Selbstredend war dem Jüngling bewusst, wie töricht sein Zögern zur Stunde der sich zwingend offerierenden Gelegenheit war gewesen, zumal bereits er seit geraumer Zeit fürchtete, für das kommende Jahr zu spät seine Bewerbung postuliert zu haben. Indessen erweckte die Frage des Princeps mitnichten den Eindruck, als sei sie lediglich rhetorischer Natur und seine Bewerbung damit rundheraus exkludiert, sodass noch einige wenige unokkupierte Stellen zu erhoffen waren.
Aufs Neue waren augenscheinlich seine rhetorischen Qualitäten gefragt, wobei wie so häufig ihm kein sonderlicher Raum zur Elaboration seiner Argumente war gegeben. Vielmehr offerierte die Situation lediglich eine überaus limitierte Zeit des Spintisierens, welche Manius Minor sogleich sich gestattete, sodass er einen Augenblick verstummte, ehe er wieder ansetzte:
"Nun, ich könnte Dir diverse Argumente nennen"
Spontan kamen ihm die Worte seiner Kandidaturrede wie seiner Res Gestae in den Sinn, welche durch eine florale Metapher war geprägt gewesen. In Ermangelung einer besseren Eingebung beschied er somit, sich auch in dieser Situation sich ihrer zu bedienen:
"Der bedeutsamste mag der sein, dass lediglich eine neue Gelegenheit mich zu beweisen dir gestatten wird zu prüfen, ob das mäßige Keimen meiner flavischen Saat im Cursus Honorum nicht doch zu jener vollen Blüte führen wird, die unser edles Geschlecht seit Generationen stets gewährleistete. Nun mag es selbstredend von deinen Alternativen dependieren, ob du jenes Risiko zu erproben gewillt bist. So mögen etwaig sämtliche übrigen Vigintivirales derart formidable Leistungen präsentiert haben, dass ihr Reüssieren auch für zukünftige Ämter mit größerer Sekurität feststeht als die Leistung eines Sprosses der Flavia, doch mag ich vermuten und auch hoffen, dass nicht sämtliche Homines Novi in diesen Ämtern, ja selbst jene, welche nicht sogleich ihren Ehrenlauf fortführten, von dergestalter Eignung waren."
In Wahrheit vermochte der junge Flavius durchaus zu imaginieren, dass er, obschon er faktisch nur wenig Schaden dem Staatswesens hatte kausiert, doch unter die schlechtesten aller Vigintiviri der vergangenen Jahre war zu rechnen, obschon er hoffte, dass die Söhne ohne senatorische Deszendenz womöglich selbst bei hohem Engagement in Ermangelung einer familiaren Expertise in diesen Ämtern keine optimalen Leistungen zu erbringen imstande waren. Dessenungeachtet kam schlagartig ihm ein Argument, welches die Zweifel des Princeps mochte nähren:
"Immerhin zeugt jenes untätige Verweilen nicht eben von einem sonderlichen Interesse für die öffentliche Sache, sodass es selbst dem, welcher in adäquater Weise sein Vigintivirat absolvierte, womöglich zukünftig an Motivation wird gebrechen. Wer dagegen sein Tribunat vorzuziehen trachtet, dessen Eignung ist ohnehin gänzlich unbekannt, sodass das Risiko, einen inkapablen Kandidaten avancieren zu lassen, in diesem Fall nicht höher liegt als in meinem Falle, ja vielmehr ich durch die Einsicht aus meinen Fehlern gelernt habe und umso größere Motivation besitze, meinen Wert zukünftig umso stärker unter Beweis zu stellen."
Zweifelsohne repräsentierten jene seine größte Konkurrenz, welche nicht regulär das Tribunat auf das Vigintivirat folgen ließen, sondern pausiert hatten oder gar sich mühten, den Kriegsdienst vor sämtliche in Rom situierten Ämter zu legen.
"Des Weiteren mag kaum eine Familie auch im militärischen Sektor derartige militärische Expertise auf sich vereinen wie die meinige. Meinen Ahnen, Divus Vespasianus und Divus Titus, verdankt das Imperium die Provinz Iudaea, die Sicherung der Rheingrenze und die Befriedung der zahlreichen Aufstände aus der Zeit vor ihrem Regierungsantritt. Noch heute trägt die Legio XIV stolz den Namen unserer Gens und auch in jüngerer Zeit leisteten zahllose meiner Anverwandten, namentlich Secundus Flavius Felix, Marcus Flavius Aristides oder Lucius Flavius Furianus formidable Dienste im Exercitus."
Die militärischen Erfolge seiner Gens vermochte Manius Minor fortunablerweise jederzeit aus dem Stegreif zu referieren, da doch in seiner Kindheit bereits das Militärwesen einige Faszination auf ihn ausgeübt hatte. Dass hingegen sein Vater, welcher selbst während des Bellum Civile nicht zu den Waffen hatte gegriffen, eine dergestalte Militärtradition eher dubitabel ließ erscheinen, dass Onkel Furianus und Aristides niemals ein Kommando hatten bekleidet, verschwieg der Jüngling jedoch geflissentlich.
"Schließlich wäre eine Berücksichtigung meiner Person im folgenden Jahr jedoch auch eine insondere Gnade nicht nur für mich, sondern ebenso für meinen geliebten Vater, welchen eine Zurücksetzung seines Erstgeborenen zweifelsohne betrüben würde, da er so treue Dienste dir als Pontifex pro Magistro leistet. Da ich ihn bereits mit meinem mangelnden Engagement in meinem ersten Amte grämte, ist ihm zweifelsohne daran gelegen, jenen Makel für sich und seine Familie so zeitig als möglich getilgt zu sehen. Und was mag hierfür geeigneter erscheinen, als wenn ich auf einem neuen Posten mich bewähre?"
Manius Minor wusste, dass er hohe Erwartungen erweckte, doch hatte er ja ohnehin aus Furcht vor dem Zorn der Unsterblichen zukünftig höchstes Engagement in jeder öffentlichen Obliegenheit gelobt, womit ein Scheitern ihm aus ganz anderen Gründen als der schnöden Desillusion des Princeps indiskutabel erschien.
Er seufzte. Weitere Argumente mochten ihm in der Eile nicht in den Sinn kommen. Dennoch fügte er demütig und stockend noch einen Satz hinzu:
"Aus diesem Grunde möchte ich in aller Bescheidenheit auch nicht erbitten, gleich zahlreichen meiner Anverwandten das Tribunat der Legio I Traiana zu erhalten, sondern vielmehr an jener Stelle meinen Dienst zu tun, wo die Nähe zu Barbaren und Insekurität der Lage mir umso eher Gelegenheit wird geben, meinen wahren Wert unter Beweis zu stellen."