Beiträge von Aulus Tiberius Ahala Tiberianus

    Celsus begrüßte nun auch Durus und nickte nur zustimmend, als dieser Septima über ihre familiäre Verbindung aufklärte. Ihre Beileidsworte klangen aufrichtig und nicht nach einer dahergesagten Floskel, und der junge Tiberier war ihr aufrichtig dankbar dafür. Der lange zurückliegende Tod seines Vaters machte ihm schon seit geraumer Zeit nichts mehr aus, aber die schwere Krankheit und das Sterben seiner Mutter hatten ihm doch mehr zugesetzt, als er öffentlich zugeben würde.


    "Das ist sehr nett von dir, Septima, vielen Dank." sagte er daher ausnahmsweise einmal ohne das übliche Grinsen und ließ sich dann auf einer der Clinen nieder.


    Bei ihrer Frage an Durus spitzte Celsus automatisch die Ohren, denn das interessierte ihn durchaus auch. Wer wusste schon, wie Durus' zukünftige Gattin darauf reagieren würde, wenn man ihr aus heiterem Himmel einen erwachsenen Sohn vor die Nase setzte...

    Auch Celsus nahm erfreut die positive Voraussage des Haruspex zu Kenntnis. Wenn sich Durus in seinem hohen Alter noch eine Ehe zumutete, dann sollte er doch auch wenigstens noch etwas davon haben! Abgesehen davon bedeutete eine größere Kinderschar, dass er selbst nicht so sehr in den Mittelpunkt des Interesses gerückt wurde, und das war ihm im Grunde nur Recht...


    Septimas Bemerkung über seinen Intellekt brachte ihn zum schmunzeln. Als er ihr antworten wollte, stellte Celsus fest, dass er sich schon wieder den Hals verrenken musste um sie anzusehen.


    "Wo wir gerade beim Üben sind... Was hältst du davon, wenn du dich zur Abwechslung mal neben mich stellst und mir und den übrigen Gästen deinen Anblick gönnst? Sonst kommt hinterher noch jemand auf die Idee, du hättest Warzen im Gesicht oder ich vielleicht Mundgeruch..." zwinkerte er ihr zu.


    Nachdem er bereits auf ihre Hinweise hin die wichtigen anwesenden Herren abgenickt hatte, begann Septima jetzt mit dem für ihn wesentlich interessanteren Teil: den weiblichen Gästen.
    Sein Blick folgte ihrer Beschreibung und Celsus nickte anerkennend, als er Flavia Celerina ansah, die tatsächlich sehr hübsch anzusehen war. Dann ging es auch schon weiter mit den Namen, und die Augen des jungen Tiberiers weiteten sich leicht, als er die junge, schwarzhaarige Frau betrachtete, die laut Septima eine Aurelia war.


    "Oh, ich bitte darum, und meinetwegen kann es auch gern früher als später sein. Angenehme Gesprächspartner kann man doch nie genug haben, findest du nicht?" sagte er dann mit einem leichten Grinsen und einem weiteren Blick auf Prisca.

    Die liebe Septima verstand es wirklich ziemlich gut sich elegant aus der Affaire zu ziehen, dachte Celsus anerkennend, der es auf diesem Gebiet auch schon zu einiger Perfektion gebracht hatte.


    "Wer hätte gedacht, dass mir unsere Verwandtschaft direkt derartige Nachteile einbringt." antwortete Celsus amüsiert. "Es sei denn, du möchtest zumindest das Ego deines lieben Cousins schonen, nachdem er sich bereits als intellektuelle Katastrophe offenbahrt hat."


    Auf Septimas Fingerzeig hin drehte er sich wieder zu den beiden Hauptpersonen des heutigen Tages um und setzte den passenden halb beeindruckten, halb ergriffenen Gesichtsausdruck auf, während Durus seine Ansprache hielt. Leicht verwirrrt nahm dabei zu Kenntnis, dass Septima schon wieder in seinem Rücken verschwunden war. Glücklicherweise besaß Celsus aufgrund seiner nicht unerheblichen Erfolge bei der sizilianischen Damenwelt ein recht gesundes Selbstbewusstsein, dennoch fragte er sich allmählich, warum es die junge Tiberia so offensichtlich vorzog, sich mit seinem Hinterkopf zu unterhalten. Krankhaft schüchtern schien sie doch nun wirklich nicht zu sein...
    Dann begann der Haruspex mit seinem Werk und Celsus folgte der Zeremonie ohne besonderes Interesse. Zwar konnte auch er blutigen Opferungen nicht allzu viel abgewinnen, aber sie machten ihm auch nichts weiter aus.


    "Der Mann versteht sein Handwerk, es wird sicher bald vorbei sein." sagte er leicht nach hinten gewandt, um Septima ein wenig zu beruhigen.

    Celsus betrat mit gemischten Gefühlen das Triclinium zur ersten gemeinsamen Cena im Kreise seiner neuen Familie. Da er bei seiner letzten Mahlzeit im Gasthaus vor lauter Nervosität kaum einen Bissen herunterbekommen hatte, hatte er mittlerweile Hunger wie ein Wolf. Andererseits hatte er keine Ahnung, was ihn von Seiten seiner tiberianischen Verwandtschaft am heutigen Abend erwarten würde. Wenn er richtig informiert war, dann wurde die Villa Tiberia zur Zeit ausser Durus nur von weiblichen Familienmitgliedern bewohnt. Celsus erinnerte sich noch gut an die eine oder andere Cena, die er daheim auf Syracusae mit seiner Mutter, deren dicker, schwitziger Schwester Servilia Perolla sowie seiner pickligen Cousine Vitula hinter sich gebracht hatte und schauderte leicht. Hoffentlich war ihm das Schicksal hier in Rom ein wenig gnädiger...


    Immer noch in Gedanken näherte er sich den Clinen und wurde erst im letzten Augenblick auf das junge dunkelhaarige Mädchen aufmerksam, das sich bereits dort niedergelassen hatte. Das war in der Tat ein Gnadenbeweis der Götter!


    "Salve, ich bin Aulus Tiberius Celsus, und wer auch immer du sein magst, ich bin ausgesprochen erfreut deine Bekanntschaft zu machen." sagte er mit einem breiten Grinsen, als er sich seiner (was war sie denn überhaupt?) näherte.

    Täuschte er sich, oder rückte ihm die liebe Verwandte da gerade ganz schön auf die Pelle? Natürlich konnte das ein Zufall sein, aber irgendwie hatte Celsus das Gefühl, dass Septima nicht ganz so lieb und unschuldig war, wie sie sich gab. Da war es doch nur höflich, das Spiel ein wenig mitzuspielen, zumal er ja auch nicht allzu nah mit ihr verwandt war, zumindest jetzt noch nicht...


    Celsus lehnte sich noch ein kleines bisschen weiter zurück und hörte Septimas Erklärungen aufmerksam zu, während sein Blick unauffällig ihrem Finger folgte. Die drei genannten waren allesamt ziemlich einprägsame Persönlichkeiten, die würde er sich ohne größere Mühen merken können.


    Ihre letzte Bemerkung brachte ihn zum lachen, Celsus drehte sich zu Septima um, stützte sich weiterhin mit einer Hand an der Säule an und grinste seine Verwandte an:


    "Nun, ich muss zugeben, dass mich drei Namen schon ganz schön an meine Grenzen bringen. Vielleichst wärst du ja so nett, den übrigen Gästen Wachstäfelchen mit ihren Namen um den Hals zu hängen, damit sich dein armer Verwandter ein wenig orientieren kann. Von dir lassen sie sich das bestimmt gefallen."


    Jetzt schaute er noch einmal kurz zu Corvinus hinüber und warf sich dann in gespielter Eitelkeit vor Septima in Positur.


    "Sag mal, wenn das da drüben der Bestaussehendste ist, welchen Platz auf deiner Skala nehme ich denn dann ein?"

    Allmählich füllte sich das Atrium zusehends, und Celsus stellte fest, dass er sich seinen Platz hervorragend ausgesucht hatte, um eine gute Übersicht über die anwesenden Gäste zu haben. Als Durus' hübsche Cousine Arvinia festlich gekleidet und sehr den Raum betrat, lächelte der junge Tiberius automatisch, denn Arvinia war ein derart unverstellt offener und liebenswerter Mensch, dass ihr die Herzen der Leute vermutlich nur so zuflogen, und er selbst machte dabei keine Ausnahme. Welcher von den anwesenden jungen Männern wohl ihr Verlobter war?


    Celsus sah sich suchend um und stellte dabei erfreut fest, dass seine zweite weibliche Verwandte, Septima, auf ihn zusteuerte und sich neben ihn stellte. Er gab sich zwar größte Mühe von dem ganzen Treiben um ihn herum unbeeindruckt auszusehen, aber ein klein wenig verloren fühlte er sich unter all den unbekannten Menschen im Moment doch.


    "Ja, da hast du wohl recht." lächelte er zur Begrüßung, doch schon bei ihrer zweiten Frage ging das Lächeln in ein breites Grinsen über.


    "Nun, ich könnte mir sicher etwas unangenehmeres vorstellen, aber ehrlich gesagt, kann ich mir kaum vorstellen, dass dieses Haus in Sachen Schönheit mehr zu bieten hat als die Villa Tiberia." antwortete er seiner ausgesprochen attraktiven Verwandten dann mit einem Augenzwinkern.


    Die zur Hochzeit anwesenden alten Knaben interessierten Celsus da schon weit weniger, aber weil es für spätere Zeiten sicher von Vorteil sein würde, den einen oder anderen beim Namen zu kennen, nickte er dankbar auf Septimas Vorschlag hin.


    "Das ist eine gute Idee, irgendwie sehen hier Moment alle gleich aus..."
    fügte er dann sich halb umdrehend hinzu, da Septima inzwischen hinter ihn getreten war.


    "Fangen wir doch am besten mit dem Wichtigsten an..."

    Hoffentlich war er nicht zu spät dran! Celsus hatte sich an diesem Morgen für seine Verhältnisse ungewöhnlich früh erhoben und sich dem Anlass entsprechend gestriegelt und gespornt, um Durus nicht gleich beim ersten gesellschaftlichen Auftritt unangenehm aufzufallen, zumal es sich dabei auch noch um die Hochzeit des alten Tiberiers handelte.


    Etwas atemlos betrat er das Atrium und sah zu seiner großen Erleichterung, dass noch nicht allzuviele Gäste eingetroffen waren. Durus war selbstverständlich schon da und unterhielt sich gerade mit seiner verschleierten Braut.
    Da Celsus mit Ausnahme seines zukünftigen "Vaters" nur Arvinia und Septima kannte, von der Familie der Braut bislang aber noch niemanden kennengelernt hatte, entschied er sich, für's erste ein wenig im Hintergrund zu bleiben und das weitere Geschehen im Auge zu behalten. Er lehnte sich ein wenig an die nächstgelegene Säule und ließ den Blick ein wenig über die wennigen Anwesenden schweifen. Jetzt erst sah er, dass Septima auch bereits eingetroffen war und lächelte ihr erfreut zu.

    Er würde bitte WEN kennenlernen? Selbst für den nicht übermäßig pietätvollen Celsus war es schon ein ziemlich dicker Brocken, nur wenige Tage, nachdem seine Mutter ins Elysium eingegangen war bereits eine Nachfolgerin präsentiert zu bekommen, ganz zu schweigen davon, dass der entsprechende Bedarf in seinem Alter auch nicht mehr allzu groß war. Wenn das so weiterging, würde es nicht mehr lange dauern, und er würde sich vermutlich fühlen wie ein zehnjähriges Kind.


    Andererseits,....wer hatte schon im Leben die Gelegenheit der Hochzeit der eigenen "Eltern" beizuwohnen? Irgendwie entbehrte das auch nicht einer gewissen Komik....
    Celsus beschloss kurzerhand, sich vorerst auf die angenehmeren Aspekte seiner neuen Familiensituation zu konzentrieren und sich mit dem Rest zu einem späteren Zeitpunkt zu beschäftigen.
    Abgesehen davon hatte er ja auch ein ganz gutes Händchen im Umgang mit älteren Damen, die beiden Schwestern seiner Mutter waren immer ganz entzückt von ihrem charmanten Neffen gewesen. Mit ein bisschen Mühe würde er also sicher ganz gut mit Durus' zukunftiger Gattin auskommen.


    "Das ist sehr freundlich von dir, ich komme selbstverständlich gern. Gibt es denn noch weitere Familienmitglieder, die ich bei dieser Gelegenheit kennenlernen werde?"

    Faszinierend, kaum fünf Minuten und schon hatte er einen neuen Namen. Durus' Effizienz war wirklich beeindruckend....
    Celsus wollte sich gerade ein wenig entspannen, als bereits die nächsten, sicherlich wohlmeinenden Fragen kamen und er schon wieder auf der Hut sein musste.


    "Danke der Nachfrage, ich hatte wirklich eine sehr angenehme Reise. Mein Gepäck befindet sich derzeit noch im Gasthaus, da ich ..ähm...erst sehr spät gestern nacht in Rom angekommen bin, und niemanden hier im Haus stören wollte." gab er auf die erste Frage Antwort.


    Bei dem Wort "Geschäfte" fielen dem jungen Tiberier als erstes die tausend Sesterzen ein, die er seinem alten Bekannten Scopus schon seit geraumer Zeit schuldete. Ob der schmierige Korinther wohl sehr verärgert war, dass Celsus die schon des öfteren recht rigoros angemahnte Rückzahlung im Eifer der eiligen Abreise schlichtweg "vergessen" hatte? Vermutlich war das aber wohl kaum das, was Durus von ihm hören wollte. Celsus schluckte kurz und lenkte seine Gedanken dann in unverfänglichere Bahnen.


    "Nun, es gab ein wenig Aufregung auf den Ländereien der Familie durch die heftigen Herbststürme in diesem Jahr. Hier in Rom habt ihr davon vermutlich nichts mitbekommen, aber die Olivenhaine und auch zahlreiche Wirtschaftsgebäude haben einigen Schaden genommen.
    Und mein Onkel Servilius Corbulo hat beschlossen, von nun an als Anwalt ein wenig kürzer zu treten, er ist ja auch nicht mehr der Jüngste."
    fügte er dann mit dem mitfühlenden Gesichtsausdruck des treuen Neffen hinzu.

    Du liebe Güte, Durus verlor aber auch wirklich keine Zeit! Gleich morgen schon? Das war ganz eindeutig ein Tempo, an das sich der eher gemütlich veranlagte Celsus wohl noch würde gewöhnen müssen...


    "Oh ja, natürlich, wenn du meinst, ich habe nichts dagegen." antwortete er schnell, um sich von seiner Überraschung nichts anmerken zu lassen.


    Der Hinweis auf die Namensänderung brachte ihn dann aber noch einmal ganz kurz aus dem Konzept. Natürlich hätte ihm klar sein können, dass er seinen bisherigen Namen nicht würde behalten können. Was ihn jetzt bewegte, war auch weniger Sentimentalität oder Loyalität dem Namen seines lang verstorbenen Vaters gegenüber, als das Gefühl, dass ihm zusammen mit seinem alten Namen auch seine bisherige Identität ein wenig abhanden kommen könnte. Die war zwar vermutlich nicht besonders beeindruckend für den unbeteiligten Beobachter, aber immerhin war es seine und er hatte 21 Jahre hervorragend damit gelebt. Welcher neue Name bei der Sache letzten Endes herauskommen würde, war Celsus im Grunde relativ gleichgültig, aber wenn er Durus auf diese Weise eine Freude machen konnte, bitte sehr.


    "Ich bin mir der Ehre bewusst, dass du mir den Namen deines Vaters anvertrauen willst und werde ihn selbstverständlich gern annehmen. Ausserdem würde ich gern auf dein Angebot zurückkommen und den Praenomen meines Vaters beibehalten, ich hoffe, dass das für dich in Ordnung ist." fügte er dann hinzu und sah Durus abwartend an. Der alte Praenomen war zwar nicht viel, aber doch immerhin etwas.

    Jetzt, wo die Katze unwiderruflich aus dem Sack war, ging es Celsus erstaunlicherweise besser, und er spürte, wie die Anspannung der letzten Stunden ein wenig nachließ.


    An den Gedanken, in seinem Alter urplötzlich noch einmal einen Vater vor die Nase gesetzt zu bekommen, würde er sich wohl noch gewöhnen müssen. An seinen eigenen hatte er nur noch einige recht verschwommene Erinnerungen, genau wie an seine sonstige Kindheit in Rom. In den letzten zehn Jahren hatte er, von den gutgemeinten aber meist fruchtlosen Ermahnungen und Bitten seiner Mutter einmal abgesehen, meistens tun und lassen können, was er wollte, aber eine innere Stimme sagte ihm, dass es damit wohl nun für's erste vorbei sein würde...


    Dennoch war sein vorherrschendes Gefühl Durus gegenüber immer noch Dankbarkeit, und so erwiderte er bereitwillig dessen Umarmung.
    Der alte Herr schien sich ja tatsächlich ein wenig über seine Zustimmung zu freuen, vielleicht würden sie ja ganz gut miteinander auskommen, auch wenn Celsus nicht das Gefühl hatte, mit seinem älteren Verwandten auf einer gemeinsamen Wellenlänge zu sein.


    "Mich freut es auch, ich danke dir wirklich sehr."


    Wie ging es denn nun wohl weiter? Dem jungen Tiberier gingen sofort zahllose Fragen durch den Kopf, die sein künftiges Leben in Rom betrafen, wollte aber durch zu forsches Nachhaken nicht direkt einen schlechten Eindruck machen. Daher beschränkte er sich auf ein freundliches Grinsen und sah Durus abwartend an, nachdem sich die beiden Männer aus ihrer Umarmung gelöst hatten.

    Celsus war ein bisschen überrascht, als ihm Durus von seiner geplanten Hochzeit erzählte. Diesen Teil der Geschichte hatte ihm seine Mutter tatsächlich nicht mitgeteilt, entweder hatte sie ihm keine Bedeutung zugemessen, oder aber der Gedanke daran hatte ihr nicht besonders behagt.
    Warum wollte er in seinem Alter denn noch heiraten, das lohnte sich doch nun wirklich nicht mehr! Vielleicht hatte sich Durus ja auf die Fahnen geschrieben, die Witwe eines alten Freundes zu trösten? Die Produktion eines Erben war natürlich durchaus ein Argument, allerdings würden sich die beiden alten Leutchen sicherlich ganz schön dabei abmühen müssen, schließlich wurde man ja nicht frischer mit den Jahren! Im Grunde konnte es ihm ja auch egal sein, auf jeden Fall hielt Celsus die lange Jungesellenzeit des alten Tiberiers für eine nachahmenswerte Sache, dadurch konnte er den Gedanken an eine eigene Hochzeit ganz entspannt für die nächsten zwanzig Jahre zur Seite schieben.


    "Oh, das ist aber eine erfreuliche Neuigkeit. Da wünsche ich dir und deiner zukünftigen Gattin natürlich alles erdenklich Gute." reagierte er artig auf Durus' erste Bemerkung.


    Als dieser dann fortfuhr, war es schlagartig mit Celsus' Seelenfrieden vorbei. Also stimmte es tatsächlich, dieser Mann hatte wirklich allen Ernstes vor, ihn als seinen Sohn anzunehmen! Wider Willen war er gerührt, denn ganz egal, was auch Durus' Beweggründe sein mochten, diese Geste war wirklich mehr als großzügig, vor allem einem im Grunde wildfremden Menschen gegenüber. Der junge Tiberier schluckte, denn ihm war klar, dass sich in den nächsten Sekunden unweigerlich entscheiden würde, welchen Weg sein weiteres Leben nehmen würde.
    Und was nun?
    Für einen kleinen Moment meldete sich sein durchaus vorhandenes Gewissen zu Wort: Sei ehrlich zu ihm! Sag ihm die Wahrheit und erspar diesem Mann und auch dir selbst, was unweigerlich folgen wird, wenn du in Rom bleibst! Dann kannst du guten Gewissens wieder heimfahren und dein gemütliches Leben weiterführen!


    Aber wollte er das überhaupt? Wenn er wirklich endlich etwas aus seinem Leben machen wollte, dann war dies DIE Chance. Jeder andere junge Mann in dieser Stadt würde sich zweifellos ohne weiter darüber nachzudenken in des Consuls Arme werfen, wie konnte gerade er dann ablehnen? Und vielleicht schaffte er es ja sogar sich zu ändern, und alles ging gut. Wer wusste das schon? Einen Versuch war es allemal wert, das war er seiner Mutter schuldig.


    Celsus räusperte sich erneut und sagte dann mit ziemlich wackliger Stimme:


    "Du erweist mir und meinen Eltern mit deinem Angebot eine große Ehre, und ich nehme es dankbar und mit der gebotenen Demut an."


    Die Entscheidung war gefallen.

    Durus schien tatsächlich ein wenig betrübt über Caesoninas Tod zu sein, im Grunde eigentlich nur fair, schließlich hatte er in ihr, ohne es zu ahnen, seine größte Bewunderin auf Erden verloren. Wenn er nur daran dachte, wie oft er während seiner Kindheit und Jugend den vorwurfsvollen Satz "Oh, warum kannst du denn nicht ein bisschen mehr wie Durus sein?" gehört hatte, war Celsus auch heute noch versucht, genervt die Augen zu verdrehen.
    Nun hatte sie es immerhin geschafft, ihren unwilligen Sohn nach Rom zu lotsen und ärgerte sich in der Unterwelt vermutlich schwarz, dass sie selbst nicht mehr dabei sein konnte...


    "Ich danke dir sehr für dein Mitgefühl, meine Mutter hat während ihrer Krankheit sehr gelitten, es war sicher das Beste so." antwortete er ernst. Auch ihm selbst hatte Caesoninas langes Leiden zunehmend zugesetzt, und im Grunde war er froh, dass es endlich vorbei war.


    Als der alte Tiberier nach dem Inhalt seines Briefes fragte, war Celsus sofort auf der Hut und entschied sich, für's erste ein wenig ausweichend zu antworten. Wer wusste denn schon, ob seine Mutter sich nicht im Fieberwahn das eine oder andere dazu phantasiert hatte?
    Immerhin war Durus jetzt Konsul, warum sollte er also ausgerechnet Interesse an dem missratenen Sohn eines entfernten Verwandten haben?


    "Nun, sie hat mir gesagt, dass du mir freundlicherweise ein wenig dabei unter die Arme greifen willst, hier in Rom Fuß zu fassen und dem Beispiel meines Vaters zu folgen." fügte er dann hinzu und bemühte sich, seinem Gesicht einen gebührend dankbaren Ausdruck zu verleihen.

    Celsus, der mit einem leicht flauen Gefühl in der Magengrube im Atrium gewartet hatte, nahm die familiäre Begrüßung mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis und beeilte sich dann, sie in angemessener Weise zu erwidern.
    Im Vorfeld hatte er sich bereits einige Gedanken über eine passende Anrede gemacht; das Praenomen verbot sich von selbst, da Durus deutlich älter war als er selbst und als Mitglied einer anderen Generation entsprechenden Respekt verdiente, von den diversen Verwandtschafstbezeichnungen passte auch wirklich keine, und die Anrede "Senator" oder "Konsul" könnte man auch als Schleimerei auslegen. Daher hatte er sich für die höfliche aber auch neutrale Variante entschieden.


    "Salve, Tiberius Durus. Ich möchte dir auch im Namen meiner Mutter von ganzem Herzen für deine Einladung danken. Sie hätte das sehr gern persönlich getan, aber leider ist ihr dafür nicht genug Zeit geblieben."


    Celsus räusperte sich kurz, um den Kloß in seinem Hals loszuwerden und musterte seinen älteren Verwandten dann unauffällig. Er schien etwa im selben Alter wie sein Onkel Corbulo zu sein, strahlte aber wesentlich mehr Autorität aus. Kein Wunder eigentlich, schließlich hatte Durus ja auch deutlich mehr erreicht als der dicke Servilier, der seine Zeit am liebsten in einem Schaukelstuhl schlummernd im Hortus der Familienvilla verbrachte.

    Celsus, der sich in Gedanken bereits auf eine dem Rang des Hauses angemessene salbungsvolle Begrüßung eingestellt hatte, geriet durch das Benehmen und den Tonfall des Ianitors ein wenig aus dem Konzept. Irgendwie fühlte er sich unwillkürlich an den Türsteher seiner Lieblingskneipe im Hafen von Syracusae erinnert und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
    Wenn der Umgangston in diesem Haus insgesamt so locker war, konnte das ihm, der ohnehin eine Schwäche für "volksnahe" Betätigungen und Gesellschaft hatte, ja nur Recht sein....


    Trotzdem entschied er sich, fürs Erste auf Nummer Sicher zu gehen und sich der Situation angemessen vorzustellen.


    "Salve, mein Name ist Aulus Tiberius Celsus, und ich würde gern mit dem Senator Tiberius Durus sprechen."

    Celsus stand vor dem Eingang der Villa Tiberia und liebäugelte ganz kurz mit dem Gedanken, doch noch für einen weiteren Tag in das gemütliche Gasthaus zurückzukehren, in dem er seit seiner Ankunft in Rom bereits einige Tage ausgeharrt hatte.
    Letzten Endes würde ihm das aber auch nur einen kurzen Aufschub gewähren, und so entschied er sich schweren Herzens, die Konfrontation mit seinem neuen Familienoberhaupt sofort hinter sich zu bringen.


    Er räusperte sich, kontrollierte den Sitz seiner Kleidung und klopfte dann kurzentschlossen an die Tür.

    Seit über einer Stunde saß Celsus bereits an seinem Tisch in dem gemütlichen kleinen Gasthaus und stocherte gedankenverloren in den Oliven auf seinem Teller herum.
    Eigentlich hatte er überhaupt keinen Hunger, aber das Essen war ein weiteres willkommenes Mittel, um den nahenden Aufbruch zur Villa Tiberia noch ein wenig hinauszuzögern.
    Celsus hob den Blick und ließ ihn kurz über die anwesenden Gäste schweifen. Die junge dunkelhaarige Bedienung, die ihm jetzt bereits zum zweiten Mal ein einladendes Lächeln schenkte, hätte normalerweise sicherlich sein Interesse geweckt, aber im Moment trug auch sie nicht zur Verbesserung seiner Laune bei.


    Celsus seufzte und trank noch einen Schluck Wasser. Am liebsten hätte er sich einen großen Krug Wein bestellt und sich anschließend betrunken, so wie er es seit dem Tod seiner Mutter an jedem Abend gemacht hatte. Heute fiel dieser Rettungsanker jedoch flach, da er sich nun nicht länger davor würde drücken können, dem Oberhaupt seiner neuen Familie entgegenzutreten, und das konnte er wohl kaum mit einer Weinfahne tun. Aus dem selbem Grund hatte er auch früher am Tag bereits einige Stunden in den Thermen verbracht, sich pflegen und massieren und mittels eines vernünftigen Haarschnitts und einer gründlichen Rasur in einen ansehnlichen und respektablen Zustand versetzen lassen.


    Im Grunde konnte er immer noch nicht ganz begreifen, dass sich sein künftiges Leben nun wieder in Rom abspielen würde. Seit dem Tod seines Vaters vor zehn Jahren war Celsus nicht mehr in der Hauptstadt gewesen, und im Grunde hatte sie ihm auch in keinster Weise gefehlt.
    Natürlich gab es in Syracusae nicht annähernd soviele Möglichkeiten wie in Rom, aber dennoch bot seine Heimatstadt genügend Annehmlichkeiten für einen einen wohlhabenden jungen Mann seines Standes und aus eigenem Antrieb hätte er sie vermutlich nie verlassen.


    Schade nur, dass seine Mutter ganz andere Pläne mit ihm gehabt hatte. Seit dem frühen Tod ihres Mannes hatte Caesonina davon geträumt, dass ihr einziger Sohn irgendwann einmal dessen vielversprechende politische Karriere fortsetzen und noch bei weitem übertrumpfen würde, dabei hatte Celsus zu keinem Zeitpunkt irgendein gesteigertes Interesse an Politik erkennen und all ihre diesbezüglichen Ermahnungen und Bitten ins Leere laufen lassen.
    Als es ihr aufgrund ihrer schweren Krankheit mit der Zeit immer schlechter ging, hatte sie schließlich zu einem letzten verzweifelten Mittel gegriffen und ohne sein Wissen an ihre persönliche Lichtgestalt, den hochedlen Tiberius Durus, einen Brief geschrieben und ihn um seine Hilfe gebeten. Hätte Celsus auch nur eine Ahnung von diesem Plan gehabt, dann hätte er alles daran gesetzt, diesen Brief rechtzeitig verschwinden zu lassen, aber leider war er erst durch die entsprechende Antwort aus Rom darauf aufmerksam geworden, und da war es bereits zu spät gewesen, noch irgendetwas zu unternehmen.
    Was hatte sie Durus denn nur über ihren Sohn erzählt? Die Wahrheit konnte es kaum gewesen sein, denn dann hätte sich der angehende Konsul sicher nicht zu diesem Schritt entschlossen....


    Caesonina war durch Durus' Angebot, sich um ihren Sohn zu kümmern und diesen zu adoptieren, derartig beglückt gewesen, dass es für eine Weile sogar so ausgesehen hatte, als würde sie sich noch einmal von ihrer Krankheit erholen. Leider hatte sich das jedoch als Trugschluss herausgestellt und sie war zwei Tage nach Ankunft des Briefes gestorben, allerdings nicht ohne ihrem Sohn auf dem Sterbebett das feierliche Versprechen abzunehmen, in Rom sein Bestes zu geben.


    Celsus stöhnte leise auf und vergrub den Kopf in beiden Händen. Wenn er an das nahende Treffen mit seinem baldigen neuen "Vater" dachte, fühlte er sich wie eine Maus in der Falle und auch Caesoninas begeisterte Zukunftspläne hatten ihn nicht wirklich mitreissen können. Trotzdem fühlte er sich an den Eid in Gegenwart seiner sterbenden Mutter gebunden, und ganz egal, wie seine Zukunft in Rom auch aussehen mochte, hatte sich der junge Tiberia vorgenommen sein Bestes zu geben, auch wenn das vielleicht nicht viel sein mochte.


    Er fuhr sich mit der Hand durch die jetzt deutlich gestutzten dunklen Locken und stand auf, ohne sein Essen angerührt zu haben. Dann warf er eine Münze auf den Tisch, verließ die Taverne und machte sich auf den Weg zur Villa Tiberia. Früher oder später musste er ohnehin aufbrechen, da konnte er es genauso gut auch jetzt hinter sich bringen.