Obschon konfident, dass das senatorische Plenum, vor welchem heute er seine Kandidatur verkünden sollte, nichts anderes als eine Kongregation gieriger Eitelkeiten und niederer Machtspiele, so verspürte er doch eine gewisse Nervosität, als endlich er die Pforten der Curia Iulia, vor welcher so viele Jahre er nicht selten artig seinen Vater hatte erwartet, passierte und voranschritt bis zum Podest der Consuln, von wo aus er seine Rede zu halten hatte. Zaghaft, doch sorgsam hob er einen Fuß nach dem anderen, stets fürchtend, ihm entgehe nun, da Patrokolos ihn nicht geleiten und navigieren konnte, unter der üppigen, strahlend weißen Toga eine Unebenheit oder ein seinem hypermetropischen Augenlicht verborgenes Hindernis.
Doch final erreichte er endlich jenen Ort, an welchem er schon so zahlreiche Rhetoren hatte sprechen sehen (aus der Distanz der Pforte vermochte er jene Region des Hauses nämlich durchaus in Clarität zu betrachten), präsentierte eine dankende Geste an die Adresse der Consuln und wandte sodann sich dem Plenum zu.
"Patres conscripti,"
, initiierte er seine Rede mit jener altherkömmlichen Anrede, welcher wohl bereits seine claudischen Ahnen zu republikanischen Zeiten sich hatten bedient.
"aufs Neue hat mit dem heutigen Tage ein Flavius die Ehre, in hiesigen Hallen sich der Wahl zu stellen und zu jenem Lauf der Ehren anzusetzen, welchen so viele seiner Ahnen vor ihm durcheilten.
Mitnichten bin ich, Manius Flavius Gracchus Minor, am heutigen Tage imstande, impressive Verdienste vorzuweisen, da weder die Diplomae, welche ich beim Studium von Rhetorik und Philosophie erwarb, noch die Experienz einer Bildungsreise an das Museion von Alexandria samt Erwerb der dortigen Proxenie diesem ehrwürdigen Gremium sonderlichen Respekt mögen abnötigen."
In der Tat vermochten jene Akkreditierungen infantiler Gelehrsamkeit selbst dem jungen Flavius selbst nicht mehr zu imponieren, da doch das eitle Streben nach Ruhm gleichzeitig welcher Art nichts anderes war als Knechtschaft leerer Meinungen.
"Dessenungeachtet bin ich überaus konfident, jenes Ehrenamt, welches selbstredend auch gewisse Obliegenheiten impliziert, in adäquater Weise auszufüllen, da doch, wo nicht eigene Verdienste, mir doch die vortrefflichsten Anlagen in die Wiege gelegt sind.
Mein Name bereits offenbart nicht lediglich die Deszendenz meiner Person aus der hochehrwürdigen Gens der Flavii, sondern ebenso der consularen Stirps der Flavii Gracchi. Noch lauter und klar wird euch das Consulat meines Vaters präsent sein, welcher im vergangenen Jahr das höchste Amt im Staate bekleidete und den Künsten neues Leben einhauchte, was in diesem Hause größten Beifall genoss. Darüber hinaus trägt er seit Jahren höchste Responsibilität für den Cultus Deorum und berät als Pontifex pro Magistro den Imperator Caesar Augustus in allen Belangen der unsterblichen Götter."
Vortrefflich offenbarte das Consulat Manius Maiors, über welches Manius Minor sich bei der Präparation jener Rede eifrig hatte informiert, dem kundigen Rezipienten das wahrhafte Wesen, welches nichts als Schauspiel und leere Worte implizierte, da doch in jener Stunde größter Gefahr der Urbs nichts heroischeres ihm war gelungen, als furchtsam sich in einem Versteck zu verkriechen, gar sein eigen Fleisch und Blut zurückzulassen, um sodann, kaum war jedwede Insekurität verschwunden, sich neuerlich an die Spitze der Tugendprediger zu setzen.
Doch hatte der junge Flavius selbst sich jenem Blendwerk endlich unterworfen, hatte wider Wahrheit und Gewissen geschworen, selbst an jener Fassade mitzubauen, Stein um Stein der Narrheit ihr zu addieren, nur um seine kümmerliche Begierde nach den Annehmlichkeiten des Lebens zu saturieren.
So blieb ihm nichts, als wider besseres Wissen seine Ahnen, welche doch seit Jahren und Dekaden in winzige Atome waren zerfallen, in den Zeugenstand seiner Qualitäten zu berufen, um den Respekt jener honorigen Männer zu gewinnen, obschon doch schon vor Jahrhunderten Epikur das törichte Staunen vor dem Ruhm, welcher doch nichts war als ein Produkt vergeblichen Strebens nach Sicherheit, als Irrsinn hatte entlarvt.
"In selbiger Weise stellte jedoch auch dessen Vater und mein Großvater Titus Flavius Vespasianus sein Leben gänzlich in den Dienst jenes Staatswesens, welchem nun auch ich zu dienen anstrebe. Auch er bekleidete höchste Ämter, nicht zuletzt das des Praefectus Urbi, und wurde zum Zeichen des Vertrauens seines Kaisers in einer marmornen Statue verewigt, welche stets an seine irrevokable Treue zu Divus Iulianus und seinem Hause uns gemahnt. Und selbst meines Großvaters Gattin Diva Flavia Nyreti wirkte getreu fürs Vaterland als Senatorin, welcher gar, dem Usus ihrer Zeit gemäß, das reiche Aegyptus ward anvertraut."
Obschon selbst im Zentrum des Pharaonenreiches die letzten Jahre seines Lebens fristend, hatte der Jüngling erst bei der Recherche für seine Rede neuerlich die Remineszenz an seine Großmutter aktiviert, welche einst die Procuratur Ägyptens hatte bekleidet.
"Der Cognomen Vespasianus mag indessen auch gemahnen, dass meine Gens nicht lediglich Senatoren und Consulare, sondern selbst eine imperiale Dynastie einstmals hervorbrachte, welche die Wirren des grässlichen Bürgerkrieges überwand und der Stadt und dem Erdkreis Frieden und Stabilität verlieh."
Insonderheit der letzte der flavischen Kaiser dokumentierte neuerlich den Irrsinn des Strebens nach Macht und Kontrolle, jener insaturablen Begierden nach Sekurität vor den Menschen, welche doch ad absurdum sich selbst hatte geführt und als Frucht von Machthunger und Tyrannis den Mord durch seine Vertrauten hatte gezeitigt.
"Doch nicht nur mein Vater, auch meine Mutter entstammte edelstem Geblüt. Claudia Antonia war ein wahrer Spross der Claudii, welche schon seit dem Tag, als Appius Claudius Sabinus vor mehr als sechs Centennien das Bürgerrecht dieser Stadt erwarb, unter die Senatoren wird gezählt. Bis in jüngste Zeit dienten auch sie unter höchstem Einsatz der öffentlichen Sache und brachten Männer wie meinen Großonkel Marcellus Claudius Macrinius hervor, der als Praefectus Praetorio gar mit dem Ehrennamen 'Restitutor' sich zu schmücken die Ehre hatte."
Selbstredend hätte auch Onkel Menecrates hier einen Platz erhalten, doch hatte letztlich er dagegen sich entschieden, da selbiger doch in allzu peripherer Relation zu ihm sich befand und zugleich jenseits militärischen Ruhmes (welcher ihn doch wohltuend von seinem feigen Erzeuger distanzierte) mitnichten in den Dimensionen der hiesig dominierenden leeren Meinungen hatte reüssiert.
Zuletzt blieb ihm nur, seine absurde Beweisführung in einer bemühten Synthese zu finalisieren und seine überaus kontingente Wahl des präferierten Amtes, welche den Eindruck von Reflexion und Zielstrebigkeit sollte transportieren, zu offenbaren.
"Zweifelsohne vereine ich somit zwei der wahrhaftig älteren Geschlechter, welche stets nur zum Ruhme Roms zu blühen suchten und es noch immer tun. Im Schatten jener kräftigen Gewächse wurde ich geboren und wuchs heran, die gesamte Adoleszenz gleichsam als beständiges Tirocinium fori, in welchem sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens mir vertraut gemacht wurden."
Zum Finale seiner Rede war dem Jüngling jene Pflanzen-Metapher in den Sinn gekommen, zu welcher ausgerechnet er seinem Nachhängen an Epikurs Lehren während der Inventio hatte inspiriert. Beim Sehnen nach dem Kepos, dem Garten seines großen Lehrers, war ihm nämlich die Analogie zwischen einer Gens und einem Baume in den Sinn gekommen. Hätte dies sich wohl ebenso aus einem Blick in ein beliebiges Lararium ergeben, wo nicht selten die Wachsmasken der Ahnen in einem wahrhaftigen Stammbaum waren angeordnet, so erschien es dem jungen Flavius dennoch als geniale Idee (zweifelsohne, weil er selbst gemäß der Lehren seines Meisters seine Vorväter als in unzählige Atome zerfallen und damit ihren Besuch im Familienschrein als sinnlos erachtete).
Folglich führte er sie fort, als er zur Conclusio voranschritt:
"Folglich bitte ich Euch, Patres conscripti, jener bewährten Pflanzen, welche schon so zahlreiche gute Früchte hervorbrachte, ein weiteres Mal das Vertrauen zu schenken und mit mir einer weiteren Knospe zum Durchbruch zu verhelfen.
Denn nur mit eurem Vertrauen wird es mir vergönnt sein, meinen ersten, bescheidenen Dienst als Triumvir Auro Argento Aere flando feriundo im Collegium der Vigintiviri zu leisten und dort heranzureifen und zu einer Blüte zu gelangen, welche sich einfügt zum Ruhme jenes heiligen Hains, den unser Staatswesen bildet."
Noch immer ein wenig erregt stieß er die verbleibende Luft aus, welche er im Übermut, seinen finalen Worten die adäquate Vehemenz zu verleihen, begierig hatte eingesogen und schwieg.
Bangend blickte er in die Reihen der Senatoren, beginnend bei den Plätzen nahe der Türe, wo er mühelos sie in voller Schärfe zu identifizieren vermochte, obschon selbstredend jene Antlitze, welche er sodann fixierte und ihm näher lagen, ob ihrer Similität an Dienst und Ehren zu seinem Vater von Gastmählern und Visitationen in Kindertagen vertrauter waren.