Beiträge von Manius Flavius Gracchus Minor

    Der junge Flavius glaubte sich bereits siegesgewiss, dessenungeachtet evozierte die Hand der Claudia auf der Seinen doch nicht lediglich Furcht, sondern ebenso ein partikuläres Kribbeln, ja freudige Erregung, welche durch das Jubilieren seines Favoriten sich umso mehr exaltierte.


    Doch sogleich wurde, wie der Jüngling es antizipiert hatte, der Kampf aufs Neue freigegeben und diesmalig verströmte Ferox weitaus bescheideneren Glanz als beim ersten Male. Selbst seines Netzes ging er verlustig, sodass mit dem Dreizack allein er nun gegen den schwer bewaffneten Hoplomachus stand. Diesen hingegen schien seine Wunde nicht immobiler, sondern umso wendiger gemacht zu haben, denn endlich erntete der Retiarius die Früchte seines Übermutes und wurde prompt im Antlitz selbst verwundet.
    "Herrje!"
    , lamentierte Manius Minor und schlug intuitiv sich die Hand vor den schreckgeöffneten Mund, sodass Silanas Rechte von ihn auf seinen massigen Schenkel fiel.
    "Ich hoffe, er hat ihm nicht den Schädel zerschmettert!"

    Augenscheinlich vermochte nicht einmal der greise Menecrates ihn als Kriegsmann zu imaginieren, obschon selbstredend die Fechtkunst als ästhetischer Sport, wie die Gladiatoren ihn betrieben, nicht minderer korporaler Tüchtigkeit bedurfte.
    "Ein Optio der Cohortes Urbanae erteilt mir Unterricht, sowohl wie man nach Art der Legionäre ficht, als auch hinsichtlich basaler taktischer Prinzipien."
    , explizierte er seine Ausbildung für den Alten, der seinem Alter gemäß selbstredend alten Zeiten nachtrauerte.


    Seine Konzentration wurde hingegen disturbiert, als Silana ihm recht unerwartet versicherte, dass seine augenscheinlich leichtlich antizipierbaren Befürchtungen keineswegs der Wahrheit entsprachen. Dennoch vermochte er jene Information nicht recht zu glauben, da es doch ebenso possibel erschien, dass auch jene Beteuerung Teil einesgrausamen Spieles war, welches die vermeintlich gehässigen claudischen Grazien mit ihm spielten.
    Aus Furcht sich jener Situation direkt zu stellen, nickte somit er lediglich fahrig und blickte wieder konzentriert auf Menecrates, dem fortunablerweise ohnehin der Vorrang gebührte.
    "Ist es denn tatsächlich adäquat, die Feldherrenkunst gleich einer philosophischen Lehre in einer Akademie zu studieren?"
    , fügte er endlich hastig an, um dem Dialog mit dem attraktiven, doch ihm undurchschaubaren Mägdleinfür den Augenschlag sicher zu echappieren.

    Die Alternative, welche Silana offerierte, war dem jungen Flavius wohlbekannt, ja geradehin so vertraut wie keine zweite Philosophie, da sie doch in nuce nichts anderes repräsentierte als die Lehre des Epikur, die er so eifrig und mit Freude hatte studiert, dass er ihre Faszination für das Mädchen durchaus nachzuvollziehen vermochte. Doch deplorablerweise war sie ein kolossaler Irrtum, ein infantiles Hirngespinst jener, die vor den harten Realitäten des Lebens die Augen verschlossen und damit doch nichtlediglich der Gemeinschaft, sondern ebenso sich selbst schadeten.
    "Nun, in diesem Falle wäre unser gesamtes Leben gänzlich arbiträr, gleichhin sinnlos. In diesem Falle wäre das Leben nicht Leben, sondern nichts, eine kontingente Häufung von Atomen, deren Schicksal ohne jeden Belang wäre, für die Welt gleichwie für das Bewusstsein, das sie reflektiert."
    , erwiderte er somit mit unerwarteter Vehemenz ob der Gefahr, dass die liebreizende Claudia in denselben Irrtum würde verfallen wie er selbst, ja womöglich bereits die ersten Schritte hinab in den finsteren Tartaros getan hatte, ohne womöglich die Gnade zu erhalten, eines Tages von ihren Ahnen von jener sakrilegischen Lebensform geläutert zu werden.
    Denn sakrilegisch deuchten ihm bereits jene Reflexionen über die Welt und die Macht des Individuums in ihr, die zwar in jener Form nicht epikureisch, jedoch ebensowenig den Göttern gefällig sein konnte.
    "Ein Gefängnis ist das Leben fürwahr, denn jeder ist an seinen Platz gestellt.
    Er blickte zu Cara, die ihm offeriert worden war.
    "Dem Mädchen obliegt es, eine treue Dienerin zu sein."
    Er deutete auf die eintreffenden Lieferanten des Proviantes.
    "Ebenso sind sie bestimmt, unsere Bedürfnisse zu saturieren."
    Sogleich griff er in die Tüte und verschlang hastig, doch mit Genuss ein weiteres Nüsslein, ehe endlich er auf sich wies.
    "Scato und mir ist es hingegen bestimmt, den Cursus Honorum zu beschreiten."
    Er blickte ein wenig verlegen zu den beiden jungen Damen.
    "Und ihr müsst einen Gatten gewinnen und ihm kräftige Kinder gebären. So will es das Schicksal, dem wir nicht zu entrinnen vermögen. Denn ob wir sie respektieren oder nicht, bestimmen die Unsterblichen unsere Welt und die jenseitige. Spätestens im Angesicht Plutos werden wir Rechenschaft zu leisten haben, dies ist gewiss."
    Er seufzte, da doch jene Rede nicht lediglich intendierte Silana zu überzeugen, sondern ebenso ein Werk der Selbstvergewisserung, ja Selbstermahnung war, als ob die verführerischen Gedanken der Claudia ihn aufs Neue in die epikureische Narrheit zu ziehen.
    Er memorierte das triste Antlitz seiner geliebten Mutter, als sie ihn über ihre ewige Trennung in Kenntnis hatte gesetzt. Sein jenseitiges Schicksal war besiegelt, so er nicht das diesseitige akzeptierte, zu welchem Ende auch immer es ihn mochte führen.
    Jene trübseligen Gedanken wurden indessen disturbiert, als der finale Kampf seinen Anfang nahm, in welchem es ja um nichts geringeres als ihre Wette ging. Folglich unterbrach der Jüngling seinen philosophischen Disput und verfolgte fieberhaft das wechselnde Geschick der Kombattanten. Zu jedem der flinken Paraden seines Champions stieß er anerkennende Laute vernehmen, insonderheit als endlich Tigris seine ersten Wunden empfing. Sassia hingegen erschien untröstlich und glaubte sich schon verloren, obschon die Versorgung des Verwundeten noch inmitten der Arena vonstatten ging, was eine Fortsetzung des Kampfes erhoffen ließ.


    Auch Silana fühlte augenscheinlich sich genötigt ihm zu seinem Triumph zu gratulieren, wie er die Hand auf der seinen interpretierte.
    "Grämt euch nicht. Womöglich wird es eine zweite Runde geben. Dass Tigris noch hier ist, scheint mir dafür zu sprechen."
    Noch immer ruhte Silanas Hand auf der seinen, was ihm ein wenig inkommod war, zumal soeben er ja noch von ihrer Pflicht zur Ehe hatte gesprochen. Was sollte jene überaus undamenhafte Anzüglichkeit wohl bedeuten? War dies eine Neckerei, wie er sie von attraktiven, jungen Dingern wie seiner verstorbenen Schwester kannte? Oder eine direkte Avance, wie sie eher einem kecken Jüngling als einem keuschen Weibe anstand?

    Die Claudii waren augenscheinlich in beachtlicher Zahl erschienen, wie Manius Minor erst nach seinem Gruße erkannte, als nicht lediglich die ihm bekannten unter ihnen, sondern ebenso zwei weitere junge Personen als solche tituliert wurden. Der junge Mann erweckte einen distanzierten Eindruck, das Mägdlein hingegen ein wenig trist.

    Zitat

    Original von Claudia Silana
    Zu ihrem Glück trat der redselige und eloquente Gracchus Minor auf. "Ja, immerhin habe ich nun einen geeigneten Gesprächspartner," flüsterte sie elegant zu ihren Schwester zurück und begrüßte den beleibten Mann mit einer höflichen Handgeste. "Salve,"sagte Silana mit engelsgleicher Stimme, da sie sich wirklich freute. Wieder grinste sie breit.


    Doch wurde die Appetenz des jungen Gracchen sogleich wieder zu den beiden anderen Claudiae hingezogen, welche feixend die Häupter zusammensteckten und sich mysteriöse Botschaften zuraunten, ehe Silana ihn mit einer pointiert freundlichen Stimme und einem geradehin übertriebenen Lächeln salutierte.
    "Salve"
    , repetierte er seinen Gruß ein wenig insekur, da doch das Betragen seiner Opponenten ihn irritierte. Denn welcher andere Schluss ließ sich daraus derivieren als jener, dass beide im Geheimen seiner gespottet hatten, dass Silana nunmehr bemüht war, ihren Schalk zu verbergen oder, horribile dictu, noch in gespielter Freundlichkeit ihn lediglich verhöhnte. Nicht infamiliar waren dem Jüngling immerhin dergestalte Reaktionen der Schönen auf seine wenig attraktive Gestalt, wie nicht zuletzt im dem hellenischen Körperkult verfallenen Alexandria er hatte erfahren müssen.
    Ein wenig betreten blickte er somit an sich hinab, fürchtend, sein neues Gewand betone seinen feisten Leib, anstatt jene unerquicklichen Rundungen seines Ventralbereiches zu cachieren, wie sein Schneider es stets versuchte. Jedoch war, obschon er neuerdings mit wechselndem Fleiße exerzierte, vieles mit Stoffbahnen gleichwelchen Schnittes nicht zu verbergen. Doch erschien sein Kleid ihm nicht sonderlich unvorteilhaft, sodass er weiterhin zu spintisieren war genötigt, was den Anlass jenes femininen Amusements hatte geboten.

    Zitat

    Original von Herius Claudius Menecrates
    Gracchus Minor erschien und grüßte. "Salve Flavius, ich denke, heute werden wir nicht über militärische Themen sprechen." Menecrates schmunzelte, aber insgeheim graute es ihm vor den anderen belanglosen Themen.


    Fortunablerweise richtete auch der alte Claudius, welcher offenbar durchaus Gefallen hatte an ihm gefunden, das Wort an ihn, was eine willkommene Offerte darstellte, sich jenen vermeintlich hämischen Spottdrosseln vorerst zu entziehen. Bemüht, Menecrates ein attraktives Sujet zu offerieren, um nicht genötigt zu sein mit der Claudia das Gespräch zu perpetuieren, explodierten förmlich die Worte aus ihm:
    "Wie deplorabel! Seit geraumer Zeit studiere ich nun die Kriegskunst und übe mich im Fechten!"
    Erst danach erkannte er, dass, so die beiden Claudiae ob seiner Statur in Spott waren verfallen, seine Exerzitien Wasser auf ihre Mühlen des Hohnes mussten sein, da sie ja ihm selbst bereits ridikulös erschienen (insonderheit, wenn er seine bescheidenen Erfolge ponderierte). Furchtsam warf er somit einen Blick in das Antlitz Silanas, da Sassia bereits sich seinem Vetter hatte zugewandt, und blickte sogleich wieder zu dem claudischen Greisen.

    Das Erscheinen Sciurus bot dem Jüngling einen Vorgeschmack jenes Lebens, welches hinter der Tür des Cubiculum ihn erwartete; welches vielmehr seine Ahnen und alle Unsterblichen von ihm erwarteten! War er soeben noch voller Tatendrang gewesen, so schmerzte ihn angesichts jener Situation bereits wieder die Notwendigkeit, von seinem Vater geschieden zu sein, um den Obliegenheiten eines aristokratischen Lebens nachzukommen.
    Faktisch würde er fortan genötigt sein, seine Interessen hintan zu stellen, seine Emotionen zu zügeln und seinen Willen den vormals leeren Meinungen der Mores Maiorum zu unterwerfen. Mochten die schönen Künste nicht verboten sein, sondern womöglich ein Steinlein in dem riesigen Mosaik eines tugendhaften Lebens, so würden sie doch den gewichtigen Fliesen der Vita activa zu weichen haben, sich gewissermaßen an ihnen anlagern und zu zierlichem Beiwerk verkommen.


    In der Tat implizierte sein Entschluss, das ewige Leben in Freude zu gewinnen, für das hiesige Entbehrungen zu akzeptieren und vielem, was einst ihn erfreute, den Rücken zuzuwenden.
    Sichtlich getrübt war somit der Tatendrang Gracchus Minors, als Gracchus Maior die Tür hinter sich geschlossen hatte.

    Der Jüngling mühte sich die Waffe zügig zu ziehen, doch erwies sich die Klinge länger als er antizipiert hatte, sodass statt einem fluiden Gleiten eine abgehackte Bewegung entstand, da zu früh er in eine horizontale Richtung überging und somit an der Scheide hängen blieb.
    Missmutig ließ er den Gladius in seine Ausgangsstellung zurückgleiten und versuchte es erneut. Diesmalig gelang es ihm besser, doch da er in zu großer Umsicht die Länge des Schwertes überschätzte, wirkte die nun zumindest flüssige Bewegung ein wenig großspurig.

    Der junge Flavius vermochte im Dunkel zwischen den satten Lippen der jungen Claudia mitnichten zu erkennen, da seine Hypermetropie auf jene kurze Distanz ihn lediglich ein schemenhaftes Antlitz erkennen ließ. Indessen identifizierte er durchaus die transportierte Emotion, was jedoch ihn ein wenig irritierte, da Vergänglichkeit nun eben kaum ein Sujet repräsentierte, welches zum Schmunzeln anregte. So entfleuchte seiner Mimik erstlich ein ratloser Blick, ehe die Maske der Cordialität sich wieder über sie legte und ihn freundlich das Mägdlein fixieren ließ, dessen Worte durchaus auf Klugheit schließen ließen, das beim femininen Geschlechte er gar nicht erwartet hatte.
    "Mir erscheint es indubitabel, dass die Götter wie die Maiores in unserem Leben uns eine Obliegenheit hinterlassen haben. Zweifelsohne verfügen wir auch über die Kapazität, in Nichtnutzigkeit zu verharren und in egozentrischer Weise uns lediglich unserem Bauchnabel zuzuwenden."
    Keinem mochte dies bewusster sein als ihm selbst als geläutertem Epikureer, welcher zahllose Monate seines Lebens achtlos vergeudet hatte.
    "Doch lehren uns doch die Mythen der Unsterblichen, die Historien unserer Väter und die Weisheit der Philosophen gleichermaßen, dass wir für unser Leben Verantwortung tragen: Denn wäre Hercules zu den Göttern aufgestiegen, hätte er statt seiner Heldentaten sich der Völlerei hingegeben? Würde Tantalos ewiglich Qualen leiden, wenn er nicht das Gesetz der Götter übertreten hätte? Verehren wir jene Ahnen, die statt dem Cursus Honorum zu folgensich alleinig dem Landleben zuwandten? Und mahnt uns nicht auch die Stoa, die Tugend der Narrheit vorzuziehen?"
    Die wahrhaftige Quelle seiner Umkehr mochte weder der Mythos, noch die Vernunft gewesen sein, doch beschlich dem Jüngling der Eindruck, dass selbst sein getreuer Patrokolos seine Visionen als bloße Gespinste abtat, sodass er sich besser auf Loci communes beschränkte.


    Als dann der Princeps den tapferen Scorpio freisprach und der Jubel anschwoll, verspürte er sehr wohl die sanfte Hand Silanas, die seinen arm touchierte, was ihn jedoch seinerseits beschämte, da er glaubte, ihr Griff wäre Ausweis ihrer Furcht gewesen, er werde ihren Proviant in maßloser Begierde sich alleinig einverleiben, sodass betreten er die Nüsslein sich in den Mund schob und ihren Blicken auswich, während er hastig kaute, um das Corpus Delicti verschwinden zu lassen.
    Jedoch rettete ihn bereits der Nachschub, den der claudische Diener herbeiholte und präsentierte, was ihm die weitere Verlegenheit ersparte, sodass aufs Neue er eine freundliche Miene präsentierte, der indessen noch immer ein leiser Hauch von Insekurität war beigemengt.
    "Nun, eure Sklaven sind in der Tat flink. Ich hoffe, deine Dienerin wird mir ebenso gute Dienste erweisen."
    , scherzte er an die Adresse Sassias und strahlte in die Runde.

    Manius Minor verließ den Zeugenstand, als sei er der Beklagte, doch wurde sogleich er Zeuge, wie die Gewährsmänner des wahrhaftig Beklagten vom Gericht verweigert wurden. Zuvor jedoch vernahm er mit einigem Schrecken, dass Peticus der kapitalen Strafe sollte verfallen sein, beantragt mit größter Emotion, wie er sie einem Juristen des kaiserlichen Hofes, jener beachtlichen, womöglich größten Bürokratie des Imperiums, mitnichten zugetraut hatte. Selbstredend hatte der Germanicus sich vergangen, hatte sich höchst inadäquat betragen und eine Sanktion verdient, wollte man die Grundfesten der Gesellschaft nicht erschüttern. Doch musste er gleich ausradiert werden?


    Insekur ob jener Frage spintisierte er noch, als final er aufs Neue in den Zeugenstand zurückgefordert wurde. Mechanisch erhob er sich sogleich und trat vor den Richterstuhl.

    Die philosophische Einlassung Silanas war geeignet, auch den jungen Flavius ein wenig nachdenklich zu stimmen, da sie jedoch jene beiden ihn okkupierenden Umstände, hier die Furcht vor den Orcus, dort den Vorsatz zum tugendhaften Handeln als Rettung aus selbigem, auf partikuläre Weise vereinte. Genügte tatsächlich der Heldentod auf dem Schlachtfeld, um vor den Unsterblichen alle Despektierlichkeiten und Untugenden vergessen zu machen? Bedurfte es nicht zuvor bereits eines Sammelns von Ruhm und Ehre, um die Fama der eigenen Gens nachhaltig zu hegen und damit die Fürsprache der Maiores zu gewinnen?
    Eben diesen Gedanken schien Sassia fortzuführen, sodass auch er selbst sich zu einer kleinen Kommentierung genötigt sah:
    "Nun, angesichts der Ewigkeit des Elysiums, welche uns erwartet, erscheint es mir eher als Aufgabe. Und keine leichte Aufgabe, wie mir bisweilen scheint."
    Beinahe hätte der junge Flavius es gar als eine Last bezeichnet, doch wagte er nicht den beiden augenscheinlich lebensfrohen Grazien seine Trübsal aufzulasten.


    Stattdessen griff er dankbar nach dem Beutel Silanas, fühlte bedächtig, da seine Augen ihm die Abgrenzung der einzelnen Nüsslein nicht gewährte, wo eines der gewünschten Objekte zu greifen war, und fischte es endlich heraus, als just die Plebs das Urteil des Princeps mit tosendem Applaus begrüßte.
    "Patrokolos, hole uns noch eine Tüte!"
    , befahl er sodann, nachdem sein Mund sich von der süßen Kost hatte geleert. Zur edlen Spenderin hingegen erwiderte er mit einem verbindlichen Lächeln:
    "Besten Dank, meine Liebe."

    Ein wenig fühlte der junge Gracchus sich an jene Feierlichkeiten anlässlich seiner Kandidatur vor zwei Jahren zurückversetzt, als er an diesem Tage das Atrium betrat. Wie heutig hatte Scato für alles Sorge getragen und ihm jedwede Last, welche er damalig zu tragen ohnehin nicht willens gewesen wäre, abgenommen, sodass letztlich der Jüngling die reifen Früchte des politischen Erfolges nur noch zu pflücken genötigt gewesen war. Diesmalig jedoch stand Flavius Scato auch offiziell im Zentrum des Interesses, hatte er nicht allein die Reichen und Schönen, sondern ebenso die Plebs zum Feste geladen, was eine etwas gelöstere Atmosphäre versprach.


    Manius Minor hatte für den Tag deshalb auf die unbequeme Toga verzichtet und sich in eine rötlich-gelbe Synthesis anfertigen lassen, welche hervorragend mit dem Karneol seines Siegelringes harmonierte. Hinzu trat eine güldene Halskette, die dieselben Edelsteine umfasste.
    Als er so ausstaffiert das Atrium betrat, erkannte er somit nicht lediglich, dass die Claudier bereits erschienen waren (aus der Ferne vermochte er die scharfe Miene Menecrates', jedoch auch die zarten Antlitze seiner Enkelinnen zu identifizieren), sondern ebenso, dass eine von ihnen den similären Rotton für ihre Garderobe gewählt hatte. Jener Umstand, welcher einer Dame zweifelsohne zum Ärger gereicht hätte, amüsierte den jungen Flavius lediglich, sodass er mit einem sanften Lächeln sich der Gruppe approximierte.
    "Salvete, verehrte Claudii."
    Seinen Vetter Scato im eigenen Hause zu salutieren, vermied der Jüngling, zumal er ihm selbstredend unmittelbar nach der Bekanntgabe des Wahlergebnis hatte gratuliert.

    Artig fasste Manius Minor den Beschluss, jene Ermahnungen zukünftig unbedingt zu befolgen, da er doch zu viele Tage seines Lebens in Nachlässigkeit und Unachtsamkeit hatte gefristet. Sodann blickte er hinab auf das im Staube liegende Schwert, dessen Verlust im Kampfe zweifelsohne sein Todesurteil würde sein und ihn stante pede vor das Gericht der Unsterblichen würde katapultieren, wo ein Versagen aus Unachtsamkeit zweifelsohne wenig Gnade würde erwarten lassen.


    Dennoch konnte er sich einiger Enervierung ob der Perspektive, den übrigen Tag mit dem Einstechen auf jenes mäßig variantenreiche Ziel zu fristen, nicht erwehren, weshalb er, als erstlich Patrokolos nach dem Schwerte sich beugte, Maro jedoch dem Diener zuvor kam und es samt Equippement ihm reichte, ein wenig beklommen mochte dreinblicken. Umständlich hängte er sich den Waffengurt samt Gladius um den feisten Leib, wobei Patrokolos ihm aufs Neue emsiglich assistierte, um das verdrehte Leder an seiner Schulterpartie zu richten.


    Dann fuhr der Jüngling bedächtig über den Beschlag der Scheide, umgriff ihn und hielt die Rechte bereit, um sein Signal zu geben:
    "Fertig!"

    Claudia Sassia hegte augenscheinlich kein großes Interesse an einer näheren Interaktion mit ihm, obschon er es war, mit welchem sie eine Wette über einen überaus pikanten Einsatz hielt, und nicht jener eisige Anverwandte, dessen Präferenzen dem Jüngling, welcher Scato kaum in der Bibliothek der Villa Flavia Felix antraf, noch immer schleierhaft waren.


    Indessen wandte Silana ihr Interesse ihm näher zu, spielte keck mit ihrem Haar und bot dem jungen Flavius zugleich verbal Paroli. Zwar bedurfte sie dazu der Atempause einer Handvoll Nüsslein, welche auch die Begierde des adipösen Jünglings weckten, seine Zunge nicht allein mit Wein, sondern auch dem köstlichen Geschmack kandierter Nüsse zu erfreuen, doch beharrte sie auf den altbekannten Standpunkt des Nervenkitzels, den das Gefecht mit blanker Waffe evozierte, doch zugleich sich diesmalig mit einer Fleischwunde saturiert erschien.
    "Dann favorisierst du diesmalig ebenfalls das Leben des Miserablen?"
    , fragte er endlich, da ihm nicht einsichtig erschien, einen weiteren Disput zu erzwingen, da doch sie faktisch ihm für den Moment beigepflichtet hatte, und präsentierte ebenfalls sein Votum für den vorliegenden Kampf:
    :dafuer:


    "Würdest du mir verraten, woher du im übrigen jene Nüsslein bezogen hast?"
    Er blickte hinter sich zu seinem getreuen Patrokolos, der für eben dergestalte Wünsche seines Herrn auch während der Spiele ihm zur Seite stand und zweifelsohne loseilen würde, um ihn mit jenen Naschereien zu versorgen.

    Als Silana keinerlei Reaktion zeigte, blickte der flavische Jüngling auf und erkannte, dass das Mägdlein augenscheinlich nach Worten rang, ehe endlich sie eine Erwiderung formulierte, welche jedoch, wie er das bezüglich emotionaler Untertöne wohlexerzierte Gehör Manius Minors identifizierte, ein wenig insekur erschien. Doch ehe sie jene Frage zu disputieren weiter imstande zu sein schienen, trat die neuerliche Paarung auf. Silanas Parade seines Kommentars hingegen inspirierte ihn doch aufs Neue, den verlorenen Faden wieder aufzunehmen:
    "Erfahrung zu gewinnen ist indessen nur possibel, so sie bisweilen ihre Kämpfe überleben."
    Er lächelte zufrieden ob seiner Schlagfertigkeit, um sodann sich aufs Neue den Geschehnissen in der Arena zuzuwenden, als ihm die Statistiken in den Sinn kamen, welche ihn zu weiteren Fachsimpeleien motivierten:
    "Die beiden haben allerdings exakt die gleiche Zahl an Kämpfen bestritten."


    Augenfällig differierte seine und die Sicht seines Vetters hinsichtlich jener Unterhaltungen, wie selbiger nun freiheraus gestand. Bisweilen zweifelte der junge Gracche indessen, ob Scato an irgendeiner Aktivität Zerstreuung genoss, da doch sein ganzes Leben kühle Berechnung und pflichtbewusster Ehrgeiz war. Als er erkannte, dass jene geradezu mechanische Lebensführung indessen den Göttern überaus gefällig sein musste und die Ahnen seiner Familie, welche den Wert ihrer Sprösslinge an deren errungenem Ruhm bemaßen, Satisfaktion mochte verschaffen, echappierte ihm ein Seufzen. Womöglich sollte er selbst ein wenig mehr sich der Haltung seines Anverwandten approximieren und sich weiter dem epikureischen Wege abwenden.
    Dennoch erschien es ihm auch nicht eben ersprieslich, derartige Veranstaltungen zu frequentieren, um sodann in Lethargie zu verharren, wie Scato es augenscheinlich tat, was der nun sich entspinnende Kampf trefflich konfirmierte.
    "Ich gelobe, deiner Sklavin keinen Schaden zu bereiten."


    Doch sogleich wandte er sich wieder dem Duell zu, welches an Vehemenz das vorherige übertraf. Schon kurz nach dem Auftakt floss erstmalig das Blut, was kurioserweise den jungen Flavius diesmalig weniger abhorreszierte als seine bloßen Gedankengänge nicht lange zuvor. Vielmehr erachtete er sie als sportliche Blessuren, welche dem Kampf in der Tat eine Würze verliehen, die auch Sassia thematisiert hatte.
    "Die Beinwunde scheint mir eine hinreichende Lektion, nicht wahr, Claudia Silana?"
    , kommentierte er final das Ende.

    Der amüsant gemeinte Kommentar des Instrukteurs hinterließ bei Manius Minor einen erschreckten Eindruck, als er imaginierte, just durch jene Exerzitien seinen vorzeitigen Tod zu erleiden, welcher in seinem Falle doch implizierte, dass kein Raum zur Satisfaktion seines unwürdigen Lebenswandels mehr würde gegeben sein, sodass er seinem prädisponierten Schicksal, dem ewigen Qualen des Tartaros, zweifelsohne würde verfallen. Doch erkannte er rasch, dass jene Bemerkung selbstredend gänzlich irreal war, da selbst ein Sturz mit der Waffe lediglich ihm einige Verwundungen beizubringen geeignet war, so nicht die Parzen einen überaus deplorablen Schicksalsfaden ihm gewoben hatten, sodass endlich er ein insekures Lächeln sich abnötigte.


    Die folgende Lektion erkannte er indessen sogleich, als der unerwartete Hieb die Waffe seiner Hand entgleiten und mit lautem Klirren auf den gestampften Lehm des Hofbodens stürzen ließ. Es lag auf der Hand, was dies ihm zu lehren geeignet war:
    "Allzeitig bereit sich zu halten?"

    Artig nickte Manius Minor auf die erste Frage, welche der Accusator an ihn richtete, während bei der zweiteren bereits er zu zögern begann. Einerseits vermochte er kaum zu ponderieren, ob jener unglückliche Sklave in der Tat eine Bedrohung für die anderen hatte repräsentiert, ob seine Gegenwehr eine Pazifizierung der Situation impossibel hatte gemacht, doch war andererseits ihm wohlbewusst, dass jenes Faktum die Strafe des Germanicus aggravieren und damit das Risiko, ihm nochmalig bar des Schutzes des Gerichtssaales zu begegnen, senken würde. Einen Augenschlag widerstritten seine Neigungen, drängte seine Furcht ihn zu einer Aussage jenseits seiner Kompetenz und nährte seinen Zweifel, ob eine Situation wie die diese unter der flavischen Trias an Normen von Familie, Staat und Wahrheit diesmalig erstere oder letztere zu favorisieren gebot.
    "Ich vermag nicht zu ermessen, ob die Tötung des Sklaven vonnöten war, da es mir der militärischen Expertise diesbezüglich gebricht."
    , obsiegte endlich seine Redlichkeit, ehe bereits die nächsten Fragen er aufs Neue lediglich abzunicken genötigt war. Dennoch torquierten sogleich ihn wieder packte, ob nicht er ein wenig zu unbestimmt er aufgetreten war, sodass dem augenscheinlich überaus aufbrausenden Miles nicht vollständig bewusst war gewesen, welchen Irrsinn er unternahm.


    Von selbigem erhielt der Jüngling jedoch sogleich eine neue Kostprobe, als Peticus zürnend die Stimme erhob, neuerlich seinen völligen Despekt gegenüber Sklaven wie den beiden womöglich unschuldigen Opfern seiner letzten Ausbrüche bestätigte und dabei gar sich dazu verstieg, ihn selbst als berauscht, inkapabel und feige zu titulieren. Deplorablerweise musste Manius Minor konzedieren, dass sämtliche jener Beschimpfungen seiner eigenen Einschätzung der damaligen Situation entsprachen, da inzwischen er zu erkennen imstande war, wie sehr das Opium seine Sinne hatte benebelt, wie hilflos er ob dessen sein Amt hatte vollzogen und wie sehr der augenscheinliche Fluch der flavischen Gracchen auch auf ihm lag, obschon er nach Kräften sich mühte, ihm zu echappieren.
    Betrübt blickte somit er zu Boden, als träfe jene Philippica ihn zurecht, obschon sie selbstredend in ihrer Intention dennoch völlig fehlgeleitet war, da doch es einem gemeinen Miles unter keinen Umständen hätte oblegen, was Peticus vollbracht hatte. Und doch vermochte der junge Flavius keinen Protest zu erheben, seine Ehre gegen jene Unterstellungen verteidigen und auch lediglich seine amtliche Würde einfordern. Er stand schlicht da und ertrug die Verhöhnungen gleich einem reuigen Sünder in der desperierlichen Hoffnung, zukünftig ein göttergefälligeres Leben zu fristen und sein Versagen durch umso größere Mühen zu reparieren.

    Als Silana Partei für den blutrünstigen Teil der Plebs ergriff, erschrak der junge Flavius ein wenig, da es ihm als zweckfreie Krudelität erschien, jenen tapferen Recken hinzuschlachten. Allein jene Perspektive hingegen gewahrte ihn sogleich des letzten Mordes, dessen er ansichtig war geworden, als Germanicus Peticus jenen miserablen Sklaven hatte hingeschlachtet gleich einem Stück Vieh, jenes desperate Gurgeln des Sterbenden und das leuchtende Rot seines Blutes, welches sogleich ihn abgestoßen hatte.
    "Warst du nicht zufrieden?"
    , fragte er das Mägdlein deshalb etwas irritiert, als bereits der Princeps sein mildes Urteil verkündete und dem Manne das Leben ließ.


    Schon folgten jedoch die nächsten Kämpen, die uerwartet sich inmitten der Arena materialisierten.
    "Mir scheint, Scorpio ist ein wenig besser in Form als Audax."
    , kommentierte der Jüngling fachkundig, obschon ihm wohl ein wenig an Expertise fehlte, unter der schützenden Fettschicht, welche die Gladiatoren zur Prophylaxe schwerer Verwundungen über ihre muskulösen Leiber zogen, die wahren Qualitäten detailliert zu identifizieren. Indessen vermeinte er doch zumindest, Scorpio sei ein wenig größer als sein Kontrahent, was zweifelsohne als Vorteil sich mochte herausstellen.

    Der Jüngling schritt zu dem Pfahl, welcher selbstredend prompt zu einem amorphen Dunkel verschwamm, welches jedoch eine Breite aufwies, dass er mühelos imstande war, es mit seiner Waffe zu treffen. Somit holte er aufs Neue aus und stieß zu, bohrte die Spitze in das Holz und zog wieder zurück. Es war eine infamiliare Bewegung, welche ihn argwöhnen ließen, dass sie er ein wenig ridikulös dabei aussehen mochte. Dennoch stieß er tapfer weiter, bisweilen etwas fester, sodass es einige Mühe kostete, die Klinge aus der Umklammerung des Holzes zu befreien, bisweilen, um die wachsende Exhaustierung seiner unexerzierten Muskeln ein wenig zu mildern, ein wenig sanfter.


    Nach einer Weile verlor er auch an Konzentration, sodass mit einem Male er nicht recht zentriert seinen Stoß platzierte und die Klinge an den mächtigen Pfosten abglitt, was ihn nötigte ungelenk das Gleichgewicht zu wahren, um nicht dem Schwunge seiner Attacke folgend den Leib zu sehr vorwärts schwingen zu lassen.
    "Oh."
    , entfuhr es ihm surprendiert ob jenes Fehltrittes, um sogleich jedoch seine Sinne aufs Neue zu sammeln und beim nächsten Angriff aufs Neue das Holz zu treffen.

    Der Jüngling nickte genant, als der Praefectus Urbi sich seiner Identität versicherte, doch schon ward er dem A Cognitionibus übergeben, welcher augenscheinlich anstatt wie erwartet einem Tribun als Ankläger fungierte, was implizierte, dass der Princeps selbst größtes Interesse an diesem Casus hegte. Dies indessen stellte keine Überraschung dar für den jungen Flavius, der ja bereits während der kaiserlichen Audienz erfahren hatte, dass einer der Beschädigten, Aquilianus Privatus, bei seinem Patron, dem Princeps selbst, Klage erhoben hatte.


    Damit jedoch stand Manius Minor vor der Frage, in welcher Weise er auf jene überaus offene Frage antworten sollte, da doch er dem Augustus bereits eine gewisse Nachlässigkeit im Amte gestanden, ja gar die Verantwortung für den Zwischenfall übernommen hatte, obschon auf der anderen Seite er es präferierte, vor dem Tribunal seine Aussage dergestalt zu konstruieren, dass sie zu einer möglichst langzeitigen Bestrafung des Beklagten beitrug, um dessen zu erwartenden Drohungen zu entgehen.
    "Nun, man trug mir auf, die Inspektion einer Grube im italischen Populonia auf mich zu nehmen, in welcher ein Unglück sich ereignet hatte. Hierzu gab Tribunus Iunius Avianus mir eine Schar von Milites der Cohortes Urbanae mit, um meinen Weg zu schützen und gegenebenfalls eine Lieferung von Kupfer vom Unglücksort zurück nach Roma zu eskortieren. Wir erreichten Populonia am Abend, wo ich Gast des Procurators Aquilianus Privatus war, welchem die Aufsicht über die kaiserlichen Pachten in dieser Region oblag."
    Diese Partie seiner Exkursion mochte unstreitig sein, sodass er sie leichtlich formulierte. Als er sich jenes Tages erinnerte, vermochte er gar die freundlichen Töne, welche zwischen Germanicus Peticus und ihm damalig noch hatten dominiert, zu memorieren, ebenso das ennuyante Gastmahl, von welchem er zeitig sich retiriert hatte. Inevitabel approximierte er sich damit jedoch den pikanten Partien, welche mit einem gedehnten Seufzen er einleitete:
    "Am folgenden Tag begaben wir uns zu Pferd zu besagter Mine, welche Numerius Apustius Carbonius als Publicanus aus dem kaiserlichen Vermögen in Pacht hatte. Selbiger empfing uns auch sogleich und führte uns an den Eingang der Grube."
    Einen Augenblick hielt der Jüngling inne, als er der zerschlagenen Leiber gedachte, welcher er auf dem Weg durch die äußeren Wirtschaftsgebäude des Betriebes ansichtig geworden war, die indessen keineswegs der gräulichste Anblick war gewesen, den er an diesem Tag zu betrachten genötigt sein sollte.
    "Wir gedachten dort soeben die Mine selbst zu inspizieren, als unerwartet einer der dortig beschäftigten Sklaven jenen Aufseher niederschlug, welcher unsere Pferde hielt, auf das Ross sprang und davon eilte. Vor Erschrecken hielten wir einen Augenschlag inne, ehe die übrigen Aufseher ihm hinterher eilten und nicht weit entfernt ihn stellten. Auch Germanicus folgte dem Sklaven und verwickelte selbigen in einem Kampf, im Zuge dessen dieser niedergestreckt wurde."
    Wieder stockten die Worte des Jünglings, als das schäumende Blut des Unglückseligen vor seinem inneren Auge aufs Neue erschien. Er blickte beinahe desillusioniert zu Peticus, gegen welchen damals er durchaus noch Respekt verspürt hatte, ehe Schlimmeres war geschehen:
    "Carbonius zeigte sich erbost ob der augenscheinlich unnotwendigen Tötung seines Sklaven, woraufhin Germanicus sich erzürnte und den Procurator wie Carbonius unflätig titulierte."
    Er runzelte die Stirne spintisierend, um den korrekten Wortlaut zu memorieren.
    "Ich meine, es handelte sich um das Schimpfwort 'Trottel'. Zusätzlich versetzte Germanicus den beiden einen Fußtritt vom Rücken meines Pferdes aus, mit dem der Sklave geflohen war und welches der Beklagte bestiegen hatte. Sodann entspann sich ein hitziger Streit, in welchem Germanicus seine Opponenten für den Einsturz der Mine verantwortlich machte, sie vehement bedrohte und tätlich und in despektierlicher Weise anging. Aus mir nicht bekannten Quellen gelangte er außerdem zu der Einsicht, beide hätten sich der Unterschlagung kaiserlicher Gelder schuldig gemacht, weshalb er schlussendlich beschied, beide als Gefangene nach Roma zu führen."
    Er blickte scheu hinüber zu Peticus, sodann wieder zu Boden. Deplorablerweise hatte der Ankläger explizit die Frage gestellt, inwiefern jener Irrsinnige sich seinem Befehl widersetzt hatte, sodass er gedehnt und unter größten Mühen fortfuhr:
    "Nun. Währenddessen versuchte ich mehrmalig vergebens, den Miles zur Räson zu bringen.
    Ich wies ihn wiederholt auf ihren Rang und Stand hin, welcher ein derart despektierliches Verhalten verböte.
    Ich ermahnte ihn ob der Konsequenzen, welche ihm drohten."

    Wieder stockte er, da die folgenden Worte, zu welchen es ihn drängte, ihm als eine schändliche Exkulpierung seiner eigenen Inkapabilität erschienen, nachdem zweifelsohne auch in jenem Szenario er den adäquaten Nachdruck und Heldenmut hatte missen lassen.
    "Ich befahl ihm mehrfach explizit, sein Handeln einzustellen. Was er jedoch zum Anlass nahm, die beiden Gefangenen noch schändlicher zu misshandeln."

    Das Spektakel nahm seinen Lauf und Manius Minor entfiel beinahe jene obskure Wette, ehe endlich die Gladiatoren jene Partie des Tages einläuteten, welchem das gesamte Publikum entgegenfieberte. Erstlich focht ein Mohr gegen einen braungebrannten Mann, dessen kantiges Antlitz eine Vielschrötigkeit transportierte, welche den jungen Manius faszinierte. Indessen erwies der Retiarius sich als nicht leicht zu überwindender Antagonist, dessen Netz immer wieder hervorschnellte, ja bereits den leicht Bewaffneten umhüllte, ehe selbiger sich zu befreien imstande war, dessen Dreizack bereits blutende Wunden in die Brust seines Gegners zeichnete, dessen Finten jedoch stets pariert wurden, selbst als Schild und Netz verloren waren.
    Ein desillusioniertes Seufzen entfuhr dem Jüngling endlich, als der Dreizack des Mohren das Schwert seines Opponenten in den Boden rammte und mit einem mächtigen Tritt letzterer gegen die Wand der Arena geschleudert ward.


    Erst nun, da die Spannung des Kampfes sich für einen Augenblick retardierte, nahm er Notiz von seinen Gefährten, unter welchen Claudia Sassia sich in besonderem Maße hervortat, indem sie mäßig damenhaft sich dem Geschrei der Plebs anschloss.
    "Er mag leben!"
    , rief indessen auch der junge Gracche und reckte altem Gebrauche nach seinen Daumen in die Höhe, den Blick nunmehrig der Loge des Kaisers zuwendend.
    :dafuer:

    Schon befürchtete der Jüngling neuerliche Kritik, als der Aquilius neuerlich ins Sinnieren verfiel, ja geradehin um sein neues Sujet zu ringen schien, doch unerwartet folgte nun gar Panegyrik, welche den jungen Flavius wiederum in Verlegenheit stürzte, sodass prompt seine Wangen sich rubrizierten, zumal jener Ruhm keineswegs ihm selbst, sondern vielmehr seinem getreuen Patrokolos zukam.
    "Ich danke Dir, Augustus."
    , murmelte er somit genant und fasste den Vorsatz, beizeiten seinen Diener für seine treulichen Dienste umfassend zu entlohnen.