Beiträge von Iunia Serrana

    "Etwas, das sie gar nichts angeht? Meinst du etwa das mit uns?" fragte Serrana ein wenig irritiert nach. "Ich hab es ausser Calvena und meiner Cousine wirklich niemandem erzählt, das hab ich dir doch schließlich versprochen." Ob Sedulus ihr so wenig vertraute? Dieser Gedanke versetzte Serrana einen überraschend schmerzhaften Stich und sie wandte das Gesicht von ihm ab und schaute beim weiterlaufen angestrengt auf den Weg zu ihren Füßen.
    Trotzdem hörte sie weiterhin aufmerksam zu, denn abgesehen davon, dass sie Sedulus' Antwort interessierte, würde die sie vielleicht auch wieder auf angenehmere Gedanken bringen.


    "Das hört sich wirklich interessant an." sagte sie nachdenklich. "Politik ist eigentlich eine ganz spannende Sache, und Gladiatorenkämpfe und Wagenrennen sicher auch, obwohl beides noch nie gesehen habe. Die Thermen kenne ich natürlich, aber Erfahrungen mit einem Gladius kann ich bislang noch nicht vorweisen. Vermutlich könnte ich auch gar nichts damit anfangen, die Dinger sind doch sicher furchtbar schwer, oder?"


    Bei der Frage nach dem Termin für ihre Abschluss-Prüfung konnte Serrana nur mit den Schultern zucken. " Nun, die in Frage kommenden Pontifices haben ja noch viele andere Dinge zu tun, da muss man wohl ein bisschen flexibel sein. Und ausserdem fehlen noch ein paar Kleinigkeiten bei unserer Ausbildung, und unser Lehrer schläft ja, wie gesagt, ziemlich viel."

    "Oh, das ist schon zwei Jahre her?" fragte Serrana überrascht. "Dann warst du ja so alt wie ich jetzt als du...ähm, als es passiert ist." Ein komischer Gedanke eigentlich, denn im Grunde bedeutete er ja nichts anderes, als dass sie selbst mittlerweile offenbar auch alt genug war um mit einem Mann zu schlafen. Serrana spürte, wie sie bei dieser Überlegung allmählich rote Ohren bekam, und diesmal waren Axillas Schwärmereien von Valas optischen Vorzügen auch nicht wirklich eine Ablenkung.


    "Ja, ähm..., das ist ein sehr nettes Angebot." murmelte sie mit wachsender Verlegenheit. Du meine Güte, sie hörte sich ja an, als würde sie sich für die Einladung ins Theater bedanken...


    "Aber, ...ähm...angenommen, er fragt mich nicht oder vielleicht erst in ein paar Jahren, würdest du...mir...ähm...dann vielleicht trotzdem mal was ....darüber erzählen?" Oh, was war das peinlich! "Denn weißt du, eigentlich kenne ich ausser dir keine, die bereits ...äh, du weißt schon, oder zumindest hat mir keine was davon erzählt. Da müsste ich schon Großmutter fragen....und,...oh ihr Götter, das möchte ich mir lieber gar nicht vorstellen...." Serrana traute sich jetzt nicht mehr, ihrer Cousine in die Augen zu schauen und nestelte nervös an ihrem Armreifen herum. Bislang hatte sie sich mit diesem Thema eigentlich nie beschäftigt, aber so ganz allmählich wurde sie doch ein wenig neugierig.

    "Oja, das tun wir natürlich auch." bestätigte Serrana Sedulus' Vermutung und nickte bekräftigend mit dem Kopf. "Seit den Ludi Romani und dem Fest bei euch daheim haben wir ja jetzt eine Menge gemeinsame Bekannte, und mit denen kann man eine Menge unternehmen. Es ist ein schönes Gefühl, ein paar gute Freundinnen zu haben mit denen man sich gut versteht, und denen man auch mal etwas anvertrauen kann. Was machen Männer eigentlich so, wenn sie ohne Frauen aufeinander treffen oder etwas unternehmen?" fragte sie dann neugierig nach. Das war schließlich eine Welt, von der sie bislang wenig mitbekommen hatte.


    Was war das doch für ein schöner Tag! Doch obwohl die Sonne schien und es links und rechts des Weges durchaus einige Dinge zu bestaunen gab, die Serrana bislang noch nicht zu Gesicht bekommen hatte, bekam sie kaum etwas davon mit denn ihr Gesprächspartner interessierte sie weit mehr.


    "Nun, es gibt noch keinen festen Termin." sagte sie dann und spürte, wie bei diesem Thema wieder die übliche Aufregung über sie kam. "Calvenas und meine Ausbildung ist fast abgeschlossen, jetzt müssen wir nur noch mit einem Pontifex einen Tag ausmachen. Ich bin schon ziemlich gespannt, wer von denen mein Prüfer sein wird."

    Minerva sei Dank hatte Sedulus jetzt doch verstanden, warum es ihr so schwer gefallen war mit Calvena über ihre Gefühle zu ihm zu reden. Serrana seufzte vor Erleichterung leise auf, irgendwie hatte sie bereits Angst gehabt, dieses Missverständnis nicht vernünftig aus der Welt schaffen zu können.


    "Nun, natürlich reden wir schon viel miteinander, schließlich sind wir ja Freundinnen." antwortete sie dann auf seine Frage, womit Calvena und sie sich beschäftigten wenn sie zusammen waren. "aber wir lernen zum Beispiel auch zusammen für unseren Unterricht, oder Calvena spielt mir etwas auf ihrer Lyra vor oder singt. Oder aber wir schauen uns gemeinsam irgendeine Aufführung an oder gehen spazieren. Einkaufen gehen wir natürlich manchmal auch, aber nicht annähernd so oft wie du scheinbar denkst." fügte sie mit einem Seitenblick auf Sedulus hinzu und diesmal konnte sie sich ein kleines Knuffen nicht verkneifen.


    Aber mit der Bemerkung über Calvenas möglich Reaktion hatte er vermutlich recht. "Ja, wahrscheinlich würde sie es mir ein wenig übelnehmen, wenn ich sie so bezeichnen würde." Serrana runzelte nachdenklich die Stirn. "Aber eigentlich bedeutet Matrone ja nur, verheiratet zu sein und vielleicht Kinder zu haben. Und das ist ja nichts schlimmes. Und man wird ja hoffentlich nicht automatisch unattraktiv und langweilig, wenn man verheiratet ist. Bei Calvena kann ich mir das auf jeden Fall nicht vorstellen."

    Inzwischen war eine derartige Sammlung von möglichen Schreckensszenarien vor Serranas innerem Auge vorbeigezogen, dass sie fast schon vor Erleichterung aufatmete, als Axilla zugab dass ihre heimliche Affaire "nur" ein Soldat gewesen war. Und in einem Punkt hatte ihre Cousine Recht: ändern konnte man jetzt ohnehin nichts mehr.


    "Das tut mir wirklich sehr leid." sagte Serrana mitfühlend, und wieder verrauchte ihre Empörung recht schnell angesichts von Axillas offensichtlicher Zerknirschtheit. "Das ist sicher schwer für dich gewesen, wo er dir doch so viel bedeutet hat. Aber dann ist es auch umso besser, dass du jetzt in Rom und nicht länger in Ägypten lebst. Auf die Weise, besteht wenigstens keine Gefahr, dass du ihn nochmal wiedertriffst und du kannst ihn in aller Ruhe vergessen."


    Zu ihrer großen Erleichterung wirkte Axilla allmählich nicht mehr ganz so betrübt, erst sah man ein Schmunzeln auf ihrem Gesicht und dann grinste sie sogar. Serrana lächelte automatisch mit, aber als der Sinn von Axillas Worten dann bei ihr ankam, biss sie sich ein wenig verlegen auf die Unterlippe.


    "Stimmt, in diesem Punkt hast du mir eindeutig etwas voraus. Ich kann mir das bislang, ehrlich gesagt, gar nicht richtig vorstellen."

    Dass sie selbst in Zukunft vielleicht irgendetwas würde beeinflussen können, konnte Serrana sich eigentlich noch nicht so richtig vorstellen, aber die Vorstellung hatte schon was...


    Die Versuchung, ein wenig von ihrem künftigen Dasein als Priesterin zu träumen, aber dann hielt sie sich kurzentschlossen selbst davon ab. Zum einen wollte sie Fortuna nicht versuchen, indem sie über diese Dinge nachdachte, bevor sie ihre Prüfung überhaupt bestanden hatte. Und zum anderen schien Calvena plötzlich von Minute zu Minute nervöser zu werden, und das hatte in jedem Fall Vorrang.


    Serrana nickte, während ihre Freundin die einzelnen Sachen aufzählte und streichelte ihr dann aufmunternd über den Unterarm.


    "Mach dir nicht so viele Sorgen, ich werde dir auf jeden Fall so gut es geht helfen. Ich kenne mich zwar, wie gesagt, nicht besonders gut aus aber ein bisschen Unterstützung schadet ja nie." Im Nachhinein ärgerte Serrana sich nun doch ein bisschen, dass sie Laevina seinerzeit nicht bei deren Planungen über die Schulter geschaut hatte. Dann hätte die unerfreuliche Gnaeus Balbus-Episode wenigstens einen einzigen Vorteil mit sich gebracht! Andererseits...


    "Sag mal,".... begann ein Serrana ein wenig zögerlich, " ich weiß ja nicht, ob das überhaupt für dich in Frage kommen würde, aber vielleicht solltest du meine Großmutter mal um Rat fragen. Natürlich ist sie furchtbar anstrengend, aber mit diesen Dingen kennt sie sich wirklich gut aus. Alles, was sie in den letzten Jahren organisiert hat, hat immer hervorragend geklappt...."

    Kaum hatte Serrana nach Axillas unglaublichem Geständnis ihre Gedanken wieder einigermaßen geordnet, da stürzte sie eine neue Bemerkung direkt in die nächste komplette Verwirrung.


    "Wie jetzt?" Ohne, dass Serrana es merkte, wurde ihre Stimme jetzt wieder etwas schärfer."Er hat dir angeboten dich zu heiraten, und du hast abgelehnt? Ich dachte, du warst in diesen Mann total verliebt!" Sie schüttelte ungläubig den Kopf, hörte jedoch sofort damit auf, als Axilla ihr den Grund für ihre Weigerung nannte.


    "Und was heisst hier 'eine Schande für die Familie'? Für seine oder für unsere? Dass dieser Sittenstrolch sich nach so einem Verhalten noch Gedanken um den Ruf seiner Familie macht, ist ja wohl unfassbar! Der hätte doch wohl froh sein können, dass er dich überhaupt bekommt..."


    Da Serrana gerade so im Schwung war, hätte sie wohl noch eine ganze Weile so weitergewettert, aber Axillas unglücklicher Gesichtsausdruck hielt sie dann doch davon ab und brachte sie auf einen ganz anderen Gedanken. "Oder meinst du etwa für unsere Familie?" fragte sie jetzt etwas behutsamer. "Aber warum sollte eine Liebesheirat eine Schande sein? Es sei denn..." Serranas Gesichtsausdruck nahm wieder an Besorgnis zu,"....es sei denn, dieser Mann war nicht standesgemäß. War er vielleicht zu arm, oder stimmte etwas mit seiner Familie nicht? Oder war er etwa nur ein Peregrinus?" Du liebe Güte, allein die Vorstellung, dass Axilla etwas mit einem Mann angefangen hatte, der nicht mal römischer Bürger war, war ja schon schrecklich...


    Und ob es wirklich nicht so wichtig war, wenn eine Frau bei der Eheschließung keine Jungfrau mehr war? Naja, vermutlich kam es wirklich auf den entsprechenden Ehemann an, und so wie sie Axilla mittlerweile kannte, würde sich ihre Cousine wohl kaum einen sittentstrengen und hochmoralischen Gatten aussuchen...

    "Elissa und Simplex zusammen vor Großmutters Tür? Na, das nenne ich mal eine interessante Kombination." entgegnete Serrana überrascht auf Calvenas Vorschlag und musste ein wenig kichern. "Aber warum nicht, vielleicht verstehen sie sich ja ganz gut, sie sind ja auch beide wirklich nett anzusehen."


    Ob Calvena wohl wirklich der Meinung war, dass sie sich in den letzten Monaten verändert hatte? Ihre Freundin konnte das sicherlich beurteilen, schließlich kannte sie Serrana ja quasi fast seit deren erstem Tag in Rom. Und warum sollte sie sich so etwas ausdenken, zumal sie selbst mittlerweile das Gefühl hatte, nicht mehr ganz so unbeholfen und verschreckt zu sein wie am Anfang.


    "Danke, dass du das sagst." Jetzt war sie fast ein wenig verlegen, aber das Lob freute sie auch ungemein und machte ihr Mut, den eingeschlagenen Weg einfach weiterzugehen. "Und du bist dann Iuno-Priesterin, stell dir nur vor, wir werden dann sogar ein bisschen wichtig sein."


    Beim Thema Hochzeitsplanung kannte sich Serrana nun überhaupt nicht aus, deshalb bot sich jetzt eine gute Gelegenheit mal ein wenig dazuzulernen.


    "Was muss man denn da alles planen? Ich hab ja überhaupt keine Ahnung vom Heiraten. Ziemlich peinlich, wenn man bedenkt, dass ich es fast schon gemusst hätte, aber da hat sich Großmutter mit Feuereifer in die Vorbereitungen gestürzt. Deshalb war sie vermutlich auch doppelt so wütend, als aus der Feier nichts geworden ist..."

    Wirklich fassen konnte Serrana immer noch nicht, was Axílla ihr da gerade offenbart hatte. Ihr selbst war die mehr als strenge Erziehung ihrer Großmutter derart in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie vor allem im Bereich von Sittsamkeit und Moral bislang immer in Schwarz-Weiß-Kategorien gedacht hatte. Ihre momentane Verliebtheit hatte diese Vorstellungen bereits ein wenig ins Wanken gebracht und Axillas Geschichte gab ihnen nun den Rest. Nach allem, was Laevina ihr im Laufe der Jahre eingetrichtert hatte, müsste sie die Handlungsweise ihrer Cousine doch eigentlich rigoros verurteilen, aber irgendwie konnte sie das gar nicht. Nein, Axilla war ein guter Mensch, das spürte Serrana ganz deutlich, und daher konnte sie in ihren Augen auch nicht wirklich etwas Schlimmes oder Verwerfliches tun.


    "Ich verstehe nur nicht, dass du nicht...also, dass du vorher nicht ein bisschen darüber nachgedacht hast." sagte sie dann verzweifelt und sah Axilla fast ein wenig flehend an. Ob es wohl am Wein gelegen hatte? Das war vermutlich die beste Erklärung..."Ich meine was sollen denn die Leute denken, wenn es jemals jemand herausfindet? Oder bist du davon ausgegangen, dass ...dieser Mann dich heiratet, und er hat es einfach nicht getan?" Serrana spürte, wie neue Wut in ihr aufstieg und sie ballte instinktiv die Hände zu Fäusten, als sie an den Unbekannten dachte.


    Dass Duccius Vala sich in dieser Hinsicht offenbar anständiger verhaltenen hatte, beruhigte sie dann wieder ein bisschen, auch wenn ihr die schwärmerischen Worte ihrer Cousine zu denken gaben. "Nein, das weiß ich vermutlich wirklich nicht." sagte sie leise und zu ihrer eigenen Überraschung ein wenig betrübt. Zwar begann auch sie mittlerweile Veränderungen in ihrem Körper und seinen Empfindungen festzustellen, die ihr zumindest eine Ahnung verschafften, wie schön das Zusammensein mit einem Mann sein konnte, aber soweit gingen ihre Erfahrungen dann doch noch nicht. Dass Duccius Vala ein attraktiver Mann war, war ja sogar ihr seinerzeit aufgefallen.


    "Naja, ich weiß nicht, ob er wirklich perfekt ist, dein Vala..."sagte sie dann mit einem schiefen Lächeln und streichelte dabei versöhnlich über Axillas Hand. "Aber er sieht auf jeden Fall gut aus, da gebe ich dir Recht. Und ich hoffe wirklich und wünsche es dir von ganzem Herzen, dass er diese hohe Meinung auch verdient.."

    Das Forum war seinerzeit der erste Ort gewesen, an den es Serrana nach ihrer Ankunft in Rom gezogen hatte, und obwohl sie mittlerweile schon sehr häufig hiergewesen war, genoss sie auch heute wieder die besondere Atmosphäre und das geschäftige Treiben, das es in derartiger Form nirgends sonst in der Stadt gab.


    Eine Weile war sie schon in Begleitung ihrer Leibsklavin Adula über den Platz spaziert, aber dann fiel ihr Blick auf die öffentlichen Aushänge. "Lass uns dort schnell mal noch schauen, vielleicht ist ja etwas wichtiges dabei. Und danach können wir auf den Mercatus gehen, um nach ein paar Bändern und Spangen für meine Haare zu schauen. Ich kann doch nicht ewig mit der selben langweiligen Frisur rumlaufen." Adula war bislang mit der ihr eigenen friedlichen Genügsamkeit neben ihrer kleinen Herrin hergetrabt, aber bei dieser Ankündigung stieß sie doch ein gequältes Stöhnen aus. Serrana warf ihr einen ärgerlichen Blick zu, während sich die beiden Frauen den Bekanntmachungen und den dort stehenden Menschen näherten.
    "Jetzt hör doch endlich mal auf dich so anzustellen. Andere Sklaven lernen schließlich kochen oder singen oder musizieren, da wirst du es doch wohl auch lernen können, mir ein bisschen besser die Haare zu machen.
    Schau dir nur die Dame da vorn an."
    fuhr Serrana dann mit einem sehnsüchtigen und auch ein wenig neidischen Blick auf eine junge dunkelhaarige Frau fort, die ihnen gerade den Rücken zudrehte. "Sowas nenne ich perfekt frisiert..."
    In diesem Moment drehte die junge Dame den Kopf leicht in ihre Richtung, und Serrana erkannte zu ihrer großen Freude Tiberia Septima, mit der sie sich zuletzt bei den Fontinalia recht gut unterhalten hatte.


    "Salve, Septima." begrüßte sie die Tiberia, nachdem sie die letzten Schritte bis zu dieser noch zurückgelegt hatte. "Ich hoffe, ich störe dich nicht..."

    Und dann fiel der Sesterz doch noch...nicht allzu schnell, das nicht,aber er fiel.
    Serrana hörte Axilla noch eine ganze Weile in leicht verwirrter aber dennoch entspannter Ahnungslosigkeit zu, bis sich durch deren Worte das Puzzle schließlich soweit zusammengesetzt hatte, dass selbst sie dessen Inhalt endlich zur Kenntnis nehmen musste.


    "Willst du damit etwa sagen, dass du...ähm...dass ihr....also ich meine, dass ihr DAS getan habt?" stotterte sie mit einem letzten bisschen Hoffnung, Axilla vielleicht doch falsch verstanden zu haben. "Aber dieser...dieser Mann muss doch gewusst haben, dass du als unverheiratete Frau noch nie...ähm, also, du weißt schon. Wie konnte er denn nur?" Serranas ungläubige Fassungslosigkeit wandelte sich immer mehr in Wut auf den unbekannten Verführer. Ihre arme Cousine war zweifellos schamlos getäuscht worden, ja, genauso musste es gewesen sein! "So ein elender, widerlicher, alter Lustmolch!" stieß Serrana zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Wie gut für ihn, dass er in Ägypten ist und ich ihn nicht kenne, sonst würde ich jetzt sofort zu ihm gehen und ihm vor die Füße oder woandershin spucken, das schwöre ich dir!" Mittlerweile hatte sie sich richtig in Rage geredet, aber da der Missetäter ganz offensichtlich in weiter und sicherer Ferne weilte, blieb Serrana nichts anderes übrig, als ein paarmal tief Luft zu holen, und darauf zu warten, dass sich ihre Aufregung allmählich wieder legte. Arme Axilla, was für eine schreckliche Geschichte...


    Diesmal half nicht einmal mehr das Zauberwort "Vala", denn ein bestimmter Satz ihrer Cousine ließ bei Serrana gleich erneut die Alarmsirenen schrillen.


    "Was meinst du mit "es ging ihm nicht schnell genug"? hakte sie äusserst misstrauisch nach. "Hat dieser Kerl etwa auch ...so etwas versucht?"

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    Warum starrte ihn dieser Jungspund denn nur so ungläubig an? Ob er wohl irgendwelche Essensreste im Gesicht hängen hatte? Araros wischte sich automatisch mit einer unbestimmten Geste über Nase, Mund und Wangen und schaute dann seinerseits den Besucher irritiert an, während er Wachstafel und Brief in Empfang nahm. Natürlich wäre der alte Ianitor niemals auf die Idee gekommen, über den Adressaten hinaus etwas vom Inhalt der Wachstafel zu lesen. Aber die Worte des Besuchers versetzten ihn sofort in Alarmbereitschaft.


    "Beileid? Wieso Beileid? Was ist denn geschehen?" fragte er schnell nach und ging in Gedanken blitzschnell den möglichen Verbleib der aktuellen Hausbewohner durch. Irgendwie schien zur Zeit keiner von denen daheim zu sein, und das machte Araros zunehmend nervös.

    Sie und forsch? Das war ja irgendwie schon ein Widerspruch in sich! Nein, Serrana war alles andere als forsch, und wenn die Gefahr bestand, dass sie so schnell missverstanden wurde, dann war es sicher besser gar nicht weiter über dieses Thema nachzudenken...
    Dass Axilla aus ihrer blöden Fragerei keine unangenehmen Rückschlüsse gezogen hatte, freute Serrana sehr und füllte sie mit großer Erleichterung. Und natürlich würde sie ihrerseits auch nie so etwas
    über ihre Cousine denken, wie kam die denn nur auf so eine Idee. Serrana schüttelte sofort den Kopf, stutzte dann aber ein wenig, als Axilla immer noch weiter sprach und runzelte dann irritiert die Stirn.


    "Es war keine Absicht? Was meinst du denn damit?" fragte sie zunehmend verwirrt nach. "Was war keine Absicht?"


    Und siehe da, auch Irritationen der einen oder anderen Art ließen sich mit Duccius Vala bestens umgehen!
    "Ihr habt nicht viel miteinander gesprochen? Naja, manchmal ist da ja auch nicht nötig, da versteht man sich auch ohne viele Worte." Serrana kratzte sich ein wenig verlegen am Arm. Was gab sie denn hier auf einmal für Weisheiten von sich? Als ob ausgerechnet sie eine besondere Ahnung von zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Männern und Frauen hätte!
    Bei Axillas nächster Bemerkung riss sie dann allerdings wieder ungläubig die Augen auf.


    "Er hat dich getragen? Wie ist es denn dazu nur gekommen? Hast du dich irgendwie verletzt?" Serrana ließ sofort einen besorgten Blick über Axilla gleiten. Auf den ersten Blick sah man nichts, aber der Eindruck konnte ja auch trügen...

    Das Alter? Wieso das Alter? Serrana sah Sedulus einen Moment lang verständnislos an dann schüttelte sie vehement den Kopf.


    "Oh nein, mit dem Alter hat das nichts zu tun, das stört mich nicht, im Gegenteil..." sagte sie schnell, um ihn von seiner falschen Fährte wieder abzubringen. "Es ist nur so, dass Calvena dich nur als ihren Onkel kennt und dich deswegen gern hat. Und ich bin nun mal ihre beste Freundin und ich mag dich auch..aber...aber...nun mal nicht als Onkel." Hoffentlich verstand Sedulus, was sie ihm damit sagen wollte. Schließlich änderte es ja nichts an ihren Gefühlen für ihn, dass es ihr ein wenig peinlich gewesen war, Calvena darin einzuweihen.


    Serrana musste schmunzeln als sie hörte, wie er sich ein typisches Treffen unter jungen Mädchen vorstellte. "Nun, wir machen tatsächlich auch noch andere Dinge als reden." entgegnete sie mit einem Lächeln. "Aber es wäre natürlich schön, wenn alles so weitergehen könnte wie bisher, auch wenn Calvena dann eine ehrwürdige Matrone ist." Diese Bezeichnung passte irgendwie so gar nicht zu der temperamentvollen jungen Germanica und Serrana musste unwillkürlich kichern, als sie sich ihre Freundin in langweiligen und biederen Kleidern über ihren Webrahmen gebeugt vorstellte.

    "Eigentlich gehört das Wort "dürfen" gar nicht zu Großmutters Wortschatz." sagte Serrana nachdenklich. "Das Wort "müssen" ist ihr da schon deutlich sympathischer. Aber ohne Grund wird sie dir das nicht gesagt haben. Am besten ich bringe es so schnell wie möglich hinter mich und warte ab, was sie mir zu sagen hat. Sie soll natürlich nicht das Gefühl haben, dass ich Angst vor ihr habe, aber wenn jemand unauffällig in der Nähe bleiben könnte, wäre mir das ganz recht."


    In Calvenas und Valerians Fall hatte die Entscheidung, welche Form der Ehe sie den Vorzug geben würden, wohl noch ein wenig Zeit, trotzdem nickte Serrana als ihre Freundin sagte, sie müsse wohl noch darüber nachdenken.


    "Naja, es ist ja schon eine wichtige Entscheidung, ob man in der eigenen Gens verbleibt oder in die des Ehemannes übergeht." sagte sie dann. "Allein, dass man im Falle einer Ehe cum manu einen anderen Namen bekommt, muss doch schon ganz seltsam sein. Das ist ja fast, als würde man plötzlich eine ganz andere Person. Ich kann mir das irgendwie gar nicht vorstellen..."

    Irgendwie wurde es für Serrana zunehmend schwierig Axillas Ausführungen zu folgen, da diese auf einmal ein wenig stockend sprach, aber nachdem die Botschaft hinter den Worten endlich bei ihr angekommen war, wurde sie schlagartig wieder rot und im höchsten Maße verlegen. "Oh nein, natürlich soll er nicht so etwas von mir denken, was für eine schreckliche Vorstellung." sagte sie entsetzt und sah Axilla mit weitaufgerissenen Augen an. "Meinst du wirklich, dass Männer so schnell eine schlechte Meinung von Frauen bekommen? Das ist ja furchtbar..." Du liebe Güte, hätte sie doch lieber den Mund gehalten. Was sollte ihre Cousine denn nur von ihr denken, schließlich war die doch im Grunde genauso unerfahren wie sie selbst und schon ein paar Minuten zuvor so verlegen gewesen, als Serrana die Frage nach ihren Erfahrungen zurückgegeben hatte. "Du hast natürlich recht." sagte sie dann schnell, in der Hoffnung ein bisschen von dem schlechten Eindruck wieder wettzumachen. "Ich hätte dich sowas lieber nicht fragen sollen, du musst mich ja für furchtbar unanständig halten..."


    Und zum wiederholten Mal während des heutigen Tages war Serrana äusserst froh, dass sie wieder auf Duccius Vala ausweichen konnte.


    "Ja, das kann ich mir vorstellen." sagte sie verständnisvoll, als Axilla darüber sprach, dass sie den jungen Germanen unbedingt wiedersehen wollte. "Was hat er dir denn eigentlich alles so über sich erzählt? Ich hab ja nicht so furchtbar viel mit ihm gesprochen, aber ich weiß noch, dass er Oliven sehr gern mag. Zumindest hat er Unmengen von denen verschlungen, damals bei der Cena... Aber vermutlich hilft dir das auch nicht wirklich weiter."

    "Ja, natürlich weiß ich das." antwortete Serrana, und weil er sie ein wenig ernst anschaute, fühlte sie nun ihrerseits das Bedürfnis Sedulus ein wenig zu knuffen, so wie sie es vor einigen Tagen in der Bilbiotheca bereits getan hatte. Aber da sie sich ja heute in der Öffentlichkeit befanden, verkniff sie es sich schweren Herzens und zwinkerte ihm stattdessen nur zu.


    Als er darüber sprach, dass es immer besser war direkt die Wahrheit zu sagen, nickte Serrana nachdenklich und mit gerunzelter Stirn. Natürlich hatte er in diesem Punkt recht, aber dennoch...


    "Natürlich stimmt es, was du sagst, aber es gibt manchmal einfach Situationen, in denen es viel schwerer ist ehrlich zu sein. Es war einfach alles so furchtbar peinlich, weil...weil du doch Calvenas Onkel bist, und mir sind beim besten Willen nicht die richtigen Worte eingefallen um das alles zu erklären..." Sie sah ein wenig entschudigend zu Sedulus hoch und fuhr dann fort:


    "Ehrlich gesagt möchte ich mir das gar nicht vorstellen. Weißt du, Calvena ist meine beste Freundin, und ich möchte sie beim besten Willen nicht verlieren. Es wird ohnehin schon komisch genug sein, wenn sie demnächst verheiratet ist. Aber ich hoffe doch, dass wir uns dann trotzdem weiterhin sehen werden..."

    Serrana wartete ausgesprochen gespannt auf Axillas Antwort und hing dann überrascht aber auch ein bisschen erleichtert an deren Lippen. Sie sollte einfach nur sie selbst sein, und das reichte dann schon? "Meinst du wirklich? Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es so einfach ist..." Sie sah ihre Cousine einen Moment lang ein wenig zweifelnd an und zupfte dann verlegen an ihrem Kleid herum. "Weißt du, ich hab ja nur gedacht, weil...weil Sedulus ja schon etwas älter ist als ich und viel erfahrener und sicher schon mit ganz vielen Frauen zu tun hatte. Und dass er deshalb vielleicht erwartet, dass ich etwas bestimmtes sage oder mache, ach, ich weiß auch nicht...." Du liebe Güte war das schwer, als sie sich noch nicht für Männer interessiert hatte, war das Leben irgendwie einfacher gewesen, wenn auch zugegebenermaßen nicht halb so spannend. "Dann werde ich einfach mal deinen Rat beherzigen, ich selbst zu sein dürfte mir ja nicht allzu schwer fallen." Serrana schenkte Axilla einen dankbaren Blick und nickte dann nachdenklich, als diese ihren Vater zitierte. "Das hört sich sehr schön an, aber ich glaube, dein Vater hatte recht. Zumindest hoffe ich, dass es so ist. Aber genug von mir, wir müssen ja noch überlegen, wie es mit dir und Vala weitergehen soll." fuhr sie dann mit einem verschwörerischem Grinsen im Gesicht fort. "Angenommen ich erfahre heute, für wen er arbeitet, und wir finden einen Vorwand um dich in die Castra Praetoria schleusen. Was willst du denn dann machen?" Serrana war fast so aufgeregt, als ginge es um ihr eigenes Rendezvous und sie sah Axilla gespannt an.

    "Bei Nacht? Oh....." Serrana war in den letzten Tagen in Liebesdingen ja schon deutlich forscher geworden, aber jetzt wurde sie doch wieder ziemlich rot. Um sich und auch ihn ein wenig davon abzulenken, konzentrierte sie sich schnell auf seine nächste Bemerkung und stemmte in gespielter Empörung die Hände in die Hüften. "Ach ja? Nun, das freut mich für dich. Schließlich will ich dir unsere Bibliotheca ja nicht aufdrängen!" Fast schaffte sie es ernst dabei zu bleiben, aber ein klein wenig zuckten ihre Mundwinkel doch.


    Bei der Erinnerung an den Streit, der beinahe zwischen ihr und ihrer besten Freundin ausgebrochen wäre, wurde Serrana jedoch wirklich wieder ernst. Für einen Moment lang hatte sie wirklich befürchtet, Calvena verloren zu haben, ganz abgesehen davon, dass diese Episode nicht gerade ein tolles Licht auf ihre Redekünste warf...


    "Im Grunde war es nur ein großes Missverständnis. Sie wollte wissen, in wen ich...ähm... verliebt bin und weil ich nicht wusste, wie ich ihr das mit uns erklären sollte, hab ich ein bisschen um den heissen Brei herumgeredet. Aber das hat das Ganze nur noch schlimmer gemacht, denn Calvena hat irgendwann geglaubt, dass ich von Valerian rede. Und dann ist sie ganz furchtbar böse geworden. Im nachhinein kann ich gut verstehen warum, aber gestern hab ich mich im ersten Moment ganz furchtbar erschrocken..."

    Bei dem Gedanken an eine Laevina, die fröhlich durch Rom spazierte während sie selbst in der Campania bei einem verhassten Mann festsaß, ballte Serrana vor Wut die Fäuste, entspannte sich jedoch relativ schnell wieder. "Naja, ist ja auch egal, jetzt sind wir beide hier und so wie es aussieht, fühlen wir uns auch beide ganz wohl." Calvenas nächste Worte überraschten sie dann aber doch sehr. "Großmutter will mich sehen? Das kann ich mir kaum vorstellen..." murmelte sie ungläubig. "Und sie soll plötzlich stolz auf mich sein? Dann müsste sie sich aber sehr verändert haben." Serrana fielen auf Anhieb dutzende Menschen ein, die sie lieber treffen würde als ihre Großmutter, aber dann schüttelte sie diesen Unmut so gut es ging ab und nickte. "Gut, wenn sie mich wirklich sehen will, dann werde ich sie besuchen. Ich bin zwar nicht sicher, ob das wirklich so eine gute Idee ist, aber ich kann ihr ja nicht immer aus dem Weg gehen und irgendwie will ich es auch nicht mehr..."


    Calvena wirkte immer noch noch ein wenig besorgt, und die Iunia überlegte, wie sie ihrer Freundin am besten helfen konnte. Leider waren ihre eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet ja alles andere als beeindruckend, aber Calvena sollte zumindest spüren, dass sie jederzeit auf sie und ihre Unterstützung und Hilfe zählen konnte.


    "Meinst du wirklich?" fragte sie auf die Bemerkung ihrer Freundin hin. "Wenn sie sich wirklich nicht so viele Gedanken machen, dann ist das Leben für Männer wohl noch leichter, als ich ohnehin schon gedacht hatte..." Serrana spielte eine Weile nachdenklich an ihrem Armreifen herum, dann fiel ihr noch eine Frage ein. "Sag mal, weißt du eigentlich schon, ob du sine manu oder cum manu heiraten willst?"