Von der Eheschließung hatte er sicherlich im einen oder anderen Brief erfahren. Allerdings war er wohl zu sehr mit seiner Krankheit oder den Studien in Corinthus beschäftigt, als das er sich groß über die Familienverhältnisse in Rom Gedanken hätte machen können. Sicherlich war es wichtig über die Familie bescheid zu wissen, allerdings maß er dem bisher keine allzu große Wichtigkeit bei. Im Laufe der nächsten Wochen, die er hier verbringen würde, würde er sicherlich noch die ein oder andere familieninterne Gegebenheit zu Ohren bekommen. Apropos, wo blieb sein Anstand? Immerhin hatte er noch kein Wort über seinen weiteren Verbleib verloren.
"Entschuldige meine Unhöflichkeit. Bei all den Neuigkeiten habe ich glatt vergessen dich zu fragen ob du etwas dagegen hast wenn ich die nächste Zeit hier in Rom verbleibe. Unter der Bedingung, dass du noch ein cubiculum für mich entbehren könntest?"
Wahrscheinlich würde Marcus diese Frage für überflüssig halten, allerdings gehörte es zu Publius' Art sich nichts in Sachen Höflichkeit nachsagen lassen zu müssen. Er war ein Patrizier aus einem angesehenen Familienzweig seiner Gens und wollte auch dementsprechend angemessen auftreten. Die weiteren Familienneuigkeiten kommentierte Publius nicht weiter. Er zeigte über den Tod von Titus' Schwester seine aufrichtige Anteilnahme und wollte diese nicht in eine gespielte, gar überspitzte Trauer ausufern lassen. Auch die Neuigkeiten über seinen Vetter Orest nahm Imbrex ohne weitere Worte auf. Er würde zur späteren Stunde sicherlich noch Zeit finden die Betroffenen zu begrüßen und sich über ihren Status aufklären zu lassen.
Corvinus' kleinem Fauxpas schenkte Imbrex keine weitere Aufmerksamkeit, angesichts der frohen Botschaft über seinen Bruder Appius. Er lächelte zufrieden. Wie lange hatte er seinen Bruder immerhin nicht mehr gesehen, zu dem er im Großen und Ganzen stets ein gutes Verhältnis pflegte.
"Tatsächlich? Das freut mich. So wie ich Appius kenne, werde ich ihn später sicherlich noch zu Gesicht bekommen."
Nach Imbrex' letzten Worten kehrte kurze Stille ein. Der junge Aurelius nahm einen Schluck vom Wein. Die übrigen Begrüßungsfloskeln waren von beiden Seiten anscheinend beendet worden, nun galt es sich über die wichtigeren Themen auszutauschen.
"Marcus, du bist das Familienoberhaupt hier in Rom, deshalb halte ich es für richtig mit dir über meine zukünftigen Aufgaben und Pflichten in Rom zu sprechen. Ich denke es ist dir keine Überraschung wenn ich dir mitteile, dass ich in die Fußstapfen meines Großvaters Claudius treten will und beabsichtige bei den kommenden Wahlen für den Cursus Honorum zu kandidieren. Es gibt allerdings ein Problem."
Man hätte erwarten können, dass Publius jetzt seine Krankheit anführen würde. Doch dem war nicht so. Es mangelte ihm an etwas ganz natürlichem.
"Ich will mich zuvor in Rom etablieren, mich als nützlich erweisen. Ich dachte daran einen Posten in der Verwaltung oder im Cultus Deorum zu bekleiden, den ich auch während einer möglichen Amtszeit als Vigintivir ausfüllen könnte. Ich weiß, dass du als Pontifex gute Beziehungen zum Cultus hast und will dich deshalb fragen, ob du vielleicht einen konkreten Vorschlag für meine Vorstellungen hast?"
Das Geld brauchte er wohl vor allem für die Kurse, die er vor den Wahlen noch abschließen wollte. Natürlich wusste er, dass seine Familie genug Geld hatte um Studiengebühren für zig Personen auszulegen, allerdings wollte er langfristig auf eigenen Füßen stehen und sich nicht bei der Familie durchschmuggeln.