Beiträge von Manius Flavius Gracchus Minor

    Als man dem jungen Flavius das Eintreffen des Optio meldete, exaltierte diese Information selbigen umgehend in höchstem Maße. Schon als unmündiger Knabe hatte er mit Freuden in ein miniaturiertes Feldherrenkleid sich zu werfen geliebt, hatte Soldaten-Figürlein über imaginierte Schlachtfelder gelenkt und endlich mit reifendem Intellekt auch literarische Produkte hinsichtlich des Soldatentums wie des Kriegswesens studiert. Doch heute würde er jenen Weg antreten, der einst ihn womöglich ihn realiter zum Schlachtenlenker und Kommandanten würde machen, um gleich Onkel Felix, Onkel Aristides, wie sämtliche Divi Flavii den Ruhm des Roms wie des eigenen Geschlechtes nicht lediglich durch wohlfeile Reden, sondern ebenso durch den Einsatz der eigenen Physis, ja des Lebens zu mehren, was selbstredend, obschon er vor wenigen Tagen noch ein feuriges Plädoyer zur Defension der militärischen Komponenten des Cursus Honorum hatte gehalten, auch mit einiger Furcht war befangen: Seine athletische Expertise war deplorabel, wie der Gymnasion-Besuch mit den Myrmidonen ebenso klärlich hatte demonstriert wie sein exhaustierlicher Auftritt bei den Salii Palatini und selbst wenn sein purgierendes Krankenbett ihn nicht lediglich von jenen fatalen, epikureischen Flausen, sondern ebenso einigen Pfunden seiner lukullischen Leibesfülle hatte liberiert, so restierte noch immer ein massiger, defizienter Leib, dessen Muskulatur unter einer Schicht behäbigen Specks verborgen war, dem es an sportlicher Übung in ebensolchem Maße fehlte wie an jedweder anderen Koordination, zumal seine visuelle Inkapazität ihn daran gewöhnt hatte, sich in jedweder widrigen Situation der stützenden Hand seines getreuen Patrokolos zu bedienen.


    Auch heute eskortierte ihn sein Diener in den noch leeren Hof, wo der Jüngling noch keinen Instrukteur vorfand und deshalb ein wenig nervös sich neben dem Pfahle positionierte.
    "Hätte ich den ledernen Panzer nicht doch sogleich anlegen sollen?"
    , fragte er ein wenig timid den tröstend ihm zur Seite stehenden Patrokolos.
    "Ich denke nicht, dass das nötig ist, Domine. Es wurde doch gesagt, dass der Miles sämtliche Ausrüstung mitgebracht hat."
    Manius Minor blickte hinab zu seinem Bauch, der sich unter seiner linnernen Tunica wölbte und in welcher es ihn angesichts der kühlen Temperaturen des Morgens ein wenig fröstelte. Erst vor wenigen Tagen hatte er sich einen Lederharnisch auf diesen für militärische Zwecke wenig geeigneten Leib schneidern lassen, nachdem die im Hause der Flavii tradierten Rüstungen seiner Ahnen jener umfangreichen Ventralpartie nicht den erforderlichen Raum geboten hatten. Kaum vermochte er zu imaginieren, dass die Cohortes Urbanae, denen Onkel Aristides' Klient angehörte, für derartig adipöse Tirones adäquates Material besaßen.


    Doch würde dieses sich in Kürze aufklären, denn schon trat ein Fremder in den Hof, dessen Cingulum Militare ihn als Soldaten, dessen Gepäck ihn hingegen konkreter als jenen versprochenen Instrukteur auswies, welchen er erwartete. Der junge Flavius runzelte ein wenig irritiert die Stirn, als er, obschon die Züge des Mannes im raschen Nähertreten verschwammen, klärlich erkannte, dass es sich mitnichten um einen vielschrötigen Alten handelte, als welcher ihm Lucilius war angekündigt worden, sondern um einen Mann mittleren Alters.
    "In der Tat. Du musst Lucilius sein!"
    , erwiderte er dennoch artig und präsentierte ein genantes Lächeln, da er doch, nachdem er Onkel Aristides' Klienten bisherig niemals ansichtig war geworden, sodass womöglich ein Irrtum hinsichtlich seiner Deskription vorlag.

    [Blockierte Grafik: http://www.niome.de/netstuff/IR/nsc/Acanthus.png| Acanthus
    Ein grimmiger Blick erwartete den Octavius, als die Porta der Villa Flavia Felix geöffnet wurde und der Ianitor Acanthus erschien. Der Aufmachung wie den Utensilien, welche der Optio bei sich hatte, entnahm der Türhüter indessen auch ohne viele Worte, dass es sich bei der Person um den erwarteten Instrukteur des jungen Gracchen handeln musste.
    "Du bist für den jungen Dominus da?"
    fragte er unwirsch.
    "Dann tritt ein. Ich werde den jungen Dominus holen lassen."


    Die Tür wurde geöffnet und ein junger Sklave, welcher sofort seine Tragedienste für das Equippement des Octavius offerierte, geleitete den Gast sogleich zuerst durch prunkvolle, sodann moderatere Gänge in einen der Wirtschaftshöfe des Anwesens.





    IANITOR - VILLA FLAVIA

    Manius Minor hatte beschieden, ein Militärtribunat anzustreben, um jener seinem Dafürhalten nobelsten Pflicht eines jungen Quiriten nachzukommen und zugleich den Makel, welchen die militärische Abstinenz Manius Maiors während des Bürgerkrieges in seinen Augen repräsentierte, nicht zu ererben. Die Kontakte der Familia Flavia Romae in soldatische Kreise waren ein wenig oxidiert erschienen, so war ein alter Klient des Flavius Aristides, welcher noch seinen Dienst in der ehemaligen Einheit des Veteranen verrichtete, doch zu aktivieren gewesen, dem verwöhnten Jüngling kriegerische Mores nahezulegen.


    Am bestimmten Termine hatte darum Sciurus Sorge getragen, dass einer der zahllosen Wirtschaftshöfe der Villa Flavia Felix war präpariert worden, um dem jungen Flavius als Übungsareal zu dienen: gelagerte Amphoren und anderes Material waren beiseite geschafft, jener Pfahl, an welchem bisweilen unartige Sklaven für Leibesstrafen wurden fixiert, der Ketten entledigt worden, womit er, von einigen dunklen Verfärbungen getrockneten Blutes abgesehen, denen, welche auf Exerzierplätzen der Castella zur Ausbildung von Tirones Verwendung fanden, similär erschien. Insgesamt erweckte der kleine Hof somit den Eindruck der Miniatur eines Kasernenhofes, in welchem der junge Herr fern der Blicke vorwitziger Diener und ruhebedürftiger Herrschaft seine Initiation in den Fechtkampf würde gewinnen können.

    Zitat

    Original von TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS AUGUSTUS
    Der Sekretär nickte wissend und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Severus war beruhigt.
    "Ich freue mich bereits auf eure Reden." Er erhob sich. "Ihr seid herzlich eingeladen, die Zeremonien vorn in den ersten Reihen mit den Senatoren zu verfolgen." Damit waren die Flavier entlassen. Es wurde Zeit, zu beginnen!


    Der junge Flavius lächelte artig und marschierte dann umsichtig die Stufen hinab und aufs Neue zwischen den Milites hindurch, um noch immer aus geringer Distanz sodann dem Ritual Folge zu leisten.

    Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus


    Die Herolde mahnten zur Ruhe und Manius Minor erblickte seinen Vater an der Seite des Princeps, welcher augenscheinlich einen Teil seiner kultischen Obliegenheiten am heutigen Tage seinem Pontifex pro Magistro hatte übertragen.
    Nachdenklich folgte der Jüngling den Handlungen seines Vaters, welcher in seiner bestehenden Aktion jenen Lebenswandel repräsentierte, den auch er nun selbst hatte gewählt. Eines Tages würde zweifelsohne auch er einem Priestercollegium angehören, um nicht lediglich in der anonymen Menge einer Sodalität wie am Vortage, sondern in exponierter Position als Opferherr, Augur oder in anderweitiger Funktion den Cultus Publicus zu vollziehen, um damit den Zorn der Unsterblichen zu kalmieren. Sofern die Unsterblichen seine Opfer akzeptierten selbstredend, denn bisherig hatte er es nicht gewagt einen Haruspex die Vitalia seiner Opfertiere inspizieren zu lassen aus Furcht eines negativen Resultates. Doch eines Tages würde er auch dies nicht mehr zu umgehen imstande sein, selbst wenn das Regifugium ihn zumindest in jener Hinsicht kalmierte, als seine Partizipation am Gesamtrituale dessen Wirkung augenscheinlich nicht gänzlich annihiliert hatte.


    Während der Haruspex schließlich jene winzige Taubenleber inspizierte, wurde dem jungen Flavius endlich bewusst, welch paradoxes Verhalten er seit jenem Entschluss, die Gnade der Götter zu erhoffen, an den Tag gelegt hatte, indem er einerseits die Klarifizierung der Annahme seiner Opfer fürchtete, andererseits eine Gewissheit hinsichtlich seines jenseitigen Lebens von den Divi Parentes erflehte. Stand mit der Haruspizin, dem Augurium und all jenen weiteren Wahrsagekünsten nicht die Zukunft offen, so man gewillt war, selbige zu ergreifen? Ließ sich durch die Inspektion der Vitalia seiner Opfergaben nicht jenseits der Schmach eines refutierten Opfers auch der explizite Wille der Unsterblichen ergründen? Lag die Antwort auf seine drängendste Frage nicht bereits auf der Hand?

    Die Reaktion des älteren Gracchen trübte die Intimität des Augenblickes, denn obschon der jüngere die mimische Replik nicht zu identifizieren imstande war, so kommunizierte das verhaltene Kommentieren doch jenen Dissenz, welchen Manius Minor die vergangenen Jahre so intensiv hatte kultiviert. Selbst wenn der junge Flavius den Beschluss hatte gefasst, sich um seines Seelenfriedens willen seinem Vater zu unterwerfen, ja zuletzt gar eine neue Zuneigung zu ihm evolviert hatte, so wurde ihm nun schmerzlich bewusst, dass sein Argwohn bezüglich der paternalen Feigheit mitnichten ausgeräumt war: Noch immer war Manius Maior inmitten eines grässlichen Krieges von der Seite seines Sohnes und seines siechen Neffen geflohen, hatte sich in Rom verborgen gehalten, während die übrigen Verschwörer gegen den Usurpator tapfer in die Schlacht waren gezogen.
    In den Gründen seiner Seele drängte es ihn, jenes Versagen nochmalig zu thematisieren in der nun aufs Neue erwachten Hoffnung, jene Gestalt, der er Gehorsam zu leisten sich verschrieben hatte, auf wundersame Weise zu rehabilitieren.
    Doch er wagte es nicht, die so fragil erscheinende, neu gewonnene vertrauliche Atmosphäre dieser Stunde zu riskieren.
    "Ich würde es präferieren, in einer Legion zu dienen, welche an den Grenzen des Imperium seiner Pflicht nachkommt."
    , sponn er somit den Gesprächsfaden freundlich weiter und implizierte unintendiert doch beiläufig jenen Vorwurf, den er seinem Vater unterstellte. Denn in der Tat war er nicht gewillt, sein ohnehin nicht-obligates Tribunat zu einer reinen Formalität verkommen zu lassen, selbst wenn es womöglich am Limes Africas sich nicht weniger als ein solches würde entpuppen wie im ihm bereits vertrauten Mantua. Immerhin würde dortig das Potential eines wahrhaft nützlichen Dienstes höher ausfallen und dessenungeachtet ihn davor bewahren, jenen Ort seines juvenilen Traumas voller Einsamkeit, Furcht und Desperation ein ganzes Jahr zu bewohnen.

    Der Princeps hatte gerufen, der junge Flavius gehorchte. Denn konträr zum vergangenen Treffen mit dem ersten Manne des Staates verspürte Manius Minor diesmalig in der Tat eine Obligierung diesem fortan dienstbar zu sein, um dem Wohle seiner Gens zu dienen.


    "Ave, ich bin Manius Flavius Gracchus Minor, gewesener Tresvir monetalis, und wurde durch sen Princeps geladen."
    , präsentierte er sich der Wache, als er in seiner Toga der Sänfte entstiegen war, ehe sein Leibsklave ihm zuvorzukommen imstande war.

    "Vortrefflich!"
    , kommentierte Manius Minor, nun seinerseits lächelnd, seine korrekte Hypothese, obschon ihm selbstredend nicht bekannt war gewesen, dass Annaeus Modestus einen Sohn hatte besessen, da er doch erst, wie er zu memorieren glaubte, in den Tagen seines Aufbruches nach Alexandria eine Ehe war eingegangen, sodass impossibel jener Jüngling dieser Verbindung konnte entsprungen sein.
    Jene Überlegungen fanden indessen ein jähes Ende, als schlagartig der junge Flavius erkannte, dass unerachtet der genauen Relation jenes Annaeus zu seinem prominenten Vater dieser zweifelsohne jüngst erst die Trauer mochte abgelegt haben, weshalb die fröhliche Miene prompt erstarb und er vermerkte:
    "Selbstredend. Zweifelsohne war der Tod deines Vaters für dich ein noch weit größerer Schmerz als für ganz Rom, das sich allzu rasch wieder dem Tagesgeschäft zuzuwenden pflegt."
    Selbstredend war dies eine leere Floskel, da Rom selbst die engagiertesten Politiker, zu welchen Annaeus Modestus temporär mochte gezählt haben, bisweilen kaum betrauerte und noch rascher vergas, als dies einem auf den Mores Maiorum auferbauten Staatsgebilde anstehen mochte, doch fühlte sich Manius Minor genötigt, jene Information über die kürzliche Rückkehr des Senatorensohnes in die Vita publica doch zumindest in irgendeiner pietätvollen Weise zu kommentieren.
    "Mein Name ist Manius Flavius Gracchus Minor, Sohn des Pontifex pro Magistro Manius Flavius Gracchus. Und dies ist mein Vetter, Senator Caius Flavius Scato."
    , introduzierte er sich und seinen Begleiter schließlich.

    Unweit des Comitium schloss Marcus Menenius Lanatus, der greise Rex Sacrorum sich dem Zug der Salier an, welche sich nunmehr zu einer einzigen Prozession vereinten. Trotz des kurzen Weges, welchen Manius Minor vom Palatin hinab zurückgelegt hatte, schmerzte ihn bereits leicht seine Linke, welche das schwere bronzene Ancilium zu tragen hatte, und unter seinem Helm hatte sich Schweiß gebildet, was in ihm die Einsicht offenbarte, sich notwendigerweise körperlich ein wenig stählen zu müssen, ehe er statt der kultischen die reale Kriegstracht anzulegen imstande war, wollte er nicht zum Gespött seiner Kommilitonen sich machen.
    Als noch größere Last erwies sich indessen die nächste Obliegenheit des salischen Kriegszuges, bei welchem nichts anderes von den Sodalen ward gefordert als stillzustehen, während die Ministri den Foculus errichteten und sodann Menenius sich und die Umstehenden kultisch reinigte, das Voropfer vollzog und schließlich den weißen Stier den Genien des römischen Volkes weihte. Endlos zogen sich die sorgsam artikulierten Worte jenes uralten Gebetes, unendlich gemächlich jeder Gestus und jede Handlung, während der Schild am Arm des jungen Flavius beständig an Gewicht zu gewinnen schien, welches ohne jede Rührung des Armes stumm zu ertragen war. Tapfer biss der Jüngling sich auf die Lippe, um sich, seiner Familie, seiner Sodalität und den Göttern keine Schande zu bereiten, indem er jenes uniforme, militärische Bild auch nur durch die deviante Haltung seines Accessoirs zu stören.


    Doch währte auch jene Qual nicht ewig, denn zuletzt signalisierte Scato den Beginn der Prozession, ob derer die Salier überhaupt an jenem Ritual partizipierten. Dankbar senkte und hob der junge Flavius in der Wendung den Schild, was seinen Muskeln für einen Augenschlag jene Alternation offerierte, welcher sie für eine zumindest minimale Rekonvaleszenz bedurften. Dann setzte der Klang der Posaune ein und wie eine Centuria auf dem Marsch erschollen zugleich die Schritte zahlloser, im Gleichschritt das Pflaster berührender Füße und der kehlige Gesang musisch mäßig exerzierter Männer, welche hier selbstredend ohnehin ein uraltes, inkomprehensibles Lied intonierten:
    "... divum em pa cante, divum deo supplicate ..."
    , fiel auch der junge Flavius in den Gesang der übrigen Sodalen ein, während zugleich er hektisch sich mühte, seine Füße im Dreischritt zu koordinieren und dabei seinen schmerzenden Arm durch geschickte Haltung des Ancilium zu schonen.
    "... cume tonas, Leucesie, prae tet tremonti quot ibet etinei de is cum tonarem ..."
    Immer wieder musste er seinen Gesang unterbrechen, um den Schmerz seines Armes durch das Zusammenpressen der Zähne bei jedem Sprung zu verdrängen, denn erst nach einigen Sprüngen kam ihm die salvierende Idee, den Daumen seiner Linken in das Cingulum zu haken und damit einen Teil des Gewichtes zu absorbieren, was zwar an einer ein partikulären Position des Schildes mochte zu erahnen sein, durch ihn zugleich jedoch cachiert wurde, sodass seine Schwäche dem Publikum entging.
    "... cozevi oborieso. Omnia vero ad Patulcium commissei.
    Ianeus iam es, duonus Cerus es, duonus Ianus.
    Venies potissimum melios eum recum..."

    Wieder schlug Manius Minor im Gleichklang mit den anderen sein antikes Schwert auf den Schild, ehe das Lied von Neuem seinen Anfang nahm. Mit der Zeit gelangte der Jüngling in den Rhtythmus der Schritte, welche die älteren Sodalen mit einer Leichtfüßigkeit vollführten, als seien sie nicht honorige Patrizier, sondern gemeine Saltatores, wie sie im Vorprogramm der Ludi Circenses stets zu bewundern waren. Doch konträr zu dem Dienstjüngsten der ihren hatten sie dieses Ritual bereits unzählige Male vollzogen, beherrschten den eingängigen Tanz im Schlafe und hatten sich augenscheinlich auch für die korporalen Prätentionen ihres Dienstes hinreichend präpariert, während der junge Flavius trotz ernster Exerzitien und bester Vorsätze nun, irritiert durch das Gewicht seiner Montur, vermeinte, jeden zweiten Schritt bald einen halben Schritt zu früh, bald zu spät getan zu haben, was sich durch die Einsicht, ob seiner Fehlsicht ebenso außerstande zu sein, etwaige Unebenheiten der Pflasterung des Forums zu antizipieren und somit potentiell über jene zu straucheln, wie es ihm unlängst erst widerfahren war, nicht entlastet wurde.

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    Original von Iduna
    Ein verzweifeltes Geräusch entfloh dabei Idunas Lippen. Als sie abrupt zurück wich und die Weinkaraffe gegen ihre Brust presste. "Oh bitte verzeiht mir. Ich habe nicht aufgepasst. Es tut mir Leid." Murmelte die Germanin in einem Wirrwarr aus lateinischen Worten und ihrer Muttersprache. Wobei sie aus großen Augen zwischen ihrem Dominus und Sassia hin- und her blickte. Dabei dröhnte ihr das Herz in den Ohren und innerlich wünschte sie sich, dass sich der Boden auftat und sie verschluckte. "Ich habe nicht auf.. aufgepasst und.. und war ungeschickt." Versuchte sie sich erneut an einer Entschuldigung, wobei sie sich auf die Unterlippe biss und ihre Wangen vor Scham und Verlegenheit brannten. Tunlichst versuchte sie erneut unsichtbar zu werden. Doch jetzt fühlte sie sich von tausenden Augen durchbohrt.


    Als Sassia das Triclinium verlassen hatte, blieb die Aufmerksamkeit des jungen Flavius an der Sklavin hängen, welche durch ihre Ungeschicklichkeit jenes Malheur hatte verschuldet. Obschon sie ihm zu nahe stand, als dass er ihre Mimik hätte sicher interpretieren können, erkannte der junge Flavius ihre innere Pein.
    Doch war ihm das Mägdlein nicht irgendwoher bekannt? War es nicht jene Sklavin, welche nach seiner Rückkehr nach Rom ihm zur Wahl seines Amtes hatte verholfen? Schon damalig war sie ihm überaus insekur, dazu ein wenig naiv erschienen. Doch ob des kurzes Rendez-vous vermochte er noch nicht einmal ihren Namen zu memorieren, lediglich ihre germanische Provenienz...


    Über jenes Ereignis spintisierend brachte Manius Minor die Zeit zu, ehe die Claudia mit stupender Velozität in den Kreis zurückkehrte, angetan mit einem Kleid, welches er vermeinte zuletzt an seiner Schwester gesehen zu haben. Überhaupt erweckte ihre Gestalt nun überaus starke Remineszenzen an seine Schwester, selbst ihre Augenfarbe schien, soweit er dies auf die Distanz zu identifizieren vermochte, zu korrespondieren. Zweifelsohne war Sassia ein wenig kleiner und ihr Haar ein wenig dunkler, doch ihre divengleiche, latent arrogante Attitüde, die sich nicht zuletzt in ihrem ein wenig obskuren Wunsch nach Vergeltung materialisierte, ließ sie in der Tat einer Inkarnation der Flavia Flamma gleichkommen, obschon die Extravaganz ihrer Forderung den Jüngling zweifeln ließ, ob seine eigene Schwester auf eine derartige Aktion bestanden hätte. Scato, der, wie er nun memorierte, der Eigner der Unglücklichen war, schien die Perspektive einer kahlen Dienerin indessen keine Sorgen zu bereiten, sodass auch der jüngere Flavius seine Bedenken ad acta legte und sich aufs Neue dem Gespräch zuwandte, welches soeben ohnehin seine Intervention zu erfordern schien:
    "Ich werde daran teilnehmen. Der Princeps hat mir die Ehre erwiesen, Prudentius Commodus, welcher ins Ulpianum aufgenommen werden soll, mit einer Laudatio zu ehren."
    Manius Minor empfand einen gewissen Stolz, für jene ehrenvolle Obliegenheit auserkoren worden zu sein, selbst wenn dies dem offiziellen Bekunden nach durch das Los war geschehen. Doch Fortuna war bekanntlich auch eine Gottheit und so vermutete der junge Flavius hinter jener Gelegenheit eine Offerte der Götter, seinen frisch gelobten Weg zu erproben.


    Parallel eröffnete die Claudia, welche augenscheinlich nicht allein beim Wechsel ihrer Garderobe von großer Schnelligkeit war, ein weiteres Sujet:
    "Nun, der Segen einer Kaisertochter mag ihrem Gatten womöglich einst ein ganzes Imperium bescheren!"
    , war Manius Minor an dieser Stelle ein, nachdem Sabinus die Spekulationen über den augustischen Nachwuchs ein wenig zu dämpfen sich mühte.
    "Sollte, was die Götter verhüten mögen, der Caesar das Zeitliche segnen, würde auch eine Tochter zweifelsohne zum Politicum."
    Die originäre Spekulation Sassias hingegen ließ ihn jenes Tages gedenken, als Titus in sein Leben war getreten, nachdem die Geburt Flammas bereits so weit zurück lag, dass er außerstande war diese zu memorieren. Mit sonderbarer Gleichmut hatte er die Existenz eines weiteren Gracchus vorerst quittiert, doch sodann bereits jene Furcht der Zurücksetzung verspürt, welche die Relation zu seinem Bruder seither trotz jener Herzlichkeit, die zwischen ihnen herrschte, bisweilen betrübt hatte. Beständig schien Manius Maior jenem kleinen, inkapablen Wurm, später dem inferioren Knaben eine Nuance mehr an Zuneigung und Liebe geschenkt zu haben als dem Träger seines Namens. Zwar mochte die Geburt eines Bruders im reifen Alter, das Aquilius Bala bereits erreicht hatte, gänzlich differente Gefühle evozieren, doch gewann ein möglicher Konkurrent selbstredend auch in jener Hinsicht an Pikanterie, als der Sohn einer Stiefmutter eine umso größere Gefahr für die eigene Zukunft repräsentierte, was Manius Minor, obschon nicht Erbe eines Caesarenthrones, sondern lediglich eines familiaren Vermächtnisses, bereits am eigenen Leibe hatte erfahren.

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    Original von Caius Flavius Scato
    In seiner feinsten Kleidung verziert mit den Standeszeichen eines Senators blickte er an der Seite seines Verwandten Manius Minor den Ort des Geschehens und stimmte innerlich den Worten seines Blutes zu, wiegelte äußerlich allerdings schnell ab und versuchte sein aufstrebendes Familienmitglied zu beruhigen "Ich bin mir sicher, dass du eine hervorragende Rede halten wirst Manius. Dein rhetorisches Talent steht außer Frage. Nur Mut." versicherte Scato erbaulich und hoffte natürlich ebenso auf ein Gelingen.


    Der junge Flavius gedachte für einen Augenschlag seines letzten rhetorischen Erfolges beim Gastmahl mit den Claudii, wo er das Bravo des alten Claudius hatte gewonnen. Obschon dies nicht als allzu kompliziert sich hatte erwiesen, da das Publikum keinerlei Captatio benevolentiae mehr bedurft hatte, musste er doch konzedieren, dass die Situation heutig qualitativ nicht sonderlich different war, obschon die Herausforderung quantitativ ihn weiterhin ängstigte. Schon als Knabe hatte er den Kontakt mit Fremden stets gefürchtet und ein Hauch jener Xenophobie restierte noch immer in seinem Geiste, selbst wenn er durch stumpfe Desensibilisierung gelernt hatte, diese Regungen zu cachieren. Ob sein dramatisches Potential jedoch genügte, eine derart gewaltige Furcht zu verbergen, dessen war sich der Jüngling weiter höchst ungewiss...
    "Ich hoffe es."
    , bemerkte er somit und schob sich, geplagt von seiner Insekurität, hinter Scato her ins Gedränge.

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    Original von TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS AUGUSTUS
    Nach den Iuliern kam auch schon die nächste Familienladung, diesmal die Flavier. Der Kaiser hatte sie erst am Vortag bei ihrem salischen Auftritt gesehen, aber wenig Gelegenheit zum Plaudern gehabt. Jetzt vor der Zeremonie war allerdings auch nicht der Zeitpunkt, viele Worte zu machen.
    "Salvete, Flavii." Er sah fragend zu seinem Privatsekretär, der hoffentlich einen Überblick hatte, wo die Redner für die spätere Ehrenhallen-Einweihung ihren Platz hatten. Sie waren ja erst ganz am Ende der Zeremonie an der Reihe.


    Obschon Manius Minor nicht detaillierte Imaginationen hatte entwickelt, wie die heutige Zeremonie ablaufen mochte, da ihm noch niemals die Ehre war zuteil geworden, einer Divinisierung, respektive einer Tempelweihe beizuwohnen, so war er doch relativ perplex, als Scato ihn zielstrebig durch die Reihen der Sicherheitskräfte bugsierte und sie kurz darauf vor der imperialen Familie standen. Obschon er sämtlicher erst kürzlich war ansichtig geworden (an der Seite von Augustus und Caesar hatte er am Vortage noch während des Regifugium getanzt, die Augusta war ihm am Festtage der Iuno Februata begegnet), erschien es ihm doch als unerwartete Ehre, an diesem speziellen Tage in derart spezieller Weise ihnen seine Referenz zu erweisen.
    Dennoch riskierte er vorwitzig einen Blick auf den Bauch der Augusta, welcher selbstredend noch keine identifikablen Veränderungen ob ihrer differenten Umstände offenbarte, ehe er sich den Ehrbezeugungen seines Anverwandten anschloss:
    "Salve, Augustus. Salve, Augusta. Ave, Caesar."
    Der Princeps war augenscheinlich ein wenig irritiert, womöglich jedoch schlicht in ähnlicher Erregung wie der junge Flavius selbst, da zweifelsohne selbst ein Augustus nicht alltäglich ein derart bedeutendes Projekt seines Antezedenten zum Abschluss brachte. Indessen war dem Jüngling aus Angst, wichtige Partien seiner Rede zu vergessen ohnehin nicht zum Plaudern zumute, weshalb er Scato das Gespräch überließ.

    Manius Minor fragte sich ernstlich, inwiefern die mäßigen meteorologischen Verhältnisse ein unfavorables Zeichen mochten, als an diesem Tage das Haus verließ. Er entstieg der Sänfte ein wenig abseits, um nicht das Gedränge der Menschen zu geraten, welche bereits sich allerorten zur Via Sacra drängten, wo heutig gleich zwei Consecrationes zu Ehren der Ulpii vonstatten gehen sollten. Auch der junge Flavius wollte dazu seinen Beitrag leisten, denn auf seine Bewerbung hin hatte man ihn erkoren, eine der Lobreden auf einen jener Heroen zu halten, welche der Senat und der Kaiser in die Ehrenhalle aufzunehmen beschlossen hatten. Gern nahm der junge Flavius diese Obliegenheit auf sich, obschon er seines Erinnerns niemals Bekanntschaft mit dem zu Ehrenden gemacht hatte, sodass sämtliche Informationen aus den Archiven des Tabulariums sowie informellen Erkundigungen stammten, denn einerseits fügte sich ihre Erfüllung in seinen Vorsatz, ein getreulicher Spross der Gens Flavia zu werden, andererseits hatte er sich auch während des Studiums bei Quinctius Rhetor insonderheit auf die Panegyrik kapriziert.


    Bestens präpariert war er somit, als er in Toga virilis und Tunica laticlava an der Seite seines Vetters Scato, der ebenfalls einen der Kandidaten zu preisen die Aufgabe hatte, den Ort des Geschehens betrat. Einen Augenschlag noch spintisierte er, ob er nochmalig in seiner Sänfte die Stichpunkte zu einer Rede memorieren sollte, entschied sich sodann jedoch dagegen, da das Auswendiglernen von Texten eine Qualifikation darstellte, welche er schon als kleiner Knabe aufs Vortrefflichste hatte erworben, um seine Fehlsicht und somit die Inkapazität des Lesens von Texten zu cachieren, und auch in diesen Tagen noch beherrschte.
    Dessenungeachtet sank sein Mut ein wenig, als er nach Passieren einer Ecke die Menschenmassen erblickte, die zu diesem Ereignis sich versammelt hatten. Gewiss hatte Manius Minor diverse Reden gehalten, vor einem Jahr selbst vor dem ehrwürdigen Hause des Senates. Doch damalig hatte jene Schar alter Männer ihm nicht das Geringste bedeutet, hatte er ihnen in epikureischer Verblendung gar Verachtung entgegen gebracht, während heute das Publikum nicht nur weitaus zahlreicher war, sondern auch noch mehr als damalig sämtliche Häupter des Staatswesens umfasste, deren Bedeutsamkeit und Würde ihm dieser Tage weitaus bewusster war.
    "Ich glaube, mir ist ein wenig blümerant..."
    , murmelte er daher halb zu sich selbst, halb zu seiner Entourage und blickte hinauf zu den majestätischen Lettern, welche er trotz seiner Hypermetropie leichtlich zu entziffern im Stande war: Dem Ruhme und der Geschichte des römischen Volkes.
    Ihm würde fortan auch er selbst zu dienen haben bis ans Ende seines Lebens, wollte er der Strafe im Kommenden entgehen...

    Der jüngere der beiden Flavii lächelte genant, als Menecrates ihn freimütig zum Sieger jener unpräparierten Disputation erkor und selbige Position auch seitens Scato und Sassia rundheraus Akzeptanz fand, obschon selbstredend jenes Urteil nicht sonderlich fundiert erschien, da zumindest der alte Claudius ein vielschrötiger Veteran war, welchen zu überzeugen ein Leichtes war gewesen, und der Disput außerordentlich kurz war gewesen. Dennoch erfüllte es den Jüngling mit gewissem Stolz, das Wohlwollen jenes Mannes errungen zu haben, der vor einem Jahr noch ihm über seine distanzierte Relation zur Mutter des jungen Gracchen hatte berichtet.


    Ehe sodann das zwanglose Gespräch voranschreiten konnte, intervenierte die rothaarige Sklaven, von der Manius Minor nun erst nähere Notiz nahm. Das ungeschickte Ding hatte den Wein just auf der Zierde des heutigen Abends vergossen, welche prompt aufsprang und damit das gerötete Kleid (und die darunter liegende, überaus ansehnliche Silhouette) in voller Pracht präsentierte. Für den Hauch eines Augenschlages stellte sich der junge Flavius die Frage, ob seine Schwester Flamma einen similären Anblick geboten hatte, als sie sich mit einem Dolche das Leben hatte genommen, was seine Züge zum Entgleisen brachte. Doch die hektische Betriebsamkeit, welche sogleich sich entsponn, schob jenen Gedanken rasch wieder beiseite und nötigte auch ihn, eifrig seine Hilfe zu offerieren:
    "Womöglich könnte meine Stiefmutter ihr eine Tunica borgen! Oder womöglich restieren gar noch einige Kleider meiner Schwester hier im Hause..."
    Zwar vermeinte der Jüngling, dass Sassia sowohl seiner natterngleichen Stiefmutter, als auch seiner verblichenen Schwester an Körpergröße mitnichten ebenbürtig war, doch waren auch feminine Roben für gewöhnlich ja eher ausladend konzipiert, um derart unzüchtige Blicke, wie die junge Claudia nun bot, zu verbergen.

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    Original von Sextus Annaeus Rufus
    Am Platze wurde es immer leerer. Rufus verfiel in einen schlendernden Laufstil. Das Ereignis mit den Krähen wollte ihm nicht aus dem Kopf. Vertieft in Spekulationen, die er darüber anstellte, was es zu bedeuten habe, ließ er dabei sein Umfeld außer acht. Wäre er aufmerksamer gewesen, hätte er dem jungen Mann, die Landung auf dem Pflaster ersparen können. So wurde er unvermittelt beinahe selbst von den Füßen geholt. Der Rempler war weniger schlimm, Rufus fing sich ab. Seine Kleidung blieb intakt. Auch sonst war nichts geschehen, was ihn zu einer unangenehmen Äußerung genötigt hätte. Die Entschuldigung des Verursachers kam prompt, was ihn noch weniger dazu animierte ausfallend zu werden. „ Es ist alles in Ordnung. Nichts passiert. Ich hoffe du hast dir keinerlei Verletzung zugezogen?“ Rufus musterte den Flavier, ober er Anzeichen von Schmerz oder Unwohlsein zeigte. Es schien soweit alles in Ordnung zu sein. „ Entschuldigung meinerseits. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit von mir und dir wäre der Fall erspart geblieben. Meine Name ist Annaeus Rufus.“ Stellte er sich vor den beiden Flaviern vor.


    "Ich bin wohlauf, sorge dich nicht."
    , erwiderte Manius Minor und klopfte sich den Staub von der Toga, während Patrokolos bereits dazu ansetzte, die ruinierte Faltung so weit als möglich zu ordnen. Jenseits der Konfusion seiner Kleidung war er tatsächlich unverletzt geblieben, wollte man von einem minimalen Schmerz seiner Handflächen absehen, mit welchen er sein massiges Gewicht hatte auffangen müssen.
    "Ich sollte besser auf meine Füße achtgeben."
    , fügte er sogleich an, als der Fremde bereits eine Mitschuld auf sich zu laden im Gange war, welche ihn zweifelsohne nicht traf, da der junge Flavius doch mit größter Klarität hatte verspürt, dass sein Fuß sich misfortunabel hatte verfangen.


    Als sein Opponent sodann seinen Namen verbalisierte, aktivierte er damit ein Spintisieren Manius Minors, welcher sich mühte selbigen in adäquater Weise zu kontextualisieren, was hingegen insofern problematisch erschien, als er seit seiner Rückkehr nach Roma im vergangenen Jahr wenig Interesse für die familiaren Ereignisse der besseren Gesellschaft Roms hatte gehegt, da er doch erhofft hatte diese in Kürze hinter sich zu lassen. Dies gereichte ihm nunmehr jedoch zum Nachteil, da jenseits von Annaeus Modestus, welcher kürzlich das Zeitliche hatte gesegnet (dies zumindest war ihm nicht entgangen), keine Annaei bekannt waren, denen wie jenem Rufus das Tragen des Latus clavus gestattet war.
    "Annaeus Rufus? Du stehst nicht zufällig in einer verwandtschaftlichen Relation zu Annaeus Modestus?"
    , fragte er somit endlich, um seinem Rätseln ein Ende zu setzen.

    Der Tag war gekommen: Manius Flavius Gracchus Minor, Sohn des Manius Flavius Gracchus, Consular und Pontifex pro Magstro, würde heute erstmalig Sacra publica in tragender Funktion miterfüllen, anstatt lediglich als Minister in zweiter Reihe zu stehen. Obschon er nämlich bereits seit beinahe einem Jahr der Sodalität der Salier angehörte, hatte er sich zu den spärlichen Terminen, welche nach seiner Kooptation für die Kommunität hatten angestanden, unter Verweis auf seine dringlichen Amtspflichten als Tresvir monetalis exkulpieren lassen, um nicht an jenen ihm damalig ihm als Irrsinn erscheinenden Ritualen partizipieren zu müssen, welche er in jenen epikureischen Zeiten für ein Produkt leerer, ja geradehin ridikulöser Meinungen hatte gehalten. Noch immer war ihm seine damalige Kritik wohlbewusst, da es dem rationalen Menschen doch höchst kurios musste erscheinen, dass Mars selbst, der Gott des Krieges wie der Ernten, übermächtig und blutgierig, just Gefallen fand an einem Schreittanz jüngerer wie gealterter Herren, travestiert als Krieger historischer Zeiten und ein Lied intonierend, dessen Gehalt ihnen selbst bereits unbekannt war.
    Noch immer mochte diese Kritik den nüchternen Philosophen am Museion einleuchten, mochten sie die Götter in fernen Sphären wähnen und das armselige Hüpfen der salischen Sodalen als vergeblichen Versuch betrachten, das Numinose zu binden. Doch der junge Flavius wusste es inzwischen besser: Wider alle Potentialitäten war er Mercurius persönlich entgegen getreten, statt zerfallener Atome hatte er selbst die höchst intakte Seele seiner Mutter geschaut, welche ihn gemahnt hatte, sich als pietätvoller Spross seiner Gens zu erweisen und damit auch eben jene ridikulösen Riten gehorsam zu vollziehen. Der Jüngling wusste nicht, ob dafür tatsächlich eine unumgängliche Notwendigkeit bestand, ob Mars realiter sich dieses Tanzes erfreute oder ob es eher darum ging, durch das Halten der Mores Maiorum und den regelmäßigen Vollzug von Riten gleichwelcher Art den Unsterblichen wie den Toten Respekt zu zollen, doch war er gewiss, dass es ihm nicht anstand, jene erprobten Wege zur Sicherung der Pax Deorum zu refutieren, wollte er nicht die Rache der Götter auf sich ziehen.


    Und so hatte Manius Minor zur Präparation dieser Festivität mit größtem Ernst die traditionellen Tanzschritte studiert (was ihm durchaus diffizil war erschienen) und das Carmen Saliare memoriert (was ihm weitaus leichter gefallen war), hatte am Morgen dieses Tages sich mit seinen Sodales auf dem Palatin versammelt und dortig jene Montur angelegt, die seit uralten Zeiten an diesem Tage angelegt zu werden pflegten: Gerade noch zur rechten Zeit war die neue Tunica picta vollendet worden, da das Exemplar seines Vaters, welcher nun der Sodalität den Rücken hatte gekehrt, ihm in der Ventralregion zu eng, an den Armen hingegen zu lang gewesen war, sodass sie ihm am heutigen Tage ebenso vortrefflich passte wie die darüber gelegte Trabea. Neben diesen royalen Textilien, wie sie sonst lediglich Spielgeber oder Triumphatoren trugen, war die Staffage der heutig geehrten Gottheit gemäß jedoch ausgesprochen martialisch. Und in der Tat hatte der Jüngling sich beinahe wie ein Krieger der ersten Tage Romas gefühlt, als Patrokolos ihm erstlich den Brustschild umgebunden, seine Hüften mit einem bronzenen Schwert gegürtet und schließlich den konischen Helm aufs Haupt gesetzt hatte. Mit Lanze und Ancilium in der Hand hatte er sich sodann beinahe gefühlt wie jener ebenfalls patrizische Heroe Horatius Cocles, welcher in den Kindertagen der römischen Republik die Stadt durch seinen heldenmütigen Einsatz hatte gerettet und dafür mit einer Statue auf dem Comitium war ausgezeichnet worden.


    Heute standen indessen andere Statuen rund um jenen uralten Platz auf dem Forum, wo einstmals die Curiae waren zusammen getreten, um das Schicksal Roms zu entscheiden, nun jedoch lediglich rituelle Handlungen wie das Regifugium wurden vollzogen. Auch sie marschierten schließlich zu jenem Zweck vom Palatin dorthin hinab, während vom Quirinal her die alte Sodalität seines Vetters Scato sich hatte aufgemacht, um gemeinsam mit ihnen jenen Tanz zu Ehren der Kriegsgötter darzubieten, den ihre Ahnen schon in den Tagen des Tarquinius Superbus zu tanzen gepflegt hatten.

    Ein entschiedener Aristokrat mochte dem Germanicus wie dem Iunius widersprochen haben, als der eine die Gleichrangigkeit der Germanici und Flavii postulierte, der andere dagegen die genetische Bestimmung zur Herrschaft so freiheraus negierte, doch erstlich hatte Manius Minor sich aus philosophischen Gründen von jener Haltung abgewandt, zum Zweiten jedoch verspürte er schlicht Erleichterung, dass mit jenen Worten jemand dem wahnhaften Germanicus Paroli bot. Die maskuline Bestimmtheit des Tribunus war nämlich in der Tat geeignet, ihm ein Gefühl von Sekurität zu vermitteln, welche selbst die bedrohlichen Worte des Miles zu widerstehen vermochten. Zwar flammte noch einen Augenschlag die Furcht in dem jungen Flavius auf, Peticus würde final doch seine Eskapaden in einem Blutbade enden lassen, worin er gar jene leichtgläubigen Tirones zu integrieren gedachte, doch schon erschien die Kavallerie und salvierte die gesamte Situation.


    Sämtliche jener Meuterer wurden abgeführt und zurück blieben ein sichtlich erlöster Jüngling und ein vielschrötiger Militär, welcher prompt sich exkulpierte.
    "Berühmt und angesehen wollten manche Menschen werden, weil sie meinten, dass sie sich so die Sicherheit vor den Menschen verschaffen könnten. Wenn daher das Leben solcher Menschen sicher war, haben sie das natürliche Gut gewonnen. Wenn es aber nicht sicher war, besaßen sie nicht, wonach sie von Anfang an in Übereinstimmung mit ihrer eigenen Natur strebten"
    , rezitierte der junge Flavius den siebten Lehrsatz des Epikur und lächelte versonnen.
    "Wo leere Meinung sich mit Uneinsichtigkeit verbindet, da ist jede Glückseligkeit verloren."
    Deplorablerweise traf dies jedoch nicht nur für Peticus, sondern ebenso für einen Großteil der Gesellschaft, nicht zuletzt Manius Maior, zu, wie Manius Minor gewahr wurde.
    "Ich danke dir, mich aus jenem Irrsinn erlöst zu haben."

    Zitat

    Original von Sextus Annaeus Rufus
    Dankend nickte Rufus auf beide Beileidsbekundungen. Die Erkenntnis, dass er zu Annaeus Modestus viel genauso nüchtern aus. Daher nahm Rufus an, dass der Senator weniger Kontakt mit seinem Vater hatte. Das machte nichts. Die Geschehnisse verlangten, dass Rufus die Annaer nicht in Vergessenheit geraten ließ. Bei dieser kurzen Kontaktaufnahme wollte er es vorerst belassen. Geschickt wich er einem entgegenkommenden Passanten aus, fiel dabei etwas zurück. Seine Vorstellung durch den Iulius beim Consular Purgitius wurde knapp gehalten. Der eigentliche Sinn, war ja die Vorstellung seines Schützlings, Furiers, wie Rufus schlussfolgerte. In diesem Sinne hielt sich Rufus im Hintergrund. Er grüßte den Consular höflich: „Salve Consular Purgitius.“ An den Iulier gewandt. „ Ich werde eure Unterhaltung nicht weiter stören. Recht vielen Dank für das kurze Gespräch. Valete Consular Purigitius, Senator Iulius , Furius Philus.“ Rufus verabschiedete sich wie es ich gehörte und zog sich aus dieser Runde zurück. Consular Purgitius merkte sich Rufus vor. Bei ihm musste er in den nächsten Tagen vorstellig werden. Einen Termin galt es einzuholen. Hier und in diesem Moment wäre das etwas unverfroren gewesen. Der Iulier wollte sich mit dem Purgitier unterhalten.


    Nachdem das Opfer war vollzogen, löste sich die neugierige Menge der Zuschauer gemächlich auf, sodass nicht lange darauf auch Manius Minor und Scato recht verloren zwischen den geschäftigen Gestalten standen. Hatte der jüngere Flavius soeben noch leidenschaftlichen Vorwitz hinsichtlich des übrigen Publikums verspürt, so verpuffte jene Erregung nun inmitten einer gewissen Desorientierung, sodass letztlich er, an Patrokolos und Scato gleichermaßen gewandt, offerierte:
    "Lasst uns nach Hause gehen."
    Ehe die noch imstande waren seinen Antrag zu refutieren, setzte der junge Flavius sich bereits in Bewegung, weshalb es seinem getreuen Diener nicht gelang, sich eilig genug vor diesen zu setzen, was wiederum zur Folge hatte, dass niemand den Jüngling vor einem Defekt der Pflasterung zu seinen Füßen warnte, welcher diesem ob seiner Hypermetropie entging. In der Folge verhakte sich sein Calceus in einer Ritze und Manius Minor purzelte, geleitet von einem erschrockenen Aufschrei, gegen eben jenen Annaeus Rufus, welcher einer Laune der Parzen folgend an hiesiger Stelle sich befand, und sodann zu Boden.


    Verlegen rappelte er sich, assistiert von seinem besorgt dreinblickenden Sklaven, wieder auf und klopfte emsig den Staub von seiner Toga, welche selbstredend durch den Sturz gänzlich derangiert worden war. Fortunablerweise hatte er zumindest, seinen Reflexen folgend, welche seit dem Ende des Opiumkonsumes ihm wieder weitaus verlässlichere Dienste leisteten, den Sturz durch seine Hände abgebremst und war somit ernstlicher Läsionen entgangen.
    "Domine, ist dir etwas geschehen?"
    , fragte Patrokolos ganz außer sich.
    "Nein, nein, ich bin völlig wohlauf."
    , erwiderte der Jüngling ein wenig verärgert ob seiner Unachtsamkeit und blickte sodann auf in das Antlitz des Annaeus, welchen er im Fallen hatte touchiert und dem er zweifelsohne nun als tollpatschiger Narr mochte erscheinen.
    "Verzeihung, ich bitte vielmals um Verzeihung!"
    , bat er beschämt und fragte sich, ob die sorgsam gefaltete Toga seines Opponenten durch seine ruppige Berührung womöglich ebenfalls aus der Form war geraten. Da dies ihm ob seiner Kurzsichtigkeit jedoch zu ermessen nicht möglich war, er aber jene Inkapazität als einen Mangel erachtete, welchen er zu offenbaren sich scheute, blieb ihm nichts als zu hoffen, dass jener mysteriöse Fremde, dessen Silhouette dem jungen Flavius wenig familiar erschien, höchstselbst die Schäden jenes Malheurs thematisierte.

    Die Grazien am Altare vollzogen jenen solennen Ritus mit größter Anmut und unerwartet ließ jenes Konglomerat jungfräulicher Schönheit den jungen Flavius einer gänzlich konträren Situation seines früheren Lebens gedenken, als berbische Sklaven von ebenbürtiger Pracht, doch weitaus unzüchtigerer Aufmachung vor seinem Auge eine gänzlich differente Choreographie hatten vollführt. Mit einem unterdrückten Räuspern verbat sich der Jüngling indessen jenen überaus pietätlosen Gedanken und schalt sich ob jener inadäquaten Leidenschaft, welche so unerwartet ihn befiel.


    Dessenungeachtet zögerte sich die Prüfung des göttlichen Konsenses eine Weile, währenddessen der Blick des jungen Flavius sich dem Himmel zuwandte, wo im metaphorischen Sinne die Unsterblichen hausten (selbst bei dem gottvergessenen Epikur!), nun jedoch zwei Krähen ihre Kreise zogen und eine possierliche Jagd initiierten, welche den Jüngling einmalig gar das Haupt ließ einziehen, als der jagende Vogel in erschröcklicher Proximität die beiden Flavii passierte. Doch blieben sie wie sämtliche Gäste von Kollissionen oder Defäkationen bewahrt, sodass vergnügt man nach dem Ende der Zeremonie sich dem erquicklichen Treiben konnte zuwenden...

    Als Peticus dröhnend zu lachen begann, entfuhr dem jungen Flavius ein quiekender Laut und er sprang noch einen Satz in Richtung des Tribunus, entsetzt und furchtsam zugleich, da eben jenes Gelächter in seiner Erregung ihm weniger als Spott denn als neuerliche Konfirmation jenes Wahnes erschien, welchen er dem Miles bereits seit geraumer Zeit unterstellte. Augenscheinlich wagte er es jedoch nicht, vor den Augen seines Vorgesetzten zur Waffe zu greifen, sondern versuchte aufs Neue durch Worte seine desperate Situation zu retten. Manches erschien dem durchaus noch peripher durch den Morpheus-Trunk betörten Jüngling als subjektive Interpretation des Erlebten, manches entzog sich seinem Verständnis, manches wiederum war augenscheinlich eine intendierte Inversion der Realität.


    Doch fortunablerweise erwies es sich nicht als notwendig, neuerlich Korrekturen zu ersinnen, was ihm in seiner Furcht ohnehin nicht sonderlich viabel erschien, denn wie der Iunius endlich vernehmen ließ, war er keineswegs gewillt die Insubordination seines Untergebenen zu tolerieren, sondern verwies ihn an jenen Platz zurück, welcher einem Miles gregarius zustand. Als final er noch die Wache ins Officium beorderte, löste sich der Knoten aus Furcht und Panik in der feisten Brust Manius Minors und er atmete auf.


    Er blickte zu jenen Tirones, welche Peticus zu seinen Assistenten hatte erkoren und die nun zweifelsohne die Strafe ihres selbsterkorenen Kommandanten würden teilen.

    Der jüngere Flavius ponderierte den Einwand des greisen Claudius als Konsens mit der eigenen Positionierung, was ihn motivierte, seine Einsicht mit weiterer Vehemenz gegen seinen Vetter zu defendieren, zumal jener Disput jenen similären sportlichen Ehrgeiz in ihm erweckte, welchen er besaß:
    "Nun, verehrter Claudius, selbstredend hat für unseren illustren Kreis bisherig keiner jene Obligation erhoben, doch bleibt doch zu memorieren, dass die Majorität aller Senatorensöhne einen dergestalten Kriegsdienst zu absolvieren haben, ehe sie nach den höheren Ämtern streben. Insofern erscheint es mir ein überaus realistisches Sujet, diese Frage zu erörtern."
    Mit der freien Hand griff er sich an die feiste Brust.
    "Ich für meine Person würde in dieser Frage durchaus eine Lanze für den Kriegsdienst brechen, da mir deine Differenzierung der Potentiale, mein lieber Scato, ein wenig zu strikt erscheint: Zweifelsohne besitzt mancher eine bessere Eignung für die Kriegskunst als der andere, alleinig schon hinsichtlich seiner physischen Potenz."
    Er ließ seine Hand wieder sinken, als ihm der nicht sonderlich erquickliche Umstand bewusst wurde, dass seine Statur geradehin als exemplarische Illustrationen seiner Worte musste dienen.
    "Doch sind wir, die Söhne von Senatoren und Enkel der Väter Roms, nicht dazu berufen, den Staat in all seinen Facetten zu leiten? Liegt, wie du sagst, ein derart tiefer Riss zwischen der Qualifikation des Diplomaten und der des Kriegsmannes? Gilt es nicht klugerweise für beide, mit dem Feinde zu verhandeln, respektive seine militärische Kraft zu ermessen? Müssen nicht beide taktieren, durch erbauliche Reden den anderen für sich gewinnen, ungeachtet ob dieser zur Motivierung der eigenen Truppe oder der Überzeugung des Opponent in der Verhandlung dient?
    Dies scheint es doch, was den wahren Aristokraten bestimmt und beiden Professionen zum Nutzen gereicht: Beredsamkeit, Mut, Klugheit, Ehre, Stärke, ein Blick für das Ganze und Demut vor den Grenzen der eigenen Kräfte. Und dies scheint mir der Grund, warum ein jeder von uns eine größere Befähigung zum Offizier besitzt als ein Großteil selbst jener Veteranen, die ihren Dienst bei den Adlern absolvierten."

    Er musste konstatieren, dass ihm das Deklamieren neue Freude bereitete. Zwar hatte er mit den Myrmidonen, seinen alexandrinischen Freunden, ebenfalls bisweilen disputiert, doch hatte die Majorität jener Debatten sich um ridikulöse Belanglosigkeiten wie die Wahl der adäquaten Garderobe für das folgende Fest, die Planung der kommenden Lustbarkeit oder in seltenen Fällen die hypothetische Abwägung zweier epikureischer Sentenzen gedreht. Demgegenüber erschien es ihm geradehin als wahre Lust, staatstragende Fragen zu erörtern, deren Antworten einst tatsächlich Gestalt mochten gewinnen!