Beiträge von Germanica Laevina

    Laevina hörte aufmerksam zu, während Sedulus die Namen einiger Gentes aufzählte und speicherte die entsprechenden Informationen in ihrem Gedächtnis ab. In den nächsten Tagen würde sie damit beginnen, sich ein wenig bei den genannten Familien umzuhören. Dass die Tiberier und Flavier scheinbar nicht zu den besonderen Freunden ihrer Familie gehörten, weckte sofort ihre Neugier, aber sie hatte keinerlei Interesse daran, direkt am ersten Abend durch zu penetrante Nachhakerei aufzufallen. Avarus wirkte in seinen Äusserungen ohnehin schon reserviert genug, also war es jetzt angezeigt, diese spezielle Informationsquelle ein wenig zu schonen.
    Ganz offensichtlich traute er ihr nicht über den Weg, aber das nahm Laevina ihm nicht übel. In seiner Position war Wachsamkeit schließlich eine der wichtigsten Eigenschaften, und auch sie selbst würde ein neues und fast unbekanntes Familienmitglied zunächst sehr genau unter die Lupe nehmen und beobachten.
    Irgendwann würde ihrem Cousin zweifellos klar werden, dass Laevina tatsächlich willens war all ihre Bemühungen (naja, fast alle) in den Dienst der Gens Germanica zu stellen, und dann war immer noch genug Zeit, um etwas vertraulicher über all die gesellschaftlichen und politischen Verwicklungen in Rom zu sprechen.


    Und so dankte sie den beiden Männern mit einem Kopfnicken und wandte dann ihre Aufmerksamkeit wieder der in ihren Ohren höchst langweiligen Diskussion über Haustiere zu.

    Laevina war von Valerians Ausführungen durchaus beeindruckt, auch wenn sie sich das niemals hätte anmerken lassen und statt dessen ihren skeptischen und abwartenden Blick beibehielt. Offenbar hatte sie den jungen Mann unterschätzt, er war tatsächlich alles andere als dumm und ganz offensichtlich auch um einiges höflicher und besser erzogen als Sedulus, dachte sie mit einem grimmigen Seitenblick auf ihren jüngeren Verwandten. Auf jeden Fall hatte er ihr mit seiner formvollendeten Entschuldigung sehr raffiniert den Wind aus den Segeln genommen, und sie beschloss, das Thema der unseligen Meilina damit fürs erste ruhen zu lassen und sich großmütig zu zeigen.


    "Nun, ich danke dir für deine Entschuldigung und nehme sie gern an, zumal du ganz offensichtlich keine Schuld am Fehlverhalten deiner Verwandten trägst. Sollte ihr Bruder allerdings ähnliche Verhaltensmuster an den Tag legen, kann ich dir nur empfehlen, die Mitglieder deiner Familie künftig besser im Auge zu behalten, denn derartige Eskapaden können eine Gens schnell in Verruf bringen."


    Wirklich großmütig wäre es natürlich gewesen, an dieser Stelle auf das in Aussicht gestellte Geschenk zu verzichten, aber das sah Laevina nun wirklich nicht ein. Sie war vielmehr schon ausgesprochen gespannt, ob Valerian bei der Auswahl seiner Gabe ebenso viel Geschick zeigen würde wie bei seiner Entschuldigung...



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    Quadrata, Servus


    Mittlerweile hatte auch die getreue Quadrata das Oecus betreten, und Laevina beschloss sich von den beiden Herren zu verabschieden.


    "Ich werde euch nun wieder allein lassen, damit ihr euch wieder euren spannenden Themen zuwenden könnt. Es hat mich gefreut, dich kennenzulernen, Valerian." zwitscherte sie freundlich zum Abschied. Das gleich darauffolgende "Wir sehen uns dann sicher bei der Cena, lieber Sedulus" fiel allerdings ein paar Grade kühler aus. Mit diesen Worten stützte sie sich auf Quadrata und gemeinsam schritten die beiden alten Damen aus dem Oecus.

    Mittlerweile war sie bei dem höchst einschläfernden Gesprächsthema der beiden Männer fast weggedämmert, die Zeiten, als sie sich noch für den körperlichen Zustand der männlichen Bevölkerung interessiert hatte, lagen nämlich schon eine geraume Weile zurück. Dankenswerterweise besaß sie die Fähigkeit, sich wie ein Uhu mit geöffneten Augen zu entspannen, doch jetzt brachte sie Valerians Bemerkung schnell wieder in die Gegenwart zurück.
    Im Grunde war es gar keine so schlechte Idee, sich wieder zurückzuziehen, schließlich hatte sie alles erfahren, was sie wissen wollte, und das übrige Gespräch konnte ihr eigentlich auch egal sein. Wer wusste schon, wie lange Sedulus und Valerian sich noch über Nichtigkeiten unterhalten wollten, Laevina hatte jedenfalls kein gesteigertes Interesse daran, einen Großteil ihrer noch verbleibenen Lebenszeit in diese langweiligen Oecus zu verbringen. Sie sah Valerian an und zwitscherte dann liebenswürdig:


    "Junger Mann, es ist sehr nett von dir, dass du dir solche Gedanken um mein Wohlgefallen machst. Vielleicht könnte ja jemand meine getreue Quadrata informieren, die wird mir gern zur Seite stehen und es muss sich kein anderer Sklave dieses Hauses (die nach Laevinas Meinung ohnehin alle faul und unfähig waren) um mich bemühen."


    Sie machte bereits Pläne für den Rest den Tages, als ihr plötzlich noch ein Gedanke kam. Du meine Güte, scheinbar drohte sie wirklich senil zu werden, jetzt hätte sie doch um ein Haar dieses kleine Monstrum auf dem Forum vergessen....


    "Bevor ich mich verabschiede, muss ich leider noch mit dir über ein wenig erfreuliches Thema sprechen, junger Valerian." sie musterte ihn genau, während sie fortfuhr.


    "Vor einigen Tagen hatte ich einen höchst unerfreulichen Zusammenstoß mit einem jungen Geschöpf, dass mir mit einem Ball zuerst eine höchst schmerzhafte Verletzung am Kopf beigebracht hat, um sich dann zu allem Überfluss auch noch in hochst ungebührlicher Weise zu äussern. Das schockierendste an dieser Episode ist jedoch, dass dieses Mädchen, wenn es denn ein Mädchen war, behauptet hat, zu deiner Gens zu gehören. Ich kann das kaum glauben, denn sie war nicht nur gekleidet wie ein Hafensklave sondern hatte auch die dazu passende Wortwahl und war darüber hinaus in einem alles andere als hygienischen Zustand..." Gespannt auf seine Reaktion fasste Laevina den jungen Quintilier genau ins Auge.

    Oh, ihr Götter! Warum in aller Welt mussten Männer nur so unsäglich langweilig sein.....Scheinbar war das Alter dabei vollkommen egal, sobald sie sich über irgendwelche Gladiatoren-Gemetzel oder stinkende Gäule unterhalten konnten, bekamen sie sofort leuchtende Äuglein und waren nicht mehr zu stoppen. Unfassbar, dass die Welt nicht längst von Frauen regiert wurde, die wären sicherlich ein bisschen mehr auf Zack!
    Laevina unterdrückte nur mit Mühe ein Gähnen, aber sie war sich auch ziemlich sicher, dass Sedulus, dieser undankbare Wurm, sie im Grunde nur loswerden wollte.
    Ha, wenn er sich da mal nicht geschnitten hatte! Im Aussitzen von langweiligen Situationen war sie eine wahre Meisterin, im Grunde hatte sie ja in den letzten 33 Jahren in der Campania nichts anderes getan.
    Also lächelte sie liebenswürdig, setzte sich ein bisschen bequemer hin, und begann in Gedanken schonmal ihre Unternehmungen für die nächsten Tage und Wochen durchzugehen. Schlimmer als ein Abendessen mit dem verstorbenen Schnarchsack Vindex konnte das hier auch nicht werden....

    So eine Unverschämtheit! Am liebsten hätte Laevina Sedulus ihren momentan nicht vorhandenen Gehstock dahin gerammt, wo die Sonne niemals schien, aber schließlich hatte sie mit dem Jungen in Zukunft noch einiges vor, denn seine Karriere verlief im Moment ausgesprochen vielversprechend, da war sicherlich noch einiges für ihre Gens zu holen.
    Daher verbarg sie ihren Zorn perfekt und setzte stattdessen einen betroffenen Gesichtsausdruck auf.


    "Nun, vielleicht habe ich im Stammbaum etwas durcheinander gebracht, ich bin ja schließlich nicht mehr die Jüngste und es macht mich so unsagbar glücklich, auf meine alten Tage noch zu meiner geliebten Familie zurückgefunden zu haben." sie seufzte auf.


    "Und ich kann gar nicht glauben, was du da sagst, Sedulus. Warum sollten sich die Sklaven daran erfreuen, eine alte gehbehinderte und hilflose Frau zu quälen?"


    Erfreut nahm sie zur Kenntnis, dass der junge Mann so höflich war, sich selbst vorzustellen, nachdem Sedulus sie derart schmälich übergangen hatte.


    "Nun, es freut mich auch ganz ausserordentlich" sagte sie liebenswürdig. Dann seuftze sie auf, fasste sich mit einem schmerzverzerrten Blick an die Hüfte und ließ sich dann ächzend auf einem der freien Stühle im Oecus nieder.


    "Verzeiht, aber ich muss mich leider einen kleinen Moment lang ausruhen, die lange Suche nach meinem Stock hat mich doch sehr erschöpft. Lasst euch von mir bitte nicht in eurem Gespräch stören, ich werde auch gar nicht zuhören...." fügte sie mit leidendem Gesichtsausdruck hinzu und spitzte schon mal die Ohren.

    Welch überaus erhellende Unterhaltung....Laevina hielt sich bereit seit geraumer Zeit vor dem Eingang zum Oecus aber natürlich ausserhalb des Blickfeldes der beiden Männer auf und verfolgte mit großem Interesse deren Gespräch.
    Erfreulicherweise hatte ihr Neffe bei seinem Eintreten die Tür offen gelassen und so konnte sie bequem alles mithören, was die beiden von sich gaben, ohne sich übermäßig anzustrengen.


    Die Information, dass es sich bei Valerian um einen Prätorianer handelte, beeindruckte Laevina nicht im geringsten. In ihren Augen waren alle Soldaten großmäulige Wichtigtuer, die sich mit ihren Uniformen wichtig machten. Und besonders schlau waren die meisten auch nicht, zweifellos gab es unter ihnen etliche Exemplare, die zwar dumm waren wie Brot, aber über genügend Muskeln verfügten, um einen Speer hochzuhalten, und größere Anforderungen kamen in der Armee ja kaum auf sie zu...


    Dann begann der junge Mann herumzudrucksen, und Laevina atmete erleichtert auf, als er seinen Heiratsantrag herausbrachte. Was für ein Glück! Seit ihrem Streit mit Calvena machte sie sich um deren Tugend keine Illusionen mehr; jemand, der derart unbeherrscht reagierte, nur weil eine alte Dame einen unschuldigen Blick in ihr Zimmer warf, hatte zweifellos eine Menge zu verbergen! Und da kam auch schon gleich die Bestätigung....Soso, in der Subura hatte sich das kleine Biest also herumgetrieben, zwischen all den Verbrechern und Huren dort.... Scheinbar besaß Calvena von Seiten ihrer unbekannten Mutter schlechtes Blut, und das hatte sie offenbar instinktiv zu ihren Wurzeln zurückgetrieben....Aber egal, wenn dieser Tölpel dort im Oecus sie heiraten wollte, dann konnte ja zumindest ein drohender Skandal von der Familie abgewendet werden, falls sich diese Geschichten mal rumsprechen sollten. Laevina beschloss sich den Knaben mal etwas genauer anzusehen, schließlich hatte Sedulus ja inzwischen Zeit genug gehabt um seinen Part zu spielen....


    Sich scheinbar nach etwas umsehend betrat Laevina den Oecus und setzte eine überraschte Miene auf.


    "Oh, Verzeihung, Sedulus" zwitscherte sie dann. "Ich bin auf der Suche nach meinem Gehstock, du weißt ja, ohne ihn bin ich ganz hilflos...."


    Dann betrachtete sie, als wäre sie erst jetzt auf ihn aufmerksam geworden, den jungen Mann. Immerhin war er anständig rasiert und angezogen, und auf den ersten Blick sah er auch nicht wie ein Sittenstrolch aus, aber es gab ja nicht umsonst das schöne Bild vom Wolf im Schafspelz....Dann entdeckte Laevina die kleine frischverheilte Narbe über seiner Augenbraue und dachte sofort an den Brief, dessen Inhalt ihr noch sehr präsent war. Soso, also war er tatsächlich der Rüpel, der den Brief geschrieben hatte.
    Laevina machte eine kleine Bestandsaufnahme. Der Marktwert ihrer Großnichte war nach diesen Eskapaden eindeutig nicht mehr allzu hoch, dafür hatte das liebe kleine Kind selbst gesorgt. Und dieser Knabe schien aus guter Familie zu sein, ein festes Einkommen zu haben und war offenbar auch noch intelligent genug, um geradeaus zu laufen und sinnvolle Sätze zu formulieren. Mehr konnte Calvena nun wahrlich nicht mehr verlangen, im Grunde war sie mit diesem Valerian noch viel zu gut weggekommen...
    Und je eher die Hochzeit stattfinden würde, desdo früher würde sie sich wieder entspannen können, und das war ja auch schon sehr viel wert....


    "Es tut mir furchtbar Leid, offenbar habe ich eine Unterhaltung gestört , mit wem habe ich denn das Vergnügen? Ich bin übrigens Germanica Laevina, eine Großtante des Senators" fügte sie in ihrem liebenswertesten Tonfall hinzu.

    Laevina folgte ihrem Neffen Sedulus mit einigem Abstand, damit er nichts davon mitbekam. Natürlich waren auch ihr die Gerüchte über den wildgewordenen Bären, der auf eine Gruppe junger Frauen losgegangen war, zu Ohren gekommen und die aufkeimende Sorge um ihre Enkelin Serrana und ihre Großnichte Calvena hatte sie direkt aus dem Haus getrieben. Zwar war sie auf letztere aufgrund des heftigen Streits in deren Zimmer alles andere als gut zu sprechen, aber immerhin gehörte das Mädchen zur Familie und das war entscheidend. Wenn sie Calvenas Anspielungen richtig verstanden hatte, kannten sich die beiden Mädchen und waren vermutlich auch heute gemeinsam unterwegs. Laevina spürte, wie ihre Nervosität immer größer wurde, schließlich war Serrana derartig unbedarft und arglos, dass sie selbst einem wilden Bären vermutlich lächelnd in die Arme laufen würde....


    Mittlerweile konnte sie in der Ferne den Brunnen sehen und ganz in der Nähe den blutigen Kadaver des Bären. Nach einigem Herumspähen machte sie in der Gruppe der Anwesenden erst Calvena und dann Serrana aus, die bei ihrer riesigen Sklavin Adula stand. Laevina entfuhr unwillkürlich ein Seufzer der Erleichterung, Serranas neues Kleid weckte zwar sofort ihr Misstrauen, aber die Freude, nach ihrer Tochter nicht auch noch die Enkelin verloren zu haben, überwog in diesem Fall.


    Vorsichtig, um von niemandem auf dem Platz erkannt und eventuell in die dort im Moment vorherrschenden Rührseligkeiten gezogen zu werden, drehte Laevina sich um und ging zufrieden zurück zur Casa Germanica.

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    Quadrata, servus




    Nach dem sie in Rekordgeschwindigkeit den Weg von der Porta bis zu Laevinas Räumlichkeiten zurückgelegt hatte, gab sich Quadrata an der Tür mit dem seit Jahrzehnten zwischen ihnen genutzten Klopfzeichen erkennbar und huschte zu ihrer Herrin ins Zimmer.


    "Herrin, im Oecus wartet ein junger Mann namens Quintilius Valerian auf den Senator Sedulus."


    Laevina, die sich gerade furchtbar langweilte, schaute von der Lektüre einiger alter und höchst langweiliger Briefe auf. Im ersten Augenblick klang die Nachricht gar nicht so interessant, vermutlich irgendein junger Schnösel, der sich bei Sedulus einschleimen wollte, um seine Karriere voranzubringen. Als Quadrata ihr dann jedoch den Namen nannte, wurde Laevina aufmerksam, denn er enthielt gleich zwei Teile, die ihr merkwürdig vertraut waren.
    'Quintilius'......ob er wohl zu der Sippe von diesem verrohten kleinen Balg auf dem Forum gehörte? Bislang hatte sie sich ja aus reiner Nettigkeit noch nicht zu der entsprechenden Familie aufgemacht, um ein Schmerzensgeld auszuhandeln...
    Und der Name 'Valerian' war ihr seit ihrem Zusammenstoß mit ihrer Großnichte ohnehin ins Gedächtnis eingebrannt. Vielleicht handelte es sich bei dem Besucher ja um den verrohten Schläger, mit dem ihre verlotterte Nichte offenbar heimlich um die Häuser zog....


    Wie überaus praktisch, wenn sie Glück hatte, würde sie sich eine Menge Lauferei und Arbeit ersparen können.


    Sie nickte Quadrata zu. "Ist gut, ich weiß Bescheid. Geh jetzt, und informiere Sedulus über seinen Besuch." Dass Quadrata zuerst zu ihr gekommen war, bezweifelte Laevina nicht eine Sekunde. Das alte Mädchen wusste ganz genau, wer für sie in diesem Haus die wichtigste Person war.

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    Sie musterte den jungen Mann unauffällig, und da er zum einen gut gekleidet war und sich auch gepflegt ausdrücken konnte, sah sie keinen Grund, ihn nicht ins Haus zu lassen.


    "Aber natürlich, komm doch bitte herein und folge mir." sagte sie höflich und geleitete ihn in den Oecus .Dann machte sie sich in Windeseile auf den Weg, um zunächst ihre Herrin Laevina und dann den Senator Sedulus über den Besuch zu informieren.

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    Quadrata, seit immerhin 46 Jahren treue und verlässliche Leibsklavin der Germanica Laevina befand sich gerade zufällig in der Nähe der Porta, als sie das Klopfen hörte. Sie sah sich schnell um und nutzte dann die Gelegenheit, um schnell zur Tür zu flitzen und diese zu öffnen.
    Wenn sie eins in dem knappen halben Jahrhundert mit ihrer Herrin gelernt hatte, dann, dass es immer von großem Vorteil war, wenn über alles Bescheid wusste...


    Neugierig blickte sie hinaus und betrachtete den jungen Mann, der vor der Porta stand.


    "Salve, Herr, was führt dich hierher?"

    Calvenas Beleidigungen hatten es in sich und in Laevina stieg der kalte Hass auf. Am liebsten hätte sie dem kleinen Biest am liebsten die Finger in beide Augen gedrückt. Nun zahlte es sich mal wieder aus, dass sie jahrzentelang an ihrer eisernen Selbstbeherrschung gearbeitet hatte, denn diese ließ sie auch jetzt nicht im Stich.


    Sie erhob sich ruhig und würdevoll aus ihrem Sessel und sah Calvena dann mit äusserlich unbewegter Miene an. Sollte die Kleine sie ruhig anstarren, dieses Spiel spielte sie schon um einiges länger und so schnell würde sie auch niemand darin schlagen.


    "Nun denn, ganz offensichtlich verschenke ich hier nur unnötige Zeit. Ich hatte vor, mit dir vernünftig zu reden, aber scheinbar habe ich deinen gesunden Menschenverstand überschätzt. Es gibt sicherlich einen Grund, warum dir die einfachsten Grundlagen für eine zivilisierte Unterhaltung fehlen, aber den werde ich sicher bald erfahren."


    "Und damit eins klar ist..." bei diesen Worten lächelte sie leicht. "Ich habe Zeit meines Lebens dafür gekämpft, dass in meiner Gegenwart den römischen virtudes Genüge getan wird, und das wird sich auch in diesem Haus nicht ändern, nur weil kleines verliebtes Mädchen gern ein wenig ungestört herumspielen will. Von jetzt an werde ich dich ganz genau im Auge behalten." mit diesen Worten drehte sie sich um und rauschte aus dem Zimmer.

    Mit einiger Befriedigung beobachtete Laevina, dass Calvena ihr ins Nebenzimmer folgte. Zwar setzte sie sich nicht wie aufgefordert hin, aber das wäre zweifellos auch schon eine Übung für Fortgeschrittene in Sachen Selbstbeherrschung gewesen...


    So ließ sie denn mit einem Blick auf die Körperhaltung ihrer Großnichte einen kleinen resignierten Seufzer hören und sagte dann:


    "Von mir aus kannst du gern auch stehenbleiben, aber stell dich doch bitte anständig hin. Derartige Posen kenne ich normalerweise nur von den Hafenarbeitern in Ostia, und mit denen hast du ja wohl hoffentlich nichts zu tun..."


    Calvenas letzte Bemerkung erwischte sie dann allerdings unvorbereitet, und in ihrem Kopf begann eine kleine rote Lampe zu leuchten.


    "Was hast du da gerade gesagt? Serrana? Was hast du mit Serrana zu schaffen?" fragte sie argwöhnisch und es fiel ihr diesmal deutlich schwerer, ihren freundlichen Tonfall einigermaßen beizubehalten.

    Sieh an, ihre Großnichte schien trotz ihres impulsiven Wesens offenbar in der Lage zu sein, sich zu beherrschen falls es notwendig war, dachte Laevina mit einiger Zufriedenheit, die sie sich natürlich nicht anmerken ließ.


    Die Ruhe selbst schwebte sie an Calvena vorbei, ließ sich im Vorraum gemütlich auf einem der beiden Korbsessel nieder und bedeutete dem Mädchen großzügig sich auf den anderen zu setzen. Dass sie sich hier in den Räumlichkeiten eines anderen Familienmitglieds befand, kümmerte sie in keinster Weise, schließlich ging es darum ein Zeichen der Stärke zu setzen und ein paar klärende Worte zu sprechen.


    "Setz dich bitte, meine Liebe" sagte sie liebenswürdig zu Calvena. "Du hast doch sicher nichts dagegen, wenn wir uns wie gesittete Menschen über dieses Thema unterhalten, nicht wahr? Ich würde mich gern deutlich und ausführlich dazu äussern, das dürfte wohl in unser beider Interesse sein, und in meinem Alter steht man nicht mehr gern stundenlang in der Gegend herum wie ein Haussklave." Bei dem letzten Satz glitt ihr Blick kurz zu Elissa hinüber, aber dann wandte sie sich wieder Calvena zu. Mit der jungen Sklavin würde sie sich später befassen.

    Der kleinen Sabina gelang es offenbar bereits hervorragend, sowohl ihren Vater als auch ihren Großonkel um den kleinen Finger zu wickeln. Laevina betrachtete dies durchaus mit einem gewissen Amüsement aber auch mit einer gehörigen Portion Skepsis. In ihren Augen sollten Kinder nicht derartig verwöhnt werden, das machte sie nur weich und unfähig, selbst erfolgreich für eine Sache zu kämpfen. Aber immerhin hatte die Kleine gerade ihre Mutter verloren, daher entschied sich Laevina ausnahmsweise großzügig zu sein. Ihrer Enkelin hatte sie eine solche Atempause damals nicht gegönnt, aber da hatte sie auch schalten und walten können, wie sie wollte.


    Nun wurde es allerdings Zeit, sich mit wirklich wichtigen und zukunftsweisenden Dingen zu beschäftigen und Laevina wandte sich an ihren Cousin und ihren Neffen.


    "Ich denke, es gehört zum guten Ton, wenn ich in den nächsten Tagen damit beginne, den Häusern der übrigen wichtigen Gentes in dieser Stadt meine Aufwartung zu machen. Habt ihr einen Vorschlag, wo ich am besten damit beginnen sollte? Und gibt es irgendwelche Familien, die mir aus was auch immer für Gründen die Tür vor der Nase zuschlagen würden? Auf jeden Fall kann es nicht schaden, wenn die römische Gesellschaft wahrnimmt, dass es ausser Calvena auch noch andere weibliche Germanica gibt. Auch wenn es sich nur um eine alterschwache Matrone handelt....."


    Laevina lächelte vergnügt. Sie wusste, dass ihr Alter durchaus ein Vorteil sein konnte, schließlich wurden alte Damen gemeinhin als harmlos eingestuft und durch die Bank unterschätzt, und das konnte ihr bei ihren Erkundungsgängen ja nur recht sein....

    Laevina nickte bei Sedulus' Ausführungen. Ja, da hatte er wohl recht und leider waren Gefühle wie Trauer und Verlust schwerer zu steuern als die meisten anderen, damit hatte sie wahrlich eine Menge Erfahrung. Es war schon seltsam.... über 30 Jahre lang hatte ihr verstorbener Mann Lento sie mit seinem gutmütigen und nachgiebigen Wesen auf die Palme gebracht und sie hatte ihn mehr als einmal in den Orcus gewünscht. Und jetzt, wo das endlich eingetreten war, fehlte er ihr seltsamerweise...
    Aber egal, dass sollte sie nicht davon abhalten, sich ihre letzten Lebensjahre so angenehm wie möglich zu gestalten.


    "Ja, so ein Verlust kann einen Menschen für eine Weile aus der Bahn werfen, aber er macht ihn immerhin auch stärker. Ich habe im Laufe meines Lebens zwei meiner Kinder und meine beiden Ehemänner zu Grabe getragen, ich weiß, wovon ich rede..."


    In einer normalen geselligen Runde hätte sie niemals derart offen gesprochen, aber schließlich befand sie sich hier unter Familienmitgliedern, da konnte man sich das ausnahmsweise mal gestatten. Um sich wieder auf andere Gedanken zu bringen, lauschte sie dem Gespräch zwischen Avarus und der kleinen Sabina, und zuckte leicht zusammen, als sie den Namen von deren Freundin hörte. Alba....Schnell verscheuchte sie den Gedanken an ihre tote Tochter wieder, für heute hatte sie genug in Sentimentalitäten geschwelgt...

    Laevina beobachtete Sedulus jetzt schon eine ganze Weile und erkannte deutlich, dass es um dessen Gemütslage mittlerweile genauso schlecht stand wie um ihre zu Beginn der Cena, als sie gezwungen gewesen war, über ihre toten Kinder zu sprechen. Für einen kurzen Moment spürte sie Mitgefühl, das normalerweise nicht unbedingt zu ihren herausragendsten Eigenschaften gehörte, und wunderte sich ein wenig über sich selbst. Daher verzichtete sie auch ausnahmsweise mal auf ihre diversen falschen Tonlagen und sagte mit ruhiger Stimme:


    "Sedulus, ich bin kein Mensch, der gerne mit Floskeln und leeren Trostworten um sich wirft, aber dein Verlust tut mir wirklich leid. Ich hoffe, du verstehst mich jetzt nicht falsch, aber irgendwann wird es dir und deiner Tochter wieder besser gehen, auch wenn es im Moment nicht so aussehen mag."


    Avarus' Ausführungen über die Krankheiten unter den diversen Patrizierfamilien überraschten sie wenig. Dieses degenerierte Pack lebte doch schon seit Jahrhunderten von den Heldentaten seiner lang begrabenen Vorfahren, kein Wunder dass da allmählich die Luft raus war. Es wurde wirklich mal wieder Zeit für ein paar Veränderungen.

    Laevina erwiderte Elissas Blick ruhig und mit einem feinen Lächeln auf den Lippen. Nun denn, dieses kleine Biest wollte es offensichtlich darauf ankommen lassen. Sie würde sich in aller Ruhe etwas passendes für dieses unverschämte Weibstück einfallen lassen, das es gewagt hatte, sie der Schnüffelei zu bezichtigen. Nicht, dass das nicht zutreffend gewesen wäre, aber das musste sich Laevina vom Hauspersonal nun wirklich nicht bieten lassen.


    Dann sah sie Calvena an, die immer noch völlig ausser sich war. Tststs...mangelnde Selbstbeherrschung war immer von Nachteil, vielleicht würde das Kind das irgendwann noch lernen.


    Um als gutes Beispiel voranzugehen sprach sie auch jetzt in ruhigem und höflichem Tonfall weiter.


    "Es ist ganz rührend, dass du dir solche Sorgen um mich machst. Ich weiß das sehr zu schätzen..." sie lächelte freundlich. "Und wenn du dich wieder beruhigt hast, werde ich dir auch gern auf deine Frage antworten"


    Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich Elissa Richtung Tür bewegte und rief ihr hinter her: "Oja, geh ruhig, Avarus wird sicher gern darüber Bescheid wissen, dass sich seine unverheiratete Nichte mit einem Schläger herumtreibt und ihrer Familie mutwillig Schande macht."

    Laevina warf einen erfreuten Blick auf das kleine Mädchen. Ganz offensichtlich hatte Sabina die Wichtigkeit ihrer lieben alten Großtante bereits erkannt. Kinder hatten da häufig die weit besseren Instinkte...
    Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das politische Gespräch und speicherte alle Namen ab, die von Sedulus und Avarus genannt wurden. In den nächsten Tagen würde sie ihre Hausaufgaben machen und sich intensiver mit den eben genannten Aureliern beschäftigen.