Beiträge von Manius Flavius Gracchus Minor

    Die Entscheidung des Vaters für die Wahl des Ehegatten war dem jungen Flavius nur allzu vertraut. Niemals wäre er auf den Gedanken gekommen, Cornelia Philonica, seine Verlobte, aus freien Stücken zu ehelichen, doch war jene Hochzeitsabrede bereits seit frühestem Knabenalter für ihn paternalerseits prädestiniert worden, weshalb er nun, da er selbst besser zu entscheiden imstande gewesen wäre, sich zu fügen hatte.
    "Oh, ist er eurer Familie nicht ebenbürtig?"
    , fragte der Tribun somit vorwitzig, obschon er selbstredend bereits erahnte, dass jenem Gatten der equestrale Status abging, über den zumindest die männlichen Duccii seiner Wahrnehmung nach sämtliche verfügten, so sie nicht zu höheren Ordines sich gar erhoben hatten.
    Doch nicht allein die Wahl des Gatten schien hier in der Provinz nach similären Prinzipien zu fungieren wie in der Hautevolée Roms, sondern ebenso die Gepflogenheiten hinsichtlich der Wohnstatt.


    Die finale Frage der Duccia ließ Manius Minor hingegen ein sublimes Lächeln präsentieren:
    "Nun, grundsätzlich ist das Leben eines Mannes meines Standes bereits zur Gänze prädestiniert. Mir steht meine Quaestur bevor, sodann werde ich meine Verlobte ehelichen und daraufhin das Aedilat anstreben, womöglich ein irgend gearteter senatorischer Posten in der Verwaltung, womöglich ein Priesteramt, schließlich die Praetur und, so die Götter mir hold sind, das Consulat."
    Im Grunde bedeutete dies nichts anderes als eine Reproduktion der Vita Manius Maiors, dessen Namen er immerhin trug. Doch der Jüngling hatte beschieden, seinem Schicksal keinen Widerstand mehr zu leisten, sondern mit jener Berufung sich zu arrangieren, zumal dies als der singuläre Weg erschien, seine Ahnen zu kalmieren und sich die Vereinigung mit seiner geliebten Mutter im Elysium zu erstreiten.

    Mit Gleichmut akzeptierte der junge Flavius den genannten Preis und war bereits im Begriff zu konsentieren, als Patrokolos das Wort ergriff:
    "Verzeih, Domine, aber das ist ja beinahe doppelt so viel wie für ein gewöhnliches Reitpferd auf dem Markt verlangt wird!"
    Der Tribun blickte zu seinem Diener, sodann wieder zu Marsus.
    "Aus welchem Grunde sollten wir einen derart hohen Preis zahlen? Ich gedenke ja kein Rennpferd zu erwerben!"
    Obschon der Jüngling nur über äußerst mäßige Expertise hinsichtlich der Preise und Qualitäten von Rossen verfügte, so war ihm doch selbstredend bekannt, dass gerade Pferde für die Arena zu exorbitanten Preisen gehandelt wurden. Und selbst wenn er durchaus über hinreichend Vermögen verfügte, um ein Tier zu dem genannten oder einem höheren Preis zu kaufen, so gedachte er doch nicht, sich durch jenen listigen Duccius ausnehmen zu lassen.

    M' Flavius Gracchus
    Villa Rustica Flavia
    Baiae, Italia


    M' patri suo s.p.d.


    Ich danke dir für deine erbaulichen Worte und dein Vertrauen.


    Hinsichtlich Duccius Vala kann ich dich jedoch insofern kalmieren, als er überaus selten in Mogontiacum weilt, sondern beständig die Provinz bereist, sodass ich wohl kaum seinen Ränken ausgesetzt bin. Indessen erscheint er mir innert jener knapp bemessenen Kontakte, welche ich zu ihm hege, als durchaus honorige Persönlichkeit, zumal ich mich zu erinnern glaube, dass du selbst es warst, der mir ihn vor vielen Jahren in familiärer Runde als seriöse Gestalt empfahl. Dennoch werde ich mich selbstredend vorsehen, nachdem du mich nun warntest, selbst wenn ich ihm bisherig keinerlei Arglist vorzuwerfen vermag.


    So überhäufte er mich in absentiam gar mit gewissen Ehrungen, nachdem ich von meiner Mission erfolgreich zurückkehrte: Mit Hilfe der germanischen Seherin, welche ich zuletzt erwähnte, sowie Duccia Silvana, die gegenüber den Chatten augenscheinlich in ihre Fußstapfen getreten ist, gelang es mir nämlich, einen vierjährigen Frieden mit den chattischen Fürsten auszuhandeln. So werden jene bisherig dem Imperium traditionell feindselig gestimmten Stämme gar einen Auxiliarverband unserem Imperator zur Verfügung stellen, während uns im Gegenzug lediglich moderate Getreidelieferungen obliegen. Duccius Vala scheint dies, ebenso wie meine Kommilitonen, durchaus als Erfolg zu bewerten, denn er verlieh mir die Hasta pura und ließ gar eine bescheidene Ehreninschrift für mich an der Regia anbringen.


    Wie mir scheint, sind meine Qualitäten also selbst hier sub aquila eher politischer Natur, doch werde ich selbstredend weiter der Dinge harren, welche da kommen mögen. Ich danke dir nochmalig für deine Fürbitte bei den Unsterblichen, die bisher stets ihre schützende Hand über mich hielten, und hoffe, dich bald nach dem bevorstehenden Ende meines hiesigen Dienstes in Baiae aufsuchen zu können, um meine weiteren familiaren und politischen Wege zu erörtern.


    Vale bene!

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    überwiesen

    "Oh, wie grässlich!"
    , interjezierte der junge Flavius angesichts jener gräuelichen Episode, dass in Mogontiacum, der Metropole dieser Provinz, selbst ein Aedil nicht vor ruchlosen Verletzern des Rechts nicht gefeit war.
    "Doch spricht es für sein Pflichtgefühl, dass er seine Amtszeit noch vollständig absolvierte, ehe er seinem Leib Rekreation vergönnte."
    Einen Augenschlag spekulierte der Jüngling, was er hätte unternommen, hätte jener närrische Germanicus ihm in Populonia ernstliche Wunden zugefügt. Ein Vigintivirat war zwar kein sonderlich bedeutsames Amt, zumal er in seinem Ressort über zwei weitere Collegae verfügt hatte, welche ihn zweifelsohne hätten vertreten können, doch war er nicht sicher, ob eine irgend geartete Beeinträchtigung seiner Gesundheit ihm nicht ein willkommener Anlass gewesen wäre, sich selbst von seinen misslichen Pflichten zu dispensieren.


    "Durchaus hat dieser Aufenthalt mich einiges gelehrt, nicht lediglich hinsichtlich der hiesigen Population."
    , bemerkte er sodann, da gerade seine hohe Motivation bei der Erfüllung seiner tribunizischen Obliegenheiten, welche nicht selten von similärer Ennuyanz waren wie jene eines Tresvir monetalis, eine durchaus bedeutsame Erfahrung für sein künftiges Leben würde darstellen: Auch das Degoutierte ließ sich bewerkstelligen, sofern man mit einer adäquaten Kampfmoral sich ihm stellte!
    "Lebst du im Übrigen im Hause deines Vaters oder deines Gatten, wo er jetzt nicht persönlich in Mogontiacum weilt?"

    Als erster Fall wurde ein Diebstahl aufgerufen, welcher für gewöhnlich von lokalen Gerichten zu traktieren war, in diesem Falle jedoch durch einen mächtigen Patron des Beklagten an höchster Stelle ruchbar geworden war. Der Kläger, ein Advocatus mit dem klangvollen Namen Quintus Ulpius Balbus, augenscheinlich einer der wenigen römischen Bürger dieses Fleckleins Erde, trug die Accusatio mit großer Routiniertheit vor: Ein gewisser Ermenrich hatte einem gewissen Rechiar ein Rind entwendet und auf seine eigenen Weiden transferiert, wobei nicht lediglich ein Zeuge, nämlich der Hütejunge des bestohlenen Landmannes, ihn auf der Flucht hatte entdeckt, sondern gar die Beute auf seinem Landgut aufgefunden und identifiziert worden war. Der Fall schien somit von größter Klarität zu sein, dennoch ließ Manius Minor selbstredend auch den Verteidiger aufrufen, dessen Appellation er überhaupt die Aburteilung dieses Falles verdankte.


    Ein bärtiger Mann, gehüllt in die Toga eines römischen Bürgers, doch sein Haupthaar zu einem Sueben-Knoten, jener charakteristischen Haartracht der hiesigen Volksgruppe, geflochten, erhob sich von der Bank, auf der er dem Beklagten beigesessen war, und blickte hochmütig in die Runde.
    "Ich bin Caius Petilius Maldras, Haupt der Sippe des Rechila! Ich bin hier, um die Unschuld meines Muntmanns Ermenrich hier zu beweisen!"
    Mit theatralischem Gestus deutete er auf den Ulpius, welcher Platz genommen hatte und enerviert die Arme vor der Brust verschränkt hielt.
    "Die Sippe, der Ermenrich das Vieh gestohlen haben soll, sind ehrlose Hunde! Das beweist schon, dass sie diesen Mietling geschickt haben, um sie zu verteidigen, anstatt uns ihre Vorwürfe ins Gesicht zu sagen!"
    Im Auditorium erhoben sich erzürnte Rufe und eine mit kostbarem Pelz bekleideter Greis erhob drohend die Faust.
    "Das ist eine Unverschämtheit, Maldras! Deine Leute können sich wohl keinen Advocatus leisten!"
    Er lachte hönisch auf, was wiederum dem Petilius die Zornesröte ins Antlitz trieb und neue Tumulte evozierte, weshalb der Tribun sich von seinem Richterstuhl erhob und mahnend die Hand hob.
    "Ich verbitte mir derart unflätige Reden vor meinem Gericht!"
    Mehrere Soldaten aus der Eskorte des jungen Flavius traten hervor, bereit, die Menge auseinanderzutreiben und von der Basilica zu exkludieren, was bereits durch die drohenden Blicke der Legionäre wieder zur Kalmierung der Situation beitrug.
    "Sprich und fasse dich kurz, Petilius!"
    , nahm Manius Minor den Faden wieder auf und platzierte sich erneut.


    "Nichts als Beleidigungen, so sind sie..."
    , grummelte Madras, der augenscheinliche Patron des Beklagten, fuhr dann jedoch fort:
    "Ich kann dreiundzwanzig Mann aufbieten, die sich für den einwandfreien Ruf Ermenrichs verbürgen können! Dieser Idiot Rechiar kann höchstens zwanzig Männer aufbieten!"
    Irritiert blickte der junge Flavius zu seinem Consilium, da es sich seiner Kenntnis entzog, wozu es für in diesem Casus der Leumundszeugen bedurfte, da doch die Indizienlage von größter Klarität war.
    "Eine germanische Tradition... das Übersiebnen: Vor germanischen Gerichten genügen meistens sieben Leumundszeugen, um eine Anschuldigung abzuwenden. Es sei denn, der Kläger bietet ebenfalls Zeugen auf, dann gewinnt der mit mehr Zeugen."
    , raunte der Duumvir Gracchus Minor zu, dessen rechte Augenbraue sich in patrizischer Manier ob jenes obskuren Rechtsbrauches erhob. Sodann lehnte er sich in seinem Richterstuhl zurück und verkündete nach einem tiefen Seufzen:
    "Der Leumund des Angeklagten erscheint im vorliegenden Falle als irrelevant. Liegen weitere Beweise für die Unschuld des Ermenrich vor?"
    Aufs Neue schien das Temperament des Verteidigers selbigem durchzugehen, denn bebend erhob er sich und rief:
    "Wir brauchen keine Beweise! Ermenrich hat mehr Fürsprecher als Rechiar und sein dahergelaufener Hütejunge!"
    "Ich werde keine Leumundszeugen zulassen, solange sie nicht zur Klarifizierung der Rechtslage beitragen!"
    , refutierte der Tribun neuerlich den Einwand mit fester Stimme und seine Kiefermuskulatur begann sich vor Ärger anzuspannen. Die Sueben waren ein stolzer Volksstamm, ihr Ruf war bis nach Mogontiacum an das Ohr eines fremden Jünglings gedrungen, doch war er nicht gekommen, um barbarische Rechtsbräuche zu konfirmieren, sondern um eine gerechte Jurisdiktion nach römischen Maßstäben zu implementieren.
    "Aber das ist ungerecht!"
    , interzedierte Maldras aufs Neue und begann einen umfangreichen Monolog über die ehrwürdigen Sitten seines Stammes, seiner Sippe, jenes Landes, auf welchem sie standen und in welchem einst sie begraben sein wollten, nicht sonderlich different zu jenen Reden, die auch in der Curia Iulia seitens ältlicher Senatoren zu vernehmen waren. Doch Manius Minor lauschte ihnen nicht, sondern war vielmehr genötigt, sich eines epikureischen Lehrsatzes zu entsinnen: Im Allgemeinen ist die Gerechtigkeit für alle dieselbe; denn sie ist ja etwas Nützliches im Umgang miteinander. Aber aus den Besonderheiten eines Landes und aus vielen anderen Gründen ergibt es sich, dass die Gerechtigkeit nicht für alle Menschen dieselbe ist.
    Entsprach dies der Realität? Manius Minor hatte dafürgehalten, dass mit seiner überaus realen Vision sämtliche epikureischen Lehren ad acta gelegt seien, doch wenn er es recht bedachte, nötigte die Existenz der Götter und einer Unterwelt keineswegs dazu nötigten von der Existenz oder Nichtexistenz überzeitlicher Prinzipien auszugehen. Gewiss hatte Claudia Antonia ihn zur Tugend ermahnt, zweifelsohne verehrten die Quiriten seit Jahrhunderten Iustitia als divines Prinzip, doch warum sollte sich jene Gottheit in Germania, wo auch ein Mars als Mars Thincsus, ein Apoll als Mogon oder ein Iuppiter als Wotan auftraten, nicht ebenso umgestalten und in lokalem Gewande die Menschen ermahnen. Überhaupt stellte sich die Frage, worin ein unwandelbarer Kern der Gerechtigkeit bestehen sollte, welcher laut dem Samier nichts war denn ein Vertrag, der jeweils im gegenseitigen Austausch an beliebigen Orten darüber abgeschlossen wurde, niemanden zu schädigen oder sich schädigen zu lassen.. Konnte es also in Lopodunum wahrhaftig gerecht sein, einen Mann ob der großen Zahl seiner Leumundszeugen von der Schuld zu liberieren, während in Roma er zweifelsohne gestraft worden wäre?
    Gerade als der junge Flavius begann, in jene philosophischen Rätsel abzugleiten und sich im Spintisieren zu verlieren, hatte Petilius Madras augenscheinlich in seinem Sermon ein Ende gefunden, weshalb der Centurio nach einem irritierenden Moment des Schweigens den Iudex in die irdische Lage zurückzerrte:
    "Tribun, willst du noch weitere Zeugen hören?"
    Manius Minor zuckte ein wenig zusammen, strich müde sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augenlider zur Nasenwurzel und seufzte erneut. Noch diverse Fälle galt es heutig abzuurteilen, sodass wohl keine Zeit blieb, die basalen Grundlagen einer richterlichen Entscheidung zu reflektieren.
    "Benötigen wir noch weitere Zeugen oder Beweise?"
    , fragte er also kurzerhand sein Consilium, welches die Häupter negierend wendete.
    "Dann genügt dies."
    Er blickte vom Tribunal herab auf die ob der richterlichen Beratungen augenscheinlich ein wenig irritierten Parteien.
    "So abseits der Leumundszeugen keine weiteren Beweismittel vorliegen, unterbreche ich die Verhandlung zur Beratung des Urteils."
    Einen Augenblick verweilte der Jüngling auf seinem Richterstuhle, sodann erhob er sich und die Legionäre begannen, die Parteien samt dem Publikum aus dem für den Prozess abgetrennten Bereich der Basilica zu drängen.

    Claudia Silana
    Villa Claudia
    Roma, Italia


    M' Flavius Gracchus Minor Claudiae Silanae s.p.d.


    Selbstredend bin ich hocherfreut, dass wir mitnichten im Dispute uns befinden, doch bin ich nach der Lektüre deiner Zeilen, welche zu empfangen mir durchaus ebenfalls eine Freude waren, doch genötigt zu befinden, dass wir bei derart konträren Positionen uns baldig in einem solchen befinden werden, selbst wenn er sich, wie zu hoffen bleibt, sich lediglich auf die Sache limitiert.


    Durchaus vermag ich deine Suche zu verstehen, denn all jene Fragen okkupieren auch mich, wie du trefflich erkennst, und mir erscheint jener Eklektizismus, welchem du anzuhängen scheinst, als kein rundheraus irriger Weg, um zu saturierenden Repliken zu gelangen. Die Frage bleibt jedoch, woraus jener Eklektizismus sich schöpft, welche Lehren er zu kombinieren sucht und inwiefern hieraus sich Konsistenz ergibt.


    Diesbezüglich halte ich dafür, durch eigene Erfahrung bereits gewisse Wege exkludieren zu können, wozu auch der Weg des Epikur zählt, da er doch nicht selten jener Natur von Mensch und Welt widerspricht, was sich mir gerade in der Perspektive auf dieses fremde Land klarifiziert. Denn ob ich in die Gehöfte der Germanen auf dem Lande blicke oder in meinem Castellum verweile, ob ich an mein geliebtes Rom denke oder die orientalischen Boulevards Alexandrias, überall vermeine ich doch ein ehernes Gesetz zu erkennen, welches die Welt durchdringt: Alles ist geprägt von einer stabilen Ordnung hierarchischer Natur.


    So kennt nicht allein der Quirite Patron und Klient, selbst hier im hohen Norden existiert eine dergestalte Institution, welche als Munt wird tituliert, auch hier regiert der Adel über die Freien, der Freie über den Sklaven wie in der Legion der Centurio über den Miles. Und bei allen Menschen scheint jene Hierarchie keineswegs allein auf das Irdische sich zu limitieren, denn stets ragt sie hinein in die Unterwelt der Ahnen, die man über ihren Tod hinaus ehrt, und bis hinauf zu den Göttern, welche gleichsam ihre Spitze wie ihre Garanten darstellen.


    Jene Götter indessen lehren uns ebenso, dass diese Ordnung nicht lediglich vertikal, sondern ebenso in horizontaler Richtung sich konstruiert: Wie die Unsterblichen, so sind auch den Sterblichen differente Obliegenheiten gegeben. Ist der eine zum Soldaten berufen, so der andere zum Bauern, der Dritte zum Knecht, die vierte zum Herren. Die Differenzierungen mögen differieren, doch überall existiert jene Ordnung, welche zu überschreiten dem Einzelnen wie die Gesamtheit schadet. Zweifelsohne ist dir die Fabel des Menenius Agrippa ein Begriff, welche uns wohl nichts anderes als diese Einsicht zu lehren wünscht.
    Jene Ordnung indessen scheint Epikurs Lehre zu negieren, indem er nicht lediglich die Götter verachtet, sondern ebenso das Schicksal, welches dem einzelnen seinen Platz inmitten jener Ordnung zuweist.


    Du mahnst mich, meinem Wollen, meinen Träumen und Wünschen zu folgen. Bisweilen scheinen sie mich zur Glückseligkeit zu führen, bisweilen jedoch auch in Desillusion und Tristesse. Blicke ich auf die divinen Ordnungen, welche ich an allen Enden des Imperiums nun erforschen konnte, so tritt jedoch noch ein Zweites hinzu, was mich zweifeln lässt, meinen eigenen Willen zum Maßstab des Handelns zu erheben. Denn alle Völker kennen auch jenen Ort, welchen wir Orcus, die Germanen Hel, die Hellenen Hades und die Ägypter Duat heißen. Doch gleich welche Titulatur sie auch haben mögen, überall werden die Seelen nach den Taten in der Welt der Lebenden beurteilt, sodass jene, welche der Tugend folgten, in die Gefilde der Seligen aufsteigen, während diese, die dem Bösen folgten, zu grässlicher Qual verdammt sind. Wollen wir jedoch nicht dafürhalten, dass die Götter in Willkür agieren, so erscheint es mir doch erforderlich, ihre Maßstäbe und Tugenden zu ergründen, anstatt mich der eigenen Nabelschau hinzugeben.


    Und blicke ich auf diese Ordnung, welche mich gleichsam in naturaler Weise umgibt, so erscheint es mir doch zumindest sicher, dass es mir jetzt aufgegeben ist, ein Soldat zu Roms sein und morgen meine Anlagen zugunsten des Imperiums einzusetzen, wie es mir auch heute schon zu gelingen scheint. Jene Mission, von der ich dir berichtete, fand nämlich ein glückliches Ende. In der Tat gelang es mir, einen vierjährigen Frieden mit den Chatten auszuhandeln, was dem Limes in dieser Provinz Ruhe wird verschaffen.


    Ob und aus welchem Grunde dieser hergebrachte Weg also mein Schicksal sein mag, können wir jedoch, wie ich hoffe, in Kürze persönlich erörtern, denn mein Tribunat neigt sich dem Ende zu. Ich hoffe also, baldig wohlbehalten nach Rom zurückzukehren.


    Gib so lange auf dich Acht. Vale bene!

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    überwiesen

    Zitat

    Original von Duccia Silvana
    Nun lauschte sie den Worten des Flaviers und musste hier und da schmunzeln. Ja sie wusste wohl von den Vorurteilen über die Barbaren.
    „Nun sie mögen wohl kriegslüstern erscheinen. Ja sie scheuen den Kampf nicht. Doch in erster Linie sind sie Bauern. Ihr Hauptaugenmerk gilt immer dem Erhalt und dem Auskommen der Sippe. Und wie du gemerkt hast sind sie sehr gastfreundlich. Die Gastfreundschaft ist ihnen heilig. Im Gegensatz zu römischen Städten gibt es jenseits des Limes ja auch kaum kulturelle Veranstaltungen. So ist natürlich ein Reisender der gute Geschichten zu erzählen hat eien willkommene Abwechslung vom Altgastrott. Für sie zählt dein Stand nicht was bei ihnen zählt ist Aufrichtigkeit. Nun ja die Statdt hier ist sher gepärgt von den Einheiten. Fast jeder hat einen verwandten bei der Legio oder der Ala. Jeder ist mit ihnen verbunden, oder von ihnen abhänig. Viele der Händler und Gewerke haben sich nur wegen den Soldaten hier angesiedelt. Man könnte also fast sagen, dass es ein gegenseitiger Profit ist. Jeder zeiht daraus seinen Gewinn. Das Land hier... ja es ist ungebärdig, es ist wild. Es gibt keine Straßen. Für einen Römer mag dies wie Chaos aussehen, aber es ist so wie Mutter Natur es gewollt und gemacht hat. Hier greift man nur dann in die Natur ein, wenn es unbedingt nötig ist. Die Menschen hier versuchen nicht die Natur zu bändigen sondern mit ihr im Einklang zu leben. “ Sagte Runa bevor sich sich nun privateren Dingen zuwandte. „Ich hoffe die Kleine ist wohlauf. Als ich aufbrach war sie gerade drei Tage alt.“ Runa seufzte leise. Natürlich hatte ihr Mutterherz geblutet, die Kleine schon so früh zu verlassen, aber diese Mission hier war für die Region einfach von zu großer Bedeutung gewesen, als das sie ihre privaten Befindlichkeit hätte voranstellen können. „Sie heißt Sveid.“ Sagte Runa und setzte sogleich zu einer Erklärung an. „Ich gab ihr bisher nur einen germanischen Namen, so wie es Sitte in meiner Familie ist. Da ihr Vater gerade aus gesundheitlichen Gründe auf unserem Landgut weilt, war noch keine Gelegenheit, dass er sie als seine Tochter anerkennt, deswegen hat sie bisher noch keinen römischen Namen.“ Runa sprach mit leise Stimme, und ob seiner Kurzsichtigkeit konnte der Flavier wohl nicht die kleinen Sorgenfalten erkennen die sich auf Runas Stirn gebildet hatten. „Ich werde nach meiner Rückkehr auf das Landgut reisen und meinem Mann dort seine Tochter vorstellen.“ Natürlich erwähnte die Germanin mit keinem Wort, dass ihr Mann nichts von dieser Mission wusste.
    Runa wandte sich nun wieder direkt zu dem Flavier. „Dein Tribunat neigt sich ja nun bald seinem Ende. Freust du dich schon bald wieder in Rom zu sein?“


    Die Explikationen der germanischen Kultur schienen sich in der Tat mit dem zu decken, was Manius Minor selbst in den vergangenen Monaten seines Tribunates erfahren hatte. Er dachte zurück an jenen Augenblick auf dem Limesturm, wo die Friedlichkeit des wilden Germania Magna, undisturbiert durch die ordnende Hand des Menschen, so weitaus gesegneter ihm war erschienen als das Kulturland des Imperiums. Lebte Rom im Einklang mit der Natur und dem Willen der Götter oder waren all die zivilisatorischen Leistungen nichts als eine Violation jener weitaus älteren Ordnung der Natur? Der Jüngling vermochte es nicht zu ermessen, doch verspürte ein gewisses Verständnis für die Lebensweise der Germanen.


    Indessen verblieb ihm auch keine Zeit, jene philosophischen Fragen weiter zu erwägen, denn Silvana wandte sich nun den profanen Umständen ihres konkreten Lebens zu, an welchen der junge Flavius ebenfalls großen Anteil zu nehmen vermochte. Seit seiner Errettung aus der epikureischen Verwirrung akzeptierte er wieder die Familie als Wert, ja hegte er den festen Vorsatz, in Kürze nach seiner Heimkehr selbst eine Ehe anzubahnen, um seiner Bestimmung als Stammhalter der flavischen Gens zu folgen. Und selbst wenn seine Verlobte ihm mitnichten sonderlich zusagte, so verspürte doch auch er Sympathie zu kleinen Kindern, welche auch er sich selbst durchaus wünschte.
    "Oh, das wusste ich nicht!"
    , rief er jedoch erstaunt aus, als er vernahm, dass jene junge Mutter bereits so kurz nach ihrer Niederkunft auf jene zweifelsohne exhaustierliche Reise aufgebrochen war. Sie entstammte der lokalen Aristokratie, weshalb er nicht vermutete, dass sie ihre Kinder selbst säugen würde, doch erschien es ihm doch beachtlich, ein derart kleines Wesen bereits so kurz nach der Geburt für mehrere Tage allein zu lassen.
    "Wir hätten selbstredend die Mission auch noch ein wenig prokrastinieren können, bis deine Sveid ein wenig kräftiger gewesen wäre."
    Der Name erschien ihm überaus exotisch, doch hatte er inzwischen erkannt, dass zahlreiche Provinziale zwei Namen führten, wobei der indigene nicht zwingend mit dem römischen übereinstimmte. Die Praxis, letzteren dem Pater familias zu überlassen, erschien insofern durchaus einleuchtend.
    "Oh, was fehlt deinem Gatten?"
    Ob die Duccia dies bereits auf seinem Gastmahl berichtet hatte, dessen vermochte Manius Minor sich nicht zu entsinnen, so viele Novitäten wie er an jenem Abend erfahren hatte.


    "Durchaus freue ich mich auf meine Heimkehr. Rom ist meine Heimstatt seit meiner Geburt, dort leben meine Familie und meine Freunde, welche ich herzlich gern wieder in die Arme zu schließen wünsche."
    , erwiderte er hinsichtlich ihrer finalen Frage. Licinius würde wohl bereits die Quaestur bekleiden, wenn er in die Urbs zurückkehrte, Claudia Silana ihn mit einem philosophischen Disput erwarten und womöglich sein Vetter Scato seine Hochzeit noch nicht vollzogen haben, sodass eine Festivität es ihm erlaubte, sämtliche seiner Verwandten und Bekannten wieder zu sehen.
    "Mein Vater befindet sich zwar, wie dein Gatte, aus gesundheitlichen Gründen ebenfalls auf dem Lande, doch auch ihm werde ich wohl einen Besuch abstatten."
    Das hieß, sofern Manius Maior nicht anlässlich der Eheschließung persönlich nach Rom reiste.

    Die Erwähnung von Silvanas Tochter ließ den Tribun lächeln, da doch ihm völlig war entfallen, dass sie in einem Alter sich befand, in welchem eine ehrbare Frau Matrone und Mutter war, anstatt gleich einem Mann zu Pferd durch die Wildnis zu reiten. Doch ehe er bezüglich ihrer Familie sich zu erkundigen vermochte, kam sie aufs Neue auf ihre Mission zu sprechen, lobpries aufs Neue seinen Triumph, was dem Jüngling indessen nur als Reproduktion jener admirierenden Worte des Vorabends erschien und bereits ihn fürchten ließ, dass das Gespräch nun aufs Neue sich der Politik und Diplomatie würde zuwenden.


    Doch fortunablerweise lenkte die Seherin ihre Frage doch wieder auf seine Person, was ihm doch weitaus mehr behagte:
    "Nun, ich hatte mir meinen Kriegsdienst ein wenig kriegerischer imaginiert."
    , kommentierte er daher trocken und lächelte aufs Neue, als er bedachte, mit welchem Todesmut er den Rhenus hinab gefahren war, stets in Gedanken darum kreisend, ob er würde den Mut aufbringen, auf dem Schlachtfeld den Tod des Heroen zu sterben. Dass jenseits des Manövers kein einziger Waffengang ihn hatte erwartet, mochte retrospektiv in der Tat eine, wenn auch nicht unerfreuliche Überraschung sein.
    "Überhaupt hatte ich nicht erwartet, dass jenseits Italias derart viel römische Kultur würde zu finden sein. Mein Kopf schwirrte von dem, was man sich in Rom über Germanen zu erzählen pflegt, dass sie letztlich nichts als kriegslüsterne Wilde seien, welchen Rom erst den Frieden brachte. Ich hatte nicht erwartet, mit derart großer Freundlichkeit aufgenommen zu werden. Zwar hatte ich gehört, dass sie durchaus von edler Gesinnung wären, doch gegenüber einem Römling aus hohem Hause hatte ich weitaus mehr Misstrauen und... nun, Feindseligkeit erwartet.
    Ebenso waren jene Militärsiedlungen mir kein Begriff, wie sie hiesig nahezu sämtlicher größeren Orte Antlitz dominieren. Selbst Mantua, wo ich mich als Knabe eine Weile aufhielt, war nicht in jener Weise durch die Legio Prima dominiert, wie dies in Mogontiacum, Argentoratum und andernorts der Fall ist."

    Er blickte um sich, wo nun wieder links und rechts des Weges der germanische Wald sich erhob.
    "Die Vegetation jenseits der Villae Rusticae indessen entspricht in etwa dem, was ich über dieses Land vernommen hatte."
    Verschmitzt zuckte er mit den Schultern.
    "Doch ich vergaß ganz, mich nach dem Befinden deiner Tochter zu erkundigen. Und wie lautet überhaupt ihr Name?"
    Erst die Erwähnung der Tochter hatte den Tribun memorieren lassen, dass bei seinem Einstandsmahl, auf welchem Duccia Silvana ihm als Tochter des Flamen Divi Augusti war präsentiert worden, selbige noch hochschwanger war gewesen, nun jedoch wieder einen, soweit er dies zu ermessen vermochte, weitgehend abgeflachten Bauch aufwies und folglich niedergekommen sein musste. Zwar vermochte er sich noch zu erinnern, dass der Vater jenes Kindes, ihr Gatte, der lokalen Priesterschaft Mogontiacums entstammte, doch weitere Details zur Familie der Duccia waren ihm entfallen.

    Am späten Nachmittag erreichte den Tribun der Brief aus Roma, welchen er nach einigem Bangen bereits nicht mehr hatte erwartet, der indessen, als Patrokolos ihm die Absenderin nannte, ihn sogleich wieder elektrisierte. Deplorablerweise war es ihm jedoch nicht sogleich gestattet, ihn sich sogleich verlesen zu lassen, da für die folgende Stunde eine Besprechung war anberaumt worden, an welcher er als Stabsperson zu partizipieren hatte.


    Erst als am Abend er in seine Casa zurückkehrte, ergab sich vor der Cena endlich ein wenig Zeit, das Schreiben zu studieren.
    "Claudias Brief! Lies ihn mir sogleich vor!"
    , befahl der Jüngling somit, kaum hatten Patrokolos und er das Ankleidezimmer betreten, und begann alleinig sich von seinem Paludamentum zu befreien. Hätte er bis vor einem Jahr kaum vermocht, mit eigenen Händen die Fibel zu lösen, welche jenen Umhang an seinem Platze hielt, so vermochte er nun mit stupender Velozität die Schnalle zu lösen, um den purpurnen Mantel achtlos auf seine Kleidertruhe zu befördern. Selbst seine Calcei wusste er inzwischen ohne fremde Hilfe zu lösen, selbst wenn es ihm, insonderheit bedingt durch seine Fehlsicht, kaum gelingen mochte, sie alleinig zu fixieren.


    Eben dazu schritt er nun auch, während Patrokolos den Brief mit kaum zu verbergendem Vorwitz rezitierte:

    Tribun Manius Flavius Gracchus Minor
    Castria Legio II
    Mogontiacum
    Germania Superior


    Claudia Silana M' Flavii Gracchi Minoris s.p.d.


    Hatten wir denn einen Disput? Ich erinnere mich nicht an eine Streitigkeit, sondern an einen konkludierenden Meinungsaustausch, Flavius. Dennoch freue ich mich sehr über diesen Brief, der meinen Alltag erheblich bereichert hat. Rom, trotz seiner vielen Facetten und Menschen, kann meine Welt nicht vollens besänftigen und beruhigen.


    Ich bleibe neugierig und hungrig nach Erfahrungen. Ich suche sehnsüchtig nach einer Weisheit, die uns alle verbindet und finde trotzdessen nur Trennung sowie Grenzen. Du hälst mich für eine Anhängerin des Epikur? Du liegst falsch. Ich vertiefe vielerlei Ansichten und versuche über jene Grenzen brechen. Ich bin bereit Brücken zu schlagen und über die übliche Begrenzung einer Denkstruktur hinauszugehen. Du scheinst mir auch ein Suchender zu sein? Warum solltest du einer närrischen Frau sonst mit Absicht schreiben? Ich frage mich, was dich wirklich bewegt. Ist es wirklich Fürsorge vor falschen Lehren, die sich selbst eitel sind? Epikur ist keine falsche Lehre. Wie auch andere Lehren nicht falsch sind. Jeder Lehre wohnt eine Tugend inne.


    Durch Ausschluss verlieren wir Weitsicht und Horizont. Ich gestand dir, dass ich Epikur vertieft habe und weite Teile seiner aufgeklärten Sicht teile. Frage dich selbst, was ist diese Welt? Was verläuft zwischen uns und den Dingen, die wir nicht sehen? Hast du dir nie die Frage gestellt, dass Existenz auch nur ein Traum sein könnte? Ein geisterhaftes Wesen in den träumenden Augen eines Leviathan? Ich will nicht abschweifen oder gar verrückte Dingen anbringen aber dieser Kosmos ist zu groß, um sich auf eine Lehre zu beschränken, die allein Pflicht und Gehorsamkeit kennt. Grenzen werden stets durchbrochen. Wichtig ist, dass wir es mit Herz und Verstand tun. Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Herzen in Liebe schlagen und einst durch die Liebe einer Mutter auf diese Welt gebracht wurden. Hast du ebenso, wie ich, etwas verloren, was dich festen Halt suchen lässt? Ich habe meinen Halt früh verloren und dennoch erkenne ich, dass Halt nicht notwendig ist. Wir alle stürzen durch die Zeit, bis unsere Zeit verloren ist. Du selbst dienst gerade in einer traurigen Region fern der Wärme unserer Stadt. Was lehrt dich dein Dienst fern von hier? Was zeigt dir diese Region? Sind die Menschen dort anders oder auch von selben seelischen Leiden geplagt, wie wir? Du suchst dort Tugend und Tapferkeit und doch wirst du unter den Waffen keinen Frieden finden. Frieden findest du nur in dir selbst, Flavius.


    Du versucht mir klarzumachen, dass du Dienst tust. Du versuchst mir zu zeigen, dass du ein guter Römer bist aber zeigst mir nur, dass du daran zweifelst. Du bekräftigst selbst, was du sein möchtest aber noch nicht bist. Wahrhaftigkeit findest du nicht in Worten oder Handlungen, sondern in deinem Gewissen. Stelle dich dir selbst in deinem Traum. Stell dich dir und erkenne, wie einst ich, dass wir uns selbst begrenzen und einschränken, um guten Idealen zu folgen, die oft nur Worte sind. Ideale ohne Seele sind leer. Römische Tapferkeit erwächst nicht aus verblichenen Handlungen, sondern aus Herzenskraft. Unsere Ahnen erbauten diese Stadt und unser Imperium durch Willen und Wahrhaftigkeit. Sind wir noch wahrhaftig oder verstecken wir uns hinter Worten? Reflektiere deine Position und dich selbst darin. Mache dich nicht zu willfährigen Handlanger einer Idee, sondern werde zum Schöpfer einer eigenen Idee. Erlaube dir einen Traum und Fantasie, die du haben kannst!


    Ich vergesse dein Angesicht nicht und deine illustren geistreichen Worte, die nach mehr hungerten. Du hungerst nach Aufklärung, wie meine Person. Dennoch begrenzt du dich, Flavius. Wo ist dein Traum?


    Achte auf dich auf! Insbesondere bei dieser Mission! Ich mag dich nicht verlieren, da ich gedenke, diese Standpunkte mit dir zu erörtern und dir wirklich einen Traum zu zeigen. Du kannst träumen. Mögen die Götter auf dich achten und dich zu mir zurückführen!


    Claudia Silana


    Als Patrokolos endete, ließ der junge Flavius sich ein wenig ratlos auf den Hocker neben seiner Arca sinken. Hatte er sich von den Konstriktionen seiner Dienstkleidung befreit, so raubte ihm nun ein wenig die Einsicht, dass Claudia Silana augenscheinlich ihn in weitaus größerem Maße zu durchschauen wusste, als er dies für possibel gehalten hatte, den Atem.


    Beinahe vernahm er sein altes Ego aus jenen Zweifeln, hörte er den närrischen Achilleus aus ihnen fabulieren, wie er voller Begeisterung sich seiner neu gewonnenen Einsichten aus den Lektionen des Aristobulos von Tyrus erfreute. Durchaus hatte es auch ihn verlangt, die Konstriktionen seiner Geburt, das Laborieren unter seinen familiaren Frakturen und das Entbehren seiner verblichenen Lieben zu überwinden. In der Tat war er ein Suchender gewesen, hatte gedarbt nach Trost und Gewissheit. Und Epikur hatte ihm nicht lediglich eine Droge zur Betäubung seines Schmerzes, als welche das Opium sich hatte erwiesen, sondern gar ein Vierfaches Heilmittel dargeboten! Lektion für Lektion hatte sich eine Struktur, ja ein Lehrgebäude ergeben, welches in harmonischer Weise die Dinge zusammenfügte und die Welt zu klarifizieren schien. Obschon die Kanonik des Samiers eher pragmatisch denn logisch insuperabel mochte angelegt sein, so hatte doch auf jenes Fundament sich Lehrsatz um Lehrsatz gefügt, hatte die Physik und Ethik die Not des Dahingeworfenseins in die Zufälle des Lebens geradehin zur Tugend erhoben, hatten sie in der Suche nach den Maßstäben der Tugend die eigene Lust zum Tugendwächter erhoben!
    Und doch war jene scheinbar feste, konsistente Burg nichts als eine trügerische Zuflucht gewesen: Die Vision des Mercurius und seiner geliebten Mutter hatte jenem Bau Risse zugefügt, unter welchen doch in Konsequenz alles zum Einsturz gebracht werden musste. Denn wenn Elysium und Tartaros existierten, wenn die Unsterblichen durch ihr Verdikt über den Gang jeder Seele in einen von beiden jenseitigen Orten entschieden, wie mochte man dann dafürhalten, dass alles nichts als dem schnöden Zufall gehorchte? Wie ließ es sich behaupten, die eigene Lust sei der Maßstab der Tugend, wo etwas gänzlich anderes doch zum Maßstab diente, an welchem Orte man die Ewigkeit fristete? Wie ließen sich Grenzen dieser Welt hinfortdisputieren, wo doch jene so finale Grenze zwischen den Gefilden der Seligen und der Unterwelt der Verdammten existierte?


    In der Tat war er ein Suchender. Wieder aufs Neue. Doch ob jenes Objekt seiner Begierde in seinem Gewissen war zu finden, welches doch bereits einmalig dem Truge aufgesessen war, mochte er doch in Zweifel ziehen. Schlagartig kamen ihm die Worte Manius Maiors in den Sinn, welche so lange Zeit ihm als Richtschnur des Handelns waren erschienen, die aber über den Narrheiten Epikurs ihm aus dem Sinn gekommen waren: Deine Herkunft, dein Stand und dein Menschsein gebieten drei Intentionen, nach welchen dein persönliches Streben stets auszurichten ist: das Wohl der Familie, das Wohl des Imperium Romanum, sowie die Wahrheit - in eben dieser Reihenfolge. Waren dies die Tugenden, welchen es zu folgen galt?


    "Domine, soll ich Schreibzeug holen?"
    , interzedierte Patrokolos' Fragen die Gedanken des Jünglings. Wie lange mochte er auf seiner Kiste verharrt sein?
    Gedankenverloren griff er nach seinem Paludamentum, jenem Symbol seines Ranges im Gefüge des Exercitus wie des gesamten Staatswesens.
    "Ich glaube, wir werden die Replik erst nach der Cena aufsetzen."
    , erwiderte er schließlich. Er würde über all jene Fragen nachzusinnen haben, ehe er zur Feder griff, respektive greifen lassen ließ...

    Aufmerksam lauschte Manius Minor dem präzisen Wortlaut jener Vision, welche ihm insbesondere für einen Noriker, welcher zweifelsohne niemals Roma, die Curia Iulia oder (wie jeder andere Lebende) Caius Iulius Caesar leibhaftig erblickt hatte, insonderheit partikulär erschien. Sie differierte damit zwar erheblich von seiner eigenen Vision, doch da er seine eigenen Gesichte für bedeutungsvoll hielt, vermochte er jene ebensowenig achtlos beiseitezuwischen und als ridikulösen Traum abzutun, wie es bei dergestalten Worten aus dem Munde eines kleinen Schreiberlings wohl adäquat gewesen wäre. So zog lediglich kritisch seine Augenbraue sich in flavischer Weise nach oben und er bedachte einen Augenschlag, was darauf zu erwidern sei: Augenscheinlich tangierten die Akteure jener Vision in keinster Weise jene Lebenswelt, welche der junge Flavius sich für einen gemeinen Peregrinus imaginierte: Iulius Caesar, womöglich ein Symbol für den Princeps, war ebenso weit von diesem Flecklein Erde entfernt wie der Senat oder selbst die Option, einstmals vor ihm zu sprechen. Mochte das Bürgerrecht auch für jenen Carbo zu erringen, mochte er das Hellenische sich aneignen und selbstredend auch einem Mord zum Opfer fallen, ergaben all jene Stränge doch in keinster Weise Sinn, was die Konfusion des Scriba verständlich ließ erscheinen.


    Folglich kaprizierte der Tribun erstlich sich auf die weniger diffizil zu erwartenden Kontexte jener Vision:
    "Warst du jemals in Rom? Ist dir die Curia Iulia aus eigener Anschauung bekannt?"
    Besonders verwunderte den flavischen Jüngling der Ort jenes Mordes, welcher doch geradehin als eine Hommage an jene Verschwörung darstellte, der Divus Iulius selbst zum Opfer war gefallen, obschon der letzte Dictator perpetuus selbstredend nicht in der Curia Iulia war getötet worden.
    "Und überhaupt, was lässt dich so sicher sein, dass hierbei es sich nicht lediglich um ein Delirium handelt? Einen Traum ohne Bedeutung, womöglich evoziert durch historische Lektüren über Divus Iulius?"

    Die Reaktion seines Auditorium entsprach nicht eben jenem, was der junge Flavius von seinen bisherigen Reden gewohnt war, doch deutete er dies lediglich als neuerliche Mahnung, sich für dergestalte Anlässe intensiver zu präparieren. So begab er sich zu Trautwin, seinem getreuen Ross, und bestieg es, während die Centurionen bereits die Vexillatio zu einem kleinen Heerwurm formierten, in dessen Zentrum der Jüngling sich nunmehr platzierte.


    Er lenkte Trautwin hinüber zu Duccia Silvana, die ebenfalls in der Nähe des "Stabes" ihren Platz hatte, um die Seherin nochmalig zu sprechen. Sie mochte ähnlich viele Lenze wie er selbst zählen, doch schien sie ihm so viel erwachsener, so fokussiert und stark, wie er es selbst nur zu admirieren vermochte. Obschon gestrig er noch im Taumel jenes diplomatischen Sieges verharrt war, schmeckte er nun bereits wieder den schalen Gustus der Imperfektion, welche jener überaus attraktiven, mutigen und bestimmten Person gänzlich abzugehen schien.
    "Duccia, hast du dich gut von den Festivitäten des gestrigen Abends erholt?"
    , fragte er freimütig und schenkte der noch immer ihm Fremden ein sittsames Lächeln. Ihre bisherigen Unterredungen waren stets professioneller Natur gewesen, doch verlangte ihm doch danach, nun auch ein wenig mehr über die Person hinter der listenreichen Priesterin zu finden, zumal nunmehr die Nervosität ob seiner Mission ihn auf dem beschwerlichen Rückweg nicht zu okkupieren vermochte und er nach all dem Dienst der geselligen Rekreation bedurfte.
    "Ich selbst ruhte recht friedlich, doch freue ich mich bereits wieder auf meine Bettstatt im Castellum."


    Das Gastmahl zog sich noch eine ganze Weile und obschon die Gespräche weitgehend auf dem Niveau höflicher Konversation ohne intensiveren Gehalt verblieben, erweckte es doch das Plaisir des jungen Flavius, da seinem Dafürhalten nach auch seine Gäste von seinem ersten autonom geplanten Gastmahl angetan schienen. Nachdem das Dessert gereicht und eine angemessene Weile auch ein wenig italischer Wein den Offizieren und Duccii zugeführt worden war, exkulpierte Manius Minor weit nach Anbruch der Dämmerung sich schließlich ob seiner Obliegenheiten des folgenden Morgens und verabschiedete seine Gäste in herzlicher Weise.


    Nachdem schließlich zuletzt Tribun Servilius die Casa hatte verlassen, dankte der junge Hausherr, welcher seines Vorsatzes gedachte, auch sein Gesinde mit gewissem Respekt zu traktieren, seinen neuen Sklaven sowie den abkommandierten Milites, verteilte jedem von ihnen ein üppiges Trinkgeld und begab sich sodann zu Bett, da doch seine Entschuldigung keineswegs eine Ausflucht war gewesen: Am folgenden Morgen erwartete ihn aufs Neue die Pflicht!

    Sim-Off:

    Ich bringe dies nun doch einmal zu einem Ende, damit mein Abschied nicht noch immer von meiner Ankunft überschattet wird ;)

    Die Irritation des Praefectus als Grund jener heftigen korporalen Reaktion entging dem jungen Flavius trotz seiner Fehlsicht nicht, obschon deren Ponderierung (ebenso wie die der ungläubigen Worte) ihm nicht recht gelingen mochte, denn schon fürchtete er, jener Unglaube sei dem Umstand geschuldet, dass es gänzlich unrealistisch mochte sein, von der Ernsthaftigkeit eines derartig vereinbarten Friedens auszugehen, als endlich die Spannung in Wohlgefallen sich löste.


    Dass just jener altgediente Offizier ihm seine Admiration ausdrückte, erfüllte den Jüngling mit genierlichem Stolz, da einerseits es ihm ein wenig deplatziert erschien, allzu viel der Ehre für sich zu beanspruchen und gar von einem derart vielschrötigen Kriegsmann gepriesen zu werden, so glaubte er doch mit jener ersten wahrhaftigen Leistung zugunsten des Staatswesens begonnen zu haben, den Imperativ seiner Mutter in die Tat umzusetzen. Die Diploma seines Rhetorenlehrers und selbst jene des Museion waren lediglich Konfirmationen seiner Gelehrsamkeit gewesen, welche doch ohne Zielrichtung keinen wahrhaftigen Wert mochte darstellen. Doch so jener Friede, welchen er zu vermitteln geholfen hatte, tatsächlich sich bewährte, war dies ein Umstand, der womöglich tapfere Soldaten wie jenen Iulius vor dem Tode bewahrte, der den Limes sicherte und damit zum Wohle des gesamten Imperiums beitrug. Vielleicht würde jene Tat dazu beitragen, die Schmach seiner inadäquaten Adoleszenz zu tilgen!
    "Ich habe eine Kopie hier. Du darfst sie zum Studium mit dir nehmen."
    , erwiderte er somit nicht ohne Stolz und blickte fragend zu Patrokolos, der wie gewöhnlich an seiner Seite stumm weilte. Der Sklave beugte sich gehorsam über den Schreibtisch, suchte einen Augenschlag und übergab dann eine der Papyri an den Praefectus.

    Relatio Missionis


    Gemäß den Befehlen auf der Stabsbesprechung brach ich mit einer stattlichen Vexillatio, bestehend aus den Centuriae III und IV der Cohors I, der Centuriae V und VI der Cohors VIII der Legio II Germanica sowie der Turma I der Ala II Numidia, ANTE DIEM V KAL AUG DCCCLXVII A.U.C. (28.7.2017/114 n.Chr.) auf. Der Marsch in die Gaue der Chatten erreichte ohne jedweden Zwischenfall den vereinbarten Treffpunkt.


    Unter Vermittlung der Seherin Iduna alias Luna, welche derzeit in meinem Haushalt als Sklavin dient, war meine Mission nämlich bereits durch Duccia Silvana präpariert worden. Obschon mir bewusst ist, dass der Ratschlag einer Sklavin, die zugleich einen Gegenstand der geplanten Verhandlungen darstellte, in dieser Angelegenheit überaus kritisch zu bewerten war, erschien es mir doch adäquat, mit Duccia Silvana nicht lediglich eine weitere germanische Seherin, welche über hohes Ansehen bei den Chatten verfügt, sondern auch die Tochter des amtierenden Flamen Divi Augusti und Angehörige deiner eigenen Familia zu integrieren, da sie ob letzterem über jeden Zweifel der Loyalität erhaben ist, ob ersterem jedoch ideal geeignet erschien, um den Kontakt mit den chattischen Sippen herzustellen. Entsprechend unseren Abreden war sie bereits einige Tage vor unserem Aufbruch in die Lande der Chatten gereist, um mit den wichtigsten Sippenoberhäuptern jenes Stammes eine Versammlung anzuberaumen, vor welcher mir zu sprechen gestattet wurde. Während unseres Marsches stieß sie sodann zu unserer Vexillatio und setzte mich über die aktuelle Lage vor Ort in Kenntnis, welche sich als überaus günstig präsentierte: So hatte sie in Erfahrung gebracht, dass die Chatten derzeitig Rom durchaus nicht feindlich gesonnen seien, da sie durch interne Zwistigkeiten gelähmt und durch Missernten in ihren Kräften eingeschränkt würden. Auch hinsichtlich der Versklavung der Seherin Idun alias Luna berichtete sie erfreulicherweise, dass diese seitens der Chatten als Ordal akzeptiert sei und somit keinen Casus belli darstelle.


    Aus diesem Grunde entschied ich mich, bei den Verhandlungen eine wagemutigere Strategie anzuwenden. In Begleitung von Duccia Silvana und Aulus Tiberius Verus, dessen Präsenz die Duccia dringlich angemahnt hatte, nahm ich sodann an jenem Thing teil, welcher explizit für mich einberufen worden war. Obschon sich die Disputationen anfänglich als diffizil erwiesen, gelang es mir unter Mithilfe Duccia Silvanas, einen vierjährigen Frieden zwischen dem Stamm der Chatten und dem Imperium zu verhandeln. Hinsichtlich der Konditionen kamen wir überein, dass sämtliche der führenden chattischen Familien jeweils einen Sohn aufbieten, welcher sich für die Laufzeit des Friedensvertrages in römische Kriegsdienste begibt, wobei Verpflegung und Unterkunft unsererseits zu stellen sein wird. Im Gegenzug sind wir gehalten, in einem noch näher zu definierenden Umfang Getreide an die Chatten zu liefern, um ihre Versorgung über den Winter hinweg zu ermöglichen.
    Ich hoffe, mit jenem Vertragswerk meine Kompetenzen nicht überschritten zu haben, doch erschien es mir geboten, die günstige Situation zu nutzen, um eine mittelfristige Sicherung des Limes zu erwirken, welche zudem für uns mit geringen Kosten verbunden ist. Erstlich impliziert die Stellung des chattischen Kampfverbandes nämlich eine überaus wirksame Absicherung des Friedens, da die Anverwandten der führenden Familien gleichsam als Geiseln einzusetzen wären, des Weiteren bietet jene Übereinkunft uns den Zugriff auf potentiell kampferprobte Auxiliartruppen, deren Einsatz in unserem Ermessen steht, und schließlich wurde diesen keinerlei Besoldung zugesprochen, sodass jene Ersparnis zugunsten der verabredeten Getreidelieferungen eingesetzt werden kann. Obschon ich nicht zu ermessen vermag, welche konkrete Mission einem derartigen Auxiliarverband zuzuweisen sein mag, so bin ich doch überzeugt, dass sich eine derartige Mission finden mag, zumal in vier Jahren die Option besteht, jene Konditionen wieder aufzugeben oder bei günstiger Entwicklung der Lage sogar zu prolongieren.


    Die Versklavung der Seherin Iduna alias Luna erwies sich ebenfalls als unbedenklich. So wurde dem Centurio Aulus Tiberius Verus, welcher mich auf der Mission begleitete, sogar ein zeremonielles Schwert überreicht, um fortan als Patron der emeritierten Seherin zu fungieren.


    Ich bin folglich geneigt diese Mission als durchaus erfolgreich zu bewerten. Sämtliche Beteiligte der Vexillatio haben in exzellenter Weise ihren Dienst versehen, weshalb ich vorschlage, sie für jene durchaus riskante Mission mit einer Phalera auszuzeichnen.

    http://www.niome.de/netstuff/IR/SiegelCaduceus100.png
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    TRIBUNUS LATICLAVIUS - LEGIO II GERMANICA


    "Duccia Silvana berichtete, dass die Chatten interne Querelen haben, welche sie lähmen. Ich vermochte dies nicht zu verifizieren, doch scheint es auf der von mir besuchten Versammlung zumindest zwei Parteiungen gegeben zu haben, von welchen eine durchaus uns zugewandt ist, während die andere die Konfrontation sucht."
    , berichtete der Tribun unterdessen auf Licinus' Fragen und fügte an:
    "Der genaue Umfang der Getreidelieferungen wie auch des Auxiliarverbandes wurden weiteren Konsultationen vorbehalten, da aufseiten der Chatten Bedarfsermittlungen vonnöten sind, wie auch wir zu erwägen haben, was wir zu liefern vermögen. Doch wurde ein prinzipieller Konsens erzielt, aufgrunddessen man sich in den Details zweifelsohne einig werden wird."

    Zu den Obliegenheiten eines Tribuns, gerade eines Laticlavius, zählte auch die Entlastung des Statthalters in Fragen der Jurisdiktion, denn wo der Legatus Iuridicus bereits mit jenen Fällen hinreichend okkupiert war, in denen römische Bürger bei einem senatorischen Beamten ihr Recht suchten, erwies es sich als impossibel, auch nur die an allen Ecken und Enden sprudelnden Appellationen an den Legatus Augusti in den gemeinen Fällen zwischen Peregrini durch einen senatorischen Iudex zu verhandeln. Neben Duccius Vala unternahm so auch Manius Minor, welcher ja in der Tat auch eine rudimentäre juristische Edukation hatte genossen, Gerichtsreisen in die Civitates Germania Superiors, um im Namen des Kaisers zu Gericht zu sitzen.


    Einer jener Termine war Lopodunum, der Hauptort der Civitas Sueborum Nicrensium, wo der junge Flavius am späten Abend eintraf und sogleich von den Honoratioren der Stadt, wie gewöhnlich einer Mischung aus Veteranen und einheimischer Nobilität, zu einem Gastmahl geladen wurde. Inzwischen verstand der Jüngling es, sich innerhalb jener provinzialen Hautevolée zu bewegen, welche nur ein schwacher Abglanz jenes strahlenden Vorbilds der stadtrömischen Aristokratie insbesondere hinsichtlich kosmopolitischer Bildung und nobler Beredsamkeit darstellen mochte, doch dafür von größerer Herzlichkeit geprägt war. Indessen zählte Manius Minor auf dergestalten Exkursionen ohnehin stets als ein Ehrengast, welcher selbst nach bisweilen auftretenden Fehltritten und Unzulänglichkeiten (so verweigerte er etwa den exzessiven Zuspruch zu Bier und anderen Alkoholika, welcher augenscheinlich zur lokalen Kultur zählte) mit gleichmütiger Höflichkeit und größtem Zuvorkommen traktiert wurde.


    Am folgenden Morgen dagegen erwarteten ihn weniger versöhnliche Charaktere, als er in der Basilica, jener in den Mauern eines aufgelassenen Castellums errichteten Stadt, seinen Gerichtstag eröffnete. Similär zum Gerichtshof des Statthalters selbst saß der junge Flavius allein zu Gericht, wurde jedoch von einem Consilium beraten, in seinem Falle sich konstituierend aus einem juristisch versierten Centurionen, welcher bereits bisweilen selbst zu Schlichtungsaufträgen entsandt worden war, sowie einem Repräsentanten der lokalen Bevölkerung, diesmalig einem der Duumviri Lopodunums, dessen Präsenz die lokalen Rechtstraditionen in die Urteilsfindung einfließen lassen sollte.

    Der Tribun wusste nicht, ob er geneigt war, seinen ersten Abend jenseits der Pflicht aufs Neue in Gesellschaft zubringen wollte, hatte er doch mit Epikur und dem Opium auch ein wenig seiner Geselligkeit hinter sich gelassen und genoss gerade hier in Germania ruhige Abende bei anregender oder frühem Schlaf, dessen er gerade nach dem inkommoden Nachtlager auf dem Marsche so dringlich bedurfte.
    "Ich weiß nicht, ob Centurio Tiberius nicht ein wenig Ruhe nach dem exhaustierlichen Marsch präferieren würde."
    , spiegelte er, um nicht als ein der Gesellschaft fliehender Sonderling zu erscheinen, welcher gerade in Adelskreisen überaus verpönt war, seine eigenen Wünsche auf den potentiellen Gast, kapitulierte jedoch sodann, ehe noch die Serva darauf bestehen konnte, um in diskreter Weise ihre Eroberung zu treffen:
    "Aber du darfst ihn selbstredend fragen."

    Sim-Off:

    Ich schlage vor, ihr trefft euch vor der anberaumten Cena und ich stoße dann zu euch ;) Zweifelsohne habt ihr mehr zu erörtern als Verus uns ich...

    Obschon von gänzlich verschiedenem Stande, torquierten den jungen Flavius similäre Fragen wie den Noriker, denn auch er wusste nicht recht, worüber er mit einem derartigen Provinzialen am besten parlierte, da diese doch kaum einen Zugang zu Politik, Philosophie und Kultur genossen und sich zweifelsohne eher mit rustikalen Themen wie der Beschaffenheit der Ernte, familiären Relationen oder gar der Qualität des soeben verkonsumierten Bieres befassten.
    Ein wenig befangen rückte er somit seinen Becher zurecht, ehe fortunablerweise sein Opponent das Wort ergriff und eine Historie erzählte, welche geradehin haarsträubend sich ausnahm und jedem anderen römischen Aristokraten nicht mehr als ein Kopfschütteln entlockt hätte, Gracchus Minor jedoch aufhorchen ließ, da sie doch frappierende Parallelen zu seiner eigenen Biographie aufwies, selbst wenn die Schlüsse, welche der Noriker und er daraus gezogen hatten, durchaus different ausfielen: Während der junge Flavius schlicht seine eigenen Schlüsse aus der Vision gezogen hatte und schlicht eine divine Konfirmation erwartete, versuchte Carbo augenscheinlich die Götter zu einer Äußerung zu nötigen. Das hieß, wenn seine Vision überhaupt in irgendeiner Weise der von Manius Minor glich...
    "Welcher Art war jene Vision?"
    , erkundigte sich der Jüngling somit,
    "Und warum wendest du dich damit just an das Orakel von Cumae?"
    Die Stadt lag Stadien entfernt in Italia und ihr Orakel galt als eine traditionelle, urrömische Partikularität, deren Popularität der junge Flavius nicht als über die Grenzen des italischen Kernlandes hinausreichend erachtet hatte.

    Patrokolos bedeutete den Custodes Corporis, welche aus der Wachkompanie zum Geleit seines Herrn abgestellt worden waren und sich diskret am Nebentisch platziert hatten (ein Tribun ging selten ohne Bedeckung irgendwohin), nun aber Notiz von dem Fremden genommen hatten, dass keinerlei Gefahr bestünde, während der junge Flavius selbst sich Norius Carbo zuwandte.


    Ein Scriba war nicht eben eine Gesellschaft, die der Jüngling jenseits funktionaler Erfordernisse pflegte, doch da er hierher gekommen war, um das simple Leben in der Provinz zu erforschen, ließ er den Noriker gewähren.
    "Ich bin Manius Flavius Gracchus Minor, Tribun der hiesigen Legion und Sohn des Consulars Manius Flavius Gracchus."
    , präsentierte er also seine Person mit einigem Amusement, einen Gemeinen vor sich zu haben, welcher niemals in seinem Leben wohl einem wahren Aristokraten war begegnet, nun jedoch auch noch sich die Blöße gab, den wohl ranghöchsten Bewohner jener Stadt, für die er tätig war (Duccius Vala war zweifelsohne wieder auf Gerichtsreise), nicht prompt zu erkennen, was Manius Minor in missmutigerer Gestimmtheit womöglich ein wenig beleidigt hätte, da er doch nun schon beinahe ein Jahr in diesem Städtlein weilte.

    "Formidabel!"
    , jubilierte der Jüngling angesichts der noch geöffneten Thermen, als bereits Luna ihm die nächste Partie heimeliger Vertrautheit darbot, indem sie seine gustatorischen Präferenzen ergründete.
    "Oh, mir wäre eine kultivierte Mahlzeit gelegen. Nach all den Tagen mäßiger Feldküche ist es an der Zeit, wieder einmal wie ein wahrhaftiger Römer zu speisen!"
    , erwiderte er darauf und dachte mit Grauen an die fade, laue Masse, welche sein Bursche ihm auf dem Marsch als Cena offeriert hatte.


    Sodann wandte er sich indessen seinen übrigen Dienstboten zu.
    "Ich denke, das Essen können die anderen auch ohne dich bewerkstelligen. Zweifelsohne hat dein Centurio ebenfalls Novitäten für dich. Du kannst ihn aufsuchen oder ich lasse nach ihm schicken, wenn ich ins Bad gehe."
    Der junge Flavius war sich nicht sicher, inwiefern die Liebe des Tiberius seitens der Sklavin erwidert wurde, doch gerade nach der Liebesoffenbarung auf dem Thingplatz erschien es ihm geboten, jener Liebe nicht im Wege zu stehen, selbst wenn sie keineswegs dem Stande des Centurio entsprechend mochte. Immerhin hatte Verus ohnehin seinem Stand den Rücken gekehrt.

    Als Manius Minor mit seiner Entourage ins Lager zurückkehrte, lag bereits das Schweigen der Nacht über den Zelten, vor welchen hier und da noch die Kochfeuer glommen und einzelne Milites ihre Wacht präparierten oder schlicht mit ihren Kameraden beisammen saßen, um sich die Ruhe jenes weitgehend freien Tages ausklingen zu lassen. In seinem leichten Trunke (nicht, dass der Tribun die Kraft über seine Sinne eingebüßt oder in einem Rausche sich bewegte, wie er einst in Alexandria an der Tagesordnung war gewesen) erwog er einen Augenschlag, die gesamte Vexillatio zu versammeln, um seinen Triumph zu verkünden, beschied jedoch sodann, bis zum folgenden Tag zu warten und begab sich zu Bett.


    ~~~


    Erst am nächsten Morgen ließ der Tribun noch vor dem Abbau des Lagers seine Männer versammeln. Zweifelsohne hatte sich Gerüchte bereits den Weg gebahnt und jene, die Interesse am Ausgang jener Mission gehegt hatten, mochten über die Trabanten des jungen Flavius diese oder jene Partikularität über die Verhandlungen erfahren haben. Manius Minor wollte jedoch vor ihrer Rückkehr all seine Männer über die Resultate ihrer Mission in Kenntnis setzen in der Hoffnung sie damit zu erbauen und ihre Motivation, sie ordentlich zu einem Ende zu führen, erhöhen.


    Ein wenig noch lastete der Met des Vorabends auf seinem Haupte, dazu deuchte ihm, jene Nacht sei noch weitaus kürzer gewesen als die übrigen während seines Kriegsdienstes, dennoch ließ er sich von Patrokolos und seinem Burschen in aller Frühe präparieren und sich Rüstung und Paludamentum anlegen, während er im Geiste sich für jene Stegreifrede rüstete, welche er nun zu halten gedachte.


    Als er sodann vor seinen Mannen stand, die von ihren Cornicen erweckt und gesammelt worden waren, wirkte er in der Tat wie ein zwar ein wenig dicklicher, doch durchaus respektabler Offizier:
    "Milites!"
    , hob er an und blickte freundlich in die Reihen der Legionäre vor sich, sodann zu den dahinter platzierten Equites, deren Rosse noch auf der provisorischen Koppel weideten.
    "Viele von euch mögen sich gefragt haben, zu welch seltsamer Mission sie beordert wurden, als man euch berief, just eine diplomatische Mission zu den Chatten, jenem uralten Erzfeind unseres Imperiums, zu beschirmen."
    Der Jüngling suchte in den Reihen der Offiziere den Blick Germanicus Varros, welcher so offen ihm den Argwohn manches Soldaten offenbart hatte.
    "Ein vornehmer Jüngling, der erst wenige Wochen sich in dieser Provinz befindet und erst ebenso lange unter dem Adler dient, braucht euch nicht zu belehren, welch lange Kette an Kriegen, Überfällen und Vergeltungsaktionen wir diesem wohl kriegslüsternsten aller germanischen Stämme verdanken. Mancher von euch mag ihnen selbst bereits im Kampfe begegnet sein, manchem mögen sie einen getreuen Kameraden geraubt haben."
    Nun wandte sich sein Blick zu Tiberius, welcher ihm bei seiner ersten Ambulatura vom Schrecken des Krieges berichtet hatte und dessen düsterer Blick beredtes Zeugnis davon gab, welchen Schmerz der Krieg selbst in den ruhmreichsten Kriegern evozierte.
    "Doch diente unsere Mission dazu, jenem unheilvollen Kreislauf ein Ende zu setzen. Ich verhandelte gestern mit den Häuptern der mächtigsten Gentes jenes Stammes, um euch für die Zukunft jenen grässlichen Blutzoll zu ersparen, den ihr und eure Kameraden vor euch stets zu leisten hatten."
    Der Jüngling machte eine kurze Pause und ein sublimes Lächeln brach sich die Bahn in Vorfreude auf das nun Folgende:
    "Und ich darf euch verkünden, dass ich euch zumindest vier Jahre der Ruhe für euch und eure Lieben erkaufen konnte!"
    Wieder pausierte Manius Minor kurz in der Erwartung, dass bereits jene Information seinem Auditorium Grund zum Jubilieren sein mochte.
    "Der Preis erscheint demgegenüber überaus moderat: Wir werden den Chatten Korn schicken, um ihre aktuelle Hungersnot zu lindern, was indessen keineswegs als ein Tribut misszuverstehen wäre, wie Rom ihn niemals leisten würde.
    Vielmehr wird es der Sold für eine Auxilia aus jungen Chatten dienen, welche sich für die Dauer jenes Friedens unter dasselbe Joch beugen werden, welches ihr auf euch nahmt. Anstatt Roms Grenzen zu bedrohen, werden sie sie defendieren, statt euch zu bekämpfen, werden sie an eurer Seite stehen, um andere Barbaren in ihre Schranken zu weisen."

    Diesmalig vermeinte der Jüngling keine ungebrochene Zustimmung in den Antlitzern der Soldaten zu erkennen, welchen es wohl doch nicht recht behagte, Seit an Seit mit ihren einstigen Gegnern zu fechten.
    "Oder vielleicht auch nicht..."
    , relativierte er seine Aussage wieder und sann nach einer adäquaten Ausflucht:
    "Sie werden in jedem Falle für unsere Seite fechten, vermutlich an einer fernen Front, fern von ihren Hütten."
    Wieder unterbrach der Jüngling seinen Redefluss, um sich zu sammeln und jener rhetorischen Sackgasse zu entfleuchen, um sich in ein Fahrwasser größerer Sekurität zu begeben.
    "Die Fürsten der Chatten schworen mir jenen Frieden zu halten und ich bin sicher, dass sie zu ihrem Wort stehen. Folglich erwarten euch Jahre der Ruhe. Zumindest an dieser Front."
    Der Tribun nickte, als konfirmiere er damit seine eigenen Worte.
    "Lasst uns also nach Hause zurückkehren, um euren Kameraden und unserem Legaten und Feldherrn, in dessen Auftrag ich gestern sprach, jene frohe Kunde zu bringen.
    Brechen wir unser Lager ab und marschieren wir, aufdass wir in den kommenden Jahren nicht genötigt sein werden, den Limes aufs Neue an dieser Stelle zu überschreiten!"

    "In der Tat."
    , konfirmierte der Tribun die Bemerkung hinsichtlich des chattischen Temperaments, welches wenige Tage zuvor ihn noch massiv geängstigt hatte, in der Retrospektive jedoch nicht mehr ganz so erschröcklich erschien, sodass seine Reminiszenz seine gelöste Gestimmtheit nicht zu vertreiben vermochte.
    "Deine Charakteristik der einzelnen Sippenoberhäupter konfirmierte sich übrigens vortrefflich und ich konnte von ihr während der Konsultationen durchaus profitieren."
    Womöglich hätte er auch selbst aus den ersten Reaktionen deduzieren können, von welcher Art die einzelnen Häuptlinge waren, doch war Lunas Liste, die er selbstredend sich im Vorfeld eingeprägt hatte, ihm in der Tat eine Stütze gewesen, insonderheit bei der Wahl der Sujets in den Gesprächen während des postthingualen Umtrunkes.


    Als Luna jedoch sich ihrer Pflichten erinnerte, wurde dem Jüngling gewahr, dass er in der Tat seit Tagen kein Bad mehr genossen hatte und folglich höchst dringlich einer Waschung, womöglich eines Bades in den Legionsthermen (deplorablerweise verfügte seine Casa ja nicht über den Luxus eines eigenen Badehauses) bedurfte.
    "Ein bad ist eine formidable Idee, meine liebe Luna. Ist dir bekannt, ob die Thermen im Castellum noch geöffnet sind?"
    Seine Absenz würde der Sklavin außerdem erlauben, ihren Centurio zu visitieren, welcher nun - horribile dictu - nach germanischem Recht augenscheinlich ihr Gatte war!