Die Opfer waren vollzogen und die Imagines geweiht worden, die Zeremonie war also weitesgehend abgeschlossen. Was jetzt noch fehlte, war die Erneuerung des Eides. Gespannt und voller Stolz warteten Männer der Garde auf die Signifer, die mit den frisch bestückten Feldzeichen durch die Reihen der Kohorten bzw. Centurien schritten, um eben jene Feldzeichen andächtig mit ausgestreckter Hand zu berühren. Für den ein oder anderen - vor allem für die Dienstälteren - war das schon fast Routine, hatten sie ja schon einige Kaiser aufsteigen und fallen sehen. Doch die meisten der Männer - unter anderem auch Vibius Vespa - erfüllte dieser Moment mit Stolz und Ehre. Wie pathetisch!, mögen manche sagen, doch nur ein Narr war sich dessen ungewiss, was es für eine Ehre - und das besonders am heutigen Tage - war, schwarz tragen zu dürfen.
"IURANT AUTEM MILITES COHORTIUM PRAETORIARUM OMNIA SE STRENUE FACTUROS QUAE PRAECEPERIT IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS NUMQUAM DESERTUROS NEC MORTEM RECUSATUROS PRO ROMANA REPUBLICA." hallte es unisono über das Marsfeld. Der Eid war erneuert. Einige Sekunden war es totenstill. Der Kaiser schien irgendwas im Auge zu haben, eine Fliege vielleicht?
Aus den Trichtern der Tuben schallten die Fanfaren und durchbrachen die Stille, es war das Zeichen für die Kohorten, das Marsfeld weitesgehend zu räumen, um den berittenen Kameraden Platz für ihre einstündige Darbietung zu machen. Die Fanfaren waren aber nicht nur das Zeichen für die Männer in schwarz, sondern auch für die kaiserliche Familie, welche sich Scherenstühle bringen und sich dann darauf niederließen, um die "Show" genießen zu können.
Auch durch die schaulustige Menge ging ein Raunen, viele Frauen schwärmten, viele junge Männer schwankten zwischen Neid bzw. Eifersucht und Bewunderung, viele ältere Männer, meist Veteranen, nickten andächtig ob ihrer glorreichen Erlebnisse in der Vergangenheit und viele junge Knaben drängelten sich durch die Masse, um einen Platz weiter vorne zu erhaschen, sodass sie die Darbietung besser beobachten konnten, welche sich sicherlich in ihren Köpfen einbrennen und ihren Wunsch, vielleicht irgendwann ein Praetorianer sein zu dürfen, festigen würde.
Decurio Staberius Tappo hatte bei diesem Mannöver als Dienstältester Offizier das Kommando über die Reiterei der Garde. Oben auf dem Rücken seines Pferdes, ging er mit mehreren Blicken die einzelnen Turmae ab und nahm kurzen Blickkontakt mit den zuständigen Decurionen auf, um sicher zu gehen, dass jeder Mann und jedes Pferd bereit war.
Let the show begin!
Eine Stunde lang galt es nun den Kaiser, seine Familie, die Würdenträger und Honoratioren sowie die Massen zu bespaßen. Den Paradeglanz der Reiterei galt es also gut portioniert darzubieten, nicht zu schnell und nicht zu langsam, nicht zu erschlagend und nicht zu langweilig.
Auf den Befehl des Staberius hin, setzten sich die einzelnen Turma, wie geübt, in Bewegung. Zwei Reihen, jeweils links und rechts außen des Marsfeldes, ritten in leichtem Schritt von der Tribüne weg zum hinteren Teil, um dort im Schatten der Häuser kurz zu verschwinden und sich anschließend in paradevoller Gangart* - gemeint sind natürlich die Pferde, welche ihre Vorderhufe so hoch es ging anzogen, um nicht nur besonders würdevoll sondern auch militärisch stramm voranzuschreiten - auf die Tribüne in Richtung des Kaisers zu bewegen. Nach und nach traten die Reihen der Turmae aus dem Schatten heraus ins Licht, wo sich die Sonne in den Paraderüstungen reflektierte, sodass die Reiter schon fast glänzten, obwohl sie schwarz trugen.
Es bildeten sich zwei lange zueinander parallele Züge von Pferden mit ihren Reitern oben auf sitzend. Im letzten Drittel vor der Tribüne ritten jeweils die ersten beiden Turmae aus den beiden Zügen voraus, um kurz vor der Tribüne zum stehen zu kommen und dem Kaiser zu salutieren. Jede Turma bekundete so einzeln ihre Treue und präsentierte ihre schwarze Kraft. Die Turmae, die den Kaiser bereits begrüßt hatten, postierten sich wieder links bzw. rechts am Rand des Marsfeldes und warteten, bis die übrigen ebenfalls nach und nach ihre Position eingenommen hatten.
Der erste Teil der Darbietung war zu Ende, bei 32 Turmae dauerte das natürlich eine Weile!
Im zweiten Teil sollte die Reitkunst präsentiert werden. Beide Reihen, sowohl links als auch rechts, schritten ebenfalls in der gleichen Gangart der Pferde aufeinander zu, sodass man sowohl die militärisch perfekte aber zugleich auch bewundertswert grazile Bewegung der Tiere als auch den strammen Sitz der Reiter jetzt auch von der Seite bewundern konnte. Beide Reihen ritten etwas versetzt, sodass die Reiter aneinander vorbei reiten konnten, um sich nun auf gleiche Weise wieder auf der anderen Seite zu postieren, wo das ganze noch drei Mal wiederholt wurde. Im weiteren Verlauf des zweiten Teils folgten noch weitere Parademannöver, die im langsamen bis maximal mittleren Tempo geritten wurden.
Gerade als die ersten schon anfangen wollten zu gähnen, änderte sich alles plötzlich schlagartig. Die einzelnen Turmae lösten ihre Formation nach und nach auf, es schien, als würde die Ordnung von dem einen auf den anderen Moment zusammenbrechen. Der Boden des Marsfeldes war mit bloßem Auge fast gar nicht mehr zu erkennen, da der gesamte Platz von durcheinander reitenden Equites verdeckt wurde. Ein Raunen ging durch die Menge, es wirkte so, als hätte ein Wagenlenker die Zügel über sein Gespann verloren! Als das Chaos seinen Höhepunkt erreichte, ertönte ein durchdringendes Signal, woraufhin alle Turmae blitzschnell wieder ihre Formation einnahmen und ohne weitere Regung - sowohl von Mensch als auch Tier - stillstanden. Als sich der aufgewirbelte Sand bzw. Dreck binnen von Sekunden wieder gelegt hatte, konnte man von der Tribüne aus folgendes erkennen: Die einzelnen Turmae hatten sich so positioniert, dass sie in ihrer Gesamtheit den Stachel des Skorpions abbildeten, das Emblem der Praetorianer. Auch wenn man vermutlich nur von der Tribüne aus sehen konnte, was die Formation abbildete, jubelte die Menge ob der gewaltigen Masse von Gardereitern.
Nach einigen Momenten schritten die einzelnen Turmae wieder an den Rand links und rechts des Marsfeldes, um den dritten und somit letzten Teil der Darbietung einzuleiten.. Jetzt würden vier Turmae stellvertretend für die gesamte Gardereiterei einige Kampfmannöver vorführen, für die es allein schon aus Gründen der Geschwindigkeit mehr Platz brauchte. Während sich die die besagten vier Turmae positionierten, konnten die übrigen Reiter und Tiere verschnaufen. Auch die Menge bereitete sich gespannt auf den letzten Teil der Darbietung vor.
Sim-Off:* bin kein Pferdefachmann, aber ich glaube, man nennt das Tölt.