Imbrex' Höflichkeit rührte wohl hauptsächlich von seiner Abstammung und seinem Umgang her. Er war eben geübt darin zuvorkommend und eloquent aufzutreten oder sich zumindest so darzustellen, um die Gunst seiner Gesprächspartner zu gewinnen. Ein wichtiges Mittel zur Überzeugung, das er sich in den Jahren seiner Studien und seines Exils selbst angeeignet hatte. Menschen ließen sich leicht manipulieren und kontrollieren, wenn man sie nur mit richtigen Worten zu beeinflussen wusste. Die Kunst der Rhetorik fiel genau in diesen Bereich und wurde von Staatsmännern des Imperiums stets dazu genutzt den Pöbel zu überzeugen, um weiterhin politisch auftreten und wirken zu können. Ach, wie leichtgläubig das Volk manchmal nur war. Schon bald würde auch Publius endlich Fäden ziehen, hoffte er zumindest.
Dass Marcus selbst sich nicht auf der Liege platzierte fiel Imbrex direkt auf, wurde vom Aurelier allerdings nicht weiter kommentiert. Corvinus hatte sicherlich seinen Grund. Spannender, oder besser gesagt interessanter waren die Neuigkeiten die folgten.
"Du hast geheiratet? Meinen Glückwunsch, Marcus. Ich werde sicherlich noch die passende Gelegenheit finden, deine Gattin kennenzulernen."
Natürlich ging Publius davon aus, dass es sich um eine Patrizierin handelte. Er wusste ja, dass Marcus und der Rest der Familie viel Wert auf die Sitten und Tugenden der Vorfahren legte, genauso wie er selbst. Eine Ausnahme wäre natürlich eine Tochter eines äußerst bedeutenden Senators, wenn nicht sogar Consulars.
"Orest wird auch heiraten? Das freut mich natürlich für ihn. Ich habe ihn das letzte Mal in Griechenland gesehen und das ist auch schon einige Zeit her. Wie geht es ihm? Hatte er nicht auch längere Zeit mit seiner Krankheit zu kämpfen?"
Dies kannte Imbrex nämlich nur allzu gut. Bei den Göttern war er froh, dass sein eigentlicher Gesundheitszustand vor Corvinus für's erste verborgen blieb. Er hatte neue Ziele und um diese Ziele zu erreichen durfte er keine Schwäche zeigen. Zwar noch eher vor der Familie, als vor der Öffentlichkeit, allerdings würde ihn diese zuletzt noch zurückhalten und ihm seine Pläne ausreden. Nein, das wollte er nicht. Er hatte einen Entschluss gefasst und würde die gesundheitlichen Konsequenzen, die damit Wohl oder Übel in Verbindung standen, tragen. Zurück beim Thema musste er feststellen, dass ihm der Name Laevina nur wenig sagte. Aurelia Laevina...sicher, man hatte sie in seiner Anwesenheit ab und an erwähnt, allerdings hatte er sie noch nie kennen gelernt. Vielleicht bot sich ja auch hier in den nächsten Tagen und Wochen die Möglichkeit eine neue Bekanntschaft innerhalb der Familie zu machen.
Dass Publius noch nichts über den Tod von Titus' Schwester Minervina erfahren hatte, war ein weiterer Beweis dafür, dass er in den letzten Jahren trotz Briefkontakt abgeschottet und sicherlich nicht im Mittelpunkt der Familie war. Minervina war tot? Sie war doch recht jung, schwirrte Imbrex zunächst im Kopf herum. Er kannte sie noch aus Kindheitstagen, hatte aber seither auch zu ihr so gut wie keinen Kontakt mehr. Dementsprechend berührte den Aurelier vor allem das Leiden Corvinus', anstatt der eigentliche Verlust, den er nicht sonderlich gut beurteilen konnte.
"Oh...das tut mir Leid, Corvinus. Mein Beileid. War sie nicht noch recht jung? Manchmal tun die Götter Dinge, die kein Sterblicher nachvollziehen kann", versuchte er die Trauerstimmung mit kurzen Worten allmählich wieder zu beenden. Publius war kein Mensch, der seine eigene Trauer gegenüber anderen Menschen groß zur Geltung brachte. Er war lieber allein und regelte seine Probleme und seine Trauer selbst.
Auch den Namen Prisca kommentierte Imbrex nicht weiter, was abermals mit dem Unwissen über seine Familie in Rom zu erklären war. Auf Sardinien war er durch den schon lange zurückliegenden Tod seines Großvaters und seines Vaters mehr oder weniger alleine, in Griechenland während der Studien sowieso. Es war nahezu erfrischend endlich wieder Gesichter um sich zu haben, die einer ähnlichen Linie entsprangen und gegebenfalls Rückhalt und Unterstützung boten, die Publius seines Charakters wegen natürlich nur begrenzt in Anspruch nehmen würde. Er regelte seine Angelegenheiten gerne selbst und war kein Freund der Vetternwirtschaft. Sollte er sein höchstes Ziel irgendwann erreichen, nämlich die Aufnahme in das ehrbare Senatskollegium, würde er sicher nicht aufgrund des Zuspruchs anderer darin sitzen - zumindest nicht hauptsächlich. Er würde dort sitzen, weil er eine Begabung hatte, nämlich die Begabung zu führen und zu lenken.
Über Publius musste Imbrex kurz nachdenken. Publius...Publius...wer war Publius? Er kannte nur einen lebenden in der Familie und der war er selbst. Da es nicht seine Art war falsche Scheu zu zeigen hakte der Aurelier direkt nach. Immerhin konnte er sich vor Corvinus als Familienmitglied einen Fauxpas erlauben.
"Publius? Es tut mir Leid, aber ich dachte bisweilen ich wäre der einzige, lebende Verwandte mit diesem durchaus schönen Namen?"