Welch überaus erhellende Unterhaltung....Laevina hielt sich bereit seit geraumer Zeit vor dem Eingang zum Oecus aber natürlich ausserhalb des Blickfeldes der beiden Männer auf und verfolgte mit großem Interesse deren Gespräch.
Erfreulicherweise hatte ihr Neffe bei seinem Eintreten die Tür offen gelassen und so konnte sie bequem alles mithören, was die beiden von sich gaben, ohne sich übermäßig anzustrengen.
Die Information, dass es sich bei Valerian um einen Prätorianer handelte, beeindruckte Laevina nicht im geringsten. In ihren Augen waren alle Soldaten großmäulige Wichtigtuer, die sich mit ihren Uniformen wichtig machten. Und besonders schlau waren die meisten auch nicht, zweifellos gab es unter ihnen etliche Exemplare, die zwar dumm waren wie Brot, aber über genügend Muskeln verfügten, um einen Speer hochzuhalten, und größere Anforderungen kamen in der Armee ja kaum auf sie zu...
Dann begann der junge Mann herumzudrucksen, und Laevina atmete erleichtert auf, als er seinen Heiratsantrag herausbrachte. Was für ein Glück! Seit ihrem Streit mit Calvena machte sie sich um deren Tugend keine Illusionen mehr; jemand, der derart unbeherrscht reagierte, nur weil eine alte Dame einen unschuldigen Blick in ihr Zimmer warf, hatte zweifellos eine Menge zu verbergen! Und da kam auch schon gleich die Bestätigung....Soso, in der Subura hatte sich das kleine Biest also herumgetrieben, zwischen all den Verbrechern und Huren dort.... Scheinbar besaß Calvena von Seiten ihrer unbekannten Mutter schlechtes Blut, und das hatte sie offenbar instinktiv zu ihren Wurzeln zurückgetrieben....Aber egal, wenn dieser Tölpel dort im Oecus sie heiraten wollte, dann konnte ja zumindest ein drohender Skandal von der Familie abgewendet werden, falls sich diese Geschichten mal rumsprechen sollten. Laevina beschloss sich den Knaben mal etwas genauer anzusehen, schließlich hatte Sedulus ja inzwischen Zeit genug gehabt um seinen Part zu spielen....
Sich scheinbar nach etwas umsehend betrat Laevina den Oecus und setzte eine überraschte Miene auf.
"Oh, Verzeihung, Sedulus" zwitscherte sie dann. "Ich bin auf der Suche nach meinem Gehstock, du weißt ja, ohne ihn bin ich ganz hilflos...."
Dann betrachtete sie, als wäre sie erst jetzt auf ihn aufmerksam geworden, den jungen Mann. Immerhin war er anständig rasiert und angezogen, und auf den ersten Blick sah er auch nicht wie ein Sittenstrolch aus, aber es gab ja nicht umsonst das schöne Bild vom Wolf im Schafspelz....Dann entdeckte Laevina die kleine frischverheilte Narbe über seiner Augenbraue und dachte sofort an den Brief, dessen Inhalt ihr noch sehr präsent war. Soso, also war er tatsächlich der Rüpel, der den Brief geschrieben hatte.
Laevina machte eine kleine Bestandsaufnahme. Der Marktwert ihrer Großnichte war nach diesen Eskapaden eindeutig nicht mehr allzu hoch, dafür hatte das liebe kleine Kind selbst gesorgt. Und dieser Knabe schien aus guter Familie zu sein, ein festes Einkommen zu haben und war offenbar auch noch intelligent genug, um geradeaus zu laufen und sinnvolle Sätze zu formulieren. Mehr konnte Calvena nun wahrlich nicht mehr verlangen, im Grunde war sie mit diesem Valerian noch viel zu gut weggekommen...
Und je eher die Hochzeit stattfinden würde, desdo früher würde sie sich wieder entspannen können, und das war ja auch schon sehr viel wert....
"Es tut mir furchtbar Leid, offenbar habe ich eine Unterhaltung gestört , mit wem habe ich denn das Vergnügen? Ich bin übrigens Germanica Laevina, eine Großtante des Senators" fügte sie in ihrem liebenswertesten Tonfall hinzu.