Während Avarus auf sie zu kam, nutzte Laevina die Gelegenheit und musterte ihn etwas genauer. Ausnahmsweise hatte sie einmal nicht lügen müssen, denn ihr Cousin war wirklich ein stattlicher und attraktiver Mann und strahlte zudem eine natürliche Autorität aus, die Laevina schon seit geraumer Zeit bei niemandem mehr hatte beobachten können.
Sie seufzte innerlich auf. Warum hatte ausgerechnet sie gleich zweimal hintereinander derartig in die Jauche greifen müssen? Ihr erster Mann Vindex war derartig langweilig gewesen, dass sie sich erfreulicherweise kaum noch an ihn erinnern konnte, und dabei war sie immerhin fünf Jahre mit verheiratet gewesen….
Und dann war ihr der hübsche Lento zum Verhängnis geworden. Das hatte man davon, wenn man mal für ein paar Tage das Gehirn ausschaltete….drei Tage Leidenschaft und Freude gefolgt von 33 Jahren mit einem Waschlappen…Und was hätte aus einer Frau mit so grandiosen Anlagen wie den ihren alles werden können, wenn sie den richtigen Mann an ihrer Seite gehabt hätte…..Eine vielbeachtete und geehrte Senatorengattin wäre da wohl das absolute Minimum gewesen…wenn nicht gar die Gemahlin des Kaisers....
Laevina verscheuchte ein wenig missmutig diese trüben Gedanken, jetzt hieß es, sich für die nächsten Jahrzehnte optimal zu betten, damit ihr wenigstens ein anständiger Lebensabend gesichert war. Die Nachricht von ihren neuen Gemächern passte da schon hervorragend ins Konzept und Laevina war ausgesprochen neugierig, was sie dort erwarten würde. Vielleicht ergab sich ja sogar die Möglichkeit, sich diese wirklich sehr schön anzusehende Bodenvase an Land zu ziehen und in ihren Gemächern aufzustellen. Eine kostbare Vase für eine kostbare Dame, dachte sie und kicherte innerlich.
Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Avarus zu.
„Mein Lieber, das ist ganz wundervoll von dir, damit habe ich wirklich nicht gerechnet“ ein neues Tränchen schimmerte, dieses mal im rechten Auge.
„Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll, ich bin wegen meines tragischen Verlustes noch völlig am Boden zerstört, aber deine Großzügigkeit wird mir sicher bald wieder auf die Beine helfen….“
Sie erwiderte Avarus’ Händedruck, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. „Wenn es dir recht ist, werde ich mich ein kleines Weilchen zurückziehen und verschnaufen, ich bin ja eine alte Dame und von der beschwerlichen Reise doch ein wenig erschöpft.“
Eigentlich konnte es ihr gar nicht besser gehen, denn während der Fahrt hatte sie sich damit unterhalten, die mitreisenden Sklaven zu schikanieren, und das hatte sie, wie immer, hervorragend fit gehalten. Aber sie war doch mehr als neugierig auf den Rest des Hauses, da ja das Atrium schon so ausgesprochen vielversprechend war…
„Vielleicht könntest du mir später ja ein wenig darüber erzählen, wie es den Germanicern in der letzten Zeit so ergangen ist. Ich würde sehr gern ein wenig mehr über meine lieben und hochgeschätzten Verwandten wissen…"(und dabei direkt ein paar Strategien und Schlachtpläne für die Zukunft entwickeln, aber das behielt sie erst einmal für sich.) Heute sollte noch nichts das Bild der leidgeprüften, liebenswerten alten Dame trüben…..