Beiträge von Germanica Laevina

    Endlich mal wieder in den Thermen.... Laevina schritt langsam und wuerdevoll an der Seite ihrer Sklavin Quadrata durchs Caldarium und liess pruefend den Blick ueber die Becken und die darin sitzenden Frauen schweifen. Seit Tagen hatte sie bereits herkommen wollen, aber ihr Bemuehen, das Hauspersonal in der Casa Germanica einigermassen auf Zack zu bekommen, hatte bislang all ihre Energien in Anspruch genommen. Mittlerweile waren jedoch alle Sklaven gebuehrend eingeschuechtert, und sie hatte trotz intensiver Suche bereits seit geraumer Zeit nicht einmal das kleinste bisschen Schmutz oder Staub finden koennen.
    Eigentlich war es schon erschreckend, wie selbstlos sie sich in der letzten Zeit fuer die Interessen ihrer Familie aufgeopfert hatte, da konnte sie sich doch nun wirklich auch mal ein kleines Bad goennen. Und sich bei der Gelegenheit direkt in Sachen Klatsch und Tratsch auf den neuesten Stand bringen, denn das klappte nirgendwo besser als unter einem Haufen nackter Weiber. In welchem Becken gab es denn wohl die vielversprechendsten Neuigkeiten? Das Becken rechts von ihr war gefuellt mit einer Horde Teenager, und wurde von Laevina direkt aussortiert. Kichernde Gespraeche ueber picklige Verehrer und Liebesgedichte standen nicht gerade ganz oben auf ihrer Prioritaetenliste.
    Aber da, im Nachbarbecken bot sich schon ein vielversprechenderes Angebot, zwei mittelalte Damen, die eine dick, die andere rothaarig, und beide ihren Gesichtsausdruecken nach zu urteilen ganz offensichtlich in ein Klatsch-Gespraech vertieft.
    Laevina naeherte sich dem Beckenrand, laechelte hoeflich und fragte dann in ihrem liebenswuerdigsten Tonfall:


    "Salvete, die Damen. Waere es in Ordnung, wenn ich mich dazugesellen wuerde? Mein Name ist Germanica Laevina."


    Sim-Off:

    Ich finde, zwei derart liebenswerte Damen muessen sich einfach kennenlernen :)

    Ah, da kam es natuerlich, das unvermeidliche Angebot einer gesanglichen Kostprobe... Irgendwie hatte Laevina das Gefuehl, dass eine oeffentliche Demonstration seiner Talente weder Pisos noch ihrem eigenen Ruf in der Stadt besonders foerderlich sein wuerde und ueberlegte, wie sie seinen Eifer in ungefaehrlichere Bahnen lenken konnte.


    "Nun, mein lieber junger Freund, natuerlich wuerde ich am liebsten jetzt sofort eine Kostprobe deines Koennens hoeren, aber ich finde der Ort der Darbietung sollte auch einen passenden und niveauvollen Rahmen bieten, und das ist unter all diesem gemeinen Volk hier auf dem Markt ja schwerlich moeglich. Eine etwas dezentere und stilvollere Kulisse wuerde den Kunstgenuss sicherlich noch zusaetzlich erhoehen." (menschenleer war natuerlich auch ein nicht unherhelbliches Kriterium, aber das muste sie Piso ja nicht auf die Nase binden.


    Bei seinen Ausfuehrungen ueber Calvena zog sie dann hoerbar den Atem ein. Sie hatte ja schon selbst einige ueble Vermutungen gehabt, aber das schlug ja dem Fass den Boden aus. Eine Landstreicherin mit mehr als suspekter Vorgeschichte....Was das fuer ein Bild auf die Gens Germanica werfen wuerde, wenn es jemals herauskaeme, wagte sich Laevina gar nicht vorzustellen. Sobald sie zuhause war, wuerde sie ein ernstes Woertchen mit ihrer momentan nicht gerade heissgeliebten Grossnichte sprechen....Unfassbar, da war sie jahrelang mit diesem betruegerischen Pack durch die Lande gezogen und regte sich dann tatsaechlich auf, weil sie selbst es gewagt hatte, ungefragt ihr Zimmer zu betreten..


    Laevina sah Piso in die Augen und dieses Mal war die Betroffenheit in ihren Augen echt. "Es schockiert mich zutiefst das zu hoeren, und ich moechte mich in aller Form fuer das indiskutable Verhalten meiner Nichte entschuldigen. Und darueber hinaus..." jetzt hoffte Laevina instaendig, dass Piso ihr mittlerweile tatsaechlich schon ein wenig gewogen war, "moechte ich dich bitten, nein anflehen, diese entsetzliche Geschichte fuer dich zu behalten, denn sie koennte furchtbare Folgen fuer die unschuldigen Mitglieder unserer Familie haben."

    Allmaehlich hatte sich Laevina von ihrem ersten Schock erholt und konnte sich bereits wieder ueber Sedulus aergern.


    "Wie kommst du auf die Idee, ich wuerde derart sorglos mit Sachen umgehen, die mir nicht gehoeren?" (und auch leider nie gehoeren werden, wie sie jetzt wusste) fragte sie ehrlich empoert.


    "Ich habe mich nur wegen des Laerms erschreckt und wollte nach dem Rechten sehen. Aber offenbar ist ja alles gut ausgegangen" fuegte sie mit einem Seitenblick auf das Kind hinzu und hoffte, dass er nicht allzu finster ausfiel...


    "Dann werde ich mich wieder zurueckziehen und dich nicht laenger in deinen Erziehungmassnahmen aufhalten" sagte sie ein wenig gehaessig und wandte sich wieder in Richtung ihrer Raeumlichkeiten. Sollte sich Sedulus doch selbst um die Erziehung seines verzogenen Sproesslings kuemmern, sie selbst brauchte jetzt ihre Ruhe, um um ihre heissgeliebte Vase zu trauern...

    Durch das laute Scheppern wurde auch Laevina aus ihrem Nickerchen gerissen und sie eilte schnell ins Atrium, um sich aus erster Hand über das Geschehen zu informieren.


    Der erste Eindruck war eher unspektakulär...da standen eine heulende kleine Sabina (warum in der Götter Namen mussten Kinder eigentlich ständig heulen?) eine planlose Bedienstete (vermutlich das unfähige Kindermädchen) sowie ein leicht irritiert wirkender Sedulus, der wahrscheinlich im Moment noch nicht genau wusste, was er dort überhaupt sollte.
    Erst auf den zweiten Blick erkannte Laevina, was sich nicht mehr im Atrium befand.... IHRE Vase......dieses wunderschöne Prachtstück, das ihr schon am Tag ihrer Ankunft so ins Auge gefallen war und das sie um jeden Preis in ihren Besitz hatte bringen wollen, lag in tausend Scherben zerbrochen auf dem Boden...Natürlich hatte das Schmuckstück eigentlich ihrem Cousin Avarus gehört, aber das war für sie in diesem Moment mehr als unerheblich.


    Es gab wenige Dinge, die Laevina aus der Fassung bringen konnten, aber jetzt stiegen ihr zum ersten Mal seit langer, langer Zeit echte Tränen in die Augen. Ihre Vase.......


    Ausnahmsweise kostete es sie ziemliche Mühe, ihre eiserne Haltung zu bewahren und so stieß sie mit einem leichten Zittern in der Stimme aus:


    "Was ist denn hier passiert? Ist alles in Ordnung?"

    Ach, dieses Gespräch lief aber auch wirklich wie am Schnürchen..... Mit einem höflichen und wohlerzogenen Menschen zu sprechen, machte ohnehin vieles leichter, und Laevina merkte plötzlich zu ihrer eigenen Überraschung, dass ihr der junge Flavier ganz symphatisch war. Natürlich hatte er einen immensen Sprung in der Amphore, aber das war ja vermutlich nicht seine eigene Schuld. Bei der unter den Patriziern so fleissig praktizierten Inzucht (was hatte sie da nicht schon für Geschichten gehört...) grenzte es ja schon an ein Wunder, dass er nicht mit drei Augen oder einem Pferdefuß übers Forum laufen musste. Mit dem richtigen mütterlichen Zuspruch konnte bestimmt noch etwas aus ihm werden, es war doch garantiert möglich, ihm ein bisschen gesunden Menschenverstand in die nicht gerade kleinen Hohlräume in seinem Gehirn einzuflössen....
    Und da sie im Moment ohnehin noch nicht allzuviel in Rom zu tun hatte, beschloss Laevina spontan, Pisos Umerziehung zu ihrem ersten persönlichen Projekt im Städtchen zu erklären.


    "Oh, danke, das ist sehr rücksichtsvoll von dir" sagte sie mit einem leisen Schniefen, nahm sein Taschentuch an sich und tupfte damit ihre Augen ab. "Wie nett von dir, dass du so ein Verständnis für mich aufbringst."


    Das Thema Musik war natürlich ein heikles Terrain. Ihr schwahnte bereits, dass sie um glaubwürdig zu bleiben, nicht um eine Kostprobe seiner Fähigkeiten herumkommen würde, aber vielleicht war es ja möglich, dieses an einem einsam gelegenen Örtchen hinter sich zu bringen...


    "Nun, das kann ich mir gar nicht vorstellen! Ich würde nur zu gern einmal an deinem Talent teilhaben, aber ich weiß natürlich, dass Männer in deiner Position über wenig Zeit verfügen und diese kaum erübrigen können, um alte Frauen zu unterhalten..." säuselte sie dann und sah ihn mit einer Mischung aus gespieltem Interesse und Tapferkeit an.


    Bislang war alles wie bestellt gelaufen, aber dann brachte sie doch etwas aus dem Konzept. Calvena.....? Bei dem Namen ihrer Großnichte stieg ihr automatisch wieder die Erinnerung an den Streit in deren Cubiculum und somit auch jede Menge Galle hoch. Kaum jemanden war es in den letzten Jahrzehnten gelungen, derart die Finger in Laevinas offene Wunden zu legen, und sie knüllte unwillkürlich Pisos Taschentuch in ihrer Hand zu einer kleinen verformten Masse zusammen. Dieses undankbare kleine Biest....
    Der Ausdrücke "Rädelsführerin" und "Mob" passten schon ganz gut zu ihrer eigenen Einschätzung, aber noch war Laevina vorsichtig.


    "Nun, diese junge Dame lebt ebenfalls in der Casa Germanica, wobei ich nicht behaupten kann, dass wir ein besonders inniges Verhältnis zueinander pflegen. Aber diese Geschichte interessiert mich natürlich, da ich mir immer Sorgen um die Moral innerhalb der Familie mache. Willst du mir nicht ein bisschen mehr darüber erzählen?"

    Ach herrje, ein Träumer....auf diese Sorte Mensch war Laevina besonders gut zu sprechen. Da aber Avarus gerade so gedankenvoll an seinem Wein nippte, verkniff sie sich lieber den bösen Kommentar der ihr schon auf der Zunge gelegen hatte und bemühte sich stattdessen um einen betroffenen Blick und Tonfall.


    "Das muss ja sehr schmerzvoll für seine Familie gewesen sein, welch eine Tragödie...."


    Innerlich musste sie unwillkürlich grinsen. Entweder ihre Seifen-Theorie stimmte, oder aber der verblichene Octavier hatte sich freiwillig in die Unterwelt katapultiert. Damit stellte sich eigentlich nur noch die Frage, ob er nun ein Tölpel oder ein Schwächling gewesen war, und beide Personengruppen waren für Laevina vollkommen indiskutabel.


    Dann fiel ihr ein, dass sie ihrer Großnichte noch antworten musste.
    "Plautus? ist das nicht ein bisschen zu vulgär für eine Dame der Gesellschaft? So etwas bringt dich nur auf falsche Gedanken.... Und mit wem warst du denn überhaupt dort? Ich hoffe doch, du bist nicht ohne die Begleitung einer anständigen Matrone in der Öffentlichkeit aufgetreten..."

    "Ein Badeunfall? Ach, wie tragisch! Was ist denn da genau passiert?" fragte Laevina interessiert und ging in Gedanken die entsprechenden Möglichkeiten durch.


    Vielleicht war der gute Mann ja auf der Seife ausgerutscht, unter dem Einfluss des einen oder anderen Bechers Wein im eigenen Saft ertrunken oder auch auf einer seiner Sklavinnen kollabiert. Da konnte man nie sicher sein... Auf jeden Fall klang es verdächtig nach einem nicht besonders ehrenvollen Tod. Bei dem Stichwort musste Laevina unwillkürlich an den lang verstorbenen Vindex denken, der seinerzeit beim Abendessen an einem Hühnerknochen erstickt war. Zumindest diese eine gemeinsame Cena war nicht ganz so langweilig gewesen wie die anderen zuvor.Was war das doch für ein Schwachkopf gewesen...Hätte sie nur früher geahnt, dass er sogar zum Essen zu blöd war, dann hätte sie schon bei ihrer Verlobungsfeier angefangen, ihn mit Hühnchenschenkeln zu füttern.... Was wäre ihr da alles erspart geblieben....

    Nun, ganz offensichtlich verfügte Calvena über ein ganz gutes Händchen bei der Auswahl ihrer Freunde. Die Flavier und Aurelier gehörten immerhin zur Creme de la Creme der Stadt, auch wenn erstere der Gens Germanica zur Zeit scheinbar nicht allzu gewogen zu sein schien, wenn sie da Sedulus richtig verstanden hatte.
    Und auch gegen die Caecilier war absolut nichts einzuwenden, auch wenn Laevina der Hinweis auf das Theater ein wenig sauer aufstieß.


    "Ach, du gehst also gern ins Theater? Was wird denn da zur Zeit geboten?" fragte sie ein wenig argwöhnisch. Schließlich wurden mittlerweile Stücke in aller Öffentlichkeit präsentiert, deren Inhalt nun wirklich nicht für unschuldige junge Mädchen geeignet waren.


    Und dann kam tatsächlich noch etwas spannendes....
    "Ein Duumvir, sagst du? Das ist aber interessant. Über die Gens Octavia habe ich noch nicht allzuviel gehört, aber ich bin mir sicher, dass diese Familie frei von Skandalen ist, sonst hätte ich zweifellos etwas davon gehört."
    Die Nachrichten erreichten die Campania zwar immer ein wenig später und spärlicher, aber dennoch war sich Laevina sicher, einigermaßen gut informiert zu sein. Trotzdem warf sie einen abwartenden Blick zu ihren beiden männlichen Verwandten hinüber, vielleicht gab es ja doch etwas, dass ihrer Aufmerksamkeit entgangen war.


    "Wie ist er denn so, der junge Mann?" fragte sie dann, scheinbar nur mittelmäßig am Thema interessiert, dabei fand sie diese Neuigkeit ungemein spannend.

    Zu gerne hätte Laevina ihre volle Aufmerksamkeit jetzt dem Gespräch der beiden Männer zugewandt, die sich nach dem ewigen Kinder-Pille-Palle endlich wieder über Politik unterhielten. Allerdings war nun endgültig ihr Spürsinn akiviert worden, nicht zuletzt, da Calvena urplötzlich nicht mehr von Freunden sondern nur noch von Freundinnen sprach...


    "Zu welchen Gentes gehören deine Freundinnen denn? Vielleicht kenne ich ja noch den ein oder anderen Verwandten von früher..." fragte sie interessiert. Dass eine Germanica nur mit Angehörigen der besseren Gesellschaftsschicht befreundet sein konnte, war für Laevina natürlich selbstverständlich.

    Ein paar Freunde, soso.....In Laevinas Hinterkopf leuchtete mal wieder ein kleines rotes Lämpchen auf, denn diese Formulierung war ihr doch ein wenig zu schwammig...etwa absichtlich?
    Mit neuem Interesse musterte sie Calvena, aber konnte an deren Gesichtsausdruck nichts besonders verdächtiges entdecken. Entweder das Mädchen hatte wirklich nichts zu verbergen, oder aber sie verfügte über bemerkenswertes schauspielerisches Talent. An den beiden Herren im Raum gingen diese Alarmzeichen jedoch gänzlich unbemerkt vorbei. Laevina beobachtete Avarus und Sedulus dabei, wie diese in aller Ruhe und mit höchst entspanntem Gesichtsausdruck vor sich hin schlemmten und verdrehte innerlich die Augen. Kein Wunder, dass es mit der römischen Moral immer weiter den Bach runter ging, wenn sich die entscheidenden Würdenträger lieber der Völlerei hingaben, als ein wenig auf ihre eigenen Sprösslinge zu achten...


    Aber egal, schließlich war sie ja jetzt da....


    "Ein paar Freunde hast du also, das freut mich ja sehr für dich." sagte sie an Calvena gewandt. "Das sind doch sicher auch Freunde der Familie, nicht wahr? Woher sonst sollte ein junges Mädchen wie du sonst Bekanntschaften haben?"

    "Oh, meine liebe Calvena, das ist eine ganz wundervolle Idee. Gute Händler sollte man sich immer warmhalten, man weiß ja schließlich nie, welche besonderen Anlässe noch auf einen zukommen können. Natürlich sind das in meinem Alter nicht mehr allzu viele, aber so ein junges und hübsches Mädchen wie du sollte natürlich immer optimal und perfekt gekleidet sein, um seine optischen und charakterlichen Vorzüge so gut wie möglich zu unterstreichen".


    Laevina lächelte Calvena zu und sah dann zu Avarus und Sedulus hinüber.


    "Und deine beiden Onkel werden sich auf diesem Gebiet zweifellos großzügig zeigen, schließlich geht es ja auch darum, das Interesse des einen oder anderen vielversprechenden und mächtigen Mannes zu wecken. Oder hat sich da vielleicht schon jemand gefunden? Es wäre ja eigentlich ein Wunder, wenn dem nicht so wäre, bei so einem reizenden Kind"

    "Aber nein, mein lieber junger Herr, meine Einschätzung deiner Person basiert ausschließlich auf einer sehr langen Lebenserfahrung." entgegnete Laevina mit einem treuherzigen Augenaufschlag, um dann eine leichte Gekränktheit in ihre Stimme zu zaubern.


    "Was hätte eine Frau meines Alters auch davon, sich mit falschen Komplimenten bei jemandem einzuschmeicheln?" fügte sie dann leise hinzu und schaute betrübt zu Boden.


    Als Piso dann den frühen Verlust seiner Mutter beklagte, hob sie automatisch wieder den Blick und erhaschte gerade noch seinen finsteren Gesichtsausdruck, bevor er sich sehr schnell (wie Laevina anerkennend feststellte) wieder unter Kontrolle hatte. Ob es da wohl eine interessante Hintergrundsgeschichte gab? Die konnte man doch sicherlich irgendwie in Erfahrung bringen....


    Dass der junge Mann ihre schlechte Behandlung beklagte, ging ihr natürlich runter wie Öl und sie begleitete seine Ausführungen mit einem schicksalsergebenen Kopfnicken.


    "Ich danke dir sehr für dein Mitgefühl, Flavius Piso, aber leider besitzen nicht alle Bürger dieser Stadt so hochherzige Motive wie du, daher sollten wir auch nicht allzu hohe Erwartungen an sie stellen. Vielleicht wird sich ja auch Serrana eines Tages an all die Dinge, die ich Zeit ihres Lebens für sie getan und all die Opfer die ich ihretwegen gebracht habe, erinnern" Jetzt war es nun wirklich an der Zeit für eine Träne und, siehe da, sie rollte langsam und wunschgemäß an ihrer im zugewandten Wange herab.


    Seiner Bemerkung über die Verrohung der Jugend konnte sie sogar aus vollem Herzen, und ohne darüber nachzudenken, zustimmen.


    "Oh, wie recht du doch hast. Die Sitten und Tugenden der heutigen Jugend sind meiner Meinung nach wirklich in allergrößter Gefahr. Es ist so erschreckend, wie weit es mit unserem Volk schon bergab gegangen ist. Umso mehr erfüllt es mich mit Hoffnung, dass zumindest einige wenige junge Menschen die alten Werte noch zu schätzen wissen." fügte sie hinzu und strahlte ihn anerkennend an.


    Die letzten Ausführungen bedurften dann jedoch wieder ihrer vollen Konzentration. Soso...künstlerische Gaben...
    Natürlich hatte Laevina keine Ahnung, wie ausgeprägt die angesprochenen Gaben wirklich waren, aber der Hinweis auf den Einsatz von Eiern und Gemüse ließ übles vermuten. Da konnte sie ja nur beten und hoffen, dass er nicht in ihrer Gegenwart einen entsprechenden Beweis antreten würde. Andererseits war der Markt zur Zeit wirklich unerfreulich überfüllt und eine kleine Darbietung könnte da eventuell Abhilfe schaffen...


    Aber egal, im Moment brauchte der junge Mann auf jeden Fall ihren ungeteilten Zuspruch.


    "Das ist ja ganz furchtbar tragisch!" rief sie entrüstet aus. "Wo kommen wir denn dahin, wenn jemand, der so offensichtlich von den Musen geküsst worden ist, derartig mit Füßen getreten wird?


    Sie beugte sich vor, als könne sie seine nächste Antwort nur noch mit größter Ungeduld erwarten.


    "In welche künstlerischen Sphären zieht es dich denn? Ist es die Rhetorik, die Poesie oder etwa die Sangeskunst?"

    Was hatte Sedulus noch über die Flavier gesagt? Dass sie nicht allzu gut auf die Gens Germanica zu sprechen waren? Da galt es jetzt natürlich, das weitere Gespräch mit der gebotenen Vorsicht fortzusetzen.


    "Nun, vielleicht magst du heute noch ein Kanzleibeamter sein, aber mit deinem edlen Blut und einem so edlen Charakter, wie du ihn gerade unter Beweis gestellt hast, wirst du es zweifellos noch sehr weit in dieser Stadt bringen" säuselte sie und warf ihm einen bewundernden Blick zu.


    "Und ja, ich gehöre zur Gens Germanica und wohne im Haus des Senators Avarus, aber wirklich eng verwandt sind wir nicht. Er war nur so großzügig, einem Mitglied seiner Familie Zuflucht zu gewähren, als meine Not am größten war..." sie seufzte tief auf und kämpfte scheinbar mit den Tränen (mit etwas Glück würde sie Bälde das eine oder andere Tränchen aus den Augen pressen können, aber solche Mittel wollten ja wohldosiert sein...)


    "Im Grunde bin ich meiner Familie nur ein Klotz am Bein, denn wer freut sich schon über eine arme alte Frau in seinem Haus..... Aber ich hatte einfach keine Wahl, ich musste nach Rom kommen."


    Sie musterte ihn kurz aus den Augenwinkeln, sah, dass er ihr offenbar mittlerweile gewogen war und beschloss allmählich einen Gang zuzulegen.


    "Du musst wissen, mein Mann Lento.." an dieser Stelle schien sie nur mit Mühe ein Schluchzen zu unterdrücken, ..."ist vor wenigen Wochen gestorben....und es war furchtbar schwer für mich, wie du dir sicher vorstellen kannst. Mir ist nur noch meine Enkelin geblieben, und die hat plötzlich beschlossen, mich zurückzulassen und nach Rom zu der Gens ihres Vaters zu ziehen..."


    Laevina betupfte die Augen mit ihrem neuen Schal und sah Piso dann mit scheinbar mühsam erkämpfter Tapferkeit an.


    "Ich habe keine Ahnung, warum sie mich verlassen hat. Stell dir nur vor, sie ist erst fünfzehn, und jetzt wohnt sie dort in diesem großen Haus ganz ohne jeglichen männlichen Schutz, wie hätte ich da in Ruhe weiterleben können?" sie stieß einen kleinen erstickten Schluchzer aus.


    "Natürlich hätte ich lieber meine wenigen verbleibenden Jahre in der Nähe der Asche meines Mannes verbracht, aber wer soll sich dann um das arme Mädchen kümmern?" Ein erneutes Tupfen mit dem Schal gefolgt von einem Blick höchster Zerknirschung.


    "Aber warum erzähle ich dir das alles? Du hast sicher weit wichtigere Dinge zu tun, als dir die Probleme einer unwichtigen alten Frau anzuhören...."

    Uff, das war ja gerade nochmal gut gegangen... Laevina ließ sich von dem jungen Mann auffangen und wiederaufrichten und sah ihn dann mit bescheidener und zutiefst dankbarer Miene an, wobei sie höchst erfreut seine gebildete und höfliche Wortwahl zur Kenntnis nahm.


    "Ja, vielen Dank, es geht mir schon viel besser" sagte sie mit nach wie vor wackliger Stimme und stützte sich schwer auf ihren Gehstock, um die eigenen Worte Lügen zu strafen. Unter Ächzen und Seufzen ließ sie sich auf der von ihm angebotenen Bank nieder und deutete dann verschämt auf den leeren Platz neben sich.


    "Willst du dich nicht einen Moment zu mir setzen, dann muss ich nicht so nach oben sehen, das Sonnenlicht tut meinen alten Augen doch ziemlich weh. Und vielmehr ich muss mich bei dir entschuldigen. Wäre ich nicht so achtlos gewesen, dann hätte ich nicht so ein wichtiges Mitglied unserer römischen Gesellschaft in unnötige Gefahr gebracht."


    Sie sah verzeihungsheischend zu ihm hinauf. "Oh, und vergib mir bitte, dass ich mich bislang noch nicht vorgestellt habe, mein Name ist Germanica Laevina und es ist mir eine große Ehre dich kennenzulernen."

    Wer hätte das gedacht, der kleine Avarus schien ja eine richtig poetische Ader zu besitzen, dachte Laevina erstaunt, als dieser mit verklärtem Blick von den Wetterverhältnissen im guten alten Germanien erzählte. Naja, in seiner Position konnte man sich derlei Sentimentalitäten durchaus mal erlauben. Ihr verstorbener Mann Lento dagegen hatte ganze Tage so daher geschwätzt und war von seinen Schwärmereien derart in Anspruch genommen gewesen, dass er für eine sinnvolle Karriereplanung keine Energie mehr gehabt hatte...


    Egal, die praktischen Einkaufstipps ihrer Großnichte waren für Laevina jetzt deutlich interessanter.


    "So, ein Phönizier sagst du....das hört sich ja ganz gut an. Vor allem wenn seine Ware nicht nur qualitativ hochwertig sondern auch bezahlbar ist. Mein guter Lento hat mir leider nicht allzu viel Geld hinterlassen, da muss ich schon ein genaues Auge auf meinen Geldbeutel haben" sagte sie mit einem leisen Seufzen und nippte mal wieder an ihrem Wein. Natürlich war sie nicht annähernd so verarmt, wie sie andere Leute glauben lassen wollte, denn allein durch das Erbe, das sie Serrana nach dem Tod des Großvaters vorenthalten und unterschlagen hatte, besaß sie ein ganz angenehmes finanzielles Polster. Aber man wusste ja schließlich nie, ob nicht noch einmal harte Zeiten anbrechen würden.

    Mittlerweile war Laevina auf Hörweite an den Mann herangekommen, der ihr jetzt ihren Schal entgegenstreckte, und sein Kommentar trieb ihren Blutdruck in ungeahnte Dimensionen.


    Mütterchen?....minderwertig?.....verklagen?.....Das konnte ja wohl nicht wahr sein! Allein der Umstand, dass der junge Mann aufgrund seiner hochwertigen Kleidung und gepflegten Ausdrucksweise ganz offensichtlich zur besseren Gesellschaft gehörte, bewahrte Laevina vor einer unbedachten Reaktion und ihn vor weit schlimmeren Blessuren als der Beule an seinem Kopf.


    Sie hatte ihn fast schon erreicht, als sie die Halbmonde an seinem Schuhwerk sah und sich spontan für eine Kurskorrektur entschied.


    Wie von einem Schwächeanfall leicht taumelnd, legte sie die letzten Meter bis zu ihm zurück, streckte ihre Hände nach dem Schal aus und rief mit leicht zittriger Stimme (die ihr momentan ziemlich leicht fiel, da sie durch die lange Verfolgungsjagd ganz schön aus der Puste war):


    "Oh, den Göttern sei gedankt, du hast meinen Schal gefunden!" Jetzt wurde ihre Tonlage noch etwas zittriger und ihr Gesicht nahm einen überaus betroffenen Ausdruck an.


    "Du musst nämlich wissen, dieser Schal war das letzte Geschenk meines kürzlich verstorbenen Mannes, und es hätte mir das Herz gebrochen, wenn ich ihn nicht wiederbekommen hätte..."

    Na, wenn das mal kein netter Familienausflug würde....dachte Laevina vergnügt. Sollte der Rest der Familie ruhig in aller gebotenen Gemütlichkeit nach Germanien reisen und ihrethalben den kompletten Pferdebestand vor Ort aufkaufen....Dann könnte sie es sich in der Zwischenzeit in der Casa Germanica so richtig gemütlich machen und würde nicht ständig auf jeden Satz und jeden Tonfall achten müssen. Eine ausgesprochen vielversprechende Vorstellung...


    Trotzdem ermüdete sie dieses Kleinkind-Gespräch über die Vor- und Nachteile von Haustieren zunehmend, und sie beschloss ein kleines Schwätzchen mit Calvena zu halten, die schon seit geraumer Zeit ziemlich still war.


    "Sag mal, meine Liebe.." sagte sie in vergnügtem Plauderton. "Du als modebewusste junge Frau kannst mir doch sicher sagen, wo man hier in Rom die besten Stoffe kaufen kann. Ich müsste meine Garderobe noch etwas aufstocken, schließlich ist die mehr auf ein zurückgezogenes Landleben abgestimmt."

    Das Gewühl auf dem Markt schien immer schlimmer zu werden, und Laevina hatte zunehmend Probleme damit, ihren davonflatternden Schal nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. Ärgerlich rammte sie einem dicken verschwitzten Bürger, der gerade mit leuchtenden Äuglein eine Amphore Wein begutachtete ihren Gehstock in die Zehen, und schnaubte nur verächtlich, als dieser vor Schmerz aufbrüllte und zur Seite sprang. Was baute sich dieser Tölpel mit seinen Hühneraugen auch ausgerechnet hier auf und versperrte ihr den Weg....


    Und als hätte sie es nicht geahnt, verschwand ihr nagelneuer Schal jetzt endgültig in der Menge der Händler und Kunden. Laevina wurde immer wütender und legte noch ein kleines bisschen an Tempo zu, schließlich hatte sie ja nicht minutenlang mit dem Wurm von Händler gefeilscht, um sich ihre Beute jetzt wieder abjagen zu lassen.


    Aufgeregt sah sie sich in alle Richtungen um und mehr durch Zufall fiel ihr Blick schließlich auf einen Mann, der mit ihrem Schal um den Kopf und wild gestikulierend gegen einen Holzbalken rannte. War der denn wahnsinnnig? Der gute Stoff ging doch kaputt!


    Empört vergaß Laevina für einen Moment lang alle Vorsicht, schoss auf den Mann zu und rief in leicht undamenhaftem Tonfall und mit dem Gehstock in der Luft herumfuchtelnd:


    "He da! Das ist meiner! Finger weg von meinem Schal!"

    Was für ein herrlicher Tag. Bereits seit einer ganzen Weile war Laevina in Begleitung ihrer getreuen Leibsklavin Quadrata auf den Trajansmärkten unterwegs, und hatte schon das eine oder andere Schnäppchen gemacht. Sie musste einfach mal wieder stolz auf sich und ihr gewinnendes Wesen sein, das sich offenbar auch auf die Gemüter der anwesenden Händler positiv auswirkte. Bislang hatte es noch kein einziger geschafft, ihr seine Waren auch nur ansatzweise für den ursprünglich geforderten Preis anzudrehen. Laevina lächelte vergnügt bei dem Gedanken daran, wie früher oder später jeder Verkäufer entnervt das Handtuch warf und ihr den gewünschten Gegenstand zu einem Sonderpreis überließ. Es war eben alles nur eine Frage der Ausdauer und freundlichen aber bestimmten Überredungskunst....


    Auf ihr letztes Schnäppchen war Laevina ganz besonders stolz: ein wunderschöner silbergrauer Schal aus einem sehr luftigen und durchscheinenden Stoff, der hervorragend zu ihrem Haar passte. Aber jetzt, wo der angenehme Teil des Einkaufs erledigt war, konnte sie sich auch endlich den praktischeren Dingen des Lebens zuwenden. Sie gab Quadrata einen wortlosen Wink, und diese verschwand sofort in der Menge der umherlaufenden Menschen, um sich auf die Suche nach eventuell wichtigen oder interessanten Persönlichkeiten zu machen, die gerade auf den Trajansmärkten unterwegs waren.


    [Blockierte Grafik: http://i687.photobucket.com/albums/vv232/Aine_photos/Marple.jpg]
    _______
    Quadrata, Serva


    Laevina sah ihrer sich entfernenden Sklavin zufrieden hinterher, und freute sich wieder einmal daran, dass die Kommunikation zwischen ihnen beiden bereits seit fast 50 Jahren so reibungslos funktionierte. Ohne Quadrata und deren hervorragende Augen und Ohren hätte sie sich das eine oder andere Mal schon deutlich mehr anstrengen müssen...


    Sie wollte sich gerade wieder einem der Stände zuwenden, als ihr ein plötzlicher Windstoß den luftigen Schal aus den Händen riss und davon trug. Laevina stieß leise einen höchst gotteslästerlichen Fluch aus und versuchte, den davonfliegenden Schal aufzuhalten, aber sie war nicht schnell genug. Die römische Öffentlichkeit war ja mittlerweile an das Bild der gebrechlichen Frau mit dem Gehstock gewöhnt, da konnte sie ja kaum auf einmal loswetzen wie ein Wiesel...Und Quadrata war längst ausser Hörweite, sonst hätte sie die losscheuchen können...
    So ein elender Mist....Laevina beeilte sich, in einigermaßen glaubwürdigem Tempo voranzukommen und den silbergrauen Schleier in der Luft zumindest im Auge zu behalten....



    Sim-Off:

    Bin gespannt, ob jemand der alten hilflosen Dame zur Hilfe eilen wird :)

    Laevina musste hart mit sich ringen, um nicht die Augen zu verdrehen oder die Hand an die Stirn zu schlagen. Was um alles in der Welt war das denn jetzt? Zwei erwachsene Männer, noch dazu hochrangige Mitglieder der Regierung der mächtigsten Nation der Erde, ließen sich gerade von einem kleinen Mädchen zum Affen machen und buhlten um ihre Gunst....Unfassbar.....
    Ihre Enkelin hatte nur ein einziges Mal, im Alter von acht Jahren, den Wunsch nach einem eigenen Pferd geäussert. Daraufhin hatte Laevina sie vier Wochen lang ganz allein den kompletten Pferdestall des Landguts ausmisten lassen, und seltsamerweise hatte sich Serranas aufkeimende Begeisterung für diese Tierart danach erledigt...


    Aber wenn es den beiden Herren derartige Freude machte, einem Kleinkind den Hintern zu vergolden, dann sollten sie das ruhig tun. Laevina war auf jeden Fall jetzt schon gespannt, welche Forderungen die junge Dame in Zukunft noch stellen würde, wenn man ihr jetzt schon jeden Wunsch von den Augen ablas...