Einige Zeit später vertäuten die Seeleute die Dido an einem der zahllosen Piers, woraufhin ihr nobler Passagier, obschon noch immer gänzlich von der Impression jener glanzvollen Stätte okkupiert, sich bereits anschickte, die Laufplanke zu betreten und damit auch den Boden jener Metropole unter den eigenen Füßen zu verspüren, als mit einem Male eine Schar römischer Soldaten sich ihm entgegenstellte.
"State! Kli! Alles bleibt stehen!"
brüllte der Centurio an ihrer Spitze und repetierte seine Anweisung in diversen Sprachen, derer der Jüngling keiner mächtig war (obschon er jene in gossenhaftem Hellenisch doch zu verstehen imstande, selbiges zu reproduzieren hingegen inkapabel war). Sofort erblickte der Kommandeur sodann den jungen Flavius und zeigte mit finsterem Blick auf ihn.
"Du da! Mitkommen!"
"Dies ist Manius Flavius Gracchus Minor, der Sohn eines-"
, bemühte sogleich Patrokolos Unheil von seinem Herrn fernzuhalten, doch der Centurio musterte den Sklaven lediglich despektierlich und intervenierte, ehe dieser seinen Satz mochte vollenden, mit spöttischen Worten:
"Das werden wir sehen! Du kommst auch gleich mit!"
Eine gewisse Furcht verbreitete sich im Geiste Manius Minors, da er doch nimmermehr hatte geahnt, dass jene von Ferne so strahlende, kultiviert sich ausnehmende Stadt ihn auf derart unkultiverte und harsche Weise wollte empfangen, doch angesichts der Perspektive, hiesig römische Soldaten vor sich zu haben, gelang ihm doch sein Missbehagen hinabzuschlucken und sich widerstandslos in die Hände der Kontrolleure zu begeben.
Somit fand er sich nicht viel später in einer ausgedehnten Halle, erfüllt vom Geschnatter zahlloser Personen sämtlicher Herren Länder, welche augenscheinlich einer intensiven Kontrolle bedurften, ehe sie die Erlaubnis zum Betreten der Stadt erhielten. Zumindest gelang es indessen Patrokolos nach einigen Anläufen, die ebenso quiritischen Bedienten jener Behörde zu überzeugen, mit dem Sohn und Erben eines Senators (sofern dies noch der Fall war, wie der junge Flavius schwermütig im Stille bedachte, als er jene Beteuerungen vernahm) eine derart bedeutsame Persönlichkeit vor sich zu haben, dass sie außer der Reihe sogleich war zu inspizieren.
Und somit nahm der Jüngling kurz darauf in einem winzigen Officium am Ende der Halle seinen Platz auf einem überaus unkomfortablen Hocker, ihm gegenüber einen säuerlich dreinblickenden Beamten mit einem negligablen Bart, welcher sogleich begann ihn zu interrogieren, ein:
"Name?"
"Dies ist Manius Flavius Gra-"
, mühte erneut Patrokolos zu intervenieren, was diesmalig indessen neuerlich mit einem wegwerfenden Gestus und einer verächtlichen Replik des Beamten wurde gewürdigt:
"Ich habe ihn gefragt! Also, junger Mann: Name, Herkunft!"
"Mein Name ist Manius Flavius Gracchus Minor, Sohn des Senators Manius Flavius Gracchus, aus dem Tribus Velina."
, ergriff nun Manius Minor selbst das Wort, dabei sich seiner Liberalia entsinnend, wo similäre Fragen, damalig seitens eines Scriba des Tabularium, an ihn waren gerichtet worden, wobei er sich diesmalig seines geschliffenen Hellenisch bediente, da Intonation und Akzent des Beamten vermuten ließen, dass das Hellenische ihm weitaus familiarer war denn das Lateinische, dessen er sich bemühte.
"Also aus Rom."
, fuhr der Beamte indessen unbeirrt in seinem minderen Latein fort, als beharre er auf seine sprachliche Potenz auch in dieser Zunge, was der Jüngling neuerlich auf Hellenisch aufgriff:
"In der Tat."
"Senatoren ist die Einreise in die Provinz nur mit schriftlicher Erlaubnis des Kaisers gestattet."
, erwiderte nunmehr der Beamte und präsentierte ein dümmliches, triumphales Grinsen, welches wiederum den jungen Flavius ein wenig derangierte:
"Ich bin kein Senator."
"Manius Flavius Gracchus ist ein römischer Senator!"
, lautete nunmehr das Widerwort des Beamter, der zur Konfirmation seiner These eine Rolle hervorholte, welche sämtliche römische Senatoren verzeichnete, und auf die Kapitale F deutete.
"Aber das ist der Vat-"
"Du bist nachher dran, Sklave!"
, traversierte der Beamte neuerlich Patrokolos' Mund und gab einem im Abseits wartenden Soldaten ein Zeichen, woraufhin dieser unter dem entsetzten Blick des jungen Flavius den nunmehr zeternden Sklaven gewaltsam hinauskomplementierte. Allein verblieb Manius Minor zu Füßen jenes augenscheinlich in diesen Hallen omnipotenten Bürokraten zurück, welcher genüsslich sich an der Furcht des Jünglings weidete.
"So, Bürschchen, bist du nun der Senator Manius Flavius Gracchus oder nicht?"
Obschon die Hypermetropie dem junge Flavius ersparte, das lückenhafte Gebiss jenes Amtmannes, welches dessen Lächeln zu einer abscheulichen Fratze verzerrte, zu identifizieren, verspürte er recht deutlich die Intention, ihn einzuschüchtern, was wiederum, wie er genötigt war zu erkennen, aufs Vortrefflichste gelang. Nur stammelnd erfolgten so seine Repliken:
"Ich... ich bin Manius Flavius Gracchus Minor. Mein Vater ist der Senator, ich bin nur... sein Sohn."
"Ach, dann bist du also der Sohn deines Vaters, soso! Und was tust du hier in Aegyptus, der Provinz des Kaisers?"
Selbstredend war dem Jüngling wohlbewusst, was der Grund für die Restriktionen hinsichtlich des Kaisers eigener Provinz war, zumal selbige erst kurz vor seinem Aufbruch aus Rom im Kreise der flavischen Familie waren disputiert worden, doch vermochte er nicht recht zu ergründen, wie es zu bewerkstelligen sei, seine Präsenz an diesem Orte zu plausibilisieren, da doch diese eben darin war begründet, dass er geradezu am weitestmöglichen Punkt entfernt von der Präparation einer Rebellion im Interesse seines senatorischen Vaters sich befand und Alexandria nichts anderes denn ein neuerliches Exil von seiner Vaterstadt, dem Schoße der Familie und den karrieristischen Optionen in der hohen Politik repräsentierte.
"Naaa?"
, intensivierte der Beamte den Druck, nachdem der junge Flavius in ratloses Schweigen sich hüllte, während im Stillen er noch um Worte rang.
"Ich... ich... bin auf Bildungsreise!"
, hastete er endlich, sich der offiziösen Legitimation seiner Entsendung entsinnend, hervor, was indessen aufs Neue unvermittelt durch eine Gegenfrage wurde erwidert:
"Eine Bildungsreise? Welchen Philosophen willst du denn hier hören?"
Doch wie mochte man dies beantworten, wo der Jüngling doch primär in Trübsinn sich hatte gehüllt, nachdem seine Exilierung war verkündet worden, sodass er kaum die Potentiale seiner Reise in das Herz der Gelehrsamkeit hatte ergründet, ja keinen einzigen alexandrinischen Philosophen im Vorfeld studiert oder lediglich hatte ermittelt.
"Nun... ich weiß nicht... am Museion würde ich mich inskribieren."
"Wohl einer dieser Pro-Forma-Studenten, die die Freiheit der Wissenschaft genießen wollen und tatsächlich nur hübschen Knaben hinterhersteigen?"
, entgegnete der Beamte mit einem spöttischen Timbre, dass selbst ein weniger hinsichtlich der Nuancen emotionaler Stimmeinfärbung Gebildeter den Hohn hätte exzerpieren können. Der junge Flavius indessen erblasste vor Scham, da eine derartig rüde Behandlung ihn bisherig nahezu niemals, insonderheit vonseiten der Behörden hatte getroffen.
"Ich... ich..."
, stammelte er so, inkapabel einer adäquaten Erwiderung, obwohl unter der Schale der Furcht bereits eine gewisse Empörung den Weg sich bahnte, da doch jenes winzige Rädchen im System des Staatskörpers es hier wagte, seine Willkür mit einem prädestinierten Lenker jenes Gebildes zu treiben, sodass der Vorsatz in dem Jüngling reifte, sich umgehend diesbezüglich an allerhöchster Stelle zu beschweren, sobald die Gefahren des Augenblicks waren gebannt. Sobald. Denn bis dahin verharrte Manius Minor in einem sichtlichen Ringen um Worte, welches der Beamte endlich mit einem Schulterzucken und einem erlösenden Kommentar bedachte:
"Mit diesem Gestotter wirst du zumindest keine Verschwörung zustandebringen. Also weiter: Hat der kleine Bildungsreisende, der keine Lehrer hier kennt, wenigstens ein paar Schriftstücke dabei?"
"Ja."
"Und die wären?"
"Nun... die Reden des Isokrates, Ciceros Orator und..."
, mit leichter Panik gewahrte der Jüngling, dass ihm, welcher für gewöhnlich imstande war, seine gesamte private Bibliothek zu memorieren, in jener Situiertheit außerstande sich fühlte, selbst die Präsente seiner Anniversarien und sonstiger Festivitäten der letzten Jahre hervorzubringen.
"Also Klassiker, die die Bibliothek des Museion sowieso schon hat."
, ersparte der Beamte endlich weiteres Spintisieren und machte eine gewerfende Geste, wobei er den gleich einem Dolch gezückten Stylus fallen ließ.
"Wie lange willst du hier bleiben für deine Bildungsreise?"
Die Dauer jenes Aufenthaltes war, wie dem jungen Flavius schlagartig in den Sinn kam, niemals terminiert worden, da sie ja, wie er unterstellte, ein ewiges Exil sollte darstellen, was wiederum aber kaum jenen Bürokraten vor sich würde saturieren, sodass neuerlich lediglich ein befangenes Stottern aus seinem Munde sich wagte:
"Ich... ich weiß nicht."
Verächtliches Schnauben war die Replik des Beamten, doch noch ehe dieser ein weiteres Wort mochte formulieren, öffnete sich die Tür des Officiums und ein Centurio, gefolgt von einem triumphal lächelnden Patrokolos, betrat den Raum. Mit einem knappen Satz bedachte er den Beamten:
"Der Junge ist sauber. Er is' ein Freund von Sulpicius Cornutus!"
, sodann ergriff er die Schulter des Jünglings und drehte ihn auf dem Schemel zu sich, sodass Manius Minor nun in das verschwitzte Antlitz eines Soldaten in voller Montur blickte.
"Hättest du das gleich gesagt, hättest du dir den ganzen Ärger erspart!"
Einen Augenschlag später fand der junge Flavius sich gemeinsam mit Patrokolos in einer Sänfte, flankiert von einer Eskorte von Soldaten wieder, die auf raschestem Wege ihm einen Weg durch die überfüllten Straßen Alexandrias bahnten...