Es war noch relativ früh am Morgen und Laevina hatte sich erst vor kurzem gut gelaunt und bestens erholt von ihrem Bett erhoben und angekleidet. Im Haus schienen noch die meisten zu schlafen, daher nutzte sie die günstige Gelegenheit sich noch einmal die nette Einrichtung im Atrium etwas genauer anzuschauen. Liebend gern wäre sie auch schon zu einem ersten Inspektionsgang durch den Rest des Hauses aufgebrochen, aber noch hatte ihre Nichte Calvena ihr die Casa und die einzelnen Räumlichkeiten nicht gezeigt.
Aus diesem Grund zügelte sie ihre Neugier noch ein wenig, schließlich würde sie sich wesentlich besser orientieren können, wenn sie erstmal wusste, wer oder was sich hinter welcher Tür befand. Und natürlich vor allem, wer sich zu welchem Zeitpunkt nicht hinter seiner Tür befand, so dass sie die entsprechenden Räumlichkeiten auch ungestört ein wenig inspizieren konnte...
Aber egal, in der Zwischenzeit konnte sie sich ja genauso gut am Anblick des luxuriösen Atriums und all seiner netten kleinen Details erfreuen...
Ihr erster Blick glitt sofort wieder zu der schönen Bodenvase, die ihr schon am Tag ihrer Ankunft aufgefallen war und ihre Miene erhellte sich sofort. Für Vasen hatte sie definitiv eine Schwäche, den Göttern sei Dank hatte Avarus ihre Räumlichkeiten auch mit dem einen oder anderen schönen Exemplar ausgestattet.
Als nächstes fiel ihr ein aus Marmor gefertigter Diskuswerfer in Originalgröße auf, der gerade zum Wurf ausholte und ihr sein makelloses Hinterteil entgegenstreckte. Laevina fuhr erfreut mit der Hand über den leuchtenden Po, wobei sie das kostbare Material deutlich mehr interessierte als das Motiv und stutzte dann. Was war das denn? Staub???? Das konnte doch wohl nicht wahr sein...
Das hiesige Hauspersonal schien sich ja einen schönen Lenz zu machen.... Aber glücklicherweise war sie ja jetzt da und konnte entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten...
Laevina wartete geduldig, bis der erste Sklave arglos seine Schritte in das Atrium lenkte und bellte dann:
"Du da! Komm sofort hierher!" Der Sklave fuhr zusammen, da er sie hinter der Statue vermutlich gar nicht gesehen hatte, und blieb erstarrt an Ort und Stelle stehen.
"Ich sagte hierher!" wiederholte sie noch einmal, diesmal zwar etwas leiser aber in noch schärferem Ton und wies dabei mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf eine Stelle etwa zwei Meter von sich selbst entfernt. Dabei fixierte sie ihn mit unbewegter Miene und ohne auch nur ein einziges Mal zu blinzeln. Auf diese durch langes Üben erworbene Kunst war Laevina ausgeprochen stolz, denn sie kannte niemanden, der es dabei mit ihr aufnehmen konnte. Bei der Cena eines der Duumviri von Nola hatte sie dessen Gattin einmal solange fixiert, bis das dumme Weibstück vor allen Gästen in Tränen ausgebrochen war. Ein herrlicher Abend....
Laevina wartete in aller Seelenruhe, bis der Sklave sich langsam und zögerlich bis zu dem von ihr angezeigten Platz bewegt hatte und hielt ihm dann den staubigen Zeigefinger unter die Nase.
"Siehst du das, du unnützes Subjekt? Das ist Staub!"
Das Wort "Staub" betonte sie mit einem derartigen Ekel, als handle es sich um eine Mischung aus Exkrementen und weit schlimmeren Dingen.
Als der Sklave eingeschüchtert nickte, fuhr sie fort.
"Ich werde von nun an jeden Tag jede einzelne Statue, Truhe und Amphore in diesem Atrium kontrollieren. Und wenn ich auch nur noch ein einziges Mal eine Staubflocke finden sollte, dann werde ich mir einen großen Eimer davon besorgen und dir eigenhändig den kompletten Inhalt in den Schlund schütten. Haben wir uns in diesem Punkt verstanden?"
Der Sklave nickte eifrig mit weitaufgerissenen Augen und Laevina lächelte ihn fröhlich an.
"Ich sehe schon, wir werden wunderbar miteinander auskommen. Du darfst jetzt wieder an die Arbeit gehen"
Der Sklave rannte davon, wie von der Tarantel gestochen und machte sich vermutlich auf die Suche nach einem Staubwedel. Es war eben wichtig, das Hauspersonal immer so gut wie möglich zur Arbeit zu motiveren....