Beiträge von Manius Flavius Gracchus Minor

    Mit einiger Unrast wandelte der Jüngling durch die Hallen der Casa Iulia, ehe er schlussendlich in einem Officium sich wiederfand, in welchem bereits die Procuratrix ihn erwartete. Er hiesig gewahrte er, dass er eben jenes Weib zu treffen bereits die Freude hatte gehabt, obschon damalig sie in ein überaus freizügiges Gewand war gehüllt gewesen (zumindest in Anbetracht der Umständen einer traditionellen Verehelichung, welche den Anlass des Zusammentreffens hatte gebildet). Indessen vermochte er nicht, hieraus irgendwelche dem vorliegenden Casus nützliche Prädispositionen hinsichtlich jener Dame zu extrahieren, sodass er schlichtweg den Digitus Salutaris der Sergia präsentierte und ein schüchternes
    "Salve, Procuratrix Sergia."
    ihr entbot.

    Voll Abscheu verfolgte Manius Minor das großsprecherische Geschwätz ihrer Kustoden, welche zweifelsohne ihres Platzes innerhalb der Familia nicht recht bewusst waren, was ihm ein ironisches Schmunzeln auf die Lippen zauberte, da ihm doch aufs Vortrefflichste noch die Bekräftigungen seiner Stiefmutter in periculo bezüglich ihrer harten Hand gegen die Dienerschaft des Hauses waren präsent, was angesichts derartig tumber idiotae wohl als similäre Option verblieb. Zumal die Dienerin sich ihrer erinnerte und eiligst hinforteilte, sodass nicht lange darauf die Aurelia selbst vor ihren Augen stand und in größter Hektik sich mühte, den Fauxpas ihrer Getreuen zu remedieren.


    Angesichts jener geradezu servilen Courteoisie Priscas verspürte der Jüngling, dessen Beweis seines unfrommen Ansinnens ungehört sein Versteck hatte gefunden, keinen Anlass Furcht oder Devotesse an den Tag zu legen, weshalb er, nachdem die wüsten Banausen als Zeugen waren ausgeschieden, sich an dreistem Abstreiten zu versuchen entschied:
    "Wir hatten lediglich... nun... waren auf einem Spaziergang in der Gegend und hatten nicht erwogen, dich in deinen Geschäften zu disturbieren."
    Selbstredend würden jener Einar wie sein Begleiter einen alternativen Hergang zu schildern imstande sein, doch da letztlich sein Wort gegen das ihre würde stehen, hinzu die Antizipation seines unheiligen Planens zweifelsohne jenseits Priscas Imaginationskraft mochte liegen und die Behauptung, er habe ein Loch lassen graben, somit jedweder Glaubhaftigkeit entbehrte, war er geneigt jenes Risiko zu tragen. Als darauf folgend gar ihr Tod wurde offeriert, sah Manius Minor sogleich die Gelegenheit gekommen, jener singulärer Zeugen seines verdächtigen Verhaltens aufs Angenehmste, da einzig dem Jähzorn Priscas zuzuschreiben, endgültig ledig zu werden, sodass er prompt erwiderte:
    "Sie sollen erdrosselt werden, wie sie drohten mich zu erwürgen."
    Dass dies selbstredend gänzlich konträr zu seinem gelobten Respekt gegen die Dienerschaft war zu erkennen, bedachte er nicht. Doch hatte er letztlich ja lediglich vom flavischen Gesinde gesprochen und keineswegs die Sklaven fremder Haushalte zu inkludieren gedacht.

    Die Pforten Roms waren geöffnet und der neue Princeps gewählt, doch war Manius Maior dennoch nicht gewillt, Manius Minor das neuerliche Exil zu erlassen. Und so war der länglich wohlpräparierte Tag gekommen: Noch hatte Sol sich nicht über den Horizont gewagt, als ein Reisewagen vor der Villa Flavia Felix bereit stand, um den jungen Flavius gemeinsam mit den lediglich nächtens akzeptierten Lieferanten die Urbs zu verlassen und der Himmel selbst beweinte den Abschied des Jünglings mit kleinen, federleichten Tröpfchen aus der dichten Wolkendecke.


    Der junge Flavius indessen zeigte keine Träne, denn grimmiger Zorn hatte seine Augen wie seinen Mund versiegelt, als er, angetan in einen Reisemantel, welcher selbstredend den Regen abzuhalten imstande war, aus der Pforte trat, um hier seinen Familiaren Lebewohl zu sagen. Hatte er sich die vorherige Nacht noch gegrämt und gehadert, all jener Vertrautheit nunmehr verlustig zu gehen, um auf ewig an einem heißen Ort jenseits des Meeres sein Dasein zu fristen, während Aurelia Prisca seinen Vater würde umgarnen und letztlich dazu bewegen, ihr oder ihrem Balg das flavische Erbe offerieren, so verblieb ihm heute nur Apathie angesichts des Unabwendlichen und jene stumme Anklage gegen den älteren Gracchus, in welcher er sich bereits seit Wochen geübt hatte.

    Obschon Manius Minor selbstredend nicht ein As tatsächlich als sein Eigen konnte bezeichnen, da all jenes Geld, welches er Tag für Tag zu seiner Verfügung besaß, lediglich ein bescheidenes Peculium Manius Maiors repräsentierte, der ebenso der wahre Nutznießer der flavischen Betriebe war, welche lediglich ob der restriktiven legalen Rahmungen formal auf die diversen adulten Familiaren waren verteilt, so war er am heutigen Tage, dem Feste der Bellona, genötigt, in ökonomische Obliegenheiten sich zu involvieren, um das Ansinnen der Procuratrix Annonae zum Abschlusse eines Liefervertrages für jene höchst noble Einrichtung, die den Pöbel Roms mit dem täglich Brot versorgte, zu erkundigen. Warum nun ein Flavius höchstselbst mit jener eher banalen Formalie wurde belästigt, welche doch für gewöhnlich bestenfalls die Entsendung des flavischen Vilicus für derartige Angelegenheiten hätte nach sich gezogen, lag darin begründet, dass der flavische Stammhalter Erfahrung im Kontakte mit Behörden sollte gewinnen, um ihn für seinen späteren Cursus Honorum zu präparieren, zumal im vorliegenden Falle ein Risiko der Übervorteilung als minimal war zu ermessen.


    Und somit stand der junge Flavius, sekundiert von seinem Leibsklaven Patrokolos, an jenem Feiertage, vor der Casa Iulia und ließ sich anmelden.

    Sim-Off:

    Ich bitte die Verspätung zu exkulpieren. Deplorablerweise erhalte ich höchst selten Post und lasse somit die Appetenz für das flavische Postfach ein wenig missen.

    Kaum war der Applaus, welchen der Jüngling mit einem sublimen Lächeln hatte entgegen genommen, verstummt, eilte bereits sein geliebter Patrokolos herbei und reichte ihm ein Schweißtuch, verbunden mit einem stolzen Lächeln und einem gehauchten Kommentar:
    "Eine sehr gute Rede, Domine!"
    Kurz befreite der junge Flavius sich in durchaus gelöster Stimmung seiner Körpersekrete, um sodann jene entscheidende Reaktion zu empfangen, welche aus dem beherrschten Antlitz des Rhetoren war zu erwarten. Doch hielt dieser sein Urteil noch eine Weile bei sich, schuf zuerst Raum für seine Kommilitonen, welche durchaus Respekt ihm zollten (mit Ausnahme selbstredend des Ollius, welcher wie gewöhnlich mit größter Spitzfindigkeit ans Werk ging) und folgend jene Schnitzer disputierten, die an diversen Stellen in der Tat selbst durch den Magister blieben zu bemängeln.


    All dies hatte die Satisfaktion Manius Minors durchaus gesteigert, da doch lediglich wenige, in seinen Augen unwesentliche Fehler ihm waren unterlaufen und nicht nur seine Familiaren und Lucretius voll des Lobes waren gewesen. Umso unerwarteter traf ihn das finale, augenschienlich niederschmetternde Verdikt des Quinctius.
    Schrecken erfasste den Jüngling, da er doch in der Tat sein Bestes hatte gegeben, welches nunmehr als insuffizient sich erwiesen zu haben schien, ihm jedoch uneinsichtig blieb, wie seine Perfektion wäre zu steigern gewesen und welche Reaktion hierauf die adäquate wäre... als der Magister seinen Satz vollendete und das Verdikt als klimatische Litotes offenbarte. Neuerlich lächelte, nein strahlte der junge Flavius nunmehr in die Runde und ergriff voll Ehrfurcht die Diploma, welche der Magister für ihn hatte präpariert.
    "Besten Dank, Magister."
    hauchte er und präsentierte die Urkunde gleich einem Ehrenzeichen des Princeps der neuerlich Beifall gebenden Schar der Kommilitonen.


    Nun war er in der Tat ein Rhetor. Oder ein Orator?

    Geleitet von hünenhaften Trabanten, welche die Gestalt des dicklichen Flavius, doch ebenso seines feingliedrigen Dieners in überproportionaler Weise nichtig wirken ließen, gelangten Manius Minor und Patrokolos nun just an jenen Ort, an welchem die Platzierung ihrer Defixio ihre größte Wirkmacht zu entfalten imstande war. Mehrmalig tauschten sie Blicke, doch blieb der Jüngling außerstande, seines geliebten Patrokolos Mimik zu lesen, da die Proximität des direkt an seiner Seite Wandelnden selbstredend viel zu groß sich erwies, um ein scharfes Bild zu gewinnen. Somit blieb er genötigt seine privaten Schlüsse zu ziehen, die durchaus als tollkühn waren zu ponderieren: Die Perspektive seiner Stiefmutter in spe vor die Augen zu treten, befreite ihn nämlich sofortig von sämtlichem Bangen um sein Leben, denn erstlich würde sie es nimmermehr wagen, an ihm eine Leibesvisitation zu vollziehen, oder gar ihn jenen Grobianen zu überantworten, welche mit Torquierungen aller Art prahlten und zweifelsohne imstande waren, einem Jüngling wie ihm derartig gräuliche Schmerzen zu bereiten, dass er seine illegalen Pläne offenbarte. Insofern fühlte er sich gar ein wenig sekurer denn vor ihrer Detektion und nutzte den Weg durch die aurelischen Gemächer lieber, um Ausschau zu halten nach einem Versteck für sein Corpus Delicti, welches für die Spanne von hundert Tagen, binnen welcher die Aurelia der Tod sollte ereilen, mochte geeignet sein. Deplorablerweise entbehrte er jedoch der Kenntnis, wo Sklaven für gewöhnlich ihrer Arbeit nachgingen oder sich aufzuhalten pflegten, wenn die Herrschaft nicht präsent war, oder gar welche Objekte von den emsigen Putzkolonnen verschont blieben, womit sein Ansinnen sich als durchaus diffizil erwies.


    Erst als er der Aurelia ansichtig wurde, gewahrte er, dass er noch immer die gerollte Bleitafel in seiner Hand trug und keinerlei Explikation hatte ersonnen, warum er und sein Diener sich hinter der Villa Aurelia hatten aufgehalten. Um zumindest des Corpus Delicti ledig zu werden griff er, verborgen durch seinen Mantel, hinter seinen Rücken und mühte sich, das längliche Objekt dortig im Gürtel zu platzieren, wobei dieses ob der an seiner Taille wirkenden Tensionen neuerlich verbog und endlich mit einem sublimen Knacken der Hühnerknochen, um welchen das Blei war gerollt, nachgab, woraufhin der junge Flavius schreckhaft um sich blickte, dann jedoch, als er die zweifelsohne feindseligen Blicke der Kustoden erblickte (auch sie visuell zu dechiffrieren blieb selbstredend indisputabel), ersann er rasch eine plausible Explikation und zeigte mit einem nervösen Lächeln seine nunmehrig freien Hände, als habe er soeben seine Gelenke zum Krachen gebracht (wozu er, was neben Patrokolos wohl keiner mochte wissen, in Wahrheit außerstande war).

    Jene Intonation des Einar war geeignet, den Kopf des jungen Flavius aufs Neue mehr und mehr in der Kapuze, welche ob des Handgemenges ihm vom Haupte war gerutscht und nunmehrig eine Knäuel an seinem Halse konstitutierte, versinken zu lassen. Augenscheinlich imponierte die Wahrheit jenen tumben Gestalten in keinster Weise, ja selbst den indubitablen Ausweis seiner Identität wies die Gestalt von sich, sodass auch das letzte Fell ihm von dannen zu schwimmen sich anschickte und er neuerlich zu fürchten genötigt war, sogleich aufs krudelste in jene Gefilde der Seligen transferiert zu werden, aus welchen er sich Hilfe gegen die maliziöse Aurelia hatte erbeten.


    Doch aufs Neue war Fortuna ihnen hold, denn das letale Verdikt wurde gewandelt in eine ebenso durchaus inkommode, doch angesichts des unmittelbaren Todes eindeutig zu präferierende Anhörung vor dem Objekt jener Defixio, welche der Jüngling, obschon nunmehrig ein wenig zerdrückt und verbeult, noch immer in seiner Faust trug...

    Irritiert sog der junge Flavius jedes Wort des germanischen Grummelns in sich auf, denn obschon ihm unergründlich erschien, weshalb jene beängstigende Kreatur gleichsam den Umstand bedauerte, ihrer ansichtig geworden zu sein, und zugleich ihre Verfolgung aufgenommen hatte, anstatt seine Vision schlicht zu ignorieren, so hegte er doch die Hoffnung einen Hinweis zu gewinnen, wie sie aus jener misslichen Lage waren zu retten.
    Indessen derangierte die spöttliche Kommentierung seines Namens ihn aufs höchste, da noch niemals irgendwer seine Identität hatte als dubitabel beurteilt, sodass er bereits in schillerndsten Farben zu imaginieren begann, wie jene Kustoden Patrokolos und ihn würden in Stücke reißen, in Beize auflösen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden lassen, ohne dass irgendjemand ihr Verschwinden auch nur vermochte zu registrieren, dass endlich Manius Maior der Last Manius Minors final würde enthoben sein und undisturbiert zum Ausverkauf der Familia Flavia Romae konnte schreiten. Allzusehr übermannte ihn jene Perspektive, in seinen Augen mischten sich unter die infinite Furcht Entsetzen und Trauer, sodass auch die Verhönung seines Aufzuges zu keiner Kommentierung und anderweitigen Reaktion gereichte.


    Erst als Einar seine Pranke nach dem Jüngling streckte und ihn hinaufzerrte, präsentierte dieser sowohl Kommentar in Form eines suinen Quiekens wie Reaktion in einem Verkneifen der Augen wie dem Einziehen das Hauptes, dessen nunmehriges Zerbersten unter einem letalen Hieb, respektive Anschwellen und Absterben durch eine Strangulation mit seinem eigenen Mantel er unmittelbar erwartete. Eiligst evozierte er Remineszenzen an seine geliebte Mutter, mit welcher er baldig wieder würde vereint sein, gedachte seiner Ahnen und wurde mit einem Male gewahr, dass all dies ihm ebenso wie die familiare Eintracht zu Lebzeiten würde verwehrt sein, da jene abscheulichen Gestalten zweifelsohne ihm nicht die Gnade eines Handgeldes für den Fährmann würden offerieren, sodass auf ewig er am Ufer des Styx würde warten, während er die Gefilde der Seligen lediglich in der Ferne durfte schauen (doch zumindest in einer Distanz, in welcher er in voller Schärfe sie zu betrachten imstande mochte sein).


    Doch der gleißende Schmerz des Todeshiebs blieb aus, ebenso der Verlust des Odems oder similäres. Stattdessen vernahm Manius Minor wie von Ferne eine vertraute, doch verärgerte Stimme:
    "Ein einfaches Loch! Es ist nicht verboten, Löcher zu graben!"
    Vorsichtig öffnete der Jüngling ein Auge und schielte hinüber, wo soeben noch Patrokolos in Pein an seinem Mantel hatte gezerrt, wo nunmehr jedoch sein Diener augenscheinlich die beiden Wachen trutzig konfrontierte:
    "Lasst sofort meinen Herrn los! Dies ist Manius Flavius Gracchus Minor, Sohn des Manius Flavius Gracchus, Verlobter der Aurelia Prisca!"
    Jene Repetition seines Namens, diesmalig vorgetragen mit aller Schärfe und Kraft, die im flavischen Blute lebendig war, war geeignet den Krampf des Jünglings zu lösen, der nun eine direkte Adresse erhielt:
    "Domine, zeig ihnen deinen Siegelring!"
    Durchaus trug Manius Minor den Ring, welchen sein Vater ihm anlässlich der Liberalia zum Geschenk hatte gemacht und welcher ihn mit seinem in Karneol getriebenen Caduceus, dem Wappen der Flavii, als solchen auswies, stets an seiner Rechten und auch heute hatte er ihn mehr in Routine denn Bewusstsein angelegt. Hastig mühte er sich, die Pretiose von seinem Finger zu winden, doch die Eile wie die Wärme des Tages, welche ein Anschwellen der Glieder zur Folge hatte, verwehrte ihm dieses, sodass er lediglich das possierliche Bild eines emsig hantierenden Knäbleins in Angesicht der Unheils abgab, ehe er endlich sich gewahrte, dass, obschon er selbst mochte außerstande sein, die Intarsien seines Ringes aus nächster Nähe zu identifizieren, dies bei seinen Opponenten nicht der Fall musste sein. Somit zog er die beringte Hand schlicht aus dem Mantel und präsentiertierte sie wie ein Patronus, der seinem Ring zum Kusse des Klienten offeriert.

    Bisweilen bedachte Manius Minor die Option, fern von jenem Moloch Rom seine Jugend zu verbringen, sei in der Tat nicht die übelste, zumal das cremonesische Exil in der Retrospektive durchaus eine der glücklichsten Zeiten seines bisherigen Lebens gewesen zu sein schien. Insofern neidete der Jüngling seiner Schwester jenen Frieden, insonderheit aber ihr Privileg an der Seite seiner geliebten Mutter deren letzte Jahre verlebt zu haben.
    "Ist Mutter friedlich entschlafen?"
    , sprudelte jene drängende Frage somit geradezu aus ihm heraus, die ihn drängte, seit er von ihrem Ableben war unterrichtet worden und im Schmerz ein letztes Mal jene Einheit mit Manius Maior hatte verspürt, die einer Familie für gewöhnlich anstand.


    Jener Vater indessen war es, der nunmehr auch Flammas Schicksal aufs intensivste würde bestimmen, sodass der junge Flavius auch diesbezüglich seinen Vorwitz im Zaume zu halten außerstande war:
    "Hat Vater dir noch keinen Bräutigam erwählt?"
    Obschon die Formulierung seiner Schwester eine Negation jener Frage implizierte, so vermochte Manius Minor doch nicht zu imaginieren, dass ausgerechnet ihr jene Prädestination mochte erspart bleiben, die ihn bereits hatte betroffen, als noch die Bauklötze sein liebster Zeitvertreib waren gewesen:
    "Ich wurde bereits verlobt. Mit einer Cornelia, der Nichte des Cornelius Scapula. Nicht gerade eine Augenweide..."
    Mochte Flamma ihres Bruders seit Jahren nicht mehr ansichtig geworden sein, so verspürte der Jüngling doch den Drang, letztlich irgendjemanden ins Vertrauen zu ziehen, denn obschon Patrokolos ein probater Gesprächspartner war, so ließ die Konversation mit diesem doch ein gewisses Maß an Augenhöhe missen, welches nunmehr im Zwiegespräch mit der Schwester er sich erhoffte.

    In der Tat evozierte jenes wilde Rufen, welches dem jungen Flavius die Haare zu Berge stehen ließ, da er doch, obschon ihm die Eigenheiten von Beize mitnichten bekannt waren, durchaus Seriosität in die Drohungen derartig wüster Gestalten interpretierte, den providierten Effekt und auch das hektische Zupfen Patrokolos' erstarb, sodass beide Konspiranten bei Eintreffen der Germanen jene fixierten, als handle es sich bei diesen nicht um gewöhnliche Sterbliche, sondern um leibhaftige Gorgonen, welche sämtliche Betrachter zu Stein ließen erstarren.


    Die Furcht lähmte jedes Glied und verriegelte gar den Kiefer des Jünglings, in dessen Hand unter dem Mantel noch immer fest und steif jenes kolpotierliche Corpus Delicti sich befand, welches sie hierher hatte gebracht, weshalb erstlich ein erwartungsvolles Schweigen sich über die Szenerie legte.


    Noch ehe einer der beiden Hünen zur Waffe greifen und die beiden flavischen Emissäre entzwei spalten konnte (oder, was zweifelsohne realistischer, doch fern der possiblen Annahme Manius Minors sich befand, neuerlich in wilde Drohungen zu verfallen), nötigte eben jene Furcht, die eine Flucht vereitelte, den jungen Flavius doch, mit seiner wahren Identität zutage zu treten, um sein jämmerliches Leben zu salvieren:
    "Ich bin... Manius Flavius Gracchus... Minor..."
    , presste er ängstlich hervor in der Hoffnung, jener klangvolle Name allein möge jenes vor Augen befindliche Unheil einem Bannspruche gleich abwenden.

    "Doch obschon manche dafürhielten, Cornelius habe den Zenit seines Ruhms durch jene ehrenvollen Ämter erreicht und genieße nun endlich, da sein Patron und Förderer Divus Iulianus selbst zu den Göttern abberufen war, seine wohlverdiente Muse, so wurden sie eines besseren belehrt!"
    Wie Manius Minor auf diversen Abendgesellschaften vernommen hatte, bei denen Manius Maior obskurerweise eine notable Zurückhaltung an den Tag hatte gelegt, die indessen aufgrund parallel zur geglückten Ermordung Valerianus' geschmiedeten Komplotte seines Vaters mit Tiberius Durus leichtlich war zu plausibilisieren, hatte man gemeinhin die Designation Palmas zum Thronfolger des Valerianus in der Tat als profunde Überraschung bewertet, zumal, wie manche gelöste Zunge zu späterer Stunde der Commissatio zu spekulieren wagte, jene Verschwörungs-Version des Vescularius als weitaus plausibler musste erscheinen denn die offizielle Version jener stupenden Erwählung.
    Für einen Augenschlag entglitt dank der Remineszenz einer derartigen Szenerie dem Jüngling die triumphale Miene, um indessen sofortig zu retournieren und seinen Weg durch die Domus Laudationis Palmae fortzusetzen:
    "Denn als sein Sohn, unser seliger Valerianus, seinerseits die letzten Dinge bedachte, da gewahrte er sich des treuen Dieners seines Vaters, dessen Ruhm weithin bekannt und dessen Qualitäten einem jeden von den Grenzen Syrias bis zu den Basilicae Roms ein Begriff waren. In augusteischer Weisheit und unter dem Beistand der unsterblichen Götter bedachte er bei sich nämlich sämtliche Eventualitäten und wählte, so sein eigen Fleisch und Blut vor der Zeit mochte abberufen und die Wurzel der Ulpii abgeschlagen werden, nicht etwa jenen Speichellecker und Emporkömmling, der sich an seinem Laborieren labte und die Geschicke der Res Publica an sich gerissen hatte, sondern den Würdigsten aller Senatoren selbst im Verborgenen zu seinem Erben und Nachfolger, um ihn vor Neidern zu bewahren."
    Selbstredend verblieb auch diese Interpretation überaus dubitabel, doch fuhr der Jüngling dessenungeachtet direkt mit den Qualitäten des Princeps fort, die ohnehin das Herzstück seiner Argumentatio bildeten:
    "Und in der Tat traf er diese Wahl aufs Vortrefflichste, denn wer mag bestreiten, dass unter dem Prinzipat des Cornelius eine Tugend des Kaisers nach der anderen aufstrahlte gleich Sternen in der Dämmerung?"
    Fragend blickte der junge Flavius in die Runde, als könne es jemand wagen, seine Frage mit jener allzu evidenten Replik zu bedenken, welche auf die zahlreichen Desillusionierten jener allzu stillen Herrschaftsära ebenso wie auf die Verlierer der palmanischen Machtergreifung mochte verweisen.
    "Schon vor Antritt seiner Herrschaft bewies er jene edelste aller Mannestugenden, die Virtus: Denn mitnichten fiel die legitime Macht ihm in den Schoß, sondern vielmehr war er genötigt, sich sein Recht an der Spitze getreuer Truppen gegen jenen abscheulichen Usurpatoren zu erstreiten, wobei er, wie es einem wahren Quiriten entspricht, seinen Mut bewies, indem er an der Spitze seiner Truppen selbst in die Schlacht eingriff und den Feind bezwang."
    Obschon dies selbstredend einen Topos repräsentierte, der sämtlichen Imperatoren von Caius Marius bis zu Divus Traianus war zugeschrieben worden, so hatte Manius Minor in jenem Falle in der Tat erfahren, dass Palma in der Schlacht von Misenum einen Flügel seiner Kavallerie in persona kommandiert hatte, was zumindest bei sämtlichen Vorbehalten admirabel erschien.
    "Doch noch ehe Roms Pforten waren erreicht, sah Cornelius den Moment gekommen, Paludamentum gegen Toga zu tauschen und die Virtus zu schonen, um jene vortreffliche Tugend des Friedens, die Clementia, hervorzukehren: Anstatt jene, die sich ihm entgegen stellten, weil sie in Irrtum sich durch jenes Sacramentum an den Usurpator gebunden glaubten, zu strafen, zu verbannen oder niederzumetzeln, ehrte er nämlich ihren Mut und zeichnete gar die Vortrefflichsten unter ihnen persönlich mit militärischen Ehren aus."
    Beim Ersinnen jener Passagen war Manius Minor wieder eine Unterredung im Kreise der Familie in den Sinn gekommen, bei welcher sowohl Manius Maior als Onkel Furianus sich überaus kritisch hinsichtlich jener 'Tugend' hatten geäußert, die Provinziale und Unwürdige in der Curia Iulia hatte bewahrt, was hier indessen selbstredend zum Vorbildhaften war zu wenden:
    "Doch nicht nur der Miles Gregarius, ebenso die Senatoren Roms gelangten in den Genuss der Gnade des Augustus, indem der neue Princeps ihnen die Gelegenheit bot, ihre Fehler und Illoyalitäten gegen den letzten Willen des Valerianus auszulöschen durch neue Leistungen in ihren vertrauten Positionen, sodass halb Rom ihm zu höchstem Danke verpflichtet ist."
    Wie sein Vater damalig hatte konzediert, mochte Milde jedoch durchaus in Verderben sich wandeln, während der folgende Casus durchaus positiv zu bewerten blieb:
    "Dennoch folgte er zugleich den Maximen der Aequitas und Iustitia, indem er jenes himmelschreiende Unrecht, welches Vescularius zahllosen Quiriten hatte angedeihen lassen, rückgängig machte. Geraubtes und an seine Günstlinge verteiltes Gut wurde erstattet, Ländereien zurückgegeben. Und nicht zuletzt wurden jene verdienten Männer, die dem Usurpator Paroli zu bieten den Mut aufgewiesen hatten, von ihren ungerechten Verdikten befreit und aus dem Exil zurückgeholt. Nicht zuletzt mein eigener Onkel, der allseits geschätzte Consular Lucius Flavius Furianus war unter jenen, welche in den Kerkern der Schergen Salinators hatten leiden müssen, ehe Cornelius Palma sie befreite und die Schmach, nach allen Verdiensten um die Res Publica wie ein Feind des römischen Volkes behandelt zu werden, hinfortwusch."
    In der Tat fiel es dem Jüngling weitaus leichter, das Schicksal seines Onkels um des Effektes einer immediaten Identifikation des Redners mit der Sache heranzuziehen. Doch konstituierte dies lediglich den Auftakt zu einer klimatischen Steigerung seiner eigenen Involviertheit in die Unrechtsurteile des Vescularius:
    "Doch nicht nur er, auch mein Vater selbst und ich, mein Bruder, meine Schwester und meine Mutter hatten vor dem Usurpator fliehen müssen, waren gleichsam aus Rom verbannt und in alle Winde zerstreut worden ob fadenscheiniger Verdachtsmomente."
    Neuerlich war er genötigt, jener paternalen Coniuratio zu gedenken, welche indessen keinem der Anwesenden präsent konnte sein und somit tunlichst zu verschweigen war.
    "Auch mir selbst war es somit eine herzliche Befreiung, als Cornelius Palma die Exilierung meiner Familie aufhob, um uns die Rückkehr in unsere Vaterstadt zu ermöglichen."
    In theatralischer Geste legte er die flache Hand auf die Brust und senkte das Haupt in einer kurzen Pause, um die Ergriffenheit, welche jene Umstände in ihm evozierten, nach außen hin zu präsentieren. In Wahrheit jedoch erwiesen die Remineszenz an jene gräuliche Flucht, die Desperanz des mantuanischen Exils und den Schmerz der Trennung von Familie und Freunden sich als imponderabel verglichen mit jenem Laborieren, welches der dem Kriege folgende Verzicht auf den Ratschluss seines geschätzten Vindex, der gleichsam zu seinem Ersatzvater war geworden, der Verlust seiner Mutter wie insonderheit jener finale Bruch mit seinem Erzeuger in ihm evozierten, sodass letztlich lediglich die eine Hölle der anderen gewichen war.
    "Mein größter Dank gilt somit dem Verblichenen, der die Flavia Gens aufs Neue restituierte, wie es unserem altehrwürdigen Hause entspricht."
    Wieder blickte der junge Flavius in die Schar der Kommilitonen, wo in der Tat kaum einer (sofern man seine Anverwandten exkludierte) über einen derartig beachtlichen Stammbaum verfügte, ja kaum einem den Latus Clavus an der Tunica zu tragen vergönnt war, womit sein bescheidener Stolz auf das flavische Haus durchaus adäquat ihm erschien.
    "Dies wiederum war die Voraussetzung, um jene neue, wahre Concordia des römischen Volkes wiederherzustellen, in deren Schatten wir nunmehr gedeihen dürfen.
    Doch keineswegs ist damit die Liste seiner Tugenden vollendet, denn über das Rechtmäßige hinaus offerierte er eine Liberalitas, die unter den Noblen der Urbs ihresgleichen suchte:"

    Beim Sinnieren über adäquate Merkmale der Tugendhaftigkeit des Princeps hatte Manius Minor sich jener kuriosen Leichenspiele des Tiberius Durus entsonnen, bei denen Palma, obschon er keineswegs der Spielgeber war gewesen, Brot unter das Volk hatte verteilen lassen.
    "Nicht nur zu seinen eigenen Spielen, selbst zu jenen seines Klienten und Freundes Aurelius Lupus-"
    Unbewusst spie er jenen Namen, der aufs Engste mit seinem paternalen Konflikt war verwoben, voller Verachtung aus, um indessen sogleich in gewöhnlichem Habitus fortzufahren:
    "-erfreute er das Volk durch Brotspenden und sicherte sich damit die Liebe und Zuneigung des gemeinen Pöbels, wie er auch manche Städte des Imperiums mit neuen Rechten und Privilegien ausstattete."
    Auch in diesem Falle musste die Ambivalenz jener Aktion, von der böse Zungen im Nachhinein verbreiteten, sie sei ohne Wissen des Princeps durch vorschnelle Beamte in die Wege geleitet worden, ungenannt, da, wie gut unterrichtete Kreise ebenso berichteten, der Aurelius jenen generösen Akt als Affront und Infragestellung der eigenen Potenz hatte bewertet. Indessen verspürte der junge Flavius, welcher ja unter der mit Assistenz des kaiserlichen Klienten erfolgten Anbiederung der Aurelia Prisca laborierte, bestenfalls Hohn hinsichtlich jener Episode, welchen er in dieser Situiertheit selbstredend tunlichst verbarg.
    "Zuletzt endlich erwies er auch den Göttern gegenüber jene Pietas, welche die Schreckenszeit des frevlerischen Vescularius so schmerzlich hatte missen lassen: Nicht nur restituierte er die Pax Deorum, indem er seinen regulären Pflichten in jenem höchst bedeutenden Aufgabenfelde getreulich folgte, sondern sorgte gar für eine Renovatio der Mores Maiorum, indem er die Ordnung der vestalischen Jungfrauen erneuerte und in jenen ehrwürdigen Status zurückversetzte, den Numa Pompilius in den Anfangsjahren unserer Vaterstadt ersonnen hatte."
    Eine kurzes Innehalten markierte die Finalisierung der Argumentatio, die im Geiste des Jünglings einem ausgedehnten Spaziergang durch den gesamten privaten Bereich der Domus Rhetoris gleichgekommen war, sodass er mentalerweise nun endlich wieder ins Atrium zu treten imstande war, um die letzten Worte zu sprechen und seine Rede gleichsam zusammenzuführen:
    "Somit blickten und blicken zweifelsohne die Unsterblichen mit größtem Wohlwollen auf jenen Optimus Princeps herab und werden ihn gemeinsam mit seinen ruhmreichen Ahnen und seinen caesarischen Patronen und Förderern Divus Iulianus und Valerianus voller Freude in ihrer Mitte begrüßen!
    So soll er auch uns zum strahlenden Vorbild dienen und seine Heldentaten Anlass sein, unsere Prinzipien zu schulen, unsere Taten anzuleiten und unsere Nachkommen zu belehren, aufdass sein Name, der des Imperator Caesar Appius Cornelius Palma Augustus, niemals in Vergessenheit gerate und sein Ruhm erstrahle bis in alle Ewigkeit!"

    Zum Abschluss hob der junge Flavius ein letztes Mal die Stimme, um gleichsam die letzten Worte zu einem Appell zu formen und die Emotionen des Publikums ein letztes Mal zu mobilisieren.


    Dann war das letzte Wort gesprochen und der Rhetor wurde sich gewahr, dass feine Schweißperlen der Mühe seine Stirn zierten, sein Mund trocken, seine Stimme ermattet sich ausnahm. Dennoch verspürte er tiefe Satisfaktion, da kaum einmal sein Redefluss gestockt und sein Gedächtnis sich als überaus zuverlässig, ja kein einziges Mal als fallibel hatte erwiesen.

    Auch seine Schwester und endlich Scato traten nun hinzu, sodass Manius Minor Gelegenheit erhielt, seine Reflexionen über die Similiarität Dexters zu seinen Brüdern aufs Neue zu erwägen, doch gelangte er ob seiner Fehlsicht und der ihm nicht fremden Wortkargheit des länger residierenden Milonen zu keinem Ratschluss, ehe der neue Resident seine Appetenz wieder dem Museion zuwandte.


    Neuerlich beschämte der augenscheinlich weitläufige und mit dem Ehrenlaub der Wissenschaft bekrönte Neffe hierbei den jungen Flavius, dessen traditionelle Edukation ihm bisherig eine tiefere Kenntnis philosophischer Schulen (jenseits pragmatisch-ethischer Maximen) hatte verwehrt, sodass die Erwähnung des Pyrrhon ihn zwar durchaus dahingehend zu informieren imstande war, dass Dexter der Gruppe der Skeptiker war zuzuschlagen, doch weitere Einsichten ihm verwehrt blieben, da er insonderheit des Wissens über jene für seinen Grammaticus stets verächtlich abgetanen Lehre des Nicht-Wissens, welche doch angeblich zu keinem Ziele führte und somit als dem aristokratischen Leben undienlich abzulehnen war, entbehrte. Insofern grämte ihn die delikate Wahlpraxis des ehrenwerten Ariston mitnichten, da er ohnehin in den Genuss jener Lehren zu kommen sich nicht anzustellen gedachte.


    Fortunablerweise offerierte Dexter final doch ein Sujet, welches keinerlei philosophischer Vorbildung bedurfte und insofern geeignet war, über die Unpässlichkeiten des Jünglings hinwegzuführen und den Fluss des Gespräches in vertrauteres Fahrwasser zu leiten:
    "Nun, als Senatoren wird es uns vermutlich ohnehin an Zeit fehlen, die Provinzen um der Bildung willen zu bereisen."
    , äußerte er daher, um sogleich eine These anzuhängen, welche sich zu einer kleinen, wenn auch hypothetischen Disputation eignete:
    "Indessen erscheint es mir in keinster Weise adäquat, dass Senatoren noch immer das Betreten jener Provinz untersagt ist, wo doch zahlreiche Provinzen in ebensolchem Maße dem Princeps höchstselbst gehören und es dort ebenfalls possibel ist, sie als Laticlavius zu besuchen."

    Obskurerweise approximierten die beiden Hühnen sich keineswegs, sondern steckten schnatterhaft die Köpfe zusammen, um sich einem Spectaculum zuzuwenden, dessen der Jüngling aus seiner Position nicht ansichtig wurde, sodass zur Furcht der Detektion ein gewisser Vorwitz trat. Das absurde Gedankenspiel, die Kustoden seien auf ein Gespann similärer Intention gestoßen, welche sie nun ihrerseits mit gewisser Unrast observierten, fand indessen ein jähes Ende, als mit einem Male der eine von ihnen das Haupt wandte und sie erspähte und unverwandt, seinen Compagnon an der Seite, in ihre Richtung eilte.


    Im Geiste des jungen Flavius begannen die Tubae zur Retraite zu blasen, doch die Füße versagten ihm den Dienst, ja vielmehr schienen sämtliche seiner Sehnen sich zu versteifen und somit jedwede Regung impossibilisieren, sodass ihm nichts verblieb als die wüsten Gestalten, welche auf ihn zuhielten und dabei endlich in die Aura seines Fehlsicht eintauchten, mit großen Augen anzustarren, während ihm beim besten Willen keine Explikation ihrer Anwesenheit in den Sinn gelangte, um den Ruf der Germanen zu erwidern.


    Einzig Patrokolos war imstande, die Malaise noch um ein gewisses Maß zu aggravieren, indem er hektisch am Mantel seines Herren zupfte, um jenen zu einer desparaten und zweifelsohne infortunen Flucht zu motivieren.

    Obschon Patrokolos augenscheinlich des Talentes zum Kleingärtner entbehrte, so ineffizient, wie er sich der Schaufel bediente, so vermochte selbst der getrocknete Boden nicht auf ewig sich dem Eisen zu widersetzen, weshalb der Sklave beinahe bereits eine adäquate Tiefe hatte erreicht, um die hühnerschenkelgroße Defixio darin zu versenken, als mit einem Male die beiden hühnenhaften Wächter in fröhlich schwatzender Weise auftauchten.
    "Patrokolos!"
    , zischte der junge Flavius, der ihrer zuerst ansichtig wurde, woraufhin sein Diener, als habe er beim Graben die Höhle eines Skorpions aufgedeckt und einen Stich empfangen, aufsprang und einen Schrei unterdrückte, während der Herr seinerseits sich gleich dem Kaninchen vor der Schlange in Furcht versteifte und die Augen nochmalig in höherem Maße verkniff, um exakt jeden Zug der potentiellen Denunzianten verfolgen zu können. In ebensolcher Weise schärfte er auch seine übrigen Sinne, weshalb er deplorablerweise auch das Scherzen der aurelischen Sklacen über Hirnmasse und Blutspritzer vernahm, was selbstredend seine Furcht der Panik Stück um Stück approximierte.


    Insofern mochten die beiden Konspiranten ein durchaus Argwohn evozierendes Bild darbieten, wie sie in ihren kapuzinierten Mänteln in der Frühlingssonne beieinander standen, beständig verstohlene Blicke auf die Kustoden werfend, wobei der kleinere, untersetzte von beiden, welcher in einen schlichten Tuch von exquisitester Qualität gehüllt war, ganz augenfällig heftig atmete.

    "Durchaus, durchaus."
    , konfirmierte der Jüngling die Kondolenzen seiner Schwester und verharrte noch einen Augenschlag im Chaos jener Jahre, die in ihrer Tristesse doch in admirabler Velozität waren verstrichen. Doch sie waren vergangen und vor dem jungen Flavius stand eine nahezu zwangsläufig bessere Zukunft, sodass er letztlich das Vergangene passieren ließ und sich dem Werdenden zuwandte, wofür es von gewisser Necessität war, auch die Geschichte Flammas in gewissem Maße zu erfahren, um im geschwisterlichen Zwiegespräch delikate Punkte zu umschiffen und Kenntnis von Vorlieben und Degouts seiner so nahen und doch ob der langjährigen Distanz so fernen Anverwandten zu gewinnen:
    "Und wie erging es dir? Du musst ja ebenfalls eine wahre Odyssee durchlebt haben!"

    "Gib Acht!"
    , mahnte der junge Flavius mit gepresster Stimme, während Patrokolos sich über den Wegesrand beugte, um mit dem Schäufelchen, welches sie dem Gärtner der Villa Flavia Felix insgeheim hatten entwendet, die vertrocknete Vegetation in der Traufe des Weges hinter der Villa Aurelia aufzubrechen. Nachdem nämlich Manius Minor am Vorabend eine Defixio hatte geschaffen, waren sein Sklave und er überein gekommen, selbige nicht in der Villa Flavia Felix, wo Aurelia Prisca, so die Götter ihnen günstig waren, ohnehin nicht binnen der nächsten 100 Tage würde Einzug halten, sondern an der Außenmauer des aurelischen Anwesens zu vergraben, sodass ihre letale Wirkung in direkter Vicinität ihres Zieles sich würde entfalten können.
    Indessen erwiesen beide Konspiranten sich als augenfällige Dilettanten im Felde illegaler Aktivitäten, sodass der junge Herr geradezu auffällig-unauffällig, trotz der frühlingshaften Temperaturen angetan mit einem, seinem Dafürhalten überaus schlichten Mantel, am Wegesrand sich herumdrückte, während der ebenso ausstaffierte Diener im Staube kniete, als sei ihm eine Münze entfleucht, und verborgen unter dem sich über den Boden legenden Stoff mit dem Gartenschäufelchen im Schmutze wühlte, dabei sich überaus ungeschickt gerierend und zudem beständig mit großen Augen um sich spähend und in einem Flüsterton zu seinem Compagon sprechend, was im Gesamten an einem sonnigen Mittag inmitten der Gassen Roms sich überaus irritierend musste ausnehmen:
    "Der Boden ist zu trocken, Domine!"
    "Grabe hurtiger!"
    , entgegnete der Jüngling und drückte fester die um das Hahnenbein gerollte Bleitafel, sodass sie ein ihrer gleichmäßigen Form einbüßte. In der Tat hatte Manius Minor nämlich überaus große Nervosität ergriffen, kaum waren sie am Morgen aus der Villa Flavia Felix gegangen, da sie doch ein illegales, die Todesstrafe implizierendes Corpus Delicti mit sich führten, welches im improbablen Falle einer Leibesvisitation des Senatorensohnes als überaus kolportierlich sich konnte erweisen. Da er ob seiner Fehlsicht darüber hinaus fürchtete, womöglich nicht zur rechten Zeit einen Soldaten der Cohortes Urbanae oder gar einen Praetorianer zu identifizieren, war seine gewöhnliche Furchtsamkeit noch um ein vielfaches gesteigert, sodass er die Augen zusammenkniff und in höchster Konzentration um sich blickte, was indessen nur temporär eine bessere Sicht, langfristig hingegen lediglich ein schmerzendes Haupt und vorwitzige Blicke der wenigen Passanten würde produzieren.

    Erfüllt von Appetenz hatte Manius Minor auf seinem Platze verharrt, während Dexter undisturbiert seine Lektüre vollendete, sodass, ehe ein weiteres Wort war gesprochen, auch schon Manius Maior im Raume erschien und sogleich das Heft der Konversation an sich und somit dem Jüngling jedwede Option eines autodeterminierten Gespräches ent-riss, was dieser mit einem, dezeitig habituell gewordenen feindseligen Blick gegen den neben ihm sich platzierenden Vater kommentierte.


    Delektablerweise adressierte indessen nun sein Anverwandter direkt seine Person und wartete sogleich mit hilfreichen Hinweisen auf, die der junge Flavius mit disturbiertem Nicken quittierte, da doch er aus der Lektüre der Klassiker den Osten als Hort der Leichtigkeit des Seins, insonderheit kontrastierend zum engherzigen, kühlen und bürokratischen quiritischen Animus hatte erwartet. Doch ob des Faktums, dass sein bisheriges Leben weitgehend frei von administrativen Plagen war verlaufen, sofern man von der Registratur als Civis mochte absehen, welche ihrerseits jedoch recht unproblematisch verlaufen war, so schreckten ihn derartige Obliegenheiten kaum. Durchaus ein gerüttelt Maß an Unbehagen bereitete ihm dessenungeachtet die Frage, mit welcher der Milone seinen Ratschlag vollendete, denn obschon ihm selbstredend bewusst war, dass jenes Museion zu Alexandria eine schier infinite Zahl an Studien bot, so hatte er ob seiner Widerständigkeit gegen das neuerliche römische Exil sowie der mit diesem einhergehenden Obligationen des Abschiedes bisherig doch sich niemals jener Muse hingegeben, derer es für eine derartige Wahl bedurfte.
    "Nun..."
    , formulierte er somit stockend, die Miene eines ertappten Bettelknaben am Stand des Obsthändlers präsentierend, wobei er similär zu einem solchen hurtig nach einer adäquaten Replik rang:
    "...ich vermute die Ars Oratoria sowie ein wenig an Ethik und Rechtswissenschaften?"
    Jene Aspekte entsprachen zur Gänze dem oberflächlichen Interesse an den Künsten, welches dem gemeinen quiritische Pragmatismus als erstrebenswert akzeptierte, weshalb auch sein Magister Quinctius sich lediglich auf derartige Aspekte sich kaprizierte, wann immer er den Rhetor perfectus et doctus des Cicero definierte.
    Um indessen die insuffiziente Reflexion seiner spontanen Wahl zu verbergen, mühte er sich rasch den Fokus der Appetenz zurück auf seinen Neffen zu verschieben, indem er fragte:
    "Welche Künste hast du denn studiert?"


    In jenem Augenschlage, da die Frage war gestellt, erschien bereits Tante Domitilla in Gestalt der liebreizenden Flora, obschon der Jüngling wie gewöhnlich außerstande blieb, die Details jenes aufwändigen Putzes in adäquater Weise zu würdigen. Da er hingegen wusste, dass sie mit ihrer Aufmachung nur allzu gern derartige Reaktionen evozierte, präsentierte er rasch eine sorgsam einstudierte, admirierende Mimik und salutierte artig:
    "Salve, Tante Domitilla!"

    Einen Augenblick drängte es Manius Minor, sich expliziter über das Befinden seines Bruders, insonderheit jedoch ebenso das seines Onkels und seines Vetters Serenus zu erkundigen, doch nahm sich Flamma in diesem Sujet augenscheinlich lieber lakonisch aus, sodass er lediglich fortschritt zu einer Frage, welche zu beantworten als kein leichtes Unterfangen sich würde erweisen, da doch die Geschehnisse in Rom selbst ohne familiare Wechselspiele sich förmlich hatten überschlagen, seitdem seine Schwester vor Jahren der Urbs den Rücken hatte gekehrt.
    Daher zäumte der Jüngling das Pferd hinterrücks auf und schritt erstlich zur Replik der zweiten Frage:
    "Derzeitig leben Vater und ich, dann die beiden Söhne des Milo, Iullus und Scato, sowie unsere Tante Domitilla hier. Im oberen Trakt residiert außerdem Onkel Furianus mit seinem Adoptivsohn Atilianus."
    Dennoch verblieb die diffizile erste Frage:
    "Uns erging es-"
    Für einen Augenschlag verweilte der junge Flavius voller Insekurität, da doch insonderheit die erste Zeit nach der Trennung von seiner Schwester eine Straße des Grauens war gewesen, bevölkert von einer Population an Schrecken, die noch immer in seinen Träumen ihn erwarteten und deren Produkte jede Stunde des Wachens an ihm zehrten. Indessen würde Flamma sich zweifelsohne grämen, sofern er jene Ereignisse in ihrer deplorablen Realität explizierte, zumal die Norm ihn nötigte, das Wahre unter der Maske des leutseligen Aristokraten zu verbergen, sodass er letztlich sich beschied, es bis auf weiteres bei einer knappen Narration der offenbaren Geschehnisse zu belassen:
    "-gut, den Umständen entsprechend. Vater und ich flohen, wie du weißt, ebenfalls aus Rom. Vater ließ mich dann in Mantua bei unserem Verwandten Aurelius Ursus, dem damaligen Kommandeur der Legio I Traiana, zurück."
    An jenem ersten Punkt der Entfremdung seines Vaters war der Jüngling aufs Neue genötigt innezuhalten und für einige Augenschläge die Bitterkeit jener Remineszenz hinabzuschlucken gleich einem rebellischen Bissen, der nach Stunden der Völlerei aus seinem Magen aufs Neue war in den Mundraum emporgekreucht, als könne er so dem Schicksal des Verdauens entrinnen. Fortunablerweise bot sich hier endlich eine Episode an, welche damalig zwar als herbe Desillusion sich hatte erwiesen, heute indessen mit dem Humor des gen Adoleszenz strebenden Jüngling mochte erwogen werden:
    "Ich war beseelt vom Wunsch meinen Dienst für Rom zu leisten und schlich mich bei Aufbruch der Legion gegen Vescularius in einen der Proviantwägen. Am ersten Tage half mir ein Soldat namens Priscus, doch am Folgetage war Fortuna mir nicht mehr hold: Aurelius Ursus ließ mich zu einem seiner Klienten nach Cremona verbringen, wo ich den Rest des Krieges verweilte. Vindex erwies sich jedoch als vortrefflicher Gastgeber, der aus einer reichen Lebenserfahrung im Dienste des Kaisers schöpfte und mir einige Geborgenheit schenkte, derer ich damals so dringlich benötigte."
    Die Explizität jener Ausführungen gestattete es Manius Minor in der Tat, in der Memorierung jener erwähnten Geborgenheit die Düsternis der vorherigen Erlebnisse zu verdrängen, sodass gar ein sublimes Lächeln sich den Weg auf seine schmalen, von Pausbacken limitierten Lippen bahnte.
    "Mutter wird dir das alles aber zweifellos berichtet haben."
    Der Gedanke an Mutter, welche sein letzter Brief, wie sich hatte erwiesen, niemals würde erreichen, trübte den Blick des Jünglings aufs Neue.
    "Nach dem Kriege kehrte ich hierher zurück und ebenso erschienen Scato und Iullus, zu welchen ich eine überaus cordiale Relation unterhalte, sowie Tante Domitilla, die während des Krieges von Hirten in den Alpes war verborgen wurden! Wie Romulus und Remus selbst!"
    Geradezu konvulsiv klammerte Manius Minor sich an jedwede heitere Episode, nötigte sich gar ein exageriertes, zweifelsohne dümmlich und aufgesetzt erscheinendes Grinsen ab, um in Autosuggestion die Tragik des Unerwähnten zu übertünchen.
    "Nach meiner Rückkehr legte ich die Bulla ab. Trotz meiner damaligen Jugend."
    Neuerlich ein eher unerfreulicher Umstand, da der damalige Knabe doch sich in keinster Weise hatte präpariert gefühlt die Bürde der Adoleszenz zu tragen, zumal sein Argwohn gegen die Intentionen Gracchus Maiors, durch die Ledigsprechung der Verantwortung für ihn ledig zu werden, sich ob der weiteren Distanz zu verifizieren schienen.
    "Seither frequentiere ich gemeinsam mit Iullus und Atilianus den Rhetor und präpariere mich für meine Zukunft."


    Sim-Off:

    Da deine Ankunft bereits geraume Zeit zurückliegt, werde ich vom Status vor dem endgültigen Zerwürfnis mit Gracchus Maior und vor der Ankunft Dexters ausgehen.

    Sogleich folgte der Jüngling seiner Schwester hinaus in die Garten, der, obschon der Frühling noch kaum seinen Einzug hatte gehalten, sorgsam gepflegt und delektierlich für einige Zeit der Muse gerichtet war. An der Seite Flammas setzte Manius Minor somit einen Fuß hinter den anderen über den präzise gerechten Schotter hinüber zu jenem Baume, auf welchem er einst den Gefährten seiner Kindertage Diarmuid hatte angetroffen.
    Einen Augenschlag sinnierend, auf welche Weise das Zwiegespräch mit seiner nymphengleichen Schwester am trefflichsten zu gestalten sei, begann er endlich mit dem Obligaten, das zu disputieren gleichsam jedem Quiriten am Herzen lag.
    "Wie geht es der Familia in Baiae?"
    Seit mehr denn einem Dezennium hatte der junge Flavius seinen Onkel Aristides nicht mehr getroffen, nachdem jener sich ins ferne Baiae, dieser hingegen zuletzt beständig sich in Roma, dann gar in nördlicheren Gefilden sich hatte aufgehalten. Dennoch inspirierte jener Recke des parthischen Krieges, der Held von Circesium, den Jüngling mehr denn je, seit er im cremonischen Exile ein Faible für das Kriegshandwerk hatte entwickelt, weshalb er gar erwog, beizeiten den retirierten Veteranen in seiner Wahlheimatstadt zu visitieren.

    Selbstredend war auch Manius Minor, der nur einige Lenze weniger zählte denn Dexter, dessen Ankunft in Rom nicht entgangen, obschon sich zu keiner Zeit die Opportunität eines längeren Zwiegesprächs hatte ergeben, da der jüngere Gracchus nunmehr, da die Pforten Roms wieder offen standen, zur Gänze mit dem hastigen Abschluss seiner rhetorischen Studien bei Quinctius Rhetor war okkupiert, während zugleich die Präparationen seiner baldigen Abreise waren zu bewerkstelligen. Somit kalmierte es den Jüngling in nicht geringem Maße, endlich einen Abend der Muse im Kreise seiner Lieben, lediglich in bescheidenem Maße gemindert durch die Präsenz seines Erzeugers, zu genießen, ehe er all dem den Rücken zu kehren hatte, um sich just jener Destination zuzuwenden, welche der neue Familiare bisherig seine Heimat hatte genannt.


    Dies war auch das vornehmliche Objekt des gracchischen Vorwitzes, welches den Jüngling motivierte, ein wenig verfrüht das Chrysotriclinium aufzusuchen, angetan mit einer grünen Synthesis zu Ehren der Ceres und eskortiert von seinem geliebten Patrokolos, der ebenso wie sein Herr bis zum blonden Schopf in den Reisevorbereitungen steckte.
    "Salve, Dexter!"
    , salutierte der junge Flavius seinen Familiaren nach Betreten des Raumes, während er jenen gewohnten Platz anvisierte, auf welchem er trotz seines Zerwürfnisses mit dem Vater als Erbe des Hausherrn zu dinieren pflegte, aus der Ferne des Raumes ob einer Similität der Haltung schlagartig gewahrend, dass der Jüngling auf der Kline ja ebenfalls zu den Milonen zu zählen war, womit die Frage sich stellte, ob er eher dem Modell des jüngeren Iullus oder doch dem Vorbilde Scatos nacheiferte, da die inzwischen wohlbekannten Retraits in die Bibliotheca des Hauses in beide Richtungen waren zu interpretieren.