Beiträge von Marcus Octavius Nauticus

    Ich zuckte mit den Schultern.


    "Abfackeln klappt immer. Unsinkbare Schiffe gibt es nicht."


    Ich ging etwas um das Schiff herum und sah die Baumstämme, aus denen die Masten gebaut werden sollten. Das Holz hatte eine merkwürdige rötliche Farbe, und jeder der Stämme war mindestens 30 m lang.


    "Das werden die Masten. Schau dir die Länge an, das ist nicht besonders viel. Natürlich sieht das nach mehr aus, wenn die erst mal senkrecht stehen. Aber keine Panik, da muss nur im Notfall jemand rauf. Und zum Reffen der Segel."

    Als ich die Werft betrat, kam sofort der Schiffsbaumeister auf mich zu.


    "Kommandant, ich habe ein paar Änderungen für euer Schiff vorzuschlagen. Bitte, folgt mir."


    Ich nickte kurz und folgte ihm. Der äußere Rumpf war beriets fertiggestellt. Er war 40 m lang und 8 m breit und hoch. Der Tiefgang würde etwa 2 m sein.


    "Also, was gibt's?" wollte ich wissen.


    "Zunächst wäre da das Steuerruder. An Stelle von drei normalen Steuerrudern, eines an jeder Seite und eins mittig, schlage ich vor, nur ein Steuerruder zu verwenden, das aber mittig ist. Es wird auch kein herkömmliches Ruder sein, sonder ein aus mehreren Brettern zusammengefügtes großes Brett. Damit es voll in der Strömung liegt, habe ich das Heck entsprechend angepasst. Das Ruder würde in Scharnieren am Achtersteven befestigt. Habe ich die Genehmigung, dieses Ruder zu verwenden?"


    Ich dachte über den Bericht des Baumeisters nach. Es schien alles logisch zu sein.


    "Genehmigt. Das Heck ist ja schon entsprechend angepasst. Was noch?"


    Der Schiffsbaumeister nichte und entrollte einen Papyrus. "Die Segel. Ich schlage vor, statt zwei Masten drei Masten zu verwenden. Dadurch werden die Segel schlanker und stehen bei Segelmanövern nicht mehr so weit über Deck. Dadurch liegt der Schwerpunkt des schiffes näher am Kiel und es bleibt auch bei harten Manövern recht stabil."


    "Gut. Auch genehmigt. Sind die Masten schon da?"


    "Ja, Kommandant. Es war aber ziemlich teuer. Wir mussten orientalische Baumstämme einkaufen, um eine solche Länge zu erhalten. Das Holz ist ausgezeichnet. Hart, dabei aber noch elastisch und sehr lang."


    "Macht nichts. Wie hoch sind die Kosten bis jetzt?"


    "Entsprechen etwa zwei Penteren. Wenn die Segel aus dem von euch gewünschten Material bestehen sollen, verdoppeln sich die Kosten noch mal."


    Ich dachte kurz nach. "Ist in Ordnung. Wie bleiben bei Seidensegeln. Der Stapellauf kann wie angekündigt stattfinden?"


    Der Baumeister nickte. "Selbstverständlich."


    "Gut, weitermachen!"


    Der Baumeister salutierte kurz. Danach wendete ich mich an Maximus.


    "Nun, wie gefällt dir, was du siehst. Beachte den schlanken Rumpf. Dieses Schiff wird schnell sein. Sogar sehr schnell."


    Logbuch der Liburne Hermes, KAL OCT DCCCLIV A.U.C. (1.10.2004/101 n.Chr.)


    Wir haben in Moguntiacum an Pier IX festgemacht. Keine besonderen Vorkommnisse.


    Proreta Marcus Octavius Nauticus
    Kommandant der Classis Romana Germanica

    Wenige Stunden später kamen wir in Moguntiacum an.


    "Kurs ändern auf 90 Grad backbord!" befahl ich, als ich die Hafeneinfahrt sah. Als wir die Hafeneinfahrt passierten, brüllte ich sofort über Deck "Alle Ruder, volle Kraft zurück!"


    Das Schiff verlor dann rapide an Geschwindigkeit. Wir fuhren leicht schräg auf die Kaimauer zu.


    "Ruder aus dem Wasser! Steuermann, Ruder hart steuerbord!"


    Die Ruder an beiden Seiten hingen in der Luft, und das Heck des Schiffes schwenkte in Richtung backbord, zum Kai. Der restliche Schwung des Schiffes sorgte dafür, dass auch der Bug noch darauf zusteuerte.


    "Das Schiff sachte mit den Rudern an der Mauer abfangen!"


    So, wie die Ruder in Colonia Ulpia Traiana das Schiff von der Mauer abgestoßen hatten, so fingen sie es jetzt auf. Als wir auf etwa fünf Meter an die Mauer herangekommen waren, wurden die ersten Taue herüber geworfen. Kurz danach war die Hermes festgemacht.


    "Besatzung, an Deck antreten!"


    So schnell sie konnten rannten alle an Deck bis auf die Rudersklaven und bildeten eine Viererreihe.


    "Einen Tag Landgang für alle! Die Sklaven können so lange in Landquartiere. In den Dienstschluss, weggetreten!"


    Nach einem kurzen "HURRA!!" verließen die Soldaten das Schiff. Ich machte noch einen Logbucheintrag und verließ dann auch das Schiff.


    "Manipulus Maximus, mir nach zur Werft."


    Logbuch der Liburne Hermes, PRIDIE KAL OCT DCCCLIV A.U.C. (30.9.2004/101 n.Chr.)


    Die Hermes hat Colonia Ulpia Traiana unter meinem Kommando verlassen, um mich und weitere ausgewählte Soldaten nach Moguntiacum zu bringen. Wir werden in Kürze in Moguntiacum anlegen.
    Es gab keine besonderen Vorkommnisse.


    Proreta Marcus Octavius Nauticus
    Kommandant der Classis Romana Germanica

    Titus schien es etwas unbehaglich zu sein. Aber wovon? Ich spürte die kleineren Stromschnellen überhaupt nicht. Und der richtige Spass würde erst noch kommen: Die Loreley-Stromschnellen bei Dämmerung! Ich musste grinsen, als ich daran dachte.


    Nach einigen Stunden Fahrt hatten wir die Loreley erreicht.


    "Klar machen für Manöver! Steuermann, Kursänderungen nach meinen Befehlen."


    "Jawohl, Herr Kapitän!"


    Ich ging zum Bug, um den Rhenus besser beobachten zu können. Die Wolkendecke hatte sich aufgelöst und die Dämmerung tauchte alles in ein Glutrot. Ich bemerkte leicht steuerbords den ersten Felsen im Rhenus.


    "Kursänderung, zehn Grad Backbord!"


    Wir passierten den Felsen, und kamen in ein Gebiet mit mehreren spitzen Felsen, die aus dem Wasser ragten. In der Mitte des rhenus war allerdings ein gutes Fahrwasser. Ich musste also nur die Hermes in der Mitte halten.


    "Fünf Grad Steuerbord!"


    'Oha! Das war knapp!' dachte ich mir. Dann kam eine Biegung um einen weiteren Felsen.


    "Ruder hart Backbord!"


    Das Schiff wackelte heftig, aber wir waren nicht auf Grund gelaufen. Es waren nur die Strudel, die uns durchschüttelten.


    Danach hatten wir die Felsen hinter uns gelassen und die Fahrt ging ruhig weiter. Bald würden wir in Moguntiacum sein.


    Ich sah Titus an.


    "Du siehst blass aus. Wirst mir doch nicht seekrank, oder?"

    "Du kannst jetzt lernen, wie man das Ablegemanöver durchführt."


    Ich ging zur Backbord-Seite auf dem Oberdeck. Wir lagen backbords am Hafen.


    "Schiff klar machen zum Aaaableeeeegeeeen!" rief ich so laut wie möglich über das Deck.


    Sofort fanden sich Soldaten an der Reling, um die Taue an Bord zu ziehen, sobald diese von den Hafenarbeitern losgemacht wurden. Nachdem alle Taue gelöst waren, blickte ich über das Deck. Am Aufgang vom Ruderdeck stand ein Manipulus und sah mich erwartungsvoll an.


    "Backbordruder ausfahren! Das Schiff vom Kai abstoßen! Und zwar sachte!"


    Sofort gab er meine Befehle unter deck weiter. Langsam schoben sich die Ruder in Richtung Kaimauer. Als sie diese berührten wurde die Hermes immer weiter in den Fluß hinaus geschoben, bis die Ruder gerade noch an den Kai reichten. Die Strömung des rhenus hatte uns erfasst und zog uns langsam in die Mitte des Flusses.


    "Steuerbord-Ruder raus! Klar machen zum wenden!"


    Ich wartete, bis alle Ruder ausgefahren waren. Noch tauchte keines ins Wasser. Der Steuermann hielt das Schiff parallel zur Strömung, die uns langsam nordwärts trieb.


    "Backbord-Ruder, volle Kraft voraus! Steuerbord-Ruder, volle Kraft zurück!"


    Sofort drehte sich das Schiff. Wir wendeten fast auf der Stelle. Als die Hermes sich so gut wie um 180 Grad gedreht hatte, befahl ich "Alle Ruder, volle Kraft voraus!" und das Schiff glich die Drehung durch die gewonnene Geschwindigkeit aus. Wir bewegten uns, langsam schneller werdend, entgegen der Strömung des Rhenus.


    Ich wendete mich an Titus. "Alles gesehen?"

    Nach den Beförderungen durch den Trierarchus Colonius beorderte ich Ferrius Maximus auf die Hermes. Ich hatte sie zum Schulschiff gemacht, und außer den Rudersklaven waren nur noch eine Handvoll Besatzungsmitglieder an Bord.


    "So, Manipulus Maximus, wir fahren jetzt nach Moguntiacum. Dort werde ich dann mal etwas Druck machen, damit die socius wieder seeklar wird. Wir haben nur noch etwas mehr als eine Woche, damit die zukünftige Besatzung meines Schiffes segeln lernen kann. Buddeln kannst du ja schon gut genug! Die Formalausbildung muss erst mal warten, kommt aber auch noch. Und du bist ab sofort mein erster Offizier, wenn ich als Kapitän unterwegs bin."


    Proconsul,


    ich lade Dich hiermit ein, dem Stapellauf eines einmaligen Schiffes am ANTE DIEM V ID OCT DCCCLIV A.U.C. (11.10.2004/101 n.Chr.) im Hafen von Moguntiacum beizuwohnen. Es wäre eine große Ehre für die Classis Romana Germanica, wenn Du anwesend sein könntest.
    An dieser Stelle sei noch darauf hin gewiesen, dass dieses Schiff der Geheimhaltung unterliegt. Deshalb wird es keine große Feier geben. Weitere Würdenträger Deiner Familie sowie Deine Frau sind natürlich auch eingeladen.


    Vale,
    Marcus Octavius Nauticus

    "Ich danke dir. Und ich verspreche, dass du hier auch weiterhin einen vorzeigbaren Außenposten finden wirst."


    Ich salutierte.


    "Noch eine Kleinigkeit. Der Stapellauf des Schiffes, das zu bauen ich in Moguntiacum in Auftrag gab, findet am ANTE DIEM V ID OCT DCCCLIV A.U.C. (11.10.2004/101 n.Chr.) statt. Es wäre mir eine Ehre, wenn du dieser Zeremonie beiwohnen würdest."

    "Aha. Das ist wohl Seemannsblut in deinen Adern!"


    Nur wenig später legten wir im Hafen an und verließen das Schiff.


    "Morgen hast du dienstfrei, aber danach wirst du jeden Tag nach Dienstschluss von mir im Segeln unterrichtet. Und noch etwas: Du wirst über mein Schiff mit niemandem reden. Verstanden?"

    "Ganz mein Gedanke. So, zum Schluss zeige ich die jetzt mal, was man mit Segeln alles machen kann. Halte dich gut fest!"


    Ich änderte abrupt den Kurs zurück in Richtung Hafen. Dabei wendete ich das Segel fast komplett auf die andere Seite. Das Boot stand fast quer zum Wind und lag durch die Kraft des Windes ziemlich schief im Wasser. Ich hatte selbst fast schon Angst, dass wir über die Backbord-reling voll Wasser laufen würden, aber das geschah nicht. Und obwohl der Wind nicht voll in den Segeln lag, kamen wir schnell auf Geschwindigkeit.

    "Kein Katapult." antwortete ich und es war wirklich lustig anzusehen, wie sich sein Gesicht förmlich in ein Fragezeichen verwandelte. "Aber Ballisten! Ballisten sind präziser als Katapulte, wenn auch schwieriger zu bedienen. Aber bei diesem Schiff geht es nur um zwei Dinge: Geschwindigkeit und Präzision. Schnell ansegeln, den Gegner unter Beschuss nehmen und in einiger Entfernung beobachten, wie er abfackelt."

    Ich grinste. "Der Vorteil ist in der Tat die Geschwindigkeit. Und, ja, du hast recht, es wird extrem schwierig sein damit zu navigieren. Man muss nicht nur das Steuer richtig bedienen, sondern die Besatzung muss auch die Segel schnell und richtig in Position bringen. Ich denke, dass wir das Schiff nach einem Monat auf See halbwegs unter Kontrolle haben können. Nach zwei Monaten können wir uns vielleicht schon auf Gefechte einlassen. Und da werden wir unseren Vorteil ausspielen können. Na, hast du noch behalten, welche Arten von Seegefechten es gibt? Und kannst du dir denken, für welche Art dieses Schiff wohl gebaut ist?"

    "Es ist ein schnelles und schlankes Schiff, etwa so groß wie eine kleinere Triere. Die Besatzung besteht, wie schon gesagt, aus nur fünfundzwanzig Mann. Für den Enterkampf ist es nicht geeignet, auch nicht zum rammen. Es soll zunächst nur als Erkundungsschiff dienen. So lange, bis ich herausgefunden habe, welche Manöver damit möglich sind. Der Vorteil des Schiffes gegenüber einem Ruderschiff ist dir klar?"

    "Es wird natürlich gesegelt! Zwei Masten, mehr als haushoch, werden die beiden Haupsegel halten. Dazu kommen noch zwei... Sturmsegel, die zwischen dem vorderen Mast und einem waagerechten Bugmast angebracht sind." Den Begriff Sturmsegel hatte ich mir gerade einfallen lassen, weil es so etwas noch nie zuvor gab. In diesem Schiff steckten meine zehn Jahre Seefahrtserfahrung, mit allem was ich bisher gesehen hatte.

    "Konnte ich auch nicht erwarten. Die meisten lernen das erst kurz bevor sie zum Proreta befördert werden. Und bis sie es richtig können, sind sie schon fast Centurio Classicus." sagte ich, mehr zu mir, als zu Titus.


    "Aber das werden wir in den nächsten eineinhalb Wochen ändern, Nauta! Du hast dich heute nämlich für mein Schiff qualifiziert. Es hat nur fünfundzwanzig Mann Besatzung, aber die werden auf dem außergewöhnlichsten Schiff der Classis dienen. Und sie werden segeln können. Dieses Schiff wird nämlich nicht gerudert."