Beiträge von Manius Flavius Gracchus Minor

    Das Tribunat Manius Minors neigte sich seinem Ende zu und schon begann der Jüngling bisweilen darüber nachzusinnen, welche Impressionen jenes fremden Landes er noch zu sammeln hatte, in dem er nun bereits beinahe ein Jahr lebte, obschon er doch fast seine gesamte Zeit innerhalb der sicheren Mauern des Castellums oder zumindest inmitten römisch geprägter Soldaten und Honoratioren gefristet hatte. Germania hatte ihn herzlich empfangen, ja weitaus herziger, als er dies für possibel gehalten hatte, doch vermochte er nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob er jemals wieder jene Provinz würde bereisen, wenn er in Roma den Cursus Honorum weiter durchlief, weshalb es ihm eben geboten schien, all das auszukosten und zu konservieren, was den Charakter dieses rauen Landes prägte. Auf den Ratschlag seines Cornicularius hatte er daher am heutigen Tage es unternommen, eine typische germanische Taberna aufzusuchen, wo lokale Spezialitäten serviert und wahre, gewöhnliche Bewohner dieses Landes anzutreffen waren, sodass final er in der Taberna Silva Nigra gelandet war.


    Obschon der Jüngling, angetan in der Tunica Laticlava und einem soldatischen Pallium edler Machart sich bereits nach Betreten jenes Etablissements als ein Fremdkörper gefühlt hatte, war er in juvenilem Trutz bei seiner Entscheidung verharrt und hatte sich gemeinsam mit seinem getreuen Patrokolos an einem freien Tisch nahe der Fenster positioniert, von wo aus der Schankraum trefflich zu überblicken war. Mit einem Becher Met verharrte er nun dort, als unerwartet ein junger Mann an sie herantrat und den noch freien Stuhl erbat.


    Nicht eben erschien seine Figur jenem wohltradierten Stereotyp eines Germanen zu entsprechen, worauf bereits der Mangel jener härnen Gesichtszier und des langen Haares hindeutete, welcher dem jungen Flavius selbst bei den romanisierten Duccii so partikulär war erschienen. Indessen besaß der augenscheinlich noch recht junge Mann eine Statur, die durchaus der eines Germanen adäquat war, weshalb der Tribun, getrieben vom Vorwitz, einem gewöhnlichen Provinzialen in informeller Atmosphäre zu begegnen, freimütig erwiderte:
    "Durchaus! Mit wem haben wir das Vergnügen?"
    Mit jovialem Gestus wies er auf den freien Stuhl ihm gegenüber, wobei ihn aufs Neue Irritation erfasste, dass in diesem Etablissement, obschon es als Speisegaststätte und Hort gemütlicher Geselligkeit war konzipiert, keine Klinen parat standen.

    "Duccia Silvana erwies sich als überaus machtvolle Patronin unserer Sache."
    , erwiderte der junge Flavius freimütig. In der Tat hatte er zu konzedieren, dass zweifelsohne ihn der Mut verlassen hätte, hätte nicht die Seherin in delikater Situation interveniert und die Sippenväter zum Einlenken bewegt.
    "Ohne sie wäre unsere Zusammenkunft womöglich gar nicht zustande gekommen, darüber hinaus präparierte sie mich vortrefflich mit Informationen über die Lage und Befindlichkeiten der Chatten, was bei der Erarbeitung meiner Offerte von imponderablem Wert war."
    Niemals hätte er es gewagt, jenen sinistren Kriegern ex ante Friedfertigkeit zu unterstellen (was hinsichtlich einiger von ihnen ja durchaus auch eine Fehleinschätzung gewesen war) und somit gleich das Sujet auf die Konstruktion eines dergestalten Waffenstillstands zu wenden, zumal seine Offerte selbst ja nicht seinem eigenen, sondern dem Sinn entsprungen war.


    Wieder lächelte er vergnügt.
    "Obschon ich zweifellos wenig davon verstehe, so gab sie doch eine ehrfurchtgebietende Voelva ab, wie mir scheint."
    Selbstredend hatte der Tribun auf der Reise erfahren, dass dies Runas erste dergestalte Mission war, ja dass sie überhaupt erst seit kurzer Zeit jenes Seheramt ausfüllte, weshalb auch eine derarte Einschätzung gegenüber einer ihrer Patronae ihm geboten erschien.

    Die Vexillatio in pagos Chattorum erreichte die Castra am vorgerückten Nachmittag. Der Vorhut folgend war der junge Flavius als zentraler Akteur einem Triumphe gleich, flankiert von Duccia Silvanas und Centurio Tiberius in das Lager eingeritten, wo er unter dem Tore der Principia seine Männer dissolviert und in ihre Unterkünfte zurückgesandt hatte, um final sich seiner nahe gelegenen Casa zuzuwenden.


    Während sein Bursche Trautwin zu den Stallungen brachte, approximierte Manius Minor sich, geleitet von seinem getreuen Patrokolos, welcher in seiner Absenz das Regiment des Haushaltes der Coqua überantwortet hatte, seiner vertrauten Unterkunft, wo das Gesinde bereits ihn artig erwartete.
    "Salvete, meine Lieben!"
    , salutierte er sie vergnügt und passierte die kurze Parade der Dienerschaft und verweilte vor Luna, deren Erregung er trotz seiner Fehlsicht zu spüren imstande war. Mit einem warmen Lächeln richtete er das Wort an sie:
    "Deine Präparationen waren durchaus erfolgreich, meine liebe Luna. Ich vermute, ich bin dir zu größerem Dank verpflichtet, als ich zu ermessen vermag."
    Im Überschwange seiner Freude angesichts jener glücklichen Rückkunft war der Jüngling beinahe geneigt, die Germanin zu herzen, unterließ selbiges indessen doch ob der Unschicklichkeit einer derartigen Äußerung von Zuneigung zu einer Sklavin.

    "Durchaus, durchaus!"
    , erwiderte der junge Flavius und blickte für einen Augenschlag versonnen aus dem Fenster, als zahllose Remineszenzen an Begebenheiten durch seinen Geist fleuchten, in welchen er weitaus mehr erlernt hatte als potenziert bei sämtlichen Stilübungen Quinctius Rhetors.


    Sodann schob er jene Gedanken jedoch beiseite, offerierte gestisch seinem Quasi-Vorgesetzten den ohnehin bereits okkupierten Stuhl und lauschte der knappen Relation. Obschon auch er mit jenen inevitablen Banalitäten militärischer Administration, zu welchen auch die Versorgung mit Material zählte, inzwischen zu Genüge war torquiert worden, vermochte er noch immer keine Freude an jenem Sujet empfinden, sodass er die Resultate der iulischen Dienstreise lediglich mit einem knappen Nicken und ohne jedes Engagement quittierte.


    Fortunablerweise war Licinus indessen ohnehin nicht geneigt, weiter über die Qualitäten dieses oder jenes Rüstmaterials zu philosophieren, sondern wandte sich der Mission des Tribuns zu, welche, wie dieser bereits argwöhnte, zu den Glanzstücken seines nicht mehr allzu lange währenden Kriegsdienstes würde zählen können. Triumphierend lächelte der Jüngling folglich, ehe er freiheraus berichtete:
    "In der Tat. Noch liegt nicht die Konfirmation von Duccius vor, doch vermeine ich nicht zu übertreiben, wenn ich von einem Erfolg spreche: Die Verhandlungen waren durchaus robust, doch einigten wir uns final auf einen Frieden von vier Jahren Dauer. Zusätzlich werden die Chatten uns einen Auxiliarverband, bestehend aus Söhnen der nobelsten Familien jenes Stammes zur Verfügung stellen, während wir ihnen ein wenig Getreide zu liefern haben. Ich hoffe, dies ist für unsere Partei ein überaus günstiges Resultat-"
    Kürzlich erst hatte er den Missionsbericht für den Legatus Augusti pro Praetore der Post anvertraut, weshalb noch immer eine Replik ausstand, sodass noch immer eine gewisse Insekurität den Enthusiasmus des Jünglings hemmte.
    "-oder was meinst Du?"
    , fügte er daher nach kurzem Innehalten ein wenig zögerlich und nunmehr vernehmlich entkleidet von der Exaltiertheit seiner vorherigen Relation an.

    Deplorablerweise war Manius Minor just in jenen Tagen, als Duccius Vala zuletzt in Mogontiacum geweilt hatte, selbst ob einer professionellen Verpflichtung unpässlich gewesen, weshalb er final beschieden hatte, seinem Legaten epistulär Bericht über seine in den eigenen Augen durchaus erfolgreiche Mission zu erstatten. Folglich ließ er seinen Cornicularius rasch eine Relation aufsetzen, welche er mit Siegel und Signet vollendete und sodann an die Regia versenden ließ, von wo aus regelmäßig Stafetten zwischen Mogontiacum und dem jeweils aktuellen Standort des Statthalters verkehrten.

    Legatus Augusti pro Praetore
    Titus Duccius Vala
    In itinere
    Germania Superior


    Tribunus M' Flavius Gracchus Minor Ti. Duccio Valae Legato suo s.d.


    Mit Freuden hätte ich dir, Legatus, persönlich hinsichtlich meiner Mission zu den Chatten Bericht erstattet. Dies war mir indessen ob meiner dienstlichen Absenz während deines letzten Besuches in Mogontiacum nicht möglich, weshalb ich dich nun in schriftlicher Form hinsichtlich ihrer Resultate in Kenntnis setzen möchte.


    Gemäß deinen Befehlen auf der Stabsbesprechung brach ich mit einer stattlichen Vexillatio, bestehend aus den Centuriae III und IV der Cohors I, der Centuriae V und VI der Cohors VIII meiner Legion sowie der Turma I der Ala II Numidia, ANTE DIEM V KAL AUG DCCCLXVII A.U.C. (28.7.2017/114 n.Chr.) auf. Der Marsch in die Gaue der Chatten verlief ohne jedweden Zwischenfall den vereinbarten Treffpunkt.


    Unter Vermittlung der Seherin Iduna alias Luna, welche derzeit in meinem Haushalt als Sklavin dient, war meine Mission nämlich bereits durch Duccia Silvana präpariert worden. Obschon mir bewusst ist, dass der Ratschlag einer Sklavin, die zugleich einen Gegenstand der geplanten Verhandlungen darstellte, in dieser Angelegenheit überaus kritisch zu bewerten war, erschien es mir doch adäquat, mit Duccia Silvana nicht lediglich eine weitere germanische Seherin, welche über hohes Ansehen bei den Chatten verfügt, sondern auch die Tochter des amtierenden Flamen Divi Augusti und Angehörige deiner eigenen Familia zu integrieren, da sie ob letzterem über jeden Zweifel der Loyalität erhaben ist, ob ersterem jedoch ideal geeignet erschien, um den Kontakt mit den chattischen Sippen herzustellen. Entsprechend unseren Abreden war sie bereits einige Tage vor unserem Aufbruch in die Lande der Chatten gereist, um mit den wichtigsten Sippenoberhäuptern jenes Stammes eine Versammlung anzuberaumen, vor welcher mir zu sprechen gestattet wurde. Während unseres Marsches stieß sie sodann zu unserer Vexillatio und setzte mich über die aktuelle Lage vor Ort in Kenntnis, welche sich als überaus günstig präsentierte: So hatte sie in Erfahrung gebracht, dass die Chatten derzeitig Rom durchaus nicht feindlich gesonnen seien, da sie durch interne Zwistigkeiten gelähmt und durch Missernten in ihren Kräften eingeschränkt würden. Auch hinsichtlich der Versklavung der Seherin Idun alias Luna berichtete sie erfreulicherweise, dass diese seitens der Chatten als Ordal akzeptiert sei und somit keinen Casus belli darstelle.


    Aus diesem Grunde entschied ich mich, bei den Verhandlungen eine wagemutigere Strategie anzuwenden. In Begleitung von Duccia Silvana und Aulus Tiberius Verus, dessen Präsenz die Duccia dringlich angemahnt hatte, nahm ich sodann an jenem Thing teil, welcher explizit für mich einberufen worden war. Obschon sich die Disputationen anfänglich als diffizil erwiesen, gelang es mir unter Mithilfe Duccia Silvanas, einen vierjährigen Frieden zwischen dem Stamm der Chatten und dem Imperium zu verhandeln. Hinsichtlich der Konditionen kamen wir überein, dass sämtliche der führenden chattischen Familien jeweils einen Sohn aufbieten, welcher sich für die Laufzeit des Friedensvertrages in römische Kriegsdienste begibt, wobei Verpflegung und Unterkunft unsererseits zu stellen sein wird. Im Gegenzug sind wir gehalten, in einem noch näher zu definierenden Umfang Getreide an die Chatten zu liefern, um ihre Versorgung über den Winter hinweg zu ermöglichen.
    Ich hoffe, mit jenem Vertragswerk meine Kompetenzen nicht überschritten zu haben, doch erschien es mir geboten, die günstige Situation zu nutzen, um eine mittelfristige Sicherung des Limes zu erwirken, welche zudem für uns mit geringen Kosten verbunden ist. Erstlich impliziert die Stellung des chattischen Kampfverbandes nämlich eine überaus wirksame Absicherung des Friedens, da die Anverwandten der führenden Familien gleichsam als Geiseln einzusetzen wären, des Weiteren bietet jene Übereinkunft uns den Zugriff auf potentiell kampferprobte Auxiliartruppen, deren Einsatz in unserem Ermessen steht, und schließlich wurde diesen keinerlei Besoldung zugesprochen, sodass jene Ersparnis zugunsten der verabredeten Getreidelieferungen eingesetzt werden kann. Obschon ich nicht zu ermessen vermag, welche konkrete Mission einem derartigen Auxiliarverband zuzuweisen sein mag, so bin ich doch überzeugt, dass sich eine derartige Mission finden mag, zumal in vier Jahren die Option besteht, jene Konditionen wieder aufzugeben oder bei günstiger Entwicklung der Lage sogar zu prolongieren.


    Ich bin folglich geneigt diese Mission als durchaus erfolgreich zu bewerten und hoffe, damit deinen Erwartungen und Wünschen entsprochen zu haben. Hinsichtlich der Versklavung Idunas alias Lunas ließ der Thing im Übrigen ebenso Versöhnlichkeit erkennen, da Aulus Tiberius Verus ein zeremonielles Schwert überreicht wurde, um fortan als Patron der emeritierten Seherin zu fungieren.


    Sämtliche Beteiligte der Vexillatio haben in exzellenter Weise ihren Dienst versehen, weshalb ich vorschlage, sie für jene durchaus riskante Mission mit einer Phalera auszuzeichnen. Dies möchte ich indessen deiner Entscheidung überlassen und erwarte deine weiteren Befehle.


    Vale bene!

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    TRIBUNUS LATICLAVIUS - LEGIO II GERMANICA

    Durch die Absenz des Praefectus Castrorum waren dem jungen Flavius zusätzliche Obliegenheiten erwachsen, da er damit als formal ranghöchster Offizier der Legion die finale Verantwortung für den alltäglichen Betrieb des Castellums hatte übernehmen müssen. Insofern war er durchaus erleichtert gewesen, als er von der Rückkehr des Iulius erfahren hatte, was er bei dessen Besuch durch einen herzlichen Empfang ihm kommunizierte:
    "Salve Iulius!"
    Er präsentierte ein offenes Lächeln, während der Praefectus näher trat und somit zu einem jener vertrauten Schemen verschwomm, welche der junge Flavius durch Gewöhnung inzwischen dennoch anhand von Textur und Gestik zu identifizieren vermochte.
    "Mir erging es durchaus gut. Ich denke, ich kann dir deine Legion wieder wohlbehalten übergeben. Doch wie verlief deine Mission?"

    Die Offerte des Centurio stieß nicht auf undifferenzierte Begeisterung, da er doch sich trefflich zu entsinnen vermochte, welch Last ihn die Exerzitien unter den Augen von Optio Octavius gewesen waren, wo neben reichem Schweiß und schmerzenden Gliedern nur mäßige Resultate waren zu konstatieren gewesen. Hinzu trat, dass seiner bisherigen Erfahrung nach die Fechtkunst durch die Obliegenheiten seines Amtes nicht eben gefordert waren, sondern taktische Schulung ihm von weitaus größerem Nutzen gewesen wäre. Selbstredend wollte er den Tiberius, welcher so freimütig sich ihm geöffnet hatte und der zweifelsohne über höchste Kapazitäten in jenem Metier verfügte, selbst einen dicklichen Patrizier die Mores der Kriegskunst zu lehren, mitnichten brüskieren, ja spürte selbst, dass einige korporale Ertüchtigung ihm zweifelsohne wohl anstehen würde, dennoch ließ die Furcht, aufs Neue sich in unwürdiger Pose zu begeben und die Qualen von Überanstrengung, Azidose und der Einsicht in die eigene Inkapabilität zu erleiden, ihn zurückweichen, weshalb final er lavierend erwiderte:
    "Ich genoss bereits in Rom einen gewissen Fechtunterricht..."
    Seine Erprobung würde zweifelsohne Octavius Maro in inadäquater Weise beschämen, da er in der Kürze der Zeit doch beachtliche Anstrengungen unternommen hatte, seinen noblen Scholaren so gut als possibel an die Materie heranzuführen, doch würde der Centurio dies kaum wagen. Verlegen räusperte sich Manius Minor somit und fügte ein wenig gedehnt an:
    "Insofern danke ich dir für deine Offerte, doch möchte ich dich folglich nicht von deinen Obliegenheiten abspenstig machen."
    Jene Refutation erschien ihm, kaum hatte er die Worte gesprochen, wieder als jene Feigheit, welche er eigentlich abzulegen sich geschworen hatte, sodass sogleich sein Gewissen ihn anklagte und er genötigt war, dem festen Blick des Centurio auszuweichen. Doch die Worte waren gesprochen.

    Wie geboten übernahm einer der Milites die Prüfung von Zähnen und Hufen Trautwins, doch wie Duccius Marsus bereits prophezeit hatte, fanden selbige sich augenscheinlich in tadellosem Zustand. Manius Minor betrachtete jene routinierten Handgriffe, welche auch sämtliche übrigen Eigenschaften des Rosses kontrollierten, während er sich fragte, ob selbige Handlungen jenen von Sciurus auf dem Sklavenmarkt glichen, wenn er neues Gesinde für die Villa Flavia Felix erwarb.
    Schließlich blickte der Jüngling zufrieden zu dem Duccius.
    "Ich wünsche es zu kaufen. Welchen Preis verlangst du?"
    Jene Partie des Kaufes würde Patrokolos obliegen, der nicht allein den Haushalt, sondern ebenso die Kasse des jungen Flavius verwaltete und somit weitaus bessere Kenntnis über adäquate Preise für die Dinge des täglichen Bedarfes besaß.

    Der junge Flavius lächelte genant, als Gunar ihm seine Admiration zollte und mit ihm anstieß. Obschon jener Gruß ihn nötigte, erneut von seinem bitteren Gebräu zu kosten, kalmierte ihn doch jene nunmehr gelöste Stimmung, in welcher sämtliche Differenzen, jedwede Stereotypen der unversöhnlichen Chatten sich in Wohlgefallen solvieren schienen. Selbstredend mochte er lediglich im Falle einer Verkettung zahlreicher Zufälle in vier Jahren neuerlich an dieser Stelle stehen, doch konfirmierte dies seine Absicht, jene Szenerie noch für eine Weile zu genießen.


    Folglich verblieb der Tribun noch eine ganze Weile in jener freudigen Runde, parlierte oberflächlich gar mit einigen der Sippenhäupter, wobei dennoch er sich von Wulf und seinen hostilen Gefährten ferne hielt, genehmigte sich, nachdem er unter größten Mühen das Bier beendet hate, einen weiteren Becher des güldenen Mets, welcher weitaus mehr seiner Liebe zum Süßen entsprach, und lehnte final die chattische Eskorte zu seinem Lager dankend ab.


    ~~~


    Als er schließlich gemeinsam mit dem Tiberius und der Duccia den Rückweg antrat, wobei er sich durch Patrokolos gar stützen ließ, um in der Dunkelheit des Abends und bereits ein wenig umnebelt vom Trunke nicht über jene inidentifikablen Wurzeln zu stürzen, resümmierte er:
    "Durchaus etwas anderes als die hypothetischen Wortgefechte bei meinem Rhetor in Roma. Doch ich bin glücklich, diese Mission hinter mich gebracht zu haben."
    Nun würde er seine Resultate noch vor dem Statthalter zu defendieren haben, was womöglich eine similäre Anstrengung würde darstellen, nachdem Duccius Vala nicht eben als ein Mann galt, welcher leicht zu saturieren war.


    ~~~


    In völliger Dunkelheit erreichten sie final jenen Posten, an dem Germanicus Varro mit seinen Männern ihre Reittiere verwahrt und zugleich das Thing-Gelände im Auge bewahrt hatte. Der junge Flavius trat zu dem Decurio und nickte zufrieden.
    "Augenscheinlich haben meine Tugenden genügt, Germanicus! Wir haben einen Vertrag mit den Chatten erhandelt."
    Zweifelsohne hatte der Decurio jenes bereits vermutet, dennoch erschien es dem Jüngling geboten, jenes Resultat erstlich zu verkünden.
    "Wir können folglich abziehen. Alles weitere wird dem Legatus Augusti zu erhandeln verbleiben."

    Als erster ergriff der Delator das Wort:
    "Wegen der Schwere der Verletzungen würde ich fast für eine Missio Ignominosa plädieren. Ich sehe keinen großen Unterschied zu einem versuchten Totschlag."
    Manius Minor dachte zurück an den Prozess gegen Germanicus Peticus, wo ihm das Strafmaß des Praefectus Urbi reichlich milde erschienen war, zumal der Procurator a cognitionibus für eine härtere Strafe plädiert hatte, wurde in seinen Gedanken indessen vom Defensor unterbrochen:
    "Minidius ist kein Mörder. Er ist nicht besonders helle und ein bisschen heißblütig. Aber wenn wir ihn entlassen, sehe ich ihn schon als Straßenräuber auf dem Schafott stehen. Das nützt weder uns, noch ihm."
    Jene Einschätzung erschien dem jungen Flavius nicht eben juristisch, doch vermochte auch er nicht zu imaginieren, wer einen derartigen Narren, welcher konträr zu Germanicus Peticus nicht über eine reiche Familie verfügte, die wohl oder übel sich seiner annehmen musste, in Lohn und Brot befördern würde.
    "Außerdem ist er ein guter Soldat. Gewandt. Furchtlos. Es wäre ein Jammer, ihn an die Gegenseite zu verlieren."
    Auch jenen Gedankengänge vermochte Manius Minor zu folgen, zumal Furchtlosigkeit nicht selten mit Dummheit einherging, ja in einem gewissen Umfange gar als ein Synonym war zu ästimieren. Der Delator schien dem indessen nichts hinzuzufügen haben, da augenscheinlich er lediglich sich in professioneller Weise in den Casus engagierte.
    "Nun, dann möchte ich eine Militiae Mutatio zu den Auxiliares unterbreiten, verbunden mit einem eintägigen Strafstehen ohne Cingulum Militare vor er Principia, um die Schändlichkeit seines Verhaltens gegenüber einem Kameraden allen Passanten vor Augen zu führen."
    Der Codex Militaris gab wenig Handhabe hinsichtlich eines exakten Strafmaßes für dergestalte Vergehen, doch erschien dem Jüngling jene Lösung als hinreichendes Äquivalent zu der bis zu neunmonatigen Haftstrafe, welche der Codex Iuridicialis für schwere Körperverletzung vorsah.
    "Fulvius Macer sollte auch eine Entschädigung bekommen. Er wird zwar wieder, aber ich glaube, er hatte auch ordentlich Schmerzen."
    , warf nun wiederum der Delator ein, was wiederum Minidius' Centurio sogleich aufgriff:
    "Wir können ihm den Sold für einen Monat abziehen und an Fulvius zahlen."
    Da dem Tribun ohnehin jedwedes Gefühl für finanzielle Mittel fehlte, nickte er schlicht.
    "Dann sei es so. Militiae Mutatio, Strafstehen und ein Schmerzensgeld von einem Monatssold."
    Die beiden Centurionen konsentierten ihrerseits mit einem Nicken.
    "Dann teilen wir Minidius sein Schicksal mit!"

    "Der Angeklagte Caius Minidius Scato!"
    , rief der Praeco (welcher selbstredend ein gewöhnlicher Legionarius war) an der Pforte und öffnete selbige. Hereingeführt wurde, geleitet durch einen Wächter, besagter Beklagter, ein großer, muskulöser Mann mit schwerem Schritt, welcher vor den Augen des Tribuns, der am Ende der Schola auf einem erhöhten Tribunal Platz genommen hatte, zu einem Schemen verschwamm, der kaum von seinem Wächter zu differenzieren war. Er war heute als Iudex in einem Militärjustizverfahren eingeteilt worden, um den allzeitig okkupierten Legatus zu entlasten. Der Fall, welchen er zu verhandeln hatte, war nicht sonderlich kompliziert, wie dies dem Usus von Militärjustizverfahren entsprach, dennoch gewährte er Einblick in die rohe Welt der gemeinen Milites.


    Kaum hatte der Beklagte seinen Platz vor dem Tribunal eingenommen, erhob sich von der Bank zur Rechten des jungen Flavius ein Centurio, der zum Advocatus des Opfers bestimmt worden war:
    "Legionarius Minidius wird zur Last gelegt, an den Kalenden des September seinem Kameraden Quintus Fulvius Macer nachts im Intervallum aufgelauert und ihn mit seinem Dolch schwer verwundet zu haben. Anschließend ließ er ihn liegen und kehrte in seine Centuria zurück. Die Anklage legt ihm deshalb versuchten Totschlag zur Last."
    Selbstredend verzichteten die Tribunale innerhalb einer Legion auf jenen rhetorischen Zierrat, welcher die Gerichtshöfe Romas dominierte, zumal es sich bei den Rhetoren ja um gemeine Soldaten handelte, welche womöglich Geschick besaßen, wenn sie ihre Männer erbauen sollten, die jedoch keinerlei Kenntnis hinsichtlich der Feinheiten kultivierter Beredsamkeit besaßen. Indessen genügten selbst jene dürren Fakten, um den Tribun zu motivieren, irritiert das Haupt zu schütteln angesichts jener stumpfsinnigen Brutalität, welche jedweder Mär von soldatischer Kameradschaft und Disziplin Hohn sprach.
    "Bist du geständig?"
    , formulierte Manius Minor seine erste Frage, obschon die Replik ihm aus den Akten längst bekannt war.
    "Ich geb' ja zu, dass ich Macer e' bissle mit dem Dolch bearbeit' hab', aber umbringe' hab' ich'n net g'wollt!"
    Der Tribun runzelte die Stirn ob der dialektalen Entstellung der Sprache des Beklagten, welche es ihm kaum gestattete, den Sinn jener Worte zu erfassen. Sogleich erhob sich der Centurio des Minidius, verpflichtet als Defensor seines Untergebenen, um seinen Wunsch das Wort zu ergreifen zu exprimieren, was der Jüngling auf dem Richterstuhl selbstredend gestattete:
    "Minidius hatte nicht vor, Fulvius zu töten. Es ging bloß um einen Streit wegen eines Würfelspiels, bei dem Fulvius den Angeklagten betrogen haben soll. Der Angriff sollte also nur... einem vermeindlichen Betrüger eine Lektion erteilen."
    Neuerlich war der junge Flavius genötigt, die Stirne zu runzeln, da er auch beim neuerlichen Vernehmen jenes Motives, obschon der Casus ihm längst bekannt war, nicht nachzuvollziehen imstande war, warum man aufgrund derartiger Nihilitäten das Leben eines Kameraden in jener Weise riskieren konnte. Obschon sein Tribunat nun bereits eine Weile währte, fühlte er sich noch immer außerstande, die primitive Welt jener tumben Legionäre zu ergründen, aus deren Schar lediglich ausgesuchte Exemplare mit mehr Geist und Reflexionsgabe hervorragten.
    "Warum, Legionarius Minidius, ließest du dann deinen Kameraden in seinem Zustand achtlos zurück?"
    , mühte er sich, der Einsicht des Beklagten ein wenig auf die Sprünge zu verhelfen, erntete jedoch lediglich einen spöttischen Kommentar:
    "Na ich hol' doch net de' Capsarius für so'en Betrücher!"
    Augenscheinlich verstand Minidius nicht lediglich nichts von Sensibilität und Selbstdisziplin, sondern ebensowenig von strategischem Verhalten bei Gericht, wie der Tribun zu konzedieren genötigt war. Doch selbst sein Centurio schien wenig motiviert, jenen unklugen Gesellen zu defendieren, denn seine Explikation fiel mäßig aus, als der junge Flavius die Aussage kritisch subsummierte:
    "Du nahmst also lediglich den Tod von Fulvius billigend in Kauf?"
    "Minidius hat wohl nicht über die Folgen seines Handelns nachgedacht. Es ging ihm nur um den Ärger, dem er Luft machen wollte."
    Bereits vor Beginn jenes formellen Verfahrens hatte Manius Minor den Centurio des Täters gehört, um seine Einschätzung hinsichtlich des geeigneten Strafmaßes zu hören, weshalb jene nebulöse Rechtfertigung, welche vor einem regulären Gericht zweifelsohne eher Spott auf sich gezogen hätte, da bekanntlich Fahrlässigkeit mitnichten vor Strafe schützte, ihn nur mäßig verwunderte, hätte er doch selbst kaum vermocht einen derart brutalen Angriff zu defendieren.


    Im Grunde war jenes Verfahren somit beendet, ehe es recht begonnen hatte, was wiederum den Tribun nicht eben motivierte, sämtliche Formalia peinlichst zu befolgen. Fragend blickte er zu dem Delator, dessen Dienste in diesem Raume nahezu obsolet erschienen, nachdem Tat und Täter so trefflich für sich selbst sprachen:
    "Bestehen Zweifel hinsichtlich des Tatherganges?"
    Der andere Centurio erhob sich und blickte streng zu seinem Prozessgegner.
    "Der Angeklagte ist geständig. Das Opfer befindet sich noch im Valetudinarium, konnte aber seinen Angreifer zweifelsfrei identifizieren. Ich denke, das genügt."
    Fortunablerweise war Minidius zumindest derart aufrichtig, dass er seine Tat nicht negierte, sondern augenscheinlich freiheraus gestanden hatte, kaum war der Verdacht auf ihn gefallen.
    "Dann werden wir die Beweisaufnahme schließen."
    , beschied somit der Tribun und nickte. Minidius wurde aus dem Raum geführt, um eine private Unterredung der Offiziere zur Schöpfung des Urteils zu ermöglichen.

    Mit Erstaunen vernahm der jungen Flavius eine weitere poetische Rezitation, welche selbstredend er nicht als eine Eigenkreation zu würdigen wusste, doch immerhin es als beachtlich genug erachtete, dass jener desillusionierte Kriegsknecht über eine dergestalt sensible Ader verfügte. Überhaupt präsentierte der Tiberius nun ein konträres Antlitz zu den vorhigen Äußerungen, wirkte er nahezu beglückt trotz des noch immer düster angehauchten Sujets seiner Äußerungen. Auch sein finaler Schluss mochte in gewisser Weise eine Binsenweisheit reproduzieren, da doch kaum ein Mann von Bildung eine Gottheit wie Roma sich als personales Wesen imaginierte, sondern vielmehr in ihr einer Idee huldigte, welche zweifelsohne von den Unsterblichen geliebt und von den Sterblichen aufrechterhalten wurde.


    Der Rat des Centurio verpuffte indessen ohne sonderlichen Eindruck, erschien er dem Tribun doch zu sehr als altkluge Plattitüde, welche höchstens unreflektierte Platoniker zu irritieren vermochte, hatte er doch selbst jenes Tribunat lediglich angetreten, da ihm wohlbewusst war, dass Ideale, über welche der Jüngling ohnehin nur in bedingtem Maße mehr verfügte, die Unsterblichen kaum kalmieren würden, dass allein Taten ihm jenen Ruhm würden einbringen, welchen er zur Satisfaktion seiner Ahnen benötigte.
    "Das werde ich tun."
    , erwiderte er dennoch artig, in einem zweiten Gedanken sich doch mühend, jenem Ratschlag Positives abzugewinnen und erkennend, dass bisweilen jener Rat doch selbst ihm von Nutzen sein mochte, dachte er an seine makelhafte Bilanz bisheriger Vorsätze und Pläne zurück.

    Die Volksweise, welche der Tiberius intonierte, reanimierte den verdrängten Zweifel im Geiste des Tribuns doch wieder aufs Neue und vermochte auch ihn in jene Melancholie zu reißen, die den Centurio mit jedem Worte mehr erfasste. Womöglich war es hochmütig, jene deplorablen Kriegsversehrten mit ihren tristen Geschichten zu verachten, hatten sie doch ihre Unversehrtheit, ja ihr Leben in den Dienst Roms gestellt, hatte sich zu jenem Tonsoldat gemacht, mit welchem die Feldherren zu spielen pflegten. Niemals hatte der junge Flavius als Knabe erwogen, was es realiter bedeutete, wenn Legionäre gleich seinen Holzfigürlein auf dem Schlachtfeld fielen, dass keineswegs ein gebrochenes Glied durch einen findigen Diener und ein wenig Klebstoff zu salvieren war und die Toten nicht schlicht aufzurichten und zum nächsten Schlachtfeld zu transportieren waren.


    Als Verus geendet hatte, beobachtete der Jüngling somit voll Compassion, wie augenscheinlich ein Schwall von Emotionen über ihn hinwegfegten, ehe aufs Neue er die Kontrolle über sich zurückgewann, um seinen Standpunkt aufs Neue zu konstatieren. Obschon er die Augen seines Opponenten im Halblicht der Dämmerung nicht zu identifizieren vermochte, erschauderte er vor der Kälte, die aus seinen Worten sprach.
    In jenem Punkte zumindest mochte er durchaus Recht behalten, denn auch dem jungen Flavius war seine Pflicht zumeist eher Last denn Lustbarkeit, auch er vermochte sich Angenehmeres zu imaginieren, als allmorgendlich bei Sonnenaufgang sich zu erheben, um tagein tagaus sich ennuyanter Administration zu widmen, unterbrochen von schweißtreibenden Exerzitien mit dem Gladius und geistlosen Konversationen mit tumben Soldaten. Schon das Vigintivirat war ihm als Plage erschienen, doch immerhin erhellt von der Perspektive, danach das Leben eines vollendeten Epikureers ergreifen zu können. Nun jedoch wusste er nicht recht, ob überhaupt Grund zur Hoffnung bestand, da doch seit jener maternalen Vision im Krankenbett er keine Nachrichten aus dem Jenseits mehr erhalten hatte, sodass er selbst bei größten Mühen dazu verdammt war, um den Lohn all jenen Laborierens zu bangen.


    "Wir haben jene Rolle zu geben, welche uns zugewiesen ist."
    , resümmierte er endlich auf die patriotische Floskel des Tiberius, deren mangelnder Ernst ihm in der Tat entging.
    "Doch dürfen wir wohl hoffen, dass ein wenig von Roms Schein auch unser Leben erhellen wird."

    Die Replik des Tiberius hatte Manius Minor nur mäßig irritiert, nachdem er ja bereits bei Lunas Übergabe in seinem Hause geargwöhnt hatte, dass beide eine erotische Beziehung verband, obschon es ihn ein wenig verwunderte, dass der Centurio jene Relation als Liebe zu titulieren wagte. Luna war seine Sklavin, dem Rechtsstatus nach nicht mehr als ein Stück Vieh, während Verus gar einem patrizischen Geschlecht entstammte, in Roma eine, wenn auch geschiedene Gemahlin hatte und impossiblerweise öffentlich mit jener Dienerin an seiner Seite auftreten konnte. Dennoch empfand er eine gewisse Sympathie für jene emotionale Äußerung, die ausnahmsweise nicht von Desillusion und Düsternis war geprägt, sondern, wie der Jüngling dem Timbre in seiner Stimme entnahm, aufrichtig sein Innerstes hervorkehrte.
    Sein Blick ruhte für einen Augenschlag auf dem Schwert, welches der gerührte Soldat nunmehr in Händen hielt und um das der Tribun ihn beinahe ein wenig beneidete, da ein derartiges germanisches Schwert zweifelsohne ein formidables Souvenir seine Kriegsdienstes hätte repräsentiert.


    Der Augenblick verflog indessen, als er das Prosit der Germanen erwiderte und die Seherin ihn mit gewisser Admiration adressierte:
    "Zweifelsohne konnte ich dies lediglich erreichen, weil mein Auftritt hier so trefflich präpariert wurde."
    , erwiderte er darauf mit einem genanten Lächeln in Richtung der Duccia, die ja bereits vor seiner Ankunft mit diversen Sippenhäuptern gesprochen und ihm letztlich den Horizont realistischer Forderungen unterbreitet hatte, in welchem er sich mit gewisser Umsicht bewegt hatte. Ein wenig nervös führte er aufs Neue den Becher zum Mund, uneingedenk, dass es bei seinem Inhalt um Bier sich handelte, welches auf den zweiten Schluck nicht eben mehr goutierte als auf den ersten.


    Dessenungeachtet verschluckte er sich gar ein wenig, als er den Kommentar hinsichtlich der Ehelichung des Tiberius vernahm, da er doch augenscheinlich trefflich in jenes vorherige Liebesgeständnis fügte, für einen Soldaten hingegen sich überaus gewagt ausnahm. Wenn der Liebe zwischen Verus und Luna Kinder entspringen würden, würden jene dem Stand ihrer Mutter folgen und Sklaven werden, um womöglich einst den Status eines Libertinus zu erringen. Manius Minor dachte zurück an Caius, seinen Freund aus Kindheitstagen, ebenfalls illegitimer Spross eines, wenn auch flavischen Patriziers, welcher gänzlich ohne Vater war aufgewachsen (zweifelsohne indessen aus dem Grund, dass Flavius Aquilius niemals eine emotionale Relation zu seiner Mutter hatte gepflegt).
    "Natürlich lediglich in den Augen jener Germanen."
    , wies er daher ein wenig altklug auf die juristische Situation hin, welche nach römischem Recht ja ohnehin nicht erlaubte, dass ein Centurio ein Weib, schon gar keine Sklavin, ehelichte.

    Eine Weile blickte der Tribun in die hereinbrechende Nacht hinaus und ließ jene aufs Neue philosophischen Gedanken langsam verhallen. Als der Decurio sodann keine weiteren Anliegen an ihn herantrug, nickte er.
    "Mich zumindest saturiert, was du und deine Männer geben. Ich wollte dies lediglich klarifiziert haben. Weitermachen!"
    Mit einem Lächeln wandte der junge Flavius sich um, um lediglich festzustellen, dass im inzwischen entstandenen Dunkel der Nacht er kaum imstande war, sich zu orientieren. Schlagartig wurde ihm sodann jedoch bewusst, dass sein Zelt am Kreuzungspunkt der zentralen Wege des Lagers lag und er sich am Zelt des Decurio ebenfalls unmittelbar neben der Via Principalis befand. Also zog er erneut sein Paludamentum ein wenig enger und machte sich davon, stets die Füße deutlich anhebend und sorgsam voreinander setzend, um nicht ohne Patrokolos' Führung einer in der Dämmerung inidentifikablen Bodenwelle zum Opfer zu fallen.

    Der Griff des Chatten glich einem Schraubstock, welcher um die zarte Hand des Tribunes sich schloss, dass beinahe er vor Schmerz das Antlitz hätte verzögen, doch lächelte er voll Tapferkeit, um nicht als jener verzärtelte Römling, der er war, Spott auf sich zu laden.
    Die Ankündigung eines Umtrunkes hingegen ließ den Jüngling aufs Neue abhorreszieren, da er doch mitnichten geneigt war, mit jenen Barbaren zu trinken, die wohl jenen primitiven Honoratioren von Nida glichen oder sie gar an Intellekt unterboten, unerachtet dass Luna bereits ihn gewarnt hatte, dass es für ein derartiges Unterfangen durchaus einer gewissen Trinkfestigkeit bedurfte, über welche er, nachdem er seit seiner Purgation dem Übermaß auch im Weinkonsume abgeschworen hatte, zweifelsohne nicht mehr verfügte.


    Fortunablerweise erhielt er jedoch erstlich ein wenig Aufschub, der indessen ebenfalls ein obskures Ritual versprach, als ein Schwert hervorgeholt wurde. Schon fürchtete der junge Flavius, den Vertrag nun zusätzlich durch ihr Blut zu besiegeln wäre, was dem Jüngling jedoch nicht lediglich barbarisch, sondern auch ridikulös erschien, als der Sprecher der Sippen sich seinem Centurio zuwandte.
    Neue Furcht stieg auf in dem Tribun, als der germanische Name Lunas verbalisiert wurde. Waren die Einschätzungen der Duccia fehl gegangen, würden die blutdürstigen Chatten nun das Haupt des Tiberius fordern, um ihre Seherin zu rächen, welche ungerechterweise zum Dank ihres Einsatzes für diesen mit Sklaverei und blutrünstiger Folter war gestraft worden? Der Jüngling dachte zurück an sein Zwiegespräch mit Verus, der ihm durchaus als ein Befehlsempfänger war erschienen, welcher nicht sonderlich an seinem Leben hing und womöglich seine Tötung würde akzeptieren, um seinen Vorgesetzten und insonderheit seine Kameraden zu retten. Doch durfte Manius Minor als Tribun derartiges gestatten? Konnte er es wagen, einen Centurio auf seiner diplomatischen Mission zurückzulassen, um sich den Frieden der Chatten zu erkaufen?


    Doch war der Jüngling glücklicherweise nicht genötigt, jene Fragen praktisch zu replizieren, denn schlagartig wandelte sich der Ton und anstatt das Schwert in den Tiberius zu rammen, reichte man es ihm als Ehrengabe. Von da an löste sich mit jedem Wort die Anspannung des Tribuns und er atmete erleichtert auf. Die Chatten mochten ein exotisches Volk sein, doch erwies sich dies für den jungen Flavius als Glück!
    Inmitten jener Erleichterung ergriff er dankbar einen der Becher und erhob ihn, um seinen vor Schreck gänzlich ariden Mund zu ölen.
    "Auf eine neue Ära!"
    , repetierte er sodann die Worte Gunars und goss ebenfalls ein wenig seines Trunkes auf die Erde, mental Mars Thincsus dankend, welcher zweifelsohne jene gedeihliche Resolution hatte gesegnet, und nahm einen tiefen Schluck, welcher deplorablerweise sich als Bier erwies und in seinem herben Gustus nichts als Degout in dem jungen Flavius evozierte. Voll Abscheu schluckte er dennoch tapfer den Gerstensaft und verbarg seine refutierende Mimik hinter dem Becher, ehe er die Kontrolle über sein Antlitz wieder erlangt hatte und in die Runde lächelte.


    "Augenscheinlich hat dein Geleit an diesen Platz sich gelohnt."
    , scherzte er sodann an die Adresse des Centurio.

    Der junge Flavius, in Vescularius' Tagen noch ein unmündiger Knabe, dessen Interessen eher dem Spiel mit seinen Legionärsfigürlein und den grammatischen Exerzitien seines Paedagogus Artaxias gegolten hatten, nickte schweigend, da doch auch er jene Version der Historie aus den Mündern seiner Anverwandten und ihrer Gäste vernommen hatte und durchaus zu glauben geneigt war.


    Mitnichten leuchteten dem Tribun hingegen die folgenden Worte ein, ja sie ließen ihn gar ein wenig an der Ratio seines Opponenten zweifeln, da er doch selbst mit 'Intention' lediglich den Wunsch, dem Lande dienen und sich Ruhm zu erwerben, bezeichnet hatte, was einem vernünftigen Mann doch stets einleuchten oder zumindest nachvollziehbar erscheinen musste.
    Unerwartet brachen sodann jedoch aufs Neue düstere Reflexionen über das Schlachtfeld hervor, welche den flavischen Jüngling daran erinnerten, dass auch seine letzte Unterredung mit dem Tiberius in jenes sinistre Gefilde abgedriftet war und es folglich wohl ein Lieblingsthema des Centurio darstellte gleich einem Greisen, der beständig von bestimmten Episoden seines Lebens berichtete, obschon die Differenz selbstredend jene war, dass ein Greis für gewöhnlich melancholisch einer guten alten Zeit nachtrauerte, während Verus sich selbst durch seine tristen Remineszenzen in umso düsterere Stimmung zu stürzen schien. Bei Manius Minor indessen evozierten diese Rapporte über das Grauen des Soldatenberufes ein gewisses Befremden, da sie doch sich keineswegs in die gebräuchliche Narration vom Ruhm der römischen Waffen, vom süßen, ehrenvollen Dienste fürs Vaterland und das Wohl, das die Legionen durch ihren zweifelsohne schweren Dienst dem Lande bescherten, einzufügen vermochten. Er dachte zurück an den Sonnenuntergang über dem Barbaricum, jene ironische Inversion der gebräuchlichen Interpretationen des römischen Imperialismus im meteorologischen Gewande.
    Der Jüngling legte die Stirne in Falten angesichts all jener devianten Gedanken. Auf der einen Seite schien der Segen Roms für die unterjochten Völker dubitabel, auf der anderen Seite selbst die Geistesbildung und Stählung des einzelnen Soldaten, welcher angeblich doch per aspera ad Astra gelangen sollte, anstatt wie jener miserable Tiberius als gebrochene, von Selbstzweifel torquierte Figur dem Schlachtfeld zu entfleuchen. Er dachte zurück an Onkel Aristides, jenen in seiner Kindheit stets fröhlich sich darbietenden Mann, an Herius Claudius Menecrates, den stolzen Patrizier, der ebenso sämtliche Ränge durchlaufen und nunmehr bis zur Praetur sich aufgeschwungen hatte. Waren sie nicht lebende Exempel für die Wirksamkeit des Kriegsdienstes als Schule des Lebens? War der Centurio vor ihm womöglich schlicht zu schwach, die Strapazen des Kriegsdienstes gedeihlich zu nutzen? Glich er nicht den armseligen Kriegsversehrten, die ihr Praemium Militare verjubelt hatten und schließlich als Bettler in den Gassen Roms lebten, um all jenen Passanten, welche unklugerweise bei ihnen verweilten, mit klagender Stimme ihre infortunable Biographie zu berichten? Oder zumindest eine nützliche Kriegsmaschine ohne das Vermögen, das eigene Handeln hinsichtlich seiner Sittlichkeit zu reflektieren, sodass es der Führung eines wahren Aristokraten bedurfte, um seinen Blutdurst von willkürlichem Mord und Blutvergießen hin zu einer sinnvollen Defension der Inkapablen zu kanalisieren?
    "Suum cuique*."
    , kommentierte der Tribun final ein wenig sarkastisch, um sich nicht stärker auf in jene Zweifel zu engagieren, welche womöglich gar ihn in die Gefahr mochten verleiten, die Tugend an sich infrage zu stellen und wieder jenen Weg in den Abgrund einzuschlagen, den Epikur ihm so verführerisch anpries.
    "Der Schutz unserer Zivilisation ist zweifelsohne bisweilen eine überaus hässliche Angelegenheit."
    Im Geiste des Jünglings erschienen schlagartig jene Worte der Aeneis, die einst er unter Artaxias' Ägide auswendig zu rezitieren gelernt hatte: Tu regere Imperio Populos, Romane, memento - hae tibi erunt artes -, pacique imponere Morem, parcere Subiectis et debellare Superbos**. Die Potenz, die Hoffärtigen zu überwinden, war zweifelsohne Teil jener Kunst, welche die Götter den Quiriten verliehen hatten und deren Exponent nun vor ihm stand.
    "Was du tust, mag nicht immer erfreulich sein, doch ist es wohl unumgänglich."


    Sim-Off:

    * Jedem das Seine
    ** Dein sei, Römer, das Amt, als Herrscher die Völker zu zügeln. Dies ist die Kunst, die dir ziemt, die Gesetze des Friedens zu schreiben, dem, der gehorcht, zu verzeihn, Hoffärtige niederzukämpfen!"

    Dem jungen Flavius entgingen die Nuancen in der Mimik des Tiberius selbstredend, doch entnahm er dem Timbre in seiner Stimme durchaus einen melancholischen Beiton, weshalb er bereits fürchtete ein unrühmliches Kapitel in der Lebensgeschichte des Centurio aufgeschlagen zu haben. Was hingegen folgte, war zwar eine hinlänglich triste Narration, welche jedoch Manius Maior eher bemüßigte den Tiberius zu bemitleiden als zu schelten. So schuf bereits die Anverwandtschaft zu Tiberius Durus, jenem ehemaligen Freund Manius Maiors, dessen Hochzeitsfackel er als Knabe einst getragen hatte, eine gewisse Sympathie, welche jener alte Consular zwar auf höchst plumpe Weise erworben hatte, die jedoch auch die postmortale Abwendung Manius Maiors von seinem vormaligen Freunde überdauert hatte. Dass er endlich sein Schicksal der Flucht, nährte selbige noch weiter, obschon andere Passagen jener Biographie ihm ein wenig dubios erschienen: Verfügten die Tiberii nicht über Freunde, welche sie selbst in jenen Tagen, als sie ihrer Reichtümer beraubt gewesen waren, bei sich aufgenommen hätten? Welchen Grund mochte Cornelius Palma, jener Princeps mit mäßigem Fortune, gehabt haben, Verus nicht sogleich zu rehabilitieren und warum hatte er nicht die Assistenz seines Anverwandten Tiberius Lepidus erhalten? Schließlich stellte sich ebenso die Frage, ob es schicklich war, eine eheliche Verbindung zu lösen, um sich folgend als simpler Miles gregarius in der Legion einzureihen und gleichsam die natürliche Familie für eine artifizielle hinter sich zu lassen.
    "Auch mein Vater und ich waren genötigt, vor dem grausamen Zugriff jenes Vescularius zu fliehen."
    , bemerkte er somit nachdenklich, während zugleich er spintisierte, ob eine alternative Deutung jener Geschichte nicht simplerweise die war, dass Tiberius Verus den Sturz der Tiberii genutzt hatte, sich von allen Pflichten und Obliegenheiten eines wahren Patriziers zu liberieren, wie er selbst es in radikalerer Weise ebenfalls bereits versucht hatte, obschon zweifelsohne der Lebenswandel eines Soldaten, selbst eines gemeinen, durchaus ehrenvoller mochte erscheinen als jener eines hedonistischen Philosophen. Dennoch mochte auch dies als eine gewisse Similität zwischen beiden Patriziern darstellen.
    "Auch ich wählte den Kriegsdienst, obschon er für uns Patrizier mitnichten obligat ist. Jener Weg mag in anderer Weise hart sein als der eines einfachen Miles, doch verstehe ich deine Intention."
    Widerstreitende Emotionen durchschwirrten den Geist des Tribuns, hin- und hergerissen zwischen Argwohn und Verständnis, zwischen Abscheu vor einer dergestalten Refutation der eigenen Geburt und Faszination für die Radikalität des eigenen Opfers. Nach einigem Zögern entschied er schließlich, jenen Konflikt offen zu formulieren:
    "Und dein rasanter Aufstieg-"
    Manius Minor hielt dafür, dass der Centurio nicht mehr als vierzig Lenze zählte, und dennoch bereits in die Primi Ordines aufgestiegen war.
    "-beweist deine Befähigung. Womöglich hättest du in jenen Tagen nach dem Sieg Palmas zu meinem Vater kommen sollen, der ein Freund des Tiberius Durus war und dir zweifelsohne Obdach geboten, ja dir womöglich ermöglicht hätte, den Cursus Honorum zu beschreiten."
    Der Tiberius verfügte über einen mysteriösen, sinistren Charakter, welcher Manius Minor bisweilen Rätsel aufgab, doch wäre er damit in der patrizischen Gesellschaft Roms zweifelsohne kein Einzelfall gewesen.

    Versonnen reflektierte der junge Flavius die Explikationen seines Gastes, welcher in der Tat augenscheinlich einer jener Iunii war, die seit Generationen sich in den Dienst des Staatswesens stellten und womöglich von jenem ehrbaren Iunius Brutus abstammten, der einst die Könige aus Rom vertrieben hatte. Partikulärerweise stammte Seneca indessen augenscheinlich persönlich aus Hispania, von wo bereits Divus Traianus, Divus Iulianus und zahllose weitere Heroen der jüngsten Historie nach Rom gekommen waren, was wiederum als ein beachtliche Wendung des Schicksals repräsentierte.


    Anstatt jene Gedanken zu formulieren, wandte der Tribun sich indessen der Frage des Praefectus zu, welche jene unseligen Remineszenzen aufs Neue erweckte:
    "Gewissermaßen."
    Obschon der Senat und selbst der Princeps ihn von jeglicher Schuld hatten freigesprochen, verspürte Manius Minor doch Reue hinsichtlich seines inadäquaten Betragens gegenüber dem Germanicus, welches somit zwar nicht den Wortlaut des Gesetzes, sehr wohl jedoch jene Normen und Mores Maiorum seines Standes hatte übertreten, indem er feige sich in die Traumwelt des Opiums hatte geflüchtet. Dies nun verfinsterte seine Miene ein wenig, ehe er zur Erklärung ansetzte:
    "Während meines Vigintivirates kam es zu einem-"
    Einen Augenschlag war er genötigt, nach einem adäquaten Worte zu ringen.
    "-Zwischenfall mit einer Eskorte, welche mich auf einer Mission geleitete."
    Wieder pausierte der Jüngling, unschlüssig, in welcher Detailliertheit die Narration jener Episode zu seinen Gunsten mochte wirken, da der darin erwiesene Mangel an Auctoritas ihm unter seinen Offizierskameraden womöglich den Ruf eines Schwächlings mochte einbringen.
    "Nun, es gab Anlass zur Klage, weshalb ich letztlich mich an deinen Vetter als diensthabenden Offizier zu wenden genötigt war. Er sorgte dafür, dass sein Untergebener die Konsequenzen seiner Fehltritte zu tragen hatte. Er war mir somit durchaus eine Hilfe."
    Sittsam, doch demonstrativ nahm der junge Flavius einen Schluck aus seinem Becher um zu signalisieren, dass jene Geschichte damit abgeschlossen war, und erweiterte, um dies zu unterstützen, daraufhin ein wenig das Sujet:
    "Wie verhält es sich hier in der Provinz? Werden Strafen durch die Tribune verhängt? Oder wird der Legatus selbst mit den Übertretungen gemeiner Milites belastet?"

    Die Replik des Tiberius erklang in den Ohren des Tribuns ein wenig nebulös, vermochte doch die Formulierung 'unter Umständen' einerseits die Aufmerksamkeit auf die Kontexte jenes extraordinären Karriereweges lenken, andererseits jene jedoch nicht zu explizieren. Für einen Augenschlag rang der Jüngling somit invers, ob er sich diesbezüglich weiter erkundigen oder jene womöglich unrühmliche Historie (denn warum sonst sollte ein Patrizier den Weg des Miles gregarius wählen?) beschweigen sollte, beschied jedoch final, da der Centurio seinem Lebensweg durchaus ein positives Fazit extrahierte, es zu wagen:
    "Welche Umstände mögen einen Patrizier zum Centurio werden lassen?"
    , fragte er daher unverhohlen und lächelte, um seine Frage nicht allzu kritisch erscheinen zu lassen.