Beiträge von Publius Aurelius Imbrex

    Eine Flavia also, ganz nach seinem Geschmack. Schon ihre ersten Worte bewiesen, dass sie genauso standesbewusst war wie er selbst. Publius hatte erwartet, dass sie sein Angebot ausschlagen würde, lag er mit seiner Vermutung, sie sei eine Patrizierin oder eine Senatorentochter immerhin richtig. Noch dazu hatte sie einen gewissen Schneid, den Publius bei jeder Frau suchte.


    "Oh, natürlich", meinte er mit einem süffisanten Lächeln.


    "Dennoch ist es mir eine Freude deine Bekanntschaft zu machen", fügte er hinzu. Er war sich bereits jetzt sicher Vera nicht allzu schnell aufzugeben. Er musste sie kennenlernen. Dass die Flavia sich in ihrer Villa langweilte war wohl verständlich, allerdings genauso natürlich. Die Frau war nun einmal weder für hohe körperliche Dienste, noch für gesellschaftliche Dienste wie das Staatswesen geeignet, insbesondere Patrizierinnen. Die einzige Möglichkeit dem Alltag einer Adligen zu entfliehen war wohl der Dienst im Cultus Deorum, der Ansehen und zugleich Abwechslung brachte. Doch nicht jeder war dafür geschaffen und nicht jeder Mann wollte seine Frau aus dem Haus lassen. Wie Publius dazu stand würde sich in den nächsten Jahren sicher herausstellen.


    Dass die Flavia nun die Schuld auf sich nahm verwunderte den Aurelier. Eine Patrizierin, die sich selbst in Verantwortung nimmt? Eine seltener Anblick doch gleichzeitig ein durchaus interessanter. Was wollte Imbrex schon mit einseitigen, berechenbaren Frauen, die er in seinem bisherigen Leben zur Genüge kennen gelernt hatte. Er suchte eine Frau, die intelligent und vielseitig genug war ihn zu überraschen. Überraschen war das richtige Stichwort, denn genau dies beabsichtigte sie mehr oder minder im nächsten Moment zu tun. Ihre Palla verhedderte sich, sie fiel nach hinten und Imbrex reagierte. Passender hätte es aus seiner Sicht wohl nicht kommen können. Er hielt sie im nächsten Moment in Armen und blickte mit einem amüsierten Lächeln zu ihr hinunter.


    "So schnell scheinen sich unsere Wege nicht zu trennen."


    Noch immer hielt er sie in seinen Armen und blickte in ihr venusgleiches Gesicht. Ihr Antlitz hatte den Aurelier sofort gefesselt. Umso mehr war Publius nun auf Veras weitere Reaktion gespannt.

    Völlig ungeachtet der Verwirrung, die seine Sklaven auf dem Weg durch den Markt stifteten, marschierte Publius weiter. Er blendete seine Umgebung aus und richtete sein Augenmerk ganz und gar auf sein Ziel, den Kauf eines Sklaven. Natürlich nur so lange, bis dieser Taugenichts von Sklave einen der Bürger in ein Fass schubste und der Händler laut aufschrie. Publius schüttelte den Kopf, war sich aber um jedes Wort zu schade. Sklaven..., dachte er für sich. Selbst zu dumm für den einfachsten Dienst der Welt. Erst nach wenigen Sekunden entdeckte er das Ausmaß des Aufruhrs, dass seine Leibsklaven angerichtet hatten. Das Fass war in eine riesige Pfütze gefallen, die in diesen Tagen keine Seltenheit war. Immerhin waren die letzten Tage und Wochen von herbstlichem Wetter geprägt und es hatte viel geregnet. Die Folge der Aktion seiner Diener war recht eindeutig. Die betroffenen Männer, sowie der Händler meinten Publius nun für sein arrogantes Auftreten richten zu können, die betroffenen Frauen brachten ihre Missbilligung mit empörten Blicken zum Ausdruck. Nur eine einzige stach dabei aus der Masse, nicht nur der Kleidung wegen. Die junge Dame schrie laut auf und beschwerte sich lautstark über die Tollpatschigkeit von Imbrex' Sklaven. Es war gut möglich, dass die Flavia dem Aurelier auch nur deshalb auffiel, weil sie direkt vor ihm stand. Allerdings hatte Publius ein Auge für Menschen und besaß trotz seines abgeschotteten Lebens auf Sardinien und in Griechenland eine gute Menschenkenntnis. Hier stand ohne Zweifel eine Patrizierin oder zumindest eine Senatorentochter vor ihm. Dass sie eine Sklavin bei sich hatte unterstrich Publius' Vermutungen. Auf die Beschimpfung der Flavia, die seinem Stand in keinster Weise würdig war, reagierte der Aurelius mit einem amüsierten Lächeln.


    "Ganz ruhig, schöne Dame. Entschuldigt das tollpatschige Verhalten meiner Sklaven...man kann sich auch auf nichts mehr verlassen", versuchte er die Lage zunächst zu beschwichtigen. Sein charmantes Lächeln wich dabei nicht von seinem Gesicht. Er wusste wie er Menschen um den Finger wickeln konnte, insbesondere Frauen.


    "Aber lass es mich gut machen. Du darfst dir eine neue Tunika auf meine Kosten aussuchen", offerierte Publius der Dame nun. Natürlich hatte er auch seine Hintergedanken und versuchte seine erste weibliche Bekanntschaft in Rom in ein Gespräch zu verwickeln.


    "Wie unhöflich mich nicht vorzustellen. Ich bin Publius Aurelius Imbrex, Sohn des Aurelius Galerianus und Enkel des ehemaligen Senators Aurelius Crassus."


    Dass er seinen Großvater in Einklang mit seinem Vater nannte hatte seine Gründe. Das Leben des Galerianus verlief eher minder beeindruckend, weswegen Publius sich lieber mit seinem Großvater Claudius Aurelius Crassus identfizierte, war dieser doch ein ehrenhafter und angesehener Staatsdiener. Die restlichen empörten Menschen um ihn hatte Imbrex nun vollends ausgeblendet, während er mit Vera sprach. Die Menschen erkannten, dass es sinnlos war sich weiter aufzuregen und wichen von Ort und Stelle. Der Händler hatte Imbrex' Worte mitverfolgt und würde ihm beim erwarteten Tunikakauf wohl einen extra hohen Preis stellen.

    Gekleidet in einer eleganten Tunika war Publius zu den Märkten aufgebrochen, um sich einen Überblick über die Ware zu verschaffen und insbesondere nach einem geeigneten Leibsklaven Ausschau zu halten. Natürlich hatte er sich nicht einfach so unter's Volk gemischt, sondern hatte zuvor zwei Diener des Hauses ausgewählt ihn auf seinem Marktbummel zu begleiten. Man konnte in Rom nie sicher sein, welches Gesindel sich selbst am Nachmittag durch die überfüllten Straßen trieb. Tagelöhner hier, ein paar Verbrecher da. Imbrex kannte keine Großstadt, die ein sicheres Pflaster für Männer wie ihn war, war ihm seine aristokratische Abstammung immerhin nahezu ins Gesicht geschrieben. Warum sollte dann die größte Stadt des Imperiums, beisspiellos reich an Einwohnern, von solchem Gesindel verschont bleiben? Ganz klar, ein Widerspruch in sich, was den Aurelier auch dazu bewegte auf dem Mercatus Urbis nun mit Geleitschutz aufzutreten.


    Imbrex machte keinen Hehl daraus, dass er sich im gesellschaftlichen Rang ganz klar über den einfachen Plebejern stellte und verhielt sich dementsprechend auch nicht gerade unauffällig. Seine beiden Leibsklaven räumten nahezu jeden Störenfried wortwörtlich aus dem Weg und schafften so ihrem Herren einen Weg durch die Menschenmassen. Die Aufmerksamkeit des Pöbels hatte Publius durch das Auftreten seiner Sklaven schon nach den ersten Metern ohne Probleme gewonnen. Gut, soll sich die Bürgerschaft mein Gesicht nur merken, dachte Imbrex. Denn wenn er seine Ziele in ferner Zukunft erreicht hatte, würde er die Unterstützung des Volkes benötigen um seinen Status zu halten. Jeder gute Staatsmann benötigte die Zustimmung des Volkes, um etwas zu verändern, meist zu seinen eigenen Gunsten. Das Volk war manipulierbar und es war groß, zwei Faktoren die ihre Existenz in Imbrex' Augen wesentlich prägten. Gäbe es nur Männer wie ihn, die für das politische Geschäft bestimmt waren, so gäbe es niemanden dem die politischen Entscheidungen jener zuteil kommen würden.


    Als erstes hielt Imbrex mit seinen Sklaven bei einem der Sklavenstände an. Mit vor der Brust verschränkten Armen ließ er seinen Blick über die 'Ware' schweifen und beäugte jeden einzelnen. Kinder, Alte, Gebrochene, aber nichts was für ihn von Interesse war. Publius suchte einen Sklaven, den er mit umfassenden Diensten betrauen konnte. Er sollte natürlich flüssig schreiben und lesen können und später sowohl Boten- als auch Verwaltungsdienste für seinen Herren erledigen können. Der Sklavenhändler hatte den Aurelier schon nach wenigen Sekunden erkannt und Bares nahezu gerochen. Imbrex winkte eilig ab und wendete sich zu seinen Sklaven.


    "Nein...nein. Hier finde ich nichts. Wir gehen noch zum nächsten Stand...vielleicht ist heute auch nicht der richtige Tag."


    Die Sklaven nickten ohne Worte und folgten Publius dann wieder. Immer wieder fiel der Blick des Aurelius auf die verschiedenen Stände, während er versuchte sich durch die belebte Masse zu kämpfen.


    Sim-Off:

    Reserviert. ;)

    "Ja, ich konnte meine Studien früher als erwartet abschließen."


    Auf eine Überraschung war er sicherlich nicht aus. Denn Publius hasste es sich Aufmerksamkeit zu erstehlen. Er gewann sie lieber ehrlich, nämlich durch gute Taten und Erfolg. Dass Appius ebenfalls schon länger die Absicht hatte nach Rom zurückzukehren, hätte Imbrex eigentlich wissen müssen, hatte Cotta ihn doch in den letzten Briefen darüber aufgeklärt. Es war wohl der Stress der Reise und der Ankunft, der ihn dies völlig aus dem Gedächtnis streichen ließ. Zum Glück hatte ihn Marcus daran zurückerinnert, immerhin wollte Publius seinem Bruder in diesem Zusammenhang nicht vergesslich, gar ignorant erscheinen.


    "Du kennst mich, ich übe mich nur ungern in Bescheidenheit", entgegnete er, während ein süffisantes Lächeln seine Gesichtszüge zierte. Arroganz lag dem Patrizier, auch wenn insbesondere sein Bruder mittlerweile wissen musste, dass Publius selten über die Strenge schlug oder diese Arroganz in Egoismus ausarten ließ.


    "Aber um auf deine Frage zurückzukommen. Wahrlich, ich will Rom dienen so gut es mir möglich ist. Ich beabsichtige in die Fußstapfen unseres Großvaters zu treten und den beschwerlichen, aber ehrhaften Weg des Cursus Honorum zu beschreiten. Ich habe mich dahingehend in den letzten Monaten auch schon vorbereitet und möchte bei den nächsten Wahlen kandidieren."


    Publius schien entschlossen - wie immer, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Zielstrebigkeit lag wohl in der Familie, denn auch von Appius kannte Imbrex einen hohen Grad an Ehrgeiz. Nicht einmal seine Krankheit würde ihn diesmal von seinem Entschluss abhalten, hatte er sich geschworen. Würde er diesmal erneut der Krankheit wegen scheitern, war sein Schicksal wohl besiegelt. Dann würde er bereit sein müssen ins Elysium vorzudringen und seinen Ahnen zu folgen.

    Publius hatte während dem Gespräch mit Marcus erfahren, dass sich sein Bruder Appius nun ebenfalls in Rom aufhielt. Auch wenn seine Vorfreude seinen Bruder endlich wiederzusehen groß war, wollte er sich zunächst um die Einrichtung seins Cubiculums kümmern, das die Sklaven des Hauses freundlicherweise bereits vorbereitet hatten. Zu Appius pflegte der Aurelier stets ein gutes Verhältnis, auch wenn sie in den letzten Jahren oft und lange getrennt waren. Cotta lag mit seiner Einschätzung nicht falsch, dass Imbrex stets der etwas distanziertere Zeitgenosse war. Appius war wohl derjenige, der offener gegenüber der Familie und gegenüber Fremden war. Publius war in dieser Hinsicht rationaler eingestellt. Er redete gern, allerdings nur wenn er einen Nutzen darin fand. Schwätzerei war ihm fremd, genauso wie übermütige Höflichkeit und übertriebenes Lob.


    Imbrex hatte erwartet, dass Cotta ihn früher oder später aufsuchen würde. Er war sich sicher, dass Appius' Freude ihn zu sehen groß war - das passte zu seinem Bruder. Publius schätzte Cotta durchaus als äußerst freundlichen und zuvorkommenden Menschen ein, der sich nicht zu schade war sich um seine Familie und seine Freunde zu kümmern. Ein Schmunzeln konnte sich Publius nicht verkneifen, als er darüber nachdachte, dass er seinen Bruder doch wirklich nur einschätzen konnte und noch nicht vollends kannte. Die Beiden waren zwar in ihrer Kindheit unzertrennlich, doch hatten sie sich gerade im Laufe des Erwachsenwerdens stark verändert. Und genau in dieser Zeit waren sie eben des öfteren getrennt, war Publius doch sogar auf Sardinien auf einem anderen Landgut der Familie.


    Publius' Gesichtsausdruck erhellte sich, als ihm die Stimme seines Bruders zu Ohren gekam. Da war er also schon. Imbrex erhob sich schnurstracks und ging zielstrebig auf die Tür zu. Mit einem Schwung öffnete er diese und deutete eine Umarmung an. Die beiden fielen sich in die Arme und Publius klopfte Appius leicht auf die Schulter, während ein glückliches Lächeln seine aristokratischen Gesichtszüge zierte.


    "Bruder! Es ist schön dich endlich wieder zu sehen. Komm rein."


    Er deutete auf einen freien Stuhl und schloss dann die Tür, nachdem Appius eingetreten war.

    Nach seiner Ankunft und seinem Gespräch mit Marcus hatte sich Publius direkt in sein neues cubiculum zurückgezogen, um sich einzurichten und etwaige Dinge nach seiner Ankunft zu erledigen. Eine Dienerin des Hauses hatte bereits sein Gepäck ins Zimmer verfrachtet und Kleidung sowie andere Utensilien in die entsprechenden Schränke und Fächer des schön eingerichteten Zimmers gelegt. Außerdem hatte sich Imbrex ein heißes Getränk bringen lassen, von dem er sich eine kleine Entspannung für seine Hustenreize versprach. Vor Marcus hatte er seine immer noch anwährende Krankheit zum Glück noch verbergen können. Er hasste es seinen Gesundheitszustand in irgendeiner Weise rechtfertigen zu müssen und unnötiges Mitleid von seinen Mitmenschen, insbesondere von Verwandten, erfahren zu müssen. Das bemitleidenswerte Gefühl, das man ihm damit auferlegte, war wie Gift für seine Gedanken und sein Selbstverständnis. Publius sah sich stets als Kämpfer und Herausforderer, dem kein Schritt zuwider war um seine Ziele zu erreichen. Das war auch der Grund dafür, dass er es nicht vertragen konnte bemitleidet zu werden und in seinen Augen somit in ein schlechtes, gar schwaches Licht gerückt zu werden. Nachdem er sämtliche Wertsachen, die er noch bei sich trug, im kleinen Schreibtischschub verstaut hatte ließ er sich vor genau diesem nieder und nahm eine Schreibfeder sowie eine Papyrusrolle zur Hand. Publius war ein guter Schreiber und hatte deshalb keine Schwierigkeiten beim ersten Versuch einen Brief an die restliche Familie auf Sardinien zu Blatt zu bringen, den er so auch absenden konnte. Nachdem er fertig war nahm er das Schriftstück noch einmal zur Hand, setzte sein Siegel und seine Unterschrift und durchkämmte es nach etwaigen Fehlern oder falschen Formulierungen, während er immer wieder genüsslich an seinem Getränk nippte.

    Imbrex' Höflichkeit rührte wohl hauptsächlich von seiner Abstammung und seinem Umgang her. Er war eben geübt darin zuvorkommend und eloquent aufzutreten oder sich zumindest so darzustellen, um die Gunst seiner Gesprächspartner zu gewinnen. Ein wichtiges Mittel zur Überzeugung, das er sich in den Jahren seiner Studien und seines Exils selbst angeeignet hatte. Menschen ließen sich leicht manipulieren und kontrollieren, wenn man sie nur mit richtigen Worten zu beeinflussen wusste. Die Kunst der Rhetorik fiel genau in diesen Bereich und wurde von Staatsmännern des Imperiums stets dazu genutzt den Pöbel zu überzeugen, um weiterhin politisch auftreten und wirken zu können. Ach, wie leichtgläubig das Volk manchmal nur war. Schon bald würde auch Publius endlich Fäden ziehen, hoffte er zumindest.


    Dass Marcus selbst sich nicht auf der Liege platzierte fiel Imbrex direkt auf, wurde vom Aurelier allerdings nicht weiter kommentiert. Corvinus hatte sicherlich seinen Grund. Spannender, oder besser gesagt interessanter waren die Neuigkeiten die folgten.


    "Du hast geheiratet? Meinen Glückwunsch, Marcus. Ich werde sicherlich noch die passende Gelegenheit finden, deine Gattin kennenzulernen."


    Natürlich ging Publius davon aus, dass es sich um eine Patrizierin handelte. Er wusste ja, dass Marcus und der Rest der Familie viel Wert auf die Sitten und Tugenden der Vorfahren legte, genauso wie er selbst. Eine Ausnahme wäre natürlich eine Tochter eines äußerst bedeutenden Senators, wenn nicht sogar Consulars.


    "Orest wird auch heiraten? Das freut mich natürlich für ihn. Ich habe ihn das letzte Mal in Griechenland gesehen und das ist auch schon einige Zeit her. Wie geht es ihm? Hatte er nicht auch längere Zeit mit seiner Krankheit zu kämpfen?"


    Dies kannte Imbrex nämlich nur allzu gut. Bei den Göttern war er froh, dass sein eigentlicher Gesundheitszustand vor Corvinus für's erste verborgen blieb. Er hatte neue Ziele und um diese Ziele zu erreichen durfte er keine Schwäche zeigen. Zwar noch eher vor der Familie, als vor der Öffentlichkeit, allerdings würde ihn diese zuletzt noch zurückhalten und ihm seine Pläne ausreden. Nein, das wollte er nicht. Er hatte einen Entschluss gefasst und würde die gesundheitlichen Konsequenzen, die damit Wohl oder Übel in Verbindung standen, tragen. Zurück beim Thema musste er feststellen, dass ihm der Name Laevina nur wenig sagte. Aurelia Laevina...sicher, man hatte sie in seiner Anwesenheit ab und an erwähnt, allerdings hatte er sie noch nie kennen gelernt. Vielleicht bot sich ja auch hier in den nächsten Tagen und Wochen die Möglichkeit eine neue Bekanntschaft innerhalb der Familie zu machen.


    Dass Publius noch nichts über den Tod von Titus' Schwester Minervina erfahren hatte, war ein weiterer Beweis dafür, dass er in den letzten Jahren trotz Briefkontakt abgeschottet und sicherlich nicht im Mittelpunkt der Familie war. Minervina war tot? Sie war doch recht jung, schwirrte Imbrex zunächst im Kopf herum. Er kannte sie noch aus Kindheitstagen, hatte aber seither auch zu ihr so gut wie keinen Kontakt mehr. Dementsprechend berührte den Aurelier vor allem das Leiden Corvinus', anstatt der eigentliche Verlust, den er nicht sonderlich gut beurteilen konnte.


    "Oh...das tut mir Leid, Corvinus. Mein Beileid. War sie nicht noch recht jung? Manchmal tun die Götter Dinge, die kein Sterblicher nachvollziehen kann", versuchte er die Trauerstimmung mit kurzen Worten allmählich wieder zu beenden. Publius war kein Mensch, der seine eigene Trauer gegenüber anderen Menschen groß zur Geltung brachte. Er war lieber allein und regelte seine Probleme und seine Trauer selbst.


    Auch den Namen Prisca kommentierte Imbrex nicht weiter, was abermals mit dem Unwissen über seine Familie in Rom zu erklären war. Auf Sardinien war er durch den schon lange zurückliegenden Tod seines Großvaters und seines Vaters mehr oder weniger alleine, in Griechenland während der Studien sowieso. Es war nahezu erfrischend endlich wieder Gesichter um sich zu haben, die einer ähnlichen Linie entsprangen und gegebenfalls Rückhalt und Unterstützung boten, die Publius seines Charakters wegen natürlich nur begrenzt in Anspruch nehmen würde. Er regelte seine Angelegenheiten gerne selbst und war kein Freund der Vetternwirtschaft. Sollte er sein höchstes Ziel irgendwann erreichen, nämlich die Aufnahme in das ehrbare Senatskollegium, würde er sicher nicht aufgrund des Zuspruchs anderer darin sitzen - zumindest nicht hauptsächlich. Er würde dort sitzen, weil er eine Begabung hatte, nämlich die Begabung zu führen und zu lenken.


    Über Publius musste Imbrex kurz nachdenken. Publius...Publius...wer war Publius? Er kannte nur einen lebenden in der Familie und der war er selbst. Da es nicht seine Art war falsche Scheu zu zeigen hakte der Aurelier direkt nach. Immerhin konnte er sich vor Corvinus als Familienmitglied einen Fauxpas erlauben.


    "Publius? Es tut mir Leid, aber ich dachte bisweilen ich wäre der einzige, lebende Verwandte mit diesem durchaus schönen Namen?"

    Dass Siv nicht der Ianitor des Hauses war hatte Publius fast erwartet. Zum einen schien sie im Umgang mit Fremden sehr unerfahren und schüchtern, zum anderen würde sich ein Ianitor als routinierter Sklave des Hauses wohl auch entsprechend als solcher kenntlich machen. Nach Sivs kurzer Vorstellung trat auch schon der erwartete Verwandte ein. Aurelius Corvinus. Publius war zwar aufgrund seines anderen Familienzweiges nur entfernt mit Marcus verwandt, wusste allerdings sehr wohl über das Oberhaupt des römischen Zweiges bescheid. Sein Vater hatte ihm zu Lebzeiten genug über ihn erzählt und stand auch des öfteren mit Corvinus in Kontakt. Mittlerweile war dieser Senator und zudem Pontifex von Rom. Ehrbare Positionen in den Reihen des Staates und des Cultus Deorum.


    Auch wenn sich die beiden das letzte Mal vor Jahren gesehen hatten und Imbrex damals noch im Kindesalter war, fiel die Begrüßung herzlich aus.


    "Marcus, es freut mich dich zu sehen", begrüßte der Aurelier den Verwandten mit einem Lächeln.


    Publius musste nicht lange überlegen, um Corvinus nächste Frage zu beantworten. Er wollte auf jeden Fall alles wichtige klären, um sich direkt beruflich und gesellschaftlich in Rom einordnen zu können - das Bad konnte warten.


    "Nein danke, Marcus. Ich bin froh, dass du mich empfängst und will diese Chance nun sicherlich nicht verspielen. Als Senator und Pontifex von Rom bist du sicher ein vielbeschäftigter Mann", entgegnete Aurelius Imbrex höflich und noch etwas distanziert.


    "Oh, ich kann sagen meine Reise war anstrengend, aber insgesamt recht angenehm. Ich bin glücklicherweise verschont geblieben und wohlbehalten hier in deinem beeindruckendem Hause angekommen, Marcus."


    Publius wartete einen Moment, während er sich nun ebenfalls auf einer Liege niederließ. Dann hielt er es für angebracht eine Gegenfrage zu stellen.


    "Wie geht es dir? Wie geht es der Familie in Rom? Immerhin habe ich euch das letzte Mal vor Jahren gesehen."

    Während Siv ihre Aufgaben erledigte begutachtete Imbrex das durchaus prunkvoll eingerichtete Atrium. Auffallend war einerseits, dass es von stattlicher Größe war, andererseits, dass es von Gemälden, vermeintlich teuren Einrichtungsgegenständen und anderen Dekorationen geziert war. Wie auch das restliche Haus erfüllte es alle Kriterien eines standesgerechten Patrizierhauses.


    Dass Imbrex derartig ruhig war lag sicherlich zum einen daran, dass seine Reise lang und anstrengend war, vor allem für einen chronisch Kranken wie ihn. Zum anderen war der Aurelier allerdings durchaus ein eher ruhiger und zurückhaltender Mensch, wenn er nicht Gegenteiliges für angebracht hielt. Was nutzten tausend sinnlose Worte, wenn sie nur der Rederei und Schwätzerei dienten. Schwätzerei war Sache des einfachen Volkes, des plebs. Männer wie er, die zum Staatsdienst geboren waren, waren dazu da möglichst wenig Worte zu gebrauchen und Taten folgen zu lassen. Gerüchte werden nur von einfachen Plebejern gesponnen, die nichts besseres zu tun haben als ihr ohnehin einseitiges Dasein noch zu unterstreichen und sich auf die Taten großer Männer zu beziehen.


    Seine Gedanken wurden just in dem Moment unterbrochen, als Imbrex wieder einmal von seiner Krankheit heimgesucht wurde. Es dauerte einige Minuten, bis er sich wieder gefangen hatte und seinen Hustenreiz überstanden hatte. Bedenklich, wenn er daran dachte, dass er bereits die letzten vier Tage ohne jegliche Zeichen seiner Kindheitserkrankung verbringen konnte. Hatte er das Fass zum Überlaufen gebraucht? War die Reise von Corinthus bis nach Roma zu anstregend für seinen Gesundheitszustand? Hatte er sich überschätzt? Nein, keineswegs. Er war lediglich erschöpft, redete sich Imbrex ein. Er würde sich einige Stunden hinlegen, wenn er sein neues cubiculum bezogen haben würde.


    Die Rückkehr der Sklavin brachte Imbrex direkt wieder auf andere Gedanken. Er konnte den frischen Wein und die anderen Köstlichkeiten auf dem Tablett beinahe riechen, als Siv Speis und Trank in das atrium brachte und sie vor Publius auf dem Tisch platzierte. Der Aurelier nahm einen Schluck vom Wein und einige Nüsse, ehe er wieder zur serva aufsah und leicht nickte.


    "Ja, das kannst du. Du kannst mir deinen Namen verraten. Außerdem deine Tätigkeit im Hause der Aurelier?"

    Langsam war Publius der Sklavin durch die Villa in Richtung Atrium gefolgt. Nach etlichen Briefen, die er von seiner Familie aus Rom erhalten hatte, war er natürlich darauf eingestellt dass die Villa Aurelia eine einfache Casa einer einfachen, römischen Familie an Prunk und Größe weitaus übertreffen würde. Außerdem hatte er den größten Teil seines Lebens in einer kleineren, aber ebenso schönen und teuren villa rustica verbracht, weswegen er derartige Anblicke gewohnt war. Die Sklavin selbst hatte sich bisher weder vorgestellt, noch schien sie recht glücklich ob Imbrex' frühzeitiger Ankunft. Der Aurelier musste sich teilweise wirklich fragen, ob Siv überhaupt Sklavin des Hauses war? An ihrer Haltung und ihrer Art gegenüber einem ihrer Herren zu gestikulieren, hätte Imbrex sie auf den ersten Blick eher als peregrina des Hauses eingestuft. Allerdings wollte Publius keine voreiligen Schlüsse ziehen und entschied sich dazu sie vorerst neutral als Dienerin zu betrachten.


    "Ich denke ein Becher vinum würde mir nach dieser anstrengenden Reise nicht schaden. Aber sag zuerst deinem Herren Bescheid, Speis und Trank können warten."

    Es war nach so vielen Jahren der Abgeschiedenheit und des Exils ohne Zweifel ein gutes, nahezu befreiendes Gefühl wieder italischen Boden unter den Füßen spüren zu können. Endlich wieder ein Ziel vor Augen zu haben und aus diesem Loch der Dunkelheit zu entfliehen erfüllte Publius' Seele mit Leben. Auch wenn Imbrex noch immer mit den Folgen seiner Kindheitserkrankung zu kämpfen hatte, war ihm Fortuna in diesen Tagen hold. Der Aurelier hatte neue Kraft schöpfen können und in den letzten Wochen seine Studien in Corinthus endgültig abschließen können. Fernab von seiner Familie auf Sardinien hatte er sich fast ein Jahr den griechischen Künsten, der Philosophie und anderen Errungenschaften der hellenistischen Kultur hingegeben. Publius hatte großen Respekt vor den Griechen, schon immer. Er betrachtete den Hellenismus wie die Griechen selbst als Ursprung jeglicher Zivilisation, jeglicher Ordnung und jeglicher Struktur. Was wäre Rom nur ohne einen Sokrates, einen Platon oder einen Aristoteles? Staatsstrukturen dieses Ausmaßes, wie es das Imperium Romanum hervorbachte, wären reine Illusion. Dennoch ist aus Imbrex' Sicht nicht zu bestreiten, dass die Blüte der Griechen verwelkt ist. Er ist ein wahrhaftiger Römer und als wahrhaftiger Römer sollte man nicht leugnen, dass das Imperium das geleistet hat, was die Griechen nie erreicht hatten: Einen funktionierenden Staatsapparat, ein geordnetes, gesellschaftliches Leben und ein Militär, das den gesamten orbis terrarum erschaudern lässt.


    Von Corinthus aus war Imbrex mit seiner Dienerschaft durch Achaia bis zur römischen Grenze bei Aquilea gezogen. Sicherlich eine lange Reise, doch die Reise war für Publius von Nöten um seine körperliche Rehabilitierung für sich selbst noch einmal unter Beweis zu stellen. Der Aurelier war sicherlich kein Mensch, der sich und seine Fähigkeiten überschätzte, allerdings war er nicht selten leichtsinnig mit seiner Krankheit umgegangen. Der Druck, der ihm nicht nur seiner Abstammung wegen, sondern größtenteils von sich selbst aufgelastet wird, zwingt den jungen Erwachsenen oftmals dazu seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen, um sein Ego und seinen Anspruch zu befriedigen. Ohne Zweifel, Aurelius Imbrex ist ein äußerst zielstrebiger und ehrgeiziger Mensch, der von keiner Arbeit zurückschreckt um seine Ziele zu erreichen. Als Enkel eines großen Senators war es selbstverständlich für ihn es als Pflicht zu sehen seinem Erbe gerecht zu werden und irgendwann in dessen Fußstapfen zu treten. Schande war das letzte, das er über seinen Namen und den seiner Familie bringen wollte.


    Nach mehreren Tagen der Reise und einigen Übernachtungen in verschiedenen Wohnstätten Italias war er nun endlich angekommen. Rom, die urbs aeterna, Mittelpunkt des Imperium Romanum, Zentrum der kulturellen Wiege und der bekannten Welt. Eine prachtvolle Stadt, unvergleichlich, sowohl in der römischen als auch in der restlichen Welt. Wahrlich, die Städte Sardiniens wie Carales waren dagegen Bauerndörfer. Wie viel Kultur, Glanz und Geschichte in einer solchen Stadt steckte. Unglaublich. Auch wenn Publius Aurelius' letzte Reise nach Rom schon über zehn Jahre zurücklag, war er sich schon wieder bei Betreten der Stadttore sicher: In dieser Stadt würde er die nächsten Jahre verbringen. In dieser Stadt würde er Karriere machen und seinen Weg gehen. Alles spielte sich in Rom ab. Wer in Rom war und Macht hatte, hatte Macht im Imperium. Unbedeutend und klein erschienen da die etlichen Provinzen im Vergleich.


    Von den Stadttoren aus war es nicht mehr weit bis zur Villa Aurelia. Einer seiner Brüder hatte ihm die Adresse des Hauses mitgeteilt und auch ohne Anleitung wäre dieses Prunkgebäude wohl nur schwerlich zu übersehen gewesen. Einige Diener im Schlepptau trat er an die Porta heran. Sein elegantes Auftreten, sein gepflegtes Äußeres und sein aristokratischer Gesichtsausdruck machten Publius' patrizische Herkunft unverkennbar. Einer der Diener näherte sich dem Ianitor und kündigte seinen Herren an.


    "Salve. Mein Herr, Aurelius Imbrex, wünscht eingelassen zu werden. Er wird bereits von seinen Verwandten erwartet und würde zunächst gerne eine Unterredung mit dem ehrenwerten Senator Aurelius Corvinus führen."


    Publius hielt sich währenddessen im Hintergrund und überblickte die große Ville und die Anlage von außen.

    Ad
    M. Aurelius Corvinus
    Villa Aurelia
    Roma, Italia


    Geschätzter Corvinus,


    zu lange habe ich in Corinthus nichts von mir hören lassen. Zu viele Jahre sind vergangen, seit wir uns das letzte Mal gegenüberstanden. Du weißt, dass ich noch immer gesundheitlich angeschlagen bin, doch die Götter scheinen mir in diesen Tagen wohlgesonnen zu sein. Mein Gesundheitszustand hat sich in den letzten Wochen verbessert und ich habe meine Studien unter den Fittichen der Paedagogi beendet. Es wird Zeit ein neues Leben zu beginnen und meinen Pflichten als Nachkömmling meines geliebten Großvaters Claudius nachzukommen. Ich hoffe ich bin in deinem Hause willkommen, um meinen weiteren Plänen in der Urbs Aeterna nachgehen zu können. Doch ich möchte dich nicht länger mit sinnloser Rederei aufhalten. Wenn du diese Zeilen liest, werde ich wohl bereits einen Großteil meiner Reise nach Rom zurückgelegt haben.


    Abschließend möchte ich mich für die Direktheit meines Unterfangens entschuldigen. Meinen Worten ist sicherlich der Enthusiasmus zu entnehmen, den ich verspüre, wenn ich daran denke mich bald in Rom neuen Aufgaben widmen zu können.


    Vale,


    [Blockierte Grafik: http://img5.imageshack.us/img5/8791/unterschriftsiegel.png]


    CORINTHUS - ANTE DIEM XII KAL DEC DCCCLIX A.U.C.
    (20.11.2009/106 n.Chr.)