden und Wohlstand zu wahren."
    Der Zusatz 'Thincsus' immerhin mochte genau auf jene Konsultationen verweisen, deren Gast er war geworden und auf welchen er seinen größten Triumph hatte errungen. Er mochte nicht mit Blut und muskulärer Kraft ausgefochten worden sein, wie er dies, den alten Historien folgend, erwartet hatte, doch empfand der Jüngling dennoch Stolz über seine Taten, durch welche zwar keine Feinde Roms getötet, doch zumindest die Leben römischer Soldaten salviert worden waren.
    "Du bewahrtest mich vor Krieg und Verderben, du schenktest mir Gravitas und Auctoritas, um die meinen zu führen und zu leiten."
    Niemals zumindest hatte es ein Soldat oder gar ein Centurio gewagt, seine Befehle in Zweifel zu ziehen oder ihm ihren Respekt zu verweigern, wie er dies anfänglich gefürchtet hatte.
    "Du wachtest als guter Geist über dem Thing, welchen ich besuchte, und gabst mir die rechten Worte ein, um die wilden Chatten zu kalmieren. Du gibst ihre Söhne gar Rom als Gnadengabe in die Hand."
    Inzwischen hatte der chattische Auxiliarverband den Limes erreicht und war in das Exercitus Romanus eingegliedert worden, wo sie als leichte Infanterie würden dienen.
    "Obgleich ich mein Gladius nicht mit Blut weihte, so machtest du mich doch zu einem passablen Soldaten, welcher seine Pflicht getreulich erfüllte."
    Sanft lächelte der Tribun voller Dankbarkeit hinauf zu der versteinerten Miene des Gottes, dessen martialisches Äußeres in seltsamer Differenz zu der betont zivilen Aufmachung und Oration des jungen Flavius stand.
    "Dafür danke ich dir von Herzen."
    Er ergriff seine bescheidenen Gaben.
    "Nimm an meine Gaben:
    Münzen von Erz, aus dem deinen Söhnen auch Schwerter und Rüstungen getrieben werden.
    Korn, gemahlen und gebacken, um Menschen und Göttern zur Speise zu dienen."

    Bar jedweder Intention erkannte Manius Minor schlagartig, dass seine traditionellen Gaben zu Ehren des Mars es auch gewesen waren, mit denen er sich den Frieden der Chatten erworben hatte. Wie die Priester die verderblichen Gaben ihres Gottes verzehrten, so erschienen auch die Chatten gleichsam als Priester des Mars Thincsus, welche stellvertretend für ihn die Getreidelieferungen und Rüstungen der römischen Horreae akzeptierten, während ihre Gottheit im Gegenzug den Frieden gewährte.


    Endlich wandte der junge Flavius sich zu seiner Rechten, wo Patrokolos ihm das güldene Schwert darreichte. An Größe und Gewicht kam es mitnichten den echten Waffen der Legionäre gleich, doch erschien es doch als detailgetreues, güldenes Replikat jenes Gladius, welches Manius Maior seinem Sohne vor einigen Jahren zum Präsent gemacht hatte und dessen materieller Wert allein ein prächtiges Opfertier beiweitem übertraf.
    Sanft fuhr der scheidende Tribun über die sorgsam gearbeitete Klinge, welche keine Hohlkehle teilte, über deren gesamte Breite jedoch die Lettern 'M' FL GRACCHVS MARTI THINCSO V S L M' in die glatte Oberfläche getrieben waren. Während er nach Roma zurückkehrte und seinen eigenen Gladius ablegen würde, würde jene Waffe im hiesigen Tempel die Memoria an sein Tribunat erhalten.
    "Ich gelobte dir ein güldenes Schwert und ich löse mein Gelübde mit Vergnügen und in gebührlicher Weise."
    Mit beiden Händen präsentierte er seine Votivgabe, umrundete sodann den Foculus und legte es dem Götterbild zu Füßen. Die demütige Geste erweckte sogleich die Remineszenz an jene historische Szenerie, als Vercingetorix, der Fürst der Gallier, Divus Caesar seine Waffen zu Füßen hatte geworfen. Auch Manius Flavius Gracchus Minor ergab sich in gewisser Weise dem Gott des Krieges, welcher sich ihm jedoch eher als Wahrer des Friedens hatte offenbart.
    "Nimm an meine Gaben und meinen Dank von Herzen!"
    Obschon es sich für einen Quiriten nicht geziemte, selbst vor den Göttern sich niederzuwefen, so schritt der junge Flavius doch würdig an seinen Ausgangspunkt zurück und neigte sein Haupt, ehe er aufs Neue sich zur Rechten wandte, um den Tempel zu verlassen und hinaus in das Toben des Regens sich zu begeben.
    Die Nässe mochte eine Widrigkeit sein, doch hatte er mit seinem Dienste hier bereits weitaus größere Widrigkeiten überwunden und final sich selbst übertroffen!

    Der junge Flavius war überrascht zu vernehmen, dass der Tiberius ebenfalls nach Roma sich würde wenden, obschon selbstredend es indubitabel ihm erschien, dass ein derart hochdekorierter Offizier einen passablen Prätorianer würde abgeben.
    "Meinen Glückwunsch."
    , erwiderte er folglich, während er zugleich sich fragte, ob ihn jenes Geleit ihn erfreute oder nicht, da doch die Unterredungen mit dem Centurio bisweilen einen überaus verdrieslichen Tenor anstimmten, wenn er über die Sinnlosigkeiten des Krieges und die Desillusionen des Militärdienstes zu philosophieren begann.
    Dennoch war der Tiberius selbstredend eine sinnvolle Protektion auf dem langen und beschwerlichen Wege, weshalb er auch hiesig sich positiv äußerte, zumal ohnehin der Anstand ihm nichts anderes gestattet hätte:
    "Ausgezeichnet! Mit einem werdenden Prätorianer an meiner Seite werde ich ja bestens protektiert sein!"

    Die Narration Silvanas ließ dem jungen Flavius aufs Neue allzu deutlich werden, welch kulturelle Differenzen doch zwischen dem hiesigen Volk und seinem eigenen bestanden, denn obschon auch eine noble Matrone ihre Villica mochte unterhalten, so erschien es ihm doch gänzlich indisputabel, dass eine Römerin ein Amt mochte tragen, bei welchem sie beständig umherreiste ohne die Protektion ihres Gatten, bei dem sie ihre Familie hinter sich ließ und nicht einmal über einen Bezirk verfügte. Denn obschon auch Iuppiter nicht an das Capitolium oder selbst Italia war gebunden, so erschienen Manius Minors Götter doch auch insofern weitaus zivilisierter, als sie Grenzen und Amtsbereiche kannten wie die Priesterschaften, die templa in den Himmel zeichneten, ihre Rituale an hergebrachten Orten vollzogen und somit jene Komplexität des Kultwesens produzierten, welche die Pontifices als Konsultoren in religiösen Belangen erst erforderlich machte.
    "Nun, so neutral die Götter eben sein mögen."
    , vermerkte er endlich und verwies somit auf die divine Provenienz ihrer Weissagungen, die in diesem Falle doch klärlich zugunsten der römischen Administration ausgefallen waren, deutete jedoch zugleich jenen Konflikt zwischen Amt, Familie und Eigeninteresse an, welcher den Tribun angesichts der Haruspices, Auguren und Quindecemviri bereits stets hatte okkupiert.

    Nun, da das Ende seines Tribunates mit titanischen Schritten sich approximierte, ergaben sich dem jungen Flavius zahllose Obliegenheiten, welche es noch zu erledigen gab, um seinem Nachfolger ein bestelltes Haus zu hinterlassen. Der junge Flavius weilte daher noch längere Stunden als gewöhnlich in seinem Officium, um Berichte zu hören, Briefe zu diktieren oder diverse Angelegenheiten mit seinem Beneficarius oder seinen Kommilitonen zu beraten.


    So ertappte der Tiberius den Jüngling just, als selbiger eine Zusammenstellung bedeutsamer Fakten komponierte. Enerviert blickte er somit auf, als die Tür ungefragt sich öffnete, schenkte jedoch, als er an Gang und Beschaffenheit des dahinter stehenden Schemen den Centurio erkannte, diesem ein verbindliches Lächeln und bedeutete ihn herein.


    Sein Beneficarius, welcher eine Tabula gezückt hielt, blickte fragend hin und her, doch ehe er Order erhalten konnte, musste der Tribun erst erfahren, was das Begehr des ungebetenen Gastes war:
    "Centurio Tiberius, welch eine Überraschung. Tritt ein! Wie kann ich dir helfen?"

    Der Begriff der Liebesheirat war dem jungen Flavius überaus fremd, vermochte er noch nicht einmal klärlich zu definieren, was genau jenes schillernde Wort bedeuten mochte, da er sich des Wörtleins 'Liebe' lediglich in einem platonischen Sinne bediente, wenn er etwa an seine geliebte Mutter, seinen geliebten Patrokolos oder seinen geliebten Vindex dachte, all dies jedoch in keiner Relation zum Rechtsbündnis der Ehe standen. Manius Maior hätte eine derartige Verbindung zweifelsohne missbilligt und es Duccius Verus als Schwäche ausgelegt, seine Tochter nicht schärfer diszipliniert zu haben, doch dem ehemaligen Epikureer Manius Minor nahm jene Historie mit Gleichmut hin und beließ es bei einem salomonischen Schweigen.


    Ihr Kommentar hinsichtlich seiner prädestinierten Wege hingegen bewegte ihn in weitaus stärkerem Maße. Zwar hatte Gracchus Maior zahllose Male seinem Stolz, seinem Vertrauen und seiner Zuneigung zu ihm diverse Male Ausdruck verliehen, zuletzt erst in jenen Episteln, welche ihn hier in Germania erreicht hatten. Jedoch stellte jene ehrwürdige, indessen bisweilen überaus schwache und träge Gestalt nicht eben den Maßstab seiner Satisfaktion dar, hatte er doch selbst in höchster Not seine Inkapabilität gegenüber den selbst gepredigten Idealen bewiesen. Beinahe fragte sich der junge Flavius bereits, ob er mit jenem diplomatischen Erfolg gegenüber den Chatten nicht bereits mehr für das Staatswesen und seine Familie vollbracht hatte als dieser.
    All diese Gedanken waren freilich nicht für fremde Ohren bestimmt, weshalb er lieber das Sujet modifizierte:
    "Ich danke dir und wünsche dir dasselbe, selbst wenn sich deine Obliegenheiten und Wünsche zweifelsohne in gänzlich konträren Bahnen bewegen."
    Nachdenklich strich er sich über das feiste Kinn.
    "Wie genau habe ich mir im Übrigen deine Funktion als Seherin vorzustellen? Bist du beständig zwischen den verschiedenen Stämmen auf Reisen? Ist dein 'Amtsgebiet' beschränkt oder genießt du bei allen denselben Status? Und wie lässt sich dies mit deinen Pflichten als Matrone und Mutter verbinden, zumal wenn dein Gatte außer Haus weilt?"

    Die Dämmerung neigte sich bereits über den Rhenus, als die Truppen sich zum Campus Drusi aufmachten: Sämtliche disponiblen Milites hatten sich aufs Prächtigste ausstaffiert, um Nero Germanicus Drusus Germanicus zu ehren, dessen Ruhm noch immer auf das Exercitus Germanicus strahlte gleich dem Schein jener hunderten Fackeln, welche die Legionäre an den Rändern der Kolonne trugen und damit eine mystische Stimmung verbreiteten, wie der junge Flavius sie selten bei einer kultischen Prozession verspürt hatte.


    Im Licht der lodernden Flammen spiegelten sich vor ihm hunderte glänzende Helme in der anbrechenden Dunkelheit des Abends der Iden des September, an dessen folgenden Morgen jener ruhmreiche Feldherr fern des Limes in den Landen der Cherusker gefallen war. Hunderte Pila glitzerten unstet in ihrem Licht, während die Cornicen eine triste Melodie intonierten, wie Manius Minor sie von den Leichenzügen seiner Anverwandten bekannt war. Noch trefflich vermochte er sein erstes Begräbnis zu memorieren, als seine Tante Flavia Vera zu Grabe getragen worden ward und er als innocenter Knabe, inkapabel die vehementen Emotionen seiner Anverwandten wahrhaftig zu erfassen, schlicht aufgrund der betrüblichen Stimmung seine Tränlein vergossen hatte. Derselbe Marsch war jedoch ebenso geblasen worden, als sie vor weitaus weniger Lenzen die sterblichen Restanten seine geliebte Mutter den Flammen überantwortet hatten und er in jenes tiefe Loch war gestürzt, an deren Boden ihn Opium und närrische Philosophien erwartet hatten. Einzig Claudia Antonias unsterbliche Seele hatte es vermocht, ihn aus jenem Tal der Tränen zu erheben, um ihn, nicht sonderlich glücklicher, doch immerhin zielstrebiger denn zuvor, wieder in die Welt der Lebenden zu integrieren.


    Ihrem guten Geist allein verdankte er es, überhaupt jetzt wieder auf seinem von einem Burschen geführten Ross Trautwin zu sitzen, gerüstet mit funkelnden Beinschienen, einem ebensolchen Helm und dem Muskelpanzer, gegürtet mit dem Cinctorium, an welchem jener Gladius hin, den Manius Maior ihm zu seinem sechzehnten Wiegenfeste hatte geschenkt, geschmückt mit der Feldherrnbinde um die Brust und dem Paludamentum um die Schultern. Obschon noch immer ein Bäuchlein des Wohlstandes sich unter der in Metall gearbeiteten Muskulatur seiner Rüstung wölbte, so gab er doch einen respektablen Offizier ab, dem das Halbdunkel des Abends und das Untergehen in der Schar der similär ausstaffierten Stabspersonen in seinem Umfeld schmeichelte.


    Jenes Haupt der gesamten Legion rangierte inmitten des Zuges an dritter Stelle, nachdem die Legionsreiterei samt der zweiten Kohorte die Vorhut mimte und hinter ihren Signa sowie einer Reihe von Fackelträgern aus der Stadt voranzog. Hinter ihnen erst passierte der junge Flavius mit den übrigen Tribunen, dem Praefectus Castrorum und dem Legaten, dem Legionsadler und dem Imago Augusti die Porta Borbetomaga, ehe die übrige Legion unter dem dröhnenden Schritt ihrer Caligae folgte. Diesjährig war die Legio II Germanica es, welche die Ehre hatte die Decursio Militum anzuführen, sodass sämtliche übrigen Einheiten, die an dieser gewaltigen Demonstration militärischer Potenz und heroischer Memoria partizipierten, sich erst hinter ihr einreihen durften.

    "Ermenrich, Sohn des Chararich: Im Namen des Imperator Caesar Augustus und seines Legatus Augusti pro Praetore Titus Duccius Vala verurteile ich dich gemäß § 86, Absatz eins wegen Diebstahls eines Rindes zu einem Monat Opus Publicum, abzuleisten in der Stadt Lopodunum, sowie fünfzehn Hieben mit einem hölzernen Stock an einem Stück."
    , verkündete der junge Flavius das Urteil auf dem Richterstuhl ruhend mit seriöser Stimme. Die Konsultationen des Consilium waren überaus knapp ausgefallen, da es sich bei Viehdiebstahl um eine reguläre Gesetzesübschreitung handelte, für welche eine Vielzahl an Präzedenzfällen vorlag, wie der Centurio kundig bemerkt hatte. Auch der Duumvir hatte diesbezüglich keinerlei Einwände erhoben, obschon er selbst in erster Instanz die monetäre Höchststrafe gefordert hatte. Nachdem der Centurio daraufhin jedoch auf die voraussichtliche Uneinbringlichkeit einer dergestalten Summe durch jenen simplen Kleinbauern verwiesen hatte, hatte der Tribun doch zugunsten jenes augenscheinlich bestens beleumundeten Delinquenten Partei ergriffen und die Geldstrafe, welche dem Gesetze zufolge wohl in hundert Tage Opus Publicum gewandelt worden wäre, in eine direkte, doch kürzere Haftstrafe gemindert. Manius Minor hoffte, dem jungen Mann mit jenem Verdikt Recht getan und ein wenig der Eventualität Rechnung getragen zu haben, dass er nach den lokalen Gebräuchen zu relaxieren gewesen wäre.
    Wie der Centurio versichert hatte, deckte sich diese Einschätzung mit den Präzedenzfällen, sodass dem Dafürhalten des jungen Flavius sie gar sich mit dem 37. Lehrsatz deckte: Alles, was als gerecht gilt, darf nur dann den Rang des Gerechten beanspruchen, wenn es nachweislich den Anforderungen des geregelten Umgangs miteinander entspricht, ob es nun für alle Menschen gleich oder nicht gleich ist. Wenn aber jemand ein Gesetz erlässt und es nicht der Regelung des Umgangs miteinander dienlich ist, dann hat es nicht mehr die natürliche Legitimation des Rechts. Und wenn sich der Nutzen, der vom Recht ausgeht, verändert, aber noch eine Zeit lang der ursprünglichen Vorstellung entspricht, dann war es nichtsdestoweniger zu jener Zeit gerecht für alle, die sich nicht durch leere Worte selbst verwirren, sondern einfach die Tatsachen im Auge behalten. Sekurität in dem, was man aufgrund einer Schädigung von Dritten seitens des Gesetzes erwarten durfte, diente letztlich lediglich dem geregelten Umgang miteinander, welchen selbst Epikur empfahl. Ob nun also das römische Rechtssystem dem der Germanen gegenüber Superiorität beanspruchen durfte oder nicht, ob es gar einer universalen Gerechtigkeit entsprach, erschien angesichts jener Einsicht als sekundär.


    Die Hörer jenes Verdiktes akzeptierten es hingegen mitnichten in jener Gleichmut, in welcher es gefällt worden war: Ermenrich erblasste voller Schrecken, als er seine Strafe vernahm und Petilius Maldras schnaubte voller Zorn, was den Jüngling angesichts der seinem Dafürhalten nach eher gewährten Milde ein wenig verwunderte.
    "Eine Prügelstrafe ist entwürdigend. Nicht nur für ihn, sondern auch für seine Sippe."
    , raunte der Duumvir dem jungen Iudex zu, dessen irritiertes Starren auf den erzürnten Defensor augenscheinlich registriert worden war.
    Wieder kam der Jüngling ins Spintisieren: War es gerecht, dass die gesamte Sippe jenes miserablen Diebes unter dessen Missetaten zu laborieren hatte? Hätte er von der Züchtigung absehen und eine Strafe von geringerem Aufsehen erwählen sollen? Doch hätte dies genügt um jene, die similäre Delikte erwogen, von ihrem schändlichen Vorhaben abhorreszieren zu lassen?
    Und war andererseits die Welt nicht eben in jener Weise bisweilen ungerecht erscheinenden Weise beschaffen? Hatte nicht der Vater die Sünden seines Sohnes zu tragen, wie der Sohn die seines Vaters? Zürnten seine Ahnen und divinen Patrone nicht auch Manius Minor selbst, weil er durch sein impertinentes Verhalten Schande über sie und all ihre Verdienste gebracht hatte?
    Epikurs Ausgang von der Individualität jedes Einzelnen mochte verführerisch klingen, doch demonstrierte jenes lamentierende Sippenoberhaupt, jene Ungnade seiner divinen Patrone, dass dieser Traum mitnichten der Realität entsprach. Jeder war das Produkt seines Blutes, jeder hatte seinen Platz, welchen zu verlassen die gesamte Ordnung disturbierte und schließlich dem Einzelnen wiederum Unglück bereitete. Dies war invariable conditio humana, wenn nicht gar conditio orbis terrarum!

    "Nein, ich wollte dem Legatus nicht vorgreifen. Weiteres ist noch nicht bekannt."
    , erwiderte der Jüngling hinsichtlich der Frage und neigte bedächtigt das Haupt. Noch immer war er insekur, ob der gestrenge Duccius seine Mühen ihm vergelten würde oder von Misstrauen oder gar Missgunst getrieben sie mit Verachtung strafte.
    "Duccius hat bisherig meinen Bericht noch nicht kommentiert, da er sich neuerlich auf Gerichtsreisen befindet."