Beiträge von Manius Flavius Gracchus Minor

    Augenscheinlich waren sie wieder in die Gefilde des Wahnsinn eingetreten, als sie nach einigem Fragen (selbstredend durch Patrokolos) letztlich in die Schreibstube gelangten, wo nach dem Dafürhalten des jungen Flavius eine Hektik herrschte, welche durchaus mit jener vor den Toren des Musentempels imstwnde war zu konkurrieren. Bedächtig, einem Grammateus mit einem Stapel Papyri soeben noch dank einer beherzten Interzession seines Dieners ausweichend, schritt er zu jenem Pult, das dem Anschein nach keinem schnöden Kopisten gehörte, und räusperte sich.


    Den Schemen vor seinem Antlitz bei einer ob ihrer Filigranität indefiniblen, seinem Dafürhalten nach als Pflege seines Schreibutensils zu identifizierenden Tätigkeit beobachtend wartete er geduldig einen Augenblick, um schließlich mit einem zarten
    "Verzeihung!"
    nochmalig sich um die Appetenz jenes Beamten zu bemühen. Als schließlich neuerlich keine Reaktion erfolgte, ergriff endlich Patrokolos beherzt das Wort, diesmal überaus vernehmlich und mit drängendem Timbre:
    "Verzeihung, mein Herr wünscht sich als Akroates zu immatrikulieren!"
    Ein wenig genant verharrte jener Herr indessen mit gesenktem Haupte, spintisierend, ob jener Trubel tatsächlich ein adäquater Bildungsraum für ihn, der bisher die Stunden eines Privatlehrers, später die familiäre Runde eines mäßig populären Redelehrers genossen hatte.

    Unschlüssig verharrte Manius Minor einen Schritt hinter der Pforte, während ihm die Vermutung sich erbot, dass eben jener Schritt womöglich ein Fehltritt mochte gewesen sein, da nunmehr sämtliche Impressionen jener lebhaften Gaststätte sich über ihn ergossen gleich einem Nachttopf, welcher unvermittelt aus einem oberen Stockwerk einen Passanten traf, kontenierend fremde Gesicht, welche zum Teile sich vorwitzig ihm entgegenreckten, partiell hingegen in hellenischer, ägyptischer und auch lateinischer Zunge undisturbiert weiter disputierten oder einen indefiniblen Brei aus irdenen Gefäßen sich einverleibten.


    Soeben also gedachte er, postwendend den Schankraum wieder zu verlassen, als mit einem Male eine Mohrin ihn adressierte, welche gemeinsam mit einem jungen Manne bei Tisch sich befand. Obschon es einiger Augenblicke bedurfte, bis der Jüngling das nebulöse Antlitz im mäßigen Lichte des Raumes hatte ausgemacht, selbstredend ohne sich zu approximieren, da dies mitnichten zu einer Melioration der visuellen Umstände hätte beigetragen, so wandte er sich doch nicht ab, da doch eine gewisse Indiskretion ihn hatte erfasst, aus welchem Grunde ausgerechnet jene, der Stimme zu urteilen nicht mehr blutjunge Dame, welche ob der augenscheinlichen Gesellschaft wo kaum eine gemeine Dirne war, ihn herbeizitierte. Fragend blickte er somit zu Patrokolos, welcher zweifelsohne besser imstande war, jene Situation zu ästimieren, welcher indessen lediglich mit den Schultern zuckte, dann jedoch murmelte:
    "Nunja, immerhin ein römischer Bürger mit am Tisch."
    Endlich überwand der junge Flavius, affirmiert durch die Worte seines Dieners, seine Xenophobie und nahm den dargebotenen Sitz ein, womit er zwischen der Nubierin und jenem Verginius thronte, indessen mehr einem Kaninchen, welches aus seinem Bau spähte, ob der Adler bereits war vorübergezogen, gleichend denn einem patrizischen Sprössling, dem dieser Platz zurecht zukam.
    "Salve, Manius Flavius Minor. Nun, Gracchus Minor."
    , introduzierte er sich nun selbst, wobei die Erregung ob jener fremden Situation seinen Namen erstlich nicht zur Gänze darbot und einer Korrektur bedurfte, was neuerlich geeignet war die Insekurität des Jünglings um ein weiteres zu mehren, sodass protektionssuchend er sich zu seinem Diener umwandte, welcher indessen seinerseits sich auf die Suche nach einer Sitzgelegenheit für sich gemacht hatte.

    "Alles fließt! Alles fließt!"
    Mit einem gerüttelt Maß Irritation blickte der junge Flavius dem bärtigen Greis hinterher, welcher in augenscheinlicher Verzückung aus der Pforte des Museion geeilt kam, als soeben der Jüngling, geleitet von Patrokolos, selbige durchschritt, um endlich sich als Akroates jenes altehrwürdigen Instituts zu immatrikulieren, in welchem er offizialiter seine Edukation zu vollenden gedachte, in Wahrheit indessen bis auf weiteres sein indefinit terminiertes Exulantendasein durch einige nützliche Bildung zu bereichern gedachte.
    "Was mag das bedeuten?"
    , adressierte er einen insekuren Kommentar an seinen Sklaven, welcher indessen ein geneigtes Lächeln seinem Herrn schenkte.
    "Fürchte dich nicht, Domine. Wahn und Weisheit liegen nunmal dicht beieinander!"
    Mitnichten vermochte eine dergestalte Kommentierung den jungen Flavius zu kalmieren, doch schritt er dennoch beherzt voran in Remineszenz an seinen Vetter, welcher diese Hallen ja ebenso hatte durchschritten und jene Lehre phänotypisch schadensfrei hatte gemeistert.


    Hinter dem Tore nun offenbarte sich eine Oase der Ruhe, ein förmliches Oppositum zum Treiben der Agora vor den Toren des Musentempels. Voller Ehrfurcht betrachtete Manius Minor den imposanten Bau, welcher nicht nur ein Heiligtum der Gelehrsamkeit, sondern zugleich eine Heimstatt unzähliger Eleven bildete, unter welche er selbst nunmehr sich zu enrollieren gedachte.

    Ob seiner juvenilen Ungebundenheit, welcher der junge Flavius sich nunmehr erfreute, hatte er nach zahllosen Abenden bisweilen ennuyanter Gastmähler im Hause seines Gastgebers, insonderheit jedoch einem Wink größter Klarität seitens des Sulpicius, ihm bisweilen das Haus zu überlassen und sich in den Straßen Alexandreias zu verlustieren, hatte Manius Minor heute gemeinsam mit Patrokolos den Beschluss gefasst, eine lokale Lokalität aufzusuchen und war letztlich in eben jenes Gasthaus geraten, in welchem Verginiius Mamercus seinen Abschied aus dem Leben der Ungebildeten zelebrierte.


    Eben er war es auch, welchem der Akroates in spe auszuweichen hatte, als die Tür sich öffnete und der kleine, dickliche Jüngling, welcher ob seiner Fehlsicht in noch weitaus größerem Maße von den luminösen Umständen war gehindert, in den Raum trat, dicht gefolgt von seinem ansehnlichen Sklaven.

    Sim-Off:

    Ob der bereits mich erreichenden Briefe scheint es doch vonnöten, beizeiten zum Einzug zu schreiten ;)


    Noch immer gänzlich derangiert von jenem Wechselbade der Impressionen, erstlich jener imposanten Kulisse, in welche er am Morgen war eingetaucht, endlich der lang ersehnten Ankunft und sogleich des peinvollen Degressus in die furchtgeplagten Untiefen bürokratischen Hochmutes, erfolgte endlich, gleichsam similär zur traditionellen Badetradition der Quiriten ein drittes Bad, in welches einzutauchen der junge Flavius beim Zug durch die Gassen der orientalischen Metropole die Freude hatte, da es doch familiare Remineszenzen bot, zwischen Menschenmassen sich fortzubewegen, obschon geradliniger und geräumiger denn in der Urbs, links und rechts flankiert durch einförmige Behausungen, obschon im Ganzen weitaus flacher denn in der Urbs, unterbrochen bisweilen von imposanten Tempeln und öffentlichen Bauwerken, obschon herausragender sich gerierend denn in der Urbs.


    Letztlich passierte die Sänfte, noch immer flankiert von Soldaten, die mit weitaus größerer Effektivität wie Brutalität als flavische Sklaven ihren Weg sich bahnten, einen imposanten Hügel, welchen Manius Minor bereits vom Meere aus erblickt zu haben glaubte, weshalb er zu dem ihm opposit lagernden Patrokolos bemerkte:
    "Haben wir diesen nicht bereits gesehen?"
    "Dies ist das Paneion, Domine. Wir sollten in Kürze am Ziel sein!"
    Mitnichten zeigte Manius Minor erstaunen ob der umfangreichen Kenntnis seines Dieners hinsichtlich der lokalen Baulichkeiten, kaum hatten sie jene Stadt betreten, weshalb ihm ebenso entging, dass der umtriebige Patrokolos sich bereits auf dem Schiff diesbezüglich hatte kundig gemacht, da doch Manius Maior dies zur Landmarke für den Wohnsitz des Sulpicius hatte erkoren.
    Und in der Tat sollte er Recht behalten, denn bereits in der unmittelbar benachbarten Straße jenes eigensinnigen Heiligtumes kam die Sänfte zum Stehen und der Optio, welcher die Eskorte des Jünglings anführte, meldete in zackigem, doch gebrochenem Latein:
    "Wir sind da, Kyrios. Hier lebt Sulpikios Kornotos."
    Amüsiert ob der possierlichen Intonation des römischen Namens entstieg der junge Flavius dem Gefährt, gestützt durch seinen Diener, dankte artig und richtete sogleich seinen Blick auf Patrokolos, welcher ihm nunmehr die Kleidung zu richten hatte, um in adäquater Weise jenem Freund der Familie gegenüberzutreten, welcher in der folgenden Zeit ihr Hausvater würde sein.


    Sodann war alles präpariert und man klopfte an der Pforte, meldete sich an und stand schließlich inmitten eines erquicklichen Gartens der Gestalt des Sulpicius Cornutus gegenüber, eines Herren reifen Alters mit säuberlich gestutztem Barte, gehüllt in einen rötlichen Chiton dorischer Provenienz mit güldener Spange. Konträr zu jener Konfrontation mit dem alexandrinischen Beamten, doch noch immer bewegt von jener Xenophobie, welche der junge Flavius seit frühester Kindheit zur Gänze niemals hatte abgelegt, ergriff er diesmalig, da es um einen Freund der Familie sich handelte, persönlich das Wort:
    "Salve, Sulpicius. Ich bin Manius Flavius Gracchus Minor, der Sohn des Manius, des Vetters deines Patronus."
    Obschon es dem Jüngling ob seiner Hypermetropie entging, zogen die Mundwinkel des Cornutus sich in die Höhe und er trat rasch näher, um sich hinabzubeugen zum Antlitz seines Gastes und ihm zwei Küsse auf die Wange zu hauchen, wie es in weiten Kreisen der Aristokratie dem Brauche entsprach.
    "Ave, Flavius. Dein Vater hat dich bereits angekündigt, aber ich hatte nicht so früh mit deiner Ankunft gerechnet!"
    "Oh, ich hoffe dir nicht zur Last zu fallen."
    , replizierte Manius Minor artig, obschon selbstredend er präsumierte, dass er seinen Gastgeber mitnichten in Kalamitäten würde stürzen, was in der Tat sofort konfirmiert wurde:
    "Nein, nein, tritt ein. Es wird einen Augenblick dauern, bis dein Zimmer bezugsfertig ist."
    Mit größter Satisfaktion nahm der junge Flavius Notiz, dass sich, kaum war er der sengenden Sonne des Boulevards entflohen, eine erquickliche Kühle auf der feuchten Haut verbreitete, während er an der Seite des Sulpicius das Haus betrat.
    "Hat man dir gleich geholfen am Hafen? Hast du dein Gepäck mitgebracht?"
    "Nun, zuerst gab es einige... Irritationen. Doch du scheinst einige Reputation zu genießen, denn kaum dass dein Name fiel, waren sämtliche Beamte überaus zuvorkommend."
    Ob der Proximität von Gast und Gastgeber vermochte ersterer nicht zu erkennen, dass aufs Neue zweiterer ein sanftes Lächeln präsentierte, doch war der Färbung seiner Stimme das Amusement allzu deutlich zu entnehmen.
    "Nun, ich habe einige Freunde unten am Hafen."
    Mochte jene Äußerung dem gemeinen Pöbel impressiv erscheinen, nahm der junge Flavius kaum Notiz davon, da es doch dem Usus seiner Familie entsprach, einflussreiche Personen an den diversesten Stellen der Macht zu kennen und jene Kontakte zum Wohle seiner selbst und der Seinen sich dienstbar zu machen. Insofern war sein eigener Kommentar doch eher ein inhaltsleeres Kompliment gewesen, welches eine Beobachtung des Erwartbaren repräsentierte.


    Einen Augenschlag wandelten sie schweigend Seite an Seite, ehe ein belangloses Gespräch, konsistierend eine Reihe ritualisierter Fragen bezüglich der Umstände der Reise, des Befindens beider Familien und der Novitäten aus der Urbs, ehe final Cornutus seinen Gast in dessen Schlafgemach entließ, um ihm die Option zu bieten sich zu erfrischen und Rekreation von den Strapazen der Reise zu genießen.

    DOMUS SULPICIA


    Dies ist das Heim des Quintus Sulpicius Cornutus, eines römischen Aristokraten, welcher schon seit langer Zeit in Alexandria lebt. Er bewohnt indessen ein traditionelles alexandrinisches Haus unweit des Paneion, von wo er seinen Geschäften nachgeht.


    Im übrigen ist er ein entfernter Anverwandter des geschiedenen Statthalters von Dacia, ein des Klient des römischen Senators Secundus Flavius Felix und ein Freund der flavischen Familie insgemein.

    Einige Zeit später vertäuten die Seeleute die Dido an einem der zahllosen Piers, woraufhin ihr nobler Passagier, obschon noch immer gänzlich von der Impression jener glanzvollen Stätte okkupiert, sich bereits anschickte, die Laufplanke zu betreten und damit auch den Boden jener Metropole unter den eigenen Füßen zu verspüren, als mit einem Male eine Schar römischer Soldaten sich ihm entgegenstellte.
    "State! Kli! Alles bleibt stehen!"
    brüllte der Centurio an ihrer Spitze und repetierte seine Anweisung in diversen Sprachen, derer der Jüngling keiner mächtig war (obschon er jene in gossenhaftem Hellenisch doch zu verstehen imstande, selbiges zu reproduzieren hingegen inkapabel war). Sofort erblickte der Kommandeur sodann den jungen Flavius und zeigte mit finsterem Blick auf ihn.
    "Du da! Mitkommen!"
    "Dies ist Manius Flavius Gracchus Minor, der Sohn eines-"
    , bemühte sogleich Patrokolos Unheil von seinem Herrn fernzuhalten, doch der Centurio musterte den Sklaven lediglich despektierlich und intervenierte, ehe dieser seinen Satz mochte vollenden, mit spöttischen Worten:
    "Das werden wir sehen! Du kommst auch gleich mit!"
    Eine gewisse Furcht verbreitete sich im Geiste Manius Minors, da er doch nimmermehr hatte geahnt, dass jene von Ferne so strahlende, kultiviert sich ausnehmende Stadt ihn auf derart unkultiverte und harsche Weise wollte empfangen, doch angesichts der Perspektive, hiesig römische Soldaten vor sich zu haben, gelang ihm doch sein Missbehagen hinabzuschlucken und sich widerstandslos in die Hände der Kontrolleure zu begeben.


    Somit fand er sich nicht viel später in einer ausgedehnten Halle, erfüllt vom Geschnatter zahlloser Personen sämtlicher Herren Länder, welche augenscheinlich einer intensiven Kontrolle bedurften, ehe sie die Erlaubnis zum Betreten der Stadt erhielten. Zumindest gelang es indessen Patrokolos nach einigen Anläufen, die ebenso quiritischen Bedienten jener Behörde zu überzeugen, mit dem Sohn und Erben eines Senators (sofern dies noch der Fall war, wie der junge Flavius schwermütig im Stille bedachte, als er jene Beteuerungen vernahm) eine derart bedeutsame Persönlichkeit vor sich zu haben, dass sie außer der Reihe sogleich war zu inspizieren.


    Und somit nahm der Jüngling kurz darauf in einem winzigen Officium am Ende der Halle seinen Platz auf einem überaus unkomfortablen Hocker, ihm gegenüber einen säuerlich dreinblickenden Beamten mit einem negligablen Bart, welcher sogleich begann ihn zu interrogieren, ein:
    "Name?"
    "Dies ist Manius Flavius Gra-"
    , mühte erneut Patrokolos zu intervenieren, was diesmalig indessen neuerlich mit einem wegwerfenden Gestus und einer verächtlichen Replik des Beamten wurde gewürdigt:
    "Ich habe ihn gefragt! Also, junger Mann: Name, Herkunft!"
    "Mein Name ist Manius Flavius Gracchus Minor, Sohn des Senators Manius Flavius Gracchus, aus dem Tribus Velina."
    , ergriff nun Manius Minor selbst das Wort, dabei sich seiner Liberalia entsinnend, wo similäre Fragen, damalig seitens eines Scriba des Tabularium, an ihn waren gerichtet worden, wobei er sich diesmalig seines geschliffenen Hellenisch bediente, da Intonation und Akzent des Beamten vermuten ließen, dass das Hellenische ihm weitaus familiarer war denn das Lateinische, dessen er sich bemühte.
    "Also aus Rom."
    , fuhr der Beamte indessen unbeirrt in seinem minderen Latein fort, als beharre er auf seine sprachliche Potenz auch in dieser Zunge, was der Jüngling neuerlich auf Hellenisch aufgriff:
    "In der Tat."
    "Senatoren ist die Einreise in die Provinz nur mit schriftlicher Erlaubnis des Kaisers gestattet."
    , erwiderte nunmehr der Beamte und präsentierte ein dümmliches, triumphales Grinsen, welches wiederum den jungen Flavius ein wenig derangierte:
    "Ich bin kein Senator."
    "Manius Flavius Gracchus ist ein römischer Senator!"
    , lautete nunmehr das Widerwort des Beamter, der zur Konfirmation seiner These eine Rolle hervorholte, welche sämtliche römische Senatoren verzeichnete, und auf die Kapitale F deutete.
    "Aber das ist der Vat-"
    "Du bist nachher dran, Sklave!"
    , traversierte der Beamte neuerlich Patrokolos' Mund und gab einem im Abseits wartenden Soldaten ein Zeichen, woraufhin dieser unter dem entsetzten Blick des jungen Flavius den nunmehr zeternden Sklaven gewaltsam hinauskomplementierte. Allein verblieb Manius Minor zu Füßen jenes augenscheinlich in diesen Hallen omnipotenten Bürokraten zurück, welcher genüsslich sich an der Furcht des Jünglings weidete.
    "So, Bürschchen, bist du nun der Senator Manius Flavius Gracchus oder nicht?"
    Obschon die Hypermetropie dem junge Flavius ersparte, das lückenhafte Gebiss jenes Amtmannes, welches dessen Lächeln zu einer abscheulichen Fratze verzerrte, zu identifizieren, verspürte er recht deutlich die Intention, ihn einzuschüchtern, was wiederum, wie er genötigt war zu erkennen, aufs Vortrefflichste gelang. Nur stammelnd erfolgten so seine Repliken:
    "Ich... ich bin Manius Flavius Gracchus Minor. Mein Vater ist der Senator, ich bin nur... sein Sohn."
    "Ach, dann bist du also der Sohn deines Vaters, soso! Und was tust du hier in Aegyptus, der Provinz des Kaisers?"
    Selbstredend war dem Jüngling wohlbewusst, was der Grund für die Restriktionen hinsichtlich des Kaisers eigener Provinz war, zumal selbige erst kurz vor seinem Aufbruch aus Rom im Kreise der flavischen Familie waren disputiert worden, doch vermochte er nicht recht zu ergründen, wie es zu bewerkstelligen sei, seine Präsenz an diesem Orte zu plausibilisieren, da doch diese eben darin war begründet, dass er geradezu am weitestmöglichen Punkt entfernt von der Präparation einer Rebellion im Interesse seines senatorischen Vaters sich befand und Alexandria nichts anderes denn ein neuerliches Exil von seiner Vaterstadt, dem Schoße der Familie und den karrieristischen Optionen in der hohen Politik repräsentierte.
    "Naaa?"
    , intensivierte der Beamte den Druck, nachdem der junge Flavius in ratloses Schweigen sich hüllte, während im Stillen er noch um Worte rang.
    "Ich... ich... bin auf Bildungsreise!"
    , hastete er endlich, sich der offiziösen Legitimation seiner Entsendung entsinnend, hervor, was indessen aufs Neue unvermittelt durch eine Gegenfrage wurde erwidert:
    "Eine Bildungsreise? Welchen Philosophen willst du denn hier hören?"
    Doch wie mochte man dies beantworten, wo der Jüngling doch primär in Trübsinn sich hatte gehüllt, nachdem seine Exilierung war verkündet worden, sodass er kaum die Potentiale seiner Reise in das Herz der Gelehrsamkeit hatte ergründet, ja keinen einzigen alexandrinischen Philosophen im Vorfeld studiert oder lediglich hatte ermittelt.
    "Nun... ich weiß nicht... am Museion würde ich mich inskribieren."
    "Wohl einer dieser Pro-Forma-Studenten, die die Freiheit der Wissenschaft genießen wollen und tatsächlich nur hübschen Knaben hinterhersteigen?"
    , entgegnete der Beamte mit einem spöttischen Timbre, dass selbst ein weniger hinsichtlich der Nuancen emotionaler Stimmeinfärbung Gebildeter den Hohn hätte exzerpieren können. Der junge Flavius indessen erblasste vor Scham, da eine derartig rüde Behandlung ihn bisherig nahezu niemals, insonderheit vonseiten der Behörden hatte getroffen.
    "Ich... ich..."
    , stammelte er so, inkapabel einer adäquaten Erwiderung, obwohl unter der Schale der Furcht bereits eine gewisse Empörung den Weg sich bahnte, da doch jenes winzige Rädchen im System des Staatskörpers es hier wagte, seine Willkür mit einem prädestinierten Lenker jenes Gebildes zu treiben, sodass der Vorsatz in dem Jüngling reifte, sich umgehend diesbezüglich an allerhöchster Stelle zu beschweren, sobald die Gefahren des Augenblicks waren gebannt. Sobald. Denn bis dahin verharrte Manius Minor in einem sichtlichen Ringen um Worte, welches der Beamte endlich mit einem Schulterzucken und einem erlösenden Kommentar bedachte:
    "Mit diesem Gestotter wirst du zumindest keine Verschwörung zustandebringen. Also weiter: Hat der kleine Bildungsreisende, der keine Lehrer hier kennt, wenigstens ein paar Schriftstücke dabei?"
    "Ja."
    "Und die wären?"
    "Nun... die Reden des Isokrates, Ciceros Orator und..."
    , mit leichter Panik gewahrte der Jüngling, dass ihm, welcher für gewöhnlich imstande war, seine gesamte private Bibliothek zu memorieren, in jener Situiertheit außerstande sich fühlte, selbst die Präsente seiner Anniversarien und sonstiger Festivitäten der letzten Jahre hervorzubringen.
    "Also Klassiker, die die Bibliothek des Museion sowieso schon hat."
    , ersparte der Beamte endlich weiteres Spintisieren und machte eine gewerfende Geste, wobei er den gleich einem Dolch gezückten Stylus fallen ließ.
    "Wie lange willst du hier bleiben für deine Bildungsreise?"
    Die Dauer jenes Aufenthaltes war, wie dem jungen Flavius schlagartig in den Sinn kam, niemals terminiert worden, da sie ja, wie er unterstellte, ein ewiges Exil sollte darstellen, was wiederum aber kaum jenen Bürokraten vor sich würde saturieren, sodass neuerlich lediglich ein befangenes Stottern aus seinem Munde sich wagte:
    "Ich... ich weiß nicht."
    Verächtliches Schnauben war die Replik des Beamten, doch noch ehe dieser ein weiteres Wort mochte formulieren, öffnete sich die Tür des Officiums und ein Centurio, gefolgt von einem triumphal lächelnden Patrokolos, betrat den Raum. Mit einem knappen Satz bedachte er den Beamten:
    "Der Junge ist sauber. Er is' ein Freund von Sulpicius Cornutus!"
    , sodann ergriff er die Schulter des Jünglings und drehte ihn auf dem Schemel zu sich, sodass Manius Minor nun in das verschwitzte Antlitz eines Soldaten in voller Montur blickte.
    "Hättest du das gleich gesagt, hättest du dir den ganzen Ärger erspart!"


    Einen Augenschlag später fand der junge Flavius sich gemeinsam mit Patrokolos in einer Sänfte, flankiert von einer Eskorte von Soldaten wieder, die auf raschestem Wege ihm einen Weg durch die überfüllten Straßen Alexandrias bahnten...

    Obschon die Umstände seiner Reise überaus misslich waren zu ponderieren, so hatte der junge Flavius dennoch nicht seine Elation zu verbergen vermocht, als am Horizont jenes wohlberühmte Glimmen war erschienen, welches nach Stunden des Segelns der Sonne gleich dem Meere war entstiegen, bis endlich der Leuchtturm auf den Pharos war zu identifizieren gewesen, der seit vielen Saecula den Seeleuten ihren Weg in den sicheren Hafen von Alexandreia wies. Indessen hatte sich die lange Dauer der Approximation letztendlich doch als überaus ennuyant erwiesen, da die große Leuchtkraft jenes Monumentes implizierte, dass die Zeit, die ein Schiff vom ersten Glimmen am Horizont bis zum Passieren der Hafeneinfahrt benötigte, mehr denn zwei Tage umfasste, in welchen das Ziel zum Greifen nahe und doch ob jenem beständig immutiert anmutenden Schein schier infinit entfernt erschien.


    Doch nachdem der arme Patrokolos mit unzähligen Nachfragen nach der Dauer ihrer Reise malträtiert worden war, erblickte Manius Minor endlich an einem klaren Morgen die Landmasse der Insel Pharos mit ihren Aufbauten, dann den Pharilion und endlich die Statuen des Ptolemaios I. und seiner Gattin, welche jedoch von einer Machart waren, die dem Jüngling recht hölzern und leblos erschien, so er sie mit der Bildhauerkunst seiner Heimat konfrontierte.
    "Es heißt, der Orient wäre die Wiege der Zivilisation. Wie mir scheint, sind die Skulpturen an jener Wiege verharrt."
    , bemühte er einen kleinen Scherz gegen seinen Diener, welcher höflich lächelte. Doch recht bald fand jenes Sentiment kultureller Superiorität eine Relativierung, als die Corbita in den Kibotos einfuhr, welcher vor Schiffen wimmelte und gar den imposanten Hafen zu Ostia beschämte. Dahinter erblickte er eine stadienlange Mauer mitten durch das Wasser, welche, wie er der Lektüre entnommen hatte, von Divus Iulius vor mehr als einem Jahrhundert war zerstört worden. Insonderheit bot indessen die Stadt selbst, welche sich rings um das gesamte, unermessliche Hafenbecken legte und somit jeden Digitus des Horizontes einnahm, eine bleibende Impression, die den Jüngling zum Schweigen nötigte.
    "Mehercle!"
    , entfleuchte es ebenso Patrokolos, denn Similäres war auch ihm zweifelsohne niemals vor Augen getreten.

    Delektablerweise ersparte man ihm jedoch ohnehin weiteres Warten, denn schon schritt eine große, braungebrannte Gestalt auf den Wagen, welchen bereits emsig einige Sklaven entluden, zu und neigte das Haupt, als er den jungen Herrn erreicht hatte.
    "Antigonos, Kapitän der Dido! Du bist Flavius, oder?"
    , präsentierte er sich und hob den Digitus Salutaris, woraufhin der Jüngling eine gravitätische Miene präsentierte und konfirmierte und zugleich korrigierte:
    "In der Tat, mein Name ist Manius Flavius Gracchus Minor. Und dies ist mein Diener Patrokolos."
    Mit einem beiläufigem Fingerzeig deutete er auf den Sklaven und sogleich auf die Kisten, welche sich neben dem Reisewagen nun auftürmten.
    "Das Gepäck ist von meinen Dienern zu verladen?"
    Eher das vernehmliche Schnauben denn die dem jungen Flavius invisible Mimik offenbarte diesem, dass der Anblick sein Gegenüber amüsierte oder gar Verachtung hervorrief, was endlich verbalen Ausdruck fand:
    "Ganz schön viel Gepäck - wär's nicht billiger, sich die Sachen in Alexandria neu zu kaufen?"
    Selbstredend hatte das Packen der Habseligkeiten des Jünglings in der Tat einen gewissen Disput angestoßen, was nun den langen und überaus kostspieligen Transport in die Ferne Aegyptus' hatte verdient und was nicht, doch hatte Manius Minor in juvenilem Trotz darauf bestanden, seine sämtliche Garderobe, ebenso wie diverse Exemplare der flavischen Bibliothek und eine Handvoll Spiele und persönlicher Objekte mit sich zu nehmen, um zumindest ein wenig jener Heimatlichkeit in der Fremde zu konservieren, welche er so widerwillig zurückließ. Insofern erschien der Spott des Kapitäns ihm als überaus prätentiös, weshalb er spitz replizierte:
    "Ich denke, die Wahl, was ich mit mir nehme und was nicht, kann getrost mir überlassen bleiben. Sollen nun meine Diener die Kisten an Bord bringen?"
    Augenscheinlich hatte Antigonos nunmehr akzeptiert, dass sein Passagier wenig Interesse an Ratschlägen oder Konversation besaß, weshalb er nachdenklich sich durch das rabenschwarze Haar fuhr, um sodann zu konzedieren:
    "Nee, meine Jungs machen das. Muss noch sehen, wo ich den ganzen Krempel unterbringe..."
    Doch ehe der junge Flavius imstande war, gegen die despektierliche Titulatur seiner unschätzbaren Pretiosen, deren Wert zweifelsohne das Jahresgehalt jenes gemeinen Transporteurs um ein Vielfaches übertraf, zu protestieren, war der Kapitän schon hinfortgeeilt, womit jenem nichts verblieb, als gedankenverloren auf jenes Ungetüm der Meere zuzuschlendern, bis ein Matrose endlich seiner ansichtig wurde und ihm den Weg zu seiner Kajüte wies.

    Noch immer war der Himmel betrübt, als Manius Minor dem Reisewagen entstieg und seinen Fuß auf den Pier von Portus setzte, an welchem bereits jenes Gefährt parat stand, welches ihn über die Wogen hinweg gen Orient tragen sollte: Ein bauchiges Handelsschiff, aus dessen Bug sich ein schmaler Schwanenhals als Galionsfigur erhob. Obschon soeben gefangen in düsterem Spintisieren und Betrauern seiner Schwester, welche nun würde genötigt sein unter dem Dache einer fremden Matrone zu hausen, belustigte den Jüngling jene groteske Antithese von monströsem Rumpf und filigraner Aufbaute, sodass gar ein sublimes Lächeln ihm entfleuchte, als er ihrer nun erstmalig ansichtig wurde, um indessen sogleich näher zu treten und das Schiff im Nebel der Fehlsicht verschwimmen zu lassen.
    "Es sieht komfortabler aus, als ich dachte!"
    , konstatierte Patrokolos voller Admiration, als auch er aus dem Wagen trat.
    "Dennoch fürchte ich die Seekrankheit ein wenig."
    Der junge Flavius wandte sich um zu seinem Diener und blickte fragend in das Gesicht des vertrauten Schemen. Sein Vater hatte ihn in den Abschiedsworten davor gewarnt und auch ihm selbst war jenes Leiden wohlbekannt, zumal es ihn bisweilen gar im Reisewagen befiel, weshalb er im Allgemeinen wenig Freude am Reisen verspürte, doch entbehrte er dennoch jedweder Neigung, den späten Nachmittag mit bedeutungslosem Geschwätz zuzubringen, sodass er die Gesprächsofferte lediglich mit einem Schulterzucken kommentierte.

    Gähnende Leere verblieb in den frühen Morgenstunden vor der Villa (so man absah von den emsigen Sklaven, welche selbstredend final einiges Gepäck noch verluden, sowie von Manius Maior mit dessen dürren Abschiedsworten), weshalb nach einigem Zögern Manius Minor endlich sich durchrang lebewohl zu sagen, ehe er sich noch dazu würde hinreißen lassen, in Präsenz seines Vaters sich die Blöße einer emotionalen Eruption zu geben.


    "Vide ut valeas, Vater."
    , äußerte er schließlich und verharrte einen Augenblick, unschlüssig, ob er dem Senioren zumindest ein letztes Mal sollte in die Arme schließen, da er doch trotz sämtlicher Kalamitäten singulär hier bei ihm stand, um ihm ein Geleit zu geben, womit er zugleich als einziges Objekt emotionaler Regungen verblieb. Und doch gelang ihm jene versöhnliche Geste nicht, sodass der Jüngling sich lediglich abwandte, die Hand seines Patrokolos ergriff und die Stufe zum Reisewagen bestieg.
    "Ich werde schreiben!"
    , vermeldete er artig über den Rücken hinweg und ließ sich sodann in die Kabine des Reisewagens fallen, sodass dessen Federung ob seiner Leibesfülle wurde erschüttert. Flink huschte sogleich sein Leibsklave hinter ihm her und verschloss die Tür.
    Ein Schnalzen des Kutschers und das Gefährt setzte sich in Bewegung. Betrübt lümmelte der junge Flavius sich in diesem, wehmütig über seinen Abschied spintisierend und nicht nur einmal sich fragend, ob jener kümmerliche Vater unter der Macht einer Hexe ihm jemals mochte gestatten, in diese seine Heimatstadt zurückzukehren.


    Es blieb zu hoffen, dass seine Defixio in Kürze würde ihre Wirkung entfalten. Es lag in Händen der Unsterblichen, sein Schicksal zu knüpfen.

    Ein Paneion zählte mitnichten zur schier unermesslichen Zahl jener Tempel und Kultstätten, welche der junge Flavius in seinem bisherigen Leben hatte besucht, womit ihm nicht recht imaginabel erschien, dass ein solches Heiligtum als Landmarke in einer Millionenstadt mochte dienen. Doch war er selbstredend nicht geneigt dies mit Manius Maior zu disputieren, sodass er lediglich Patrokolos einen Wink gab, welcher die Destination ihrer wohl ersten Sänftenreise zu notieren hatte.


    Sodann blickte er um sich. Schlummerten die übrigen Familiaren noch in ihren Betten, anstatt ihm jene womöglich letzte Ehre zu erweisen und Lebewohl zu sagen?

    Bisherig hatte Manius Minor, welcher ja seit frühester Kindheit Manius Maior sowohl häuslich, als auch öffentlich als Minister zur Seite gestanden war, diverse Flamines kommen und gehen sehen, die indessen zumeist jener Generation der verdienten, doch kaum mehr ambitionierten Senatoren waren entnommen worden. Lediglich der vorherige Flamen Martialis, welcher vor viriler Kraft hatte gestrotzt und dennoch recht unerwartet verschieden war, hatte hierbei eine Ausnahme präsentiert, an welcher der Tiberius (zumindest hinsichtlich der virilen Kraft, weniger des frühen Ablebens halber) sich durchaus orientieren mochte.
    "Somit würdest du zu einer Flaminca werden, nicht wahr? Oblägen dir dann auch spezifische Aufgaben?"
    , schob er die Thematik auf die Attendenten des Gastmahles zurück, zumal seine Tante seinem Darfürhalten nach für gewöhnlich eher als juvenil-fröhlich denn gravitätisch-pietätvoll auftrat, womit das Amt der Flaminca für sie ihm nicht recht imaginabel erschien.

    Artig lauschte der Jüngling den Zahlenkolonnen der Procuratrix, welche doch so überaus ennuyant ihm sich darboten, obschon die Zahl von dreihunderttausend Broten doch beachtlich schien, da er doch stets hatte vernommen, dass Rom bestenfalls dreimal so viele Einwohner besaß, womit augenscheinlich ein Drittel sämtlicher Quiriten jener Almosen bedurfte. Doch war er selbstredend nicht hier, um die Armenpolitik des Imperators zu disputieren oder gar zu kritisieren, sodass er letztlich sich auf das vorliegende Geschäft sich beschränkte.
    Und da das Feilschen um Liefermengen ihm ferne lag, zumal seinem Bewusstsein nach die Abnehmer der flavischen Getreidegüter nicht allzu rar waren gesät, kam er direkt auf den Preis zu sprechen, welcher zweifelsohne der entscheidende Faktor für die Dezission zu einem Vertragswerke war:
    "Welchen Preis offeriert die Cura Annona für diese Menge?"

    Ein einziges Mal war Fortuna dem Jüngling hold, als Prisca in hospitantenvergessener Manier ihn samt Patrokolos für eine Weile alleinig im Tablinum hinterließ, wo er in der Tat jener Vasen gewahr wurde, die zweifelsohne ein formidables Versteck für jenes unheilvolle Artefakt boten, welches ein wenig demoliert und mit einem geborstenen Kern noch immer im Gürtel des Flavius war verborgen.


    Hurtig zog er es hervor und legte das Objekt in den zylindrischen Hals der olympischen Vasen, wo es mit, dem überumsichtigen Ohr Manius Minors ohrenbetäubend erscheinenden Lärm, seinen Weg gen Vasenboden antrat. In Geistesgegenwart räusperte Patrokolos sich, um die Appetenz möglicher Lauscher von jenem mysteriösen Geräusch abzuwenden, doch erschien für eine beachtliche Zeitspanne niemand, was in dem jungen Flavius gar die absurde Vermutung aufwallen ließ, man habe seine maliziöse Tat hiesig bereits antizipiert und nun, da er sich von seinem Corpus Delicti hatte getrennt, eine Armada an Bewaffneten im Atrium versammelt, um ihn in Bande zu werfen.


    Bange Minuten des Wartens exponentierten jene Spannung ins Unermessliche, verlegen schielte der junge Flavius gen Tür, dann wieder fragend zu seinem Sklaven, welcher sich indessen ebensowenig zu helfen wusste, sodass die beiden schweigend ihres Schicksal zu gewärtigen hatten.


    Doch endlich erschien doch ein similärer Sklave, exkulpierte sich für das lange Warten und geleitete die beiden unbehelligt aus dem Hause, sodass beide, nachdem sie noch voll an Misstrauen einige Ecken vom aurelischen Portale entfernt hinter jedweder Mauer die Schergen der Prisca vermuteten, eiligsten Fußes sich in die sicheren Gestade der Villa Flavia Felix retournierten.

    Für den Hauch eines Augenschlages verspürte Manius Minor die Hoffnung, in seinem neuerlichen Exil diesmalig einen Gefährten zu gewinnen, als Manius Maior eine Bildungsreise gen Osten auch dem älteren Milonen offerierte, was dieser jedoch sogleich ausschlug, wie dies ohnehin war zu erwarten von einem Manne, welcher bereits das Tirocinium Fori wie das Vigintivirat hatte vollendet und somit eher den Weg in den Senat als den ins Museion würde anstreben.


    Indessen offenbarte folgend auch Dexter seine Pläne, welche natürlicherweise auch dem jüngeren Gracchus mochten ins Haus stehen, sofern er jemals sein alexandrinisches Exil würde überwinden. Insofern fand der Gedanke, ein Tirocinium Fori bei Tiberius Lepidus, dem Angetrauten Tante Domitillas und Collega seines Vaters, durchaus ein gewisses Maß an Interesse, obschon selbstredend der Makel der tiberischen Relation zum duccischen Homo Novus die Qualifikation des Prätendenten in gewissem Maße minderte. Dies zu thematisieren in Präsenz seiner Verlobten erschien jedoch überaus unschicklich, sodass der junge Flavius es präferierte, bezüglich der kultischen Ambitionen sich weiter zu informieren, da doch der Tiberius bereits im ranghöchsten aller Collegia war eingetroffen, kaum hatte er die roten Schuhe angelegt.
    "Strebt er ein Flaminat an?"

    Mitnichten vermochte Manius Minor sich zu beherrschen, als Manius Maior in weibischer Manier ihm diverse Ratschläge zu seiner Reise offerierte, an welcher erstlich doch er allein Schuld trug und zu welcher ohnehin jener eingefleischte Stadtbewohner, der nur in höchster Not sich geneigt fühlte eine Reise zu wagen, nur bedingt aus reichhaltigem Erfahrungsschatze zu schöpfen imstande war, sodass er ennuyiert die Augen verdrehte.
    "Überaus kalmierend."
    , kommentierte er schlussendlich in ironischer Weise die augenscheinlich zur Beruhigung des Knaben bestimmten Worte, welchen er, obschon niemals ein Schiff betreten, keinen Glauben wollte schenken. Dennoch verspürte er eine gewisse Abneigung, in offenem Dissenz sich von seinem Vater zu trennen, denn obschon es ihm derzeit inimaginabel erschien, jenem seine Verehelichungspläne jemals zu verzeihen, so barg eine Überfahrt über das Mare Internum doch ein gewisses Risiko des Schiffsbruches und somit einer Überquerung des Styx (was umso stärker seinen Gram gegen Gracchus Maior erhitzte, da er gar jene Gefahr in Kauf nahm, um seiner Verlobten zu goutieren), wohin Gracchus Minor sich letztlich doch in Zwietracht nicht verabsentieren wollte, zumal die Manen seiner geliebten Mutter dies zweifelsohne würden refutieren.


    Insofern ersparte der junge Flavius dem älteren eine sarkastische Äußerung über die Gefahren der Reise und wechselte das Sujet in andere, ebenfalls technische Gestade:
    "Wo finde ich Sulpicius Cornutus, wenn ich ankomme?"

    Artig nahm der junge Flavius auf dem offerierten Stuhle Platz und nickte knapp, als auch Wein ihm dargeboten wurde. Nach jener plaisierlichen Introduktion traf die Offenbarung der Liason zwischen Sergia und Aurelia ihn einem Dolchstoße gleich, da doch mitnichten er zu imaginieren imstande war, wie irgendwer freundschaftliche Bande zu jener abscheulichen Furie unterhalten mochte, sofern er nicht selbst unter die Erinnyen war zu zählen. Insofern verspürte er nicht die geringste Neigung, auf das Wohl des Brautpaares zu trinken, sondern platzierte seinen Becher, die Augen niederschlagend, auf seinem Schoße.
    "Ich ebenso."
    , log er dennoch, da doch Anstand und Sitte ihm aufs strengste untersagten, seine privaten Dissonanzen mit einer offiziell unbescholtenen Person zu publizieren oder gar den Mund vor Fremden wider den eigenen Vater und dessen inkomprehensible Entscheidung aufzutun.


    Delektablerweise thematisierte die Sergia jene unsägliche Hochzeit nicht weiter, sondern ging unmittelbar in medias res, wofür der Jüngling höchst dankbar war, obschon er die Remineszenz, einer Freundin jener Schlange gegenüber zu sitzen, nicht abzustreifen vermochte.
    "Durchaus, durchaus."
    , konfirmierte er somit neuerlich in einiger Zurückhaltung das Ansinnen, welches hierher ihn geführt hatte, überließ im übrigen jedoch die Initiative der Procuratrix.

    Höchst bemerkenswert mochte dem Kenner des jungen Flavius dessen trutziges, geradehin infantiles Verhalten erscheinen, da er damit doch ein Löwenherz bewies, welches er in seinem übrigen Leben niemals zutage hatte gefördert. Doch hatten die Vorgänge seit jenem denkwürdigen Gastmahl ihn in seiner Furcht, das Andenken seiner Mutter würde vergessen, er und seine Geschwister ins Abseits komplementiert und die Villa Flavia Felix der Tyrannis eines hochmütigen Weibes verfallen, bestärkt, zumal nunmehr gar seine Exilierung vor Augen stand. Ihren spöttischen Blick parierte er folglich mit einer finsteren Miene, da doch ihre Lobpreisungen vor Ironie troffen und ihre Bemerkungen hinsichtlich besudelter Kleider ihn neuerlich gewahren ließen, dass sie ihren humanoiden Besitz augenscheinlich in nichts höher schätzte als unreines Vieh, was dem bisweilen verwöhnten, weil vorzüglichen und folgsamen Gesinde der Villa Flavia Felix, für welches er als legitimer Erbe Verantwortung verspürte, üble Zeiten verhieß.
    Delektablerweise entließ sie ihn jedoch endlich aus ihrer höchst unerquicklichen Gesellschaft, was dem Jüngling nicht ungelegen kam, da ihm doch trotz seines Trotzes allzu bewusst war, dass Anstand und Sitte, Gravitas und Dignitas ihm allzu gemeine Äußerungen, zu welchen er in Aurelias Präsenz sich stets hingerissen fühlte, striktest untersagten.
    "Selbstredend. Einen guten Tag."
    , erwiderte er somit in einer Stimme, welche gewohnheitsmäßig freundlich erklang, obschon sie gravierend in Dissenz zu seiner finsteren Miene stand.


    Stumm wandte er sich dann um und gewahrte sich schlagartig, dass er noch die Defixio zu platzieren hatte. Suchend blickte er um sich, doch war er innerhalb des Tablinum außerstande, das Interieur auch nur in akzeptablem Maße auszumachen, sodass eine unbemerkte Versenkung der Bleitafel hinter einem Regal oder dergleichen impossibel erschien.

    Selbstredend war der junge Flavius außerstande, die Mimik seiner Stiefmutter in periculo zu dechiffrieren, doch hatte jene visuelle Unpässlichkeit die Appetenz des Jünglings hinsichtlich der Stimmlagen und Sprechweisen Fremder derartig geschärft, dass auch in jenem Falle er argwöhnte, dass die exagerierten Äußerungen Priscas womöglich gespielt waren, was indes nur bedingt Rückschlüsse auf die deren Kausalität offerierte, da jenes Possenspiel ebenso mochte auf Unglauben hinsichtlich seiner Narration begründet sein wie auf ihre Ignoranz hinsichtlich seiner Person, welche sie durch übertriebene Fürsorge zu cachieren sich mühte.


    Da jedoch sie eine überaus despektierliche Meinung hinsichtlich ihrer Sklaven hegte (sofern man ihren Worten durfte trauen), beschloss Manius Minor zweiteres zu ästimieren und sich weiterhin in einiger Sekurität zu wiegen, obschon die beständige Frage nach seiner Aufmachung ihn in nicht geringem Maße irritierte, da es doch nicht zu den gewöhnlichen Obliegenheiten der Gastfreundschaft zählte, einem Passanten ein neues Kleid zu offerieren.
    "Danke vielmals, die Villa Flavia verfügt über eine erschöpfende Garderobe, welche ich zudem jederzeit durch einen Einkauf zu ergänzen imstande bin."
    Jene offensive Strategie, die durch eine leicht düpierte Stimme wurde gestützt, sprudelte geradezu intuitiv aus dem Munde des Jünglings, welcher sich doch sehr gut jener geradezu jovial anheimelnden Offerte von Spielen der Aurelii zugunsten der Flavii erinnerte, welche Prisca so unbedacht hatte getan, was erhoffen ließ, dass ein neuerlicher Verweis auf dem Fauxpas eines dismissiven Verhaltens entgegen einer Gens Maior sie würde in gewisser Weise verschüchtern.