Mons capitolinum (capitolum) - Templum Claudii

  • Menecrates suchte jeden Morgen das Gespräch mit den Penaten, bat um Schutz für seine Familie und die Verwandten. Er rief seine direkten Laren an, um deren Wohlwollen zu sichern, ließ ihnen Gaben am Hausaltar bereitstellen und versorgte auch selbst die Hausgeister und Ahnen. Heute jedoch reichte ihm dieser tägliche Gang nicht aus. Immer wenn größere Ereignisse bevorstanden, wenn er besonderen Rat suchte oder des besonderen Schutzes bedurfte, zog es ihn zum claudischen Tempel. Hier konnte er den Göttern noch näher sein als in der heimischen Villa - hier auf der höchsten Erhebung Roms, dem Himmel und den Göttern nah wie sonst nirgendwo.


    Er schwieg während dem Fußmarsch, aber nicht, weil er bedrückt war, sondern weil er sich auf das Zwiegespräch mit den Göttern und Ahnen vorbereitete. Er war zuversichtlich, mit der Opferung und Huldigung Unheil von der Familie fernhalten zu können. Gleichzeitig nahm er jedoch die Androhungen seiner Gattin ernst, dafür kannte er sie inzwischen gut genug. Er dachte, besser vorsorgen als später das Nachsehen haben, dabei streifte sein Blick diejenigen, die ihn zu diesem Gang begleiteten. Den Familienmitgliedern folgten Sklaven und Klienten, die für den Transport der Opfergaben zuständig waren.
    Menecrates hatte vorgesorgt und keine Mittel gescheut, selbst einen neuen Weihestein hatte er bei einem renommierten Steinmetz in Auftrag gegeben. Die Lieferung würde allerdings erst später erfolgen.


    Der Blick auf die Tempelanlage lag frei, als die Gruppe um eine Mauer bog.

  • Nur widerwillig war Lucius den Anordnungen des Vaters gefolgt. So recht wusste er noch immer nicht, warum er hier stand. Es ging zweifelsohne um den letzten Streit mit Mutter, aber das gleich so auszutreten war ihm ein wenig zu übertrieben. Zudem verpasste er dadurch auch noch das obligatorische Ringen mit Afranius von den patrizischen Iuniern. Diese Ringkämpfe waren schon ein fest stehendes Ritual, welches die beiden Jünglinge schon seit Jahren vollzogen. Sich zu messen gefiel Lucius Claudius Brutus mehr als den Göttern zu huldigen. Wie es endete, sah man an seiner abgebrochenen Priesterausbildung. Abgebrochen nicht gerade, schließlich war er Sacerdos Publicus, aber doch nicht lang anhaltend.
    So folgte er stillschweigend seinem Vater, dem zuliebe er dies tat und hatte seinen Mantel um die Schultern gehängt. Es war doch küh so früh am Morgen, der Tau tat sein Übliches, um der Witterung noch einen Schlag Kälte zu verpassen.


    Er würde höllisch aufpassen müssen, ob nicht dieses kleine Ding von Halbschwester, welche er hatte, einen Fluch auf seine Mutter aussprechen wollte. Das musste verhindert werden, wie auch direkte Stoßgebete gegen die eigene Mutter. Dafür war er heute auch da - so etwas konnte ein Sohn nicht zulassen.

  • Es war noch früh am Morgen, als sich die Familie mitsamt Sklaven und Klienten die am Ende des Trosses die Opfergaben mittrugen.
    Für Lepidus war es eine Selbstverständlichkeit diesem Ritual im claudischen Tempel beizuwohnen.


    Still und jeder für sich gedanklich schon bei den Göttern schweifend während des gesamten Fußmarsches erreichten wir die Tempelanlage und bogen um die Mauer.
    Lepidus hatte sich einen Mantel gegen die morgendliche Kühle umgehangen. Dann stand der Tross schließlich vor dem Tempel und Menecrates blickte wortlos auf seine Begleiter. Lepidus blickte kurz auf, ließ sein Antlitz aber sogleich wieder gen Boden senken.

  • Romana hatte es nicht allzu schwer gehabt, vom Atrium Vestae Ausgang zu erhalten. Schließlich würde sie einem Opfer beiwohnen. Und das war eine weiche Stelle der Pomponierin, wie es schien.


    So hatte sie sich eingefunden, um mit dem Zug der Claudier mitzuziehen. Bei der Villa Claudia hatte die Prozession, welche unweigerlich mit einem solch großen Opfer verbunden war, angefangen, und nun bewegte sie sich unaufhörlich zum claudischen Tempel hin. Da sich niemand bemüssigt gefühlt hatte, irgend etwas zu sagen, hatte Romana das auch nicht gemacht. Einige Klienten hatten sich eingefunden. Ein paar ihres Vaters kannte sie, es waren einige nette Leute darunter. Auch ein paar der Klienten ihres Bruders waren ihr ein Begriff. Von ihnen gab es keinen, den sie mochte. Sie waren Schleimer und Schlappschwänze und als solche ärger als ihr Bruder, den sie keines Blickes würdigte. Lepidus war auch da. Sie lächelte ihn kurz an. Gut, dass er sich eingefunden hatte. Es wäre nicht seine Pflicht gewesen.


    Der Zug schleppte sich bis zum Tempel weiter. Dort, endlich kamen alle zum Stehen. Romana blickte zu ihrem Vater hin. Was würde er nun tun?

  • Im Gegensatz zu seiner nichtsnutzigen Schwester war Lucius schon einst ausgebildeter Priester gewesen und befand sich nun in seinem Metier.
    Abschätzig musterte er sie, die zur Linken seines Vaters ging. Er, der Sohn, beanspruchte natürlich den wichtigeren Platz, die rechte Flanke des Vaters.
    Ja, sie würde sich noch wundern in welch einem Schatten sie einst stehen würde.
    Und irgendwann riefen die Götter auch den Vater zu sich und sein erster Schritt wäre es, dieses schlaksige Ding an den Erstbesten zu verhökern, der ihm auch nur irgend einen Nutzen brachte. Sie an einen Plebejer verheiraten, dieser Gedanke gefiel ihm gut, ging aber dann doch wohl zu weit, schließlich würde er dann auch sein eigen Blut besudeln.


    In Gedanken versunken, welcher der hässlichen, alten Patrizier, eine Verbindung mit ihr eingehen würde, schritt er nebenher. War doch ein wenig kalt heute.

  • Claudius blieb stehen und atmete einmal durch, bevor er einleitende Worte an seine Begleiter richtete.


    "Wir wollen heute den Geistern und Göttern mit Räucherstoffen, Früchten, Wein und abschließend einem Widder ein großes Opfer bringen, um ihr Wohlwollen für unsere Familie und uns selbst zu erbitten. Ich hoffe, sie nehmen unsere Opfer an und werden uns ihren Schutz angedeihen lassen. Wir alle haben uns gründlich auf diesen Augenblick vorbereitet. Wir tragen schneeweiße Togen und Tunika." Claudius blickte zu seiner Tochter, dann fuhr er weiter fort. "Jeder hat dazu beigetragen, Opfergaben mit Bedacht auszuwählen und ihren sorgfältigen Transport zu unserem Familientempel zu gewährleisten. Jeder von uns ist bereits mit seinen Gedanken im Tempel, knüpft erste gedankliche Verbindungen zu den Manen, den Laren oder einem Gott. Ich spüre die feierliche Stimmung und wenn ihr sie auch spürt, dann sicher auch unsere Ahnen, Hausgeister und Götter."


    Menecrates schaute in die Runde, bevor er zu einer Gruppe von Klienten blickte.
    "Maximus, stelle du, wenn wir den Tempel betreten, zunächst einmal fünf Opferschalen auf. Drei große nah dem Altar jeweils für die Genii, die Laren und die Manen. Zwei kleinere dahinter für Ianus und Iuppiter, die unsere Zeugen bei der Opferung sind und darüber hinaus auch Empfänger unserer Bitten und Opfergaben."


    "Favete linguis." Er bat die Anwesenden dabei um Ruhe, obwohl es nicht nötig gewesen wäre. Dann schritt er auf dieTempelanlage zu und betrat den Tempel. Ehrfürchtig zog er einen Zipfel seiner Toga über den Kopf. Niemand durfte barhäuptig den Göttern und Geistern gegenübertreten.

  • Als der Tross schließlich zum stehen kam, richtete Menecrates einige Worte an alle, die an der Prozession heute teilhaben werden. Er gab einen groben Überblick über die darzubringenden Opfer und den Göttern, welchen heute gehuldigt werden sollten.
    Lepidus hielt sich erst einmal ruhig im Hintergrund und kontrollierte mittels Blickkontakt seine Sklaven, welche ein paar Körbe und Schalen mit Opfergaben bereithielten.
    Ein kurzer Blickkontakt zu Romana, wurde Lepidus mit einem Lächeln beantwortet.
    Nun sollte es losgehen. Ein Klient von Menecrates stellte die Opferschalen auf und Menecrates betrat als erstes den Tempel mit bedecktem Haupt.

  • Andächtig hörte sie der Rede ihre Vaters zu, und lächelte ihm liebevoll zu, als er sie kurz anblickte. Es war eine gute Rede, dachte sie. Eine überzeugende Rede. Sie blickte kurz hinüber zu diversen Klienten, welche die einen oder anderen Sachen vorbereiteten, und dann empor in den Himmel, wo der Himmel sich strahlend blau weit erstreckte. Es war ein schöner Tag, ein guter Tag zum Opfern. Sie hatte auch registriert, dass ihr Vetter ihr Lächeln bemerkt hatte. Schön, dass er noch da war, der Familienzusammenhalt.


    Und deshalb sah sie auch den einen nicht an, den sie als größte Gefahr für jenen erachtete. Hätte sie gewusst, dass ihr Bruder plante, sie zu verheiraten, hätte sie aufgelacht. Er wusste wohl nicht, dass sie sich als Vestalin ihr ganzes Leben lang der Jungfräulichkeit verpflichtet hatte, tja, so leicht zieht das Leben an einem vorbei – selbst wenn man (gescheiterter) Priester war. Dereinst, wenn ihre Ausbildung abgeschlossen war, könnte er ihr auch nicht mehr vorhalten, dass seine Ausbildung zu Ende war.


    In diesem Augenblick befahl ihr vater allen, die Zunge zu hüten, was eher ein Ritual als eine wirkliche Aufforderung war. So verfolgten ihre Blicke ihren Vetter, als jener den Tempel betrat, während sie sich den Schleier ganz und gar über den Kopf schlug.

  • Menecrates hielt ehrfurchtsvoll inne, atmete einmal durch, dann schritt er auf den Altar zu. Er wies ausgewählte Klienten mit einem Kopfnicken an, die Kohlebecken für die Opferschalen heranzuschaffen und die Kohle anzuzünden, bevor Maximus die Schalen auflegte. Nichts geschah in Hektik, es herrschte eine andächtige Stille.


    Nachdem das Feuer die Schalen ausreichend erhitzt hatte, wurde Menecrates der Weihrauch gereicht, den er sogleich auf den foculus für Ianus gab. Durch die Hitze entwickelten sich rasch Rauchfetzen, die Richtung Decke schwebten. Menecrates beobachtete den Aufstieg des gräulichen Dunstes, er betrachtete das Voropfer für sich selbst - über seine eigentliche Bedeutung hinaus - auch als Reinigung. Als ehemaliger Offizier hatte er häufig in Essenzen der Weihrauchpflanze gebadet und jeweils ein Gefühl der Frische und Reinheit empfunden. Freilich reichte diese Reinigung nicht, um das blutige Opfer darzubringen, aber mit Rauch und Wasser gereinigt, trat er den Göttern und Geistern mit noch besserem Gewissen gegenüber.


    Würziger Duft breitete sich in der Tempelanlage aus, der alle Anwesenden erreichte. Schließlich hob Menecrates die Hände.


    "Vater Ianus, durch das Opfern des Weihrauches bete ich ein gutes Gebet, damit du mir und meinen Kindern, dem Haus und der Familie günstig gestimmt bist. Ich möchte dich außerdem als Zeuge anrufen. Weile meinem Opfer und dem meiner Familie bei, wenn wir die Genii, die Laren und die Manen um ihre Unterstützung, ihr Wohlwollen und ihren Schutz bitten. Weile unserem Rufen bei, wenn wir auch Iuppiter günstig stimmen wollen."


    Wieder rieselte Weihrauch in die Opferschale und wieder stieg würziger Duft auf. Menecrates trat einen Schritt zurück und verfolgte sodann die Opferungen seiner Familienangehörigen. Als Brutus nach vorne trat, murmelte Menecrates Gebetsformeln, denn er erhoffte sich, damit die Entwicklung seines Sohnes unterstützen und gleichzeitig die befürchtete Umsetzung der Androhungen von dessen Mutter, seiner eigenen Frau, von der Gens abwenden zu können.

  • Nachdem Menecrates einige Worte an die Familie gerichtet hatte, ging er zum Altar. Romana schien bemerkt zu haben, das Lepidus seinen Blickkontakt erwiderte.
    In Ruhe und Besonnenheit war alles vorbereitet worden. Keine Hektik erfüllte den Raum und so trat Lepidus nach Menecrates an den Altar heran.
    Das Haupt hatte er verhüllt, so wie man den Göttern gegenüber trat.
    Auch ihm wurde die Schale mit dem Weihrauch gereicht, wo er sich etwas davon nahm.
    Der Weihrauch fand aus Lepidus´ Händen seinen Weg auf den foculus für Iuppiter. Lepidus blickte andächtig dem Rauch hinterher und erhob seine Hände.


    "Iuppiter, durch das Opfern des Weihrauches bete ich ein gutes Gebet, damit du dem Haus und der Familie günstig gestimmt bist. Das alles Unheil von der Familie abgwendet wird."
    Die Hände glitten wieder hinab auf den Altar. Lepidus griff erneut zu dem Weihrauch und abermals fand der Weihrauch den Weg zu foculus.
    Lepidus verharrte noch einen Augenblick, ehe er zurücktrat und für die anderen Familienmitglieder Platz zu machen.

  • Nachdem nun ihr Vetter sein Gebet gebetet hatte, trat Romana vor. Es bereitete ihr eine gewisse Genugtuung, dass sie am selben Altar opfern würde wie ihr Vater. Brutus würde nämlich die Ehre haben, das letzte Voropfer anzubieten. Wein für Ianus. Sie opferte dieses Mal nichts vor dem Gebet. Beim Weihrauch war es so gewesen, dass dies nötig gewesen war, um die Aufmerksamkeit der Götter per se an sich zu ziehen, doch diese hatten sie nun, denn ihr Vater und Lepidus hatten bisher untadelig geopfert. Das rechte handeln konnte man ihnen ansehen, und das rechte Denken konnte sie ebenfalls annehmen.
    Daran ließ es Romana nun nicht mangeln, als sie in den Weihrauchdampf am Altar hineintrat, mit einem Krug Wein in ihren beiden Händen. Sie stellte den Krug vor sich ab, direkt vorm foculus, breitete dann ihre Hände aus, mit den Handflächen nach oben, blickte gen Decke, holte tief Luft und begann das ihr zugedachte Gebet auszusprechen.
    "Vater Ianus, wie mein Vater durch das Opfern des Weihrauches ein gutes Gebet gebetet hat, möge dir von meiner Seite für dieselbe ehrsame Sache dieses Trankopfer angeboten werden."
    Eine Drehung nach rechts, und das Gebet war beendet. Noch aus der selben fließenden Bewegung heraus ergriff sie den Weinkrug, ohne Hast walten zu lassen, wandte sich wieder zum foculus hin, erhob den Krug und leerte ihn langsam und bedächtig in den foculus. Es zischte, als im heißen foculus der Wein binnen Sekunden verdampfte, und der Dampf gen Himmel aufstieg, gleichsam wie der Weihrauch, zum Ruhme des Iuppiter. Sie dachte sich kurz, ihre Finger wollte sie nicht zu diesem foculus hinbringen, als der Krug leer war. Ein ehrfurchtsvoller Blick wurde noch einmal nach oben gesandt, bevor sie langsam zurückschritt.

  • Nachdem Brutus das letzte Voropfer - ein Weinopfer - vorgenommen hatte, gebührte die Aufmerksamkeit nun den Manen, Genii und Laren. Die Genii würden Wein erhalten, die Laren Blumen und die mitgebrachte Milch war für die Manen bestimmt. Seine Angehörigen würden diesen Teil des Opfergangs vornehmen, aber Menecrates wollte auch diesen Teil des Opfergangs einleiten, also zog er die Opferung an Iuppiter Dapalis vor - dem Iuppiter, der fürs Heim zuständig ist.
    Er tauchte seine Hände in die bereitstehende Wasserschale ein und sprach:
    "Möge dieses Wasser alle Unreinheit von meinem Körper waschen wie das Verwandeln von Blei in Gold. Reinige den Verstand. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es."


    Dann trat er an den Altar heran, berührte ihn und hob anschließend die Hände gen Decke.
    "Iuppiter, sei geehrt durch diesen Weihrauch, sei geehrt durch diesen Wein."


    Es nahm von dem Weihrauch und gab ihn in die Opferschale. Den gereichten Wein ließ er ohne Hast, aber mit Bestimmtheit dazulaufen. Rauch stieg auf und Menecrates beobachtete die Entwicklung der Rauchsäule, bevor er das Gebet aufsagte:


    "Iuppiter, sei geehrt durch diesen Weihrauch, sei geehrt durch diesen Wein." Er verweilte noch einen Augenblick, dann trat er zur Seite, um seinen Kindern oder seinem Neffen Platz zu machen.

  • Es waren die Manen, denen Romana opfern sollte. Ein Sklave trug neben ihr eine Patera her, die fast bis zum Rand voll war mit Milch. Dieses Opfer würde den Manen wohl gefallen, dachte sich Romana, als sie ihre Waschung vollzog. Sie tauchte ihre Hände, nachdem ihr Vater den ihm zugedachten Teil vollzogen hatte, ins Becken ein, und sprach den selben Spruch wie ihr Vater. „Möge dieses Wasser alle Unreinheit von meinem Körper waschen wie das Verwandeln von Blei in Gold. Reinige den Verstand. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es.” Ihre Stimme, nicht allzu laut, aber hörbar, durchdrang den Tempel. Sie zog ihre Hände wieder heraus und legte sie, die noch tropften, auf den Altar. Sie wartete, bis das Nass ein wenig verronnen war, dann streckte sie ihre Hände in die Höhe. Kerzengerade stand sie, was die große Claudia noch titanischer erschienen ließ.


    „Manen der gens Claudia! Wenn es recht ist, im Tempel meiner Familie für dieses Fest zu opfern, um dieser Sache willen möget ihr geehrt werden durch dieses Festopfer!“


    Ihr wurde vom Sklaven die Patera gereicht. Vorsichtig schüttete sie den Inhalt in den Foculus hinein. Dabei rezitierte sie: „Manen, möget ihr durch dieses Festopfer geehrt werden!“ Sie richtete die Patera wieder waagrecht hin, als die Milch vergossen war, ließ sie sich vom Sklaven abnehmen, und machte dann eine abrupte Drehung nach rechts, bevor sie abging.


    Die Manen waren nun befriedigt – nun mussten die Laren und die Genii gesättigt werden!

  • Der III. Conventus Societatis war der reinste Alptraum gewesen für Dives, der in krankheitsbedingter Abwesenheit seines Cousins, Senator Iulius Centho, als Organisator und Ausrichter fungiert hatte. Nicht, dass es schlimm war, dass einige Sodales zu spät erschienen waren - nein, dafür hatte er mit entsprechenden Schreibern gesorgt, die die Neuankömmlinge sogleich über die wichtigsten Geschehnisse in Kenntnis gesetzt hatten. Auch was die Erfrischungen anbelangte, hatte er genügend Wasser und Wein ordern lassen, sodass am Ende gar noch etwas übrig geblieben war. Ja, an diese offensichtlichen Dinge hatte Dives gedacht, doch die weniger offensichtlichen Dinge hatte er dabei aus den Augen verloren: Der Abstimmungsmechanismus bei der Magister-Frage hatte den Conventus gesprengt! Erst gab es einen, nach einer Weile zwei, dann drei und letztlich wieder nur noch zwei Kandidaten auf diese ehrevolle Position. Das wurde werder dem Amt gerecht, noch dem Rahmen eines Conventus und zu guter Letzt gab es dadurch auch nur ein äußerst mäßiges Vorankommen, was Kandidatur-Reden, Nachfragen und Ergänzungen betraf. Alles in allem also ein völliges Fiasko!


    So kam es dann auch, dass die Magister-Frage vertagt und der III. Conventus Societatis für vorerst beendet erklärt wurde. Die Sodales verließen das Domus Societatis und Dives war allein (die paar Sklaven zählte er nicht). Die geplante feierliche Prozession aller Sodales vom Hauptsitz der Societas Claudiana et Iuliana zum Templum Divi Claudii würde es nicht geben - ebensowenig wie ein großes, pompöses Opfer der gesamten Societas anlässlich des 117. Jahrestages der Geburt des Divus Claudius, dem ersten Augustus aus der Gens der Claudier. Zuvor waren natürlich bereits Tiberius und dessen Nachfolger ursprünglich aus der claudischen Gens stammende Augusti, doch durch die Adoptionspolitik des erhabenen ersten Augustus wurden jene noch vor Regierungsantritt rein rechtlich eben zu Iuliern.
    Aber darüber dachte Dives nicht nach, als er begleitet nur von ein paar als Opferhelfer gedachten Sklaven zum Templum des Divus Claudius geleitet wurde. Vielmehr beschäftigte ihn, ob der so strahelnd weiße Stier, der als Opfertier ausgesucht worden war, zusammen mit den zur Aufsicht über das Tier befohlenen Sklaven noch vor Ort sein würde. Um den Stier ruhig zu halten würden schließlich einige Mengen Rauschmittel benötigt worden sein...


    Dann endlich kam der Tempel in Sichtweite und bereits aus der Entfernung konnte Dives mit Erleichterung feststellen, dass das Opfertier noch immer ruhig vor dem Tempel stand, wo es festgemacht war. Folglich kein Grund zur Aufregung. Das Opfer könnte - wennauch in anderem Rahmen - dennoch erbracht werden. So erklomm Dives dann die einzelnen Stufen des Tempels und reinigte sich beim Eintritt ins Tempelinnere symbolisch, indem er seine Hände in einer Schale voll Wasser wusch und dabei sprach:
    "Möge dieses Wasser alle Unreinheit von meinem Körper waschen wie das Verwandeln von Blei in Gold. Reinige den Verstand. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es."


    Dann bedeckte er sein Haupt mit einem Teil seiner toga und trat ehrfürchtig an den Opferaltar. Er ließ sich den Weihrauch lautlos in einer acerra reichen und nachdem er ihn in die entsprechende Feuerstele getreut hatte, bereitete sich binnen kurzer Zeit der Wohlgeruch im ganzen Tempelinneren aus. Dives rief mit nach oben zeigenden Handflächen den Gott Ianus an, wie es zu Beginn eines Opfers Ritus war, um die Verbindung von sich zu den Göttern herzustellen.


    "Ianus, Gott des Wandels, der du gleichsam am Anfang und Ende aller Dinge stehst!
    Gott der Götter, der du wachst über die himmlischen Tore! Gott des Übergangs!
    Ich, Marcus Iulius Dives, Sohn des Caius Iulius Constantius, möchte dir diesen Weihrauch zum Geschenk machen!
    Bitte nimm dies Opfer an und lass mich damit ein gutes Gebet sprechen!"


    Abschließend wandte er sich nach rechts, womit dieses Gebet beendet war.
    Nun, da sich der benebelnde Dampf so wunderbar verteilt hatte, war Dives davon überzeugt, dass Ianus das Weihrauch-Opfer angenommen hatte und eine Verbindung zum Divus Claudius herstellen würde. Somit konnte jetzt das eigentliche Voropfer folgen. Dives lies sich die sorgfältig präparierten Opfergaben reichen, was abermals geräuschlos von Statten ging. Dann nahm Dives die Gaben und streckte sie einzeln dem Gott entgegen, sodass jener auch genau sehen konnte, was geopfert werden sollte.
    Anschließend legte er die Gaben am Altar ab: Blumen, Kräuter, Obst und Wein, der in eine entsprechende Öffnung gegossen wurde.


    Nun folgte das erste Gebet zum Divus Claudius. Wieder streckte Dives beide Hände mit nach oben zeigenden Handflächen in die Höhe und sprach:


    "O Divus Claudius, Schutzherr der Res Publica und des Imperium Romanum und aller Imperatores Caesares Augusti!
    Als Du noch auf Erden wandeltest, hast Du die Res Publica gut geführt, die Grenzen des Imperiums bis nach Britannia ausgeweitet und die Romanisierung im Reich vorangetrieben! Auch vom Himmel herab schenkst Du unserem Staat Huld und Segen und mehrst unsere Macht!
    Ich, Marcus Iulius Dives, Sohn des Caius Iulius Constantius, Sodalis der Societas Claudiana et Iuliana, möchte dir dafür im Namen der gesamten Societas Claudiana et Iuliana danken!
    Ich bitte dich, nimm diese ausgesuchten Opfergaben als Zeichen unseres Dankes an!"


    Um dieses Dankesgebet an den Divus Claudius zu beenden, wandte Dives sich nun traditionsgemäß zur rechten Seite um und noch immer war der Ort erfüllt von anmutiger Ruhe und ehrfürchtiger Stille, was durch nichts und niemanden gestört wurde.
    So ging Dives mit einem zufriedenen Gesicht nach diesem Voropfer wieder nach draußen, auf dass das Hauptopfer - anders ausgedrückt: der blutige Teil des Opfers - folgen mochte. Die Aufforderung 'Favete linguis!' konnte er sich dabei sparen, da hier nicht ansatzweise Betrieb war und folglich auch ohne diese Worte beinahe Stille herrschte. Erneut wurde Divse eine Schüssel Wasser gereicht, in welcher er seine Hände zur symbolischen Reinigung zu waschen hatte, bevor er sie mit einem weißen Tuch, dem mallium latum, abtrocknete.
    Dann trat er neben den strahlend weiß gepuderten (auch wenn das Pudern wohl nicht nötig gewesen wäre) mit weißen und roten infulae mit vittae um die Stirn, einer dorsule auf dem Rücken und vergoldeten Hörnern geschmückten Stier, erhob seine Hände mit zum Himmel zeigenden Handflächen und sprach:


    "O Divus Claudius, Schutzherr der Res Publica und des Imperium Romanum und aller Imperatores Caesares Augusti!
    Als Du noch auf Erden wandeltest, hast Du die Res Publica gut geführt, die Grenzen des Imperiums bis nach Britannia ausgeweitet und die Romanisierung im Reich vorangetrieben! Auch vom Himmel herab schenkst Du unserem Staat Huld und Segen und mehrst unsere Macht!
    Ich, Marcus Iulius Dives, Sohn des Caius Iulius Constantius, Sodalis der Societas Claudiana et Iuliana, möchte dir dafür im Namen der gesamten Societas Claudiana et Iuliana nochmals danken!
    Daher möchte ich dir nun diesen mit Argusaugen ausgesuchten schneeweißen Stier zum Geschenk machen!
    Und damit möchte ich dich auch bitten, unserem Staat auch weiterhin Huld und Segen zu schenken und unsere Macht zu mehren!
    Dann gelobe ich im Namen der Societas Claudiana et Iuliana, dass dir noch viele Opfer dargebracht werden und wir weiterhin deinen Namen in Erinnerung halten! Do ut des."


    Mit einer Wendung nach rechts symbolisierte Dives, dass er sein Gebet gesprochen hatte und sogleich wurde damit begonnen, das Opfertier abzuschmücken und mit mola salsa zu bestreichen. Dives bekam seinerseits das Opfermesser gereicht, mit welchem er nun langsam dem Tier scheinbar von Kopf bis Schwanz strich. Bei genauerer Betrachtung würde man sehen, dass er die Klinge knapp über dem weißen Fell hielt. Das schöne Puder sollte ja hierdurch nicht abgestrichen werden.
    Dann übergab Dives das Opfermesser dem cultrarius, woraufhin der victimarius mit dem Hammer in der Hand ihm die Frage der Fragen stellte: "Agone?" - "Age!", antwortete Dives mit fester Stimme.


    ZACK! - ZACK!


    So fand erst der Hammer in perfektem Bogen den Weg auf den Kopf des Ochsen, bevor im Augenblick danach aus einer Halsschlagader zwei halbe wurden. Kraftlos, lautlos und irgendwie ganz unspektakulär sackte das Tier in sich zusammen. Sofort eilten einige Opferdiener herbei, um ein Teil des Blutes in paterae aufzufangen. Dennoch bildete sich innerhalb von nur wenigen Wimpernschlägen eine große Blutlache, die schonmal als gutes Omen gedeutet werden konnte.


    Nachdem das Rind ausgeblutet war, wurde der Bauchraum vorsichtig geöffnet, die Eingeweide entnommen und in einzelne paterae gelegt. Die Eingeweideschau könnte beginnen. Dives war gespannt, ob der Vergötlichte sein Opfer angenommen hatte...



    Ein Aedituus übernahm die Betrachtung der Innereien des Stiers, der zeitgleich weiter zerlegt wurde. Bisher war das Opfer gut verlaufen, doch hatte es auch in den Augen des Gottes gereicht?
    Zunächst untersuchte er das Herz, als wichtigstes Organ: Hier schien alles in Ordnung zu sein! Keine Fehler, Flecken oder sonstige Verunreinigungen waren auszumachen. Es folgten die Leber, die Gallenblase, die Lunge, ... Und so konnte bis zuletzt nur die Reinheit des Tieres festgestellt werden...
    Folglich hatte der Divus Claudius sein Opfer angenommen und er konnte "LITATIO!" ausrufen.


    Auf dem Altar wurden anschließend die wichtigsten Organe, wie Herz, Leber und Lunge des Tieres verbrannt, um sie so zu Divus Claudius zu überführen. Der größte Teil des genießbaren Fleisches jedoch wurde verpackt und auf direktem Weg zum Domus Societatis Claudianae et Iulianae gebracht, wo es in geeigneten Räumlichkeiten zubereitet werden würde und anschließend an als Gabe der Societas an die Bevölkerung verteilt werden würde.


    Dives indes verließ den Opferort und ging in Richtung Casa Iulia. Es war schon spät und morgen würde auch wieder ein langer Tag werden...

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    CIVIS
    DECURIO - OSTIA
    INSTITOR - MARCUS IULIUS LICINUS
    IUS LIBERORUM
    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO VENETA

    Klient - Marcus Vinicius Hungaricus

    Einmal editiert, zuletzt von Marcus Iulius Dives ()

  • Der glückliche Ausgang der Wahl veranlasste Menecrates, ein Dankesopfer außer der Reihe zu erbringen. In Begleitung seiner Familie, etlichen Sklaven als Opferhelfer sowie Klienten näherte er sich der claudischen Tempelanlage. Wieder gab es einen bedeutenden Punkt in seinem Lebenslauf, wieder wollte er seine Dankbarkeit gegenüber den Genii, die Laren und die Manen sowie den Göttern zeigen und sie um ihre Gunst und ihren Schutz für die Zukunft bitten. Dabei ging es ihm nicht ausschließlich um seine Zukunft, sondern um die seiner gesamten Familie. Um den Akt die angemessene Würde entgegenzubringen, trug er eine reinweiße Toga. Jeder der Teilnehmer erschien ebenfalls in weiß. Wie immer verzichtete er auf einen Priester, er fungierte alleine als Opferherr.


    Während ein Teil der Helfer in Menecrates‘ Gefolge die Opfergaben trugen, empfingen andere die Gruppe musizierend. Mit all seinen Sinnen nahm er die Aura dieser heiligen Stätte wahr - bereits von außen und erst recht im Innern des Tempels. Doch bevor er eintrat, schlüpfte er aus den Schuhen und wusch sich am bereitstehenden Waschbecken die Hände.


    "Favete linguis." Alle Gespräche sollten eingestellt werden. Er zog einen Zipfel der Toga über den Kopf, erklomm die wenigen Stufen und trat ein.


    Menecrates bestand darauf, der ersten Reinigung eine zweite folgen zu lassen, der sogar eine dritte folgen würde. Er hielt es schon immer so, im Innern des Tempels nach dem Erhitzen der Schalen noch eine Reinigung mittels Rauch anzuschließen, die ebensogut als Voropfer gelten konnte. Dazu ließ er sich den mitgebrachten Weihrauch reichen, den er auf den Foculus gab. Würziger Rauch entwickelte sich und strebte nach oben. Der Duft hüllte alle Anwesenden ein und steigerte so das Gefühl von Reinheit, um reinen Wesens den Göttern und Geistern gegenüberzutreten.



    Menecrates hob die Hände und wiederholte eine schon oft vorgebrachte Bitte, die er als Einleitung nicht missen wollte.
    "Vater Ianus, durch das Opfern des Weihrauches bete ich ein gutes Gebet, damit du mir und meinen Kindern, dem Haus und der Familie günstig gestimmt bist. Ich möchte dich außerdem als Zeuge anrufen. Weile meinem Opfer und dem meiner Familie bei, wenn wir die Genii, die Laren und die Manen um ihre Unterstützung, ihr Wohlwollen und ihren Schutz bitten. Weile unserem Rufen bei, wenn wir auch Iuppiter günstig stimmen wollen."



    Als Abschluss ließ er erneut Weihrauch in die Opferschale rieseln, bevor er zurücktrat und seinen Begleitern die Möglichkeit einräumte, ihrerseits ein kleines Opfer zu bringen, während sie sich gleichzeitig reinigen konnten. In Gedanken bereitete er sich auf den nächsten Teil des Dankesopfers vor.

  • Natürlich begleitet sie ihren Großvater zu seinem Dankopfer. So wie sie es ihm bei der Ankunft ihrer kleinen Schwester versprochen hatte, war sie bei derartigen anlässen an der Seite ihres Großvater. Und außerdem war heute ein freudiger Tag für die Familie. Der Großvater zeigte der Jugend worauf es im reich ankam und er hatte die Wahl gewonnen. Sassia war unsagbar Stolz auf ihren Großvater, der trotz seines hohen Alters immer noch bereit war alles für das Reich und seine Familie zu tun. Wie viele in seinem Alter hatten sich zurückgezogen... aber er nicht. Er stand immer noch seinen Mann.
    In ein weißes Kleid gehüllt und nachdem sie mit einem Tuch ihre Haare bedeckt hatte, trat Sassia hinter Menecrates in den Tempel hinein.
    So wie er wusch sie sich auch drei mal und wiederholte dabei immer wieder. "Möge dieses Wasser alle Unreinheit von meinem Körper waschen wie das Verwandeln von Blei in Gold. Reinige den Verstand. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es."
    Still war es, als der Großvater seine Bitte vortrug. Als er ihnen nun die Zeit gab ihrerseits eine Bitte vorzutragen tat Sassia genau dieses. Sie trat mit einem Krug Wein nach vorn, stellten diesen vor sich ab. Sie hob die Arme, die Handflächen nach oben gerichtet und sprach mit leiser aber fester Stimme. "Vater Ianus, wie mein Großvater durch das Opfern des Weihrauches ein gutes Gebet gebetet hat, möge dir von meiner Seite für dieselbe ehrsame Sache dieses Trankopfer angeboten werden."
    Mit einer Drehung nach rechts beendete sie das Gebet. Dann wand sie sich in einer langsamen aber fließenden Bewegung dem Wein zu um ihn langsam in die Opferschale tropfen zu lassen. Kleine Rauchschwaden erhoben sich, als der Wein zischen in der Hitze verdampfte. Sassia verfolgte die kleinen Rauchschwaden, die nach oben stiegen und sich dort mit dem Nebel des verbrannten Weihrauchs mischen um dann gemeinsam weiter aufzusteigen. Der Krug war geleert und sie trat zurück.

  • Sie musste sich noch einmal kurz vor dem Aufbruch umziehen, weil das erste weiße Kleid einen Fleck abbekommen hatte. Befleckt durfte sie nicht sein, das wusste sie. Im Grunde wusste sie viel zu viel von dem, was vor ihr lag. Die Opferung von Weihrauch, Wein, Plätzchen und Blumen stellte kein Problem dar, aber sie wusste, dem Ganzen würde noch ein Tieropfer folgen. Artig schritt sie im Gefolge und als der Tempel erreicht war, wusch sie sich wie alle vor ihr.


    Sie hatte bemerkt, dass ihr Onkel draußen nie die Reinheitsverse sprach, aber da Sassia dies machte, schloss sie sich an. Ihr Murmeln konnte kaum jemand verstehen, aber die Götter hörten alles, das wusste sie. Ein letzter Windzug streifte ihre Haare, die sie heute offen trug, dann spürte sie, wie jemand ein Tuch aus feinen Stoff darüber legte.


    Sie trat ein. Irgendwann war auch sie an der Reihe, eine Gabe darzubringen. Sie legte ein paar Körner Getreide und eine Frucht in die Feuerschale, bevor sie sich wie Sassia wegdrehte. Danach stellte sie sich neben ihre Großnichte. Und obwohl sie als Großtante viel älter klang, fühlte sie sich doch unsicher und schob ihre kleine Hand in die von Sassia.

  • Magrus war befohlen worden, als Opferhelfer beim Dankesopfer des Herius Claudius Menecrates zu fungieren. Er erhielt zwar eine kurze Unterweisung, aber so ganz war er sich über seine Rolle nicht im Klaren. Die Familie und etliche Sklaven nahmen teil und Magrus war zutiefst beeindruckt. Etwas derartiges hatte er noch nie gesehen. Die Luft war vom Duft des erlesensten Weihrauches erfüllt und es herrschte eine feierliche und würdevolle Stimmung. Trotz der vielen Eindrücke, die auf ihn einstürmten bemühte er sich, aufmerksam zu sein und keine Fehler zu machen. Das wäre dem Gelingen des Dankesopfers sicher abträglich. Er fühlte auch das erste mal so etwas wie Stolz, diesem Haus dienen zu können.

  • Auch Silana hatte sich dem Familienzug angeschlossen. Warum auch nicht? Zuhause war es langweilig. Zudem war es eine gute Gelegenheit, nachher noch bei einem bekannten Schneider vorbei zu schauen. Jetzt wo Menecrates dabei war, konnte sie vielleicht die besondere Stoffwahl aus Seide abstauben. Ja, Silana musste geschickt planen, da die Beteiligung an der Familienkasse zwar nicht knapp bemessen war aber die Kauflust der jungen Claudia schnell ihr eigenes Budget überstieg. Man konnte halt nie genug wunderbare Kleidung haben. Farben waren doch wichtig? Das weiße undurchsichtige Seidentuch, das silbern strahlte, welches ihr Haupt bedeckte, wehte etwas im Winde aus dem Tempeleingang an ihren Wangen und schlug etwas vor ihren Mund, was Silana mürrisch brummen ließ. Sie hätte doch ein etwas festeres Tuch wählen sollen. Schließlich war man eingetreten und die übliche Prozedur begann. Waschen, noch mehr Waschen und etwas brabbeln. Silana tat alles gewohnt hektischer als die Verwandten und drohte beinahe beim Gebet auszurutschen, da sie nicht ganz die passende Pose fand. Um diesen Fauxpas zu entgehen und auch weil sie die weiteren Formeln im Prozess des Fast-Sturzes übergangen hatte, brabbelte und brummelte sie mit den Worten von Sassia mit. Hoffentlich würde es nicht auffallen. Immerhin war sie Nuschelmeisterin und konnte auch mit kleinlauten Tönen wichtige Worte imitieren. Ärger mit Opa wollte sie nun garnicht, denn er musste ihr gleich noch einen Wunsch erfüllen. Mit achtsamer Handbewegung ließ sie ihre Gabe ins Ritualgefäß fallen, welches im diesigen Feuer brannte.


    Silana dachte bereits an dieses wunderbare Kleidungsstück (welches Menecrates für sie erwerben sollte), als sie neben Sassia trat und bemerkte, dass die kleine Großtante ihre Hand in die Hand der Schwester legte. Silana lächelte wohlmeinend und machte der Kleinen Platz, um sie in die Mitte zu nehmen. Hierbei streckte sie auch ihre Hand aus, um der kleinen Claudia zu zeigen, dass sie von beiden Schwestern schützend begleitet wurde. Sisenna müsste nur noch zugreifen und hätte auch die tollpatschige Silana in ihrer Nähe, damit sie nicht so allein war. Silana achtete auch auf ihre Familie. Immerhin war sie kein Unmensch. Auch wenn ein gewisser Octavius dies sicherlich anders sah.

  • Der nächste Schritt leitete die eigentliche Opferung ein. Nachdem sich Menecrates einmal vor dem Tempel mit Wasser und einmal im Tempel mit Rauch gereinigt hatte, vollzog er die allgemein übliche Händereinigung. Er tauchte die Hände in die bereitstehende Schale und sprach:


    "Möge dieses Wasser alle Unreinheit von meinem Körper waschen wie das Verwandeln von Blei in Gold. Reinige den Verstand. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es."


    Nachdem er sich nun von innen und außen rein fühlte, berührte er den Altar. Anschließend hob er die Hände.
    "Iuppiter, sei geehrt durch diesen Weihrauch, sei geehrt durch diesen Wein."


    In einer ruhigen Geste ließ er die Hände wieder sinken und schaute zu Magrus, weil er weiteren Weihrauch und zusätzlich Wein gereicht bekommen wollte. Jemand hatte Magrus im Vorfeld die Gaben ausgehändigt.
    Als der Sklave ihm die Gaben überreichte, griff Menecrates zuerst zum Weihrauch und ließ diesen in die Opferschale gleiten. Anschließend verlangte er mit einem Blick nach dem Wein. Als das Getränk in die Schale ran, entwickelte sich wieder Rauch, den Menecrates mit seinem Blick verfolgte.



    Er wiederholte: "Iuppiter, sei geehrt durch diesen Weihrauch, sei geehrt durch diesen Wein."


    Wieder wendete er sich ab und trat zur Seite, damit ein anderes Familienmitglied opfern konnte.

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