Beiträge von Iulia Cara

    Diese Ausnahmen mussten sehr rar sein, bedeutete es doch, dass sich die Bewerberinnen durch und durch bewusst für diesen Weg entschieden. So zugewandt sie selbst den Göttern war – Vestalin zu werden, konnte sie sich nicht vorstellen. Es war einfach nicht ihr Ding. Dazu war sie viel zu emotional geleitet, zu unvernünftig. „Warum hat sie sich dafür entschieden? Es muss doch eine enorme freiheitliche Einschränkung sein – bei aller Ehre, die dieses Amt bringt.“
    Pax zog es näher an den Fluss heran. Sie ließ ihn gewähren und gab ihm mehr Zügel. Schnaubend streckte das Pferd entspannt den Hals.
    Ihr war nicht bewusst gewesen, dass die Quintilier eine dauerhafte Casa hier in der Stadt hatten. Eine Valentina kannte sie nicht, obschon sie ja selbst hier geboren worden war.
    „Es ist sehr hilfreich, wenn man ein paar Menschen um sich hat“, erwiderte sie. „Um nicht zu sagen Frauen“, Cara lächelte Calvena zu. Ja, es tat ihr gut. „Wie wäre es, wenn wir alle einmal in die Therme gingen. Was hältst du davon?“, fragte sie auf einmal, begeistert von ihrer Eingebung. Das Ufer war an dieser Stelle sehr flach, seicht und weich. Der Schlamm schmatzte auf, als Caras Pferd seine Hufe darauf setzte.
    „Ein sehr eigensinniges Kind, wie?“, Schmunzelnd dachte die junge Iulia an ihre eigene Kindheit zurück. Wie sie ihren Vater und ihren Bruder dazu überredet hatte, ihr Dinge beizubringen, die sich für ein römisches Mädchen eigentlich nicht gehörten. Unvermittelt fühlte sie einen Schwall der Sympathie für das unbekannte Mädchen. „Meinen Glückwunsch zum bevorstehenden Familiennachwuchs...!“ Es war nur vernünftig diese Reise nicht anzutreten, war man in anderen Umständen. Alles andere wäre Wahnsinn gewesen. Von einem Mann, der seiner schwangeren Frau diese Strecke zumutete, war nichts zu halten.
    „Ich glaube, von dieser Pferdezucht habe ich schon gehört...“ Klar, immerhin war Cara selbst Pferdevernarrt. „Nur besucht habe ich sie noch nicht...“
    Unauffällig schielte Cara zu der Germanica hinüber, auf der Suche nach einer verräterischen Wölbung um ihre Mitte. Doch falls eine da war, so war sie unter ihrer Gewandung nicht zu erkennen. Calvenas Frage riss sie aus ihren Gedanken. Ihr Vater...ein Thema, dass die junge Frau nicht so sehr mochte. Sie war ein ausgesprochenes Vaterkind gewesen. Er fehlte ihr schrecklich. „Vor etwa anderthalb Jahren“, antwortete sie fest und hielt den Blick nach vorn gerichtet, um nicht ihr verräterisches Gesicht zu zeigen. „Ich glaube, er fehlt ihr sehr...“

    Viel zu sehr mit dem Rätsel beschäftigt, weshalb man sie überhaupt nach Mogontiacum zurückgerufen und in die Castra einquartiert hatte, hatte sie an die mögliche Gefahr – die Provokation – überhaupt nicht in Betracht gezogen. Als sie dem Mann nun zuhörte, was ihn beschäftigte, kaute Cara nachdenklich auf der Innenseite ihrer Lippen.
    Auch dem Legaten muss doch wohl bewusst gewesen sein, was für eine Provokation ihre Anwesenheit für die Soldaten war. Warum hatte er sich darüber hinweg gesetzt? Die Lippen des Soldaten bewegten sich und seine Worte sickerten in ihren Verstand, während sie ihren eigenen Gedankenbahnen folgte. Warum. Vielleicht weil sie als kleines Mädchen schon oft im Soldatenlager gewesen war, um ihren Vater zu besuchen und sich deshalb hier zu Hause fühlte? Warum hier, in seiner Nähe...
    „Du hast zweifelsohne Recht“, erwiderte die junge Iulia vollkommen unaufgebracht Dass nicht sie es war, an die er dabei gedacht hatte, das wusste sie schon, ehe er es explizit herausstellte. Der Mann war Soldat. Mit Leib und Seele. Vermutlich begleitete er sogar ein höheres Amt. War Rom das schlagende, pulsierende Herz des Imperiums, der Senat der Kopf, dann waren die Legionen die wehrende Hand, das Aushängeschild, das die Macht Roms in die Welt hinaustrug.
    „Aber ich bin die Falsche, wenn es um deinen Unmut geht. Ob du es glaubst oder nicht – es gibt auch Menschen, die es sich nicht ausgesucht haben, hier einquartiert zu sein...“ Ihr Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück, brachen aus dem tiefen See ihres Inneren Ichs durch die Oberfläche.
    „Und was deine Männer betrifft...du solltest ihnen mehr vertrauen...“ Einmal ganz davon abgesehen, das sie selbst nicht ganz wehrlos war. Sie spürte die dünne Dolchscheide warm an ihrem Oberschenkel. Würde auch nur einer versuchen, ihr zu nahe zu kommen...“Außerdem bin ich nie a-“
    „domina?! Da bist du ja! Ich habe dich überall gesucht. Nach dem Tor warst du auf einmal verschwunden...“
    Cara biss sich auf die Unterlippe und schloss einen Atemzug lang die Augen. >Verdammt!< Corax, ein Sklave des Praetoriums kam, hoch gewachsen wie ein Germane, aber so spindeldürr wie ein Grashalm im Wind, zum Stalltor herein geschlappt. Es war kein Zufall, dass sie nach dem Tor urplötzlich verschwunden war. Sie hatte sich alle Mühe gegeben, den Sklaven, der wie eine Klette an ihr klebte und seinen Auftrag, auf sie Acht zu geben, ganz genau und präzise nachkam, hinter sich zu lassen. Was für einen ungeschickten Augenblick hatte er sich nur ausgesucht, sie wieder zu finden! Ausgerechnet jetzt! Öl im Feuer dieses Mannes, der sie ohnehin schon für dämlich und unvernünftig hielt. Cara spürte, wie zartes Rot auf ihren Wangenknochen aufflammte.
    „Salve!“, nickte er dem Soldaten respektvoll zu und richtete dann das Wort abermals an die junge Iulia, die nicht ihn, sondern ihren Gegenüber ansah.
    „domina, wir sollten uns beeilen. Sie warten bestimmt schon mit er cena auf uns...“ Sie nickte widerwillig. „Ich komme gleich...“ Noch einmal wandte sie sich an den Mann vor ihr und versuchte dabei so viel Würde wie nur irgend möglich aufzubringen.
    „Danke für deine Hilfe...“, erklärte sie ihre Dankbarkeit. Hielt einen Moment inne und verabschiedete sich schließlich mit einem „Vale bene“...

    Der Kerl von vorhin kam doch tatsächlich, um ihr den Eimer abzunehmen. Einigermaßen erstaunt konnte Cara nichts weiter tun, als ohne jegliche Widerrede zuzulassen, dass er ihr das Wasser aus der Hand nahm. Für ihn war das natürlich ein Kinderspiel, während sie mit hochrotem Kopf da stand. >Hat er also doch noch so etwas wie Manieren...< Hatte sie ihn eventuell doch falsch eingeschätzt? Sein herablassendes Verhalten als Arroganz fehlgedeutet? Es dauerte einen ganzen Augenblick bis die junge Iulia, die angesichts seines zuvor an den Tag gelegten Stink-Stiefel-tums ehrlich überrascht war, schaltete. Und es war keine spitze Bemerkung, die ihr da über die Lippen kam.
    „Dort drüben...Die Nummer zwölf...“, erwiderte sie. Doch schon beim nächsten Atemzug kam ihr der Gedanke, dass der Kerl sie womöglich nur vorführen und ihr seine Kraft demonstrieren wollte. Wieder verspürte sie die ziehende Anspannung, die mit Cara-typischen Trotzreaktionen einher ging. Doch es war schon zu spät. Sie hatten die Box bereits erreicht und der Mann schickte sich an, den Eimer dorthin zu stellen, wo er hingehörte. Als er sich wieder um wandte, stand die Iulia mit gekreuzten Armen neben der Tür und sah ihn forschend an. Das „Danke“ lag ihr bereits in der Kehle, traute sich aber nicht zu recht, auf ihrer Zunge Anlauf zu nehmen und über ihre Lippen zu springen.
    „Was hast du eigentlich für ein Problem?“, fragte Cara stattdessen direkt. Ruhig, da sie eine Antwort nicht vergraulen wollte. Sie war es Leid zu spekulieren...

    Schweigsam hatte Cara dem Gespräch zwischen den beiden Männern gelauscht. >Unglaublich was sich dieser Kerl da erlaubt!<, dachte sie empört und sah den Mann an, dem sie bereits im Stall begegnet war. Hatte der nichts besseres zu tun? In Gedanken versunken schüttelte sie den Kopf. Manche Menschen mussten andere spüren lassen, dass sie Macht über sie hatten, um ihr Ego aufzupolieren. Es half nichts. Der Kerl war nichtsdestotrotz im Recht.
    Der Atier wollte sie just in dem Moment wegschicken, als sich die Situation zuspitzte. Im Grunde hätte er sie nicht erst dazu auffordern müssen. Cara hatte wenig Lust darauf, dem Folgenden beizuwohnen. Sie wollte gerade etwas erwidern, als Duccia Vera sie begrüßte. "Sontje!", sagte sie erfreut und sah aus dem Augenblick rasch hinüber zu dem Wolf. Es musste ihn ja gewaltig ärgern, dass sich dieser Abschied noch in die Länge zog. "Schön dich zu sehen! Wa treibt dich in diese Gegend?...Warte! Ich komme gleich mit, dann können wir uns unterhalten...",
    Sie wandte sich wieder dem Atier zu. "Nein, schon gut...Ich wollte ohnehin weiter. Es tut mir Leid, dich in diese Lage gebracht zu haben...", Die junge Iulia meinte es ernst. Immerhin hatte sie ihn auf der Straße aufgehalten und damit diesem paragraphenversessenen Kerl die Möglichkeit gegeben ihn aufzugabeln.
    "Es würde mich freuen, würden wir uns wiederbegegnen...dann aber eher in Confluentes...", Sie lächelte - jedoch nur, bis sie den Wolf ansah. Mit einem scharfen, betonten "Vexillarius" nickte Cara ihm zum Abschied zu und legte ihre ganze Missbilligung hinein, ehe sie sich bei Sontje unterhakte und die beiden Frauen weitergingen. "Also, erzähl - was war das mit den Soldaten in der taberna?"

    Anerkennend nickte Cara. Sie selbst war ein gottesfürchtiger Mensch, konnte sich aber nicht vorstellen den Göttern einen so kompromisslosen Dienst zu tun. Einen Haken hatte die Äußerung der Germanica jedoch. „Erst vor einem Jahr? Ich dachte, Vestalinnen werden mit spätestens zehn Wintern berufen?“ Nun, so intensiv hatte sie sich mit der großen Frau damals doch nicht unterhalten.
    Wie wichtig eine gute Freundin war, das hatte die Iulia erst gerade eben wieder erfahren. Nachdem Corona überraschend nach Roma aufgebrochen war hatte sie eher missmutig einem langen, einsamen Sommer entgegen geblickt. Doch dann war unvermittelt Sentia Aemilia, die Freundin aus Kindertagen aufgetaucht und das Blatt hatte sich gewendet. Und jetzt auch noch Calvena! Noch ein paar Frauen mehr und sie konnten einen richtigen, anständigen Frauennachmittag veranstalten. Das brachte Cara auch zu ihrer nächsten Frage: „Ihr beide – dein Ehemann und du – habt ihr hier Familie oder seid ihr hier ganz allein?“


    Das Fieber, von dem sie noch geschwächt gewesen war, als sie Rom betreten hatte, das verschwieg Cara in diesem Zusammenhang lieber. Man hielt sie auch so schon für unvernünftig genug.
    Es klang nicht nach jenen Floskeln, die man angesichts einer sich zu sehr sorgenden Mutter anwandte, um seinen Gegenüber zu beruhigen. Es machte Cara stutzig. „Es klingt fast so, als würdest du...“, begann sie, hielt dann aber inne, schüttelte den Kopf und setzte erneut an: „Es kann gut sein, dass sie sich einsam gefühlt hat. Mein Vater ist vor langer Zeit gestorben und in den germanischen Wintern sterben die Älteren wie Fliegen....“ Aber der Gedanke daran, dass Calvena eventuell selbst bald Mutter werden würde, ließ sie nicht los.


    AD
    Marcus Iulius Licinus
    Legio I Traiana
    Italia, Mantua


    Salve Marcus,


    Es freut mich sehr von dir zu hören! Am selben Tag, als ich deinen Brief erhielt, flatterte auch ein Brief aus Roma mir ins Haus. Als hätten Lucius und du dich abgesprochen! Wir werden es einfach auf die Probe stellen! Wenn ich demnächst zurück nach Roma reise, werde ich dich besuchen kommen! Aber so sehr habe ich mich eigentlich gar nicht verändert. Ein wenig größer bin ich geworden. Mutter war immer furchtbar böse mit mir, wenn ich zu Hause etwas durcheinander gebracht habe. Dafür wusste ich dann aber bald, was sie so alles in der dunklen Speisekammer versteckt hielt. So gesehen hatte alles seine Vor- und Nachteile. Hat alles seinen Preis.


    In der Tat habe ich mich erholt. Es geht mir ausgezeichnet! Als hätte mich dieses Fieber niemals Heimgesucht. Ich gebe zu – vernünftig war es wirklich nicht. Aber ich wollte nicht noch einen Augenblick länger in Mogontiacum vergeuden. Ich bin hier aufgewachsen. Hier im Nirgendwo. Auch wenn sich die Stadt über die Jahre gemausert hat. Sie ist Nichts im Vergleich zu der Ewigen Stadt. Dort ist das Leben. Und dort wollte ich hin. Ich hatte ja schon Lucius´ Verlobungsfeier verpasst. Da wollte ich nicht auch noch die Hochzeit versäumen. Sonst hätte ich wieder jahrelang auf eine Gelegenheit warten müssen, Mutters Diktat zu entkommen. Sie hat rasch einen Weg gefunden, mich zurück zu beordern. Ich danke dir für deinen Rat bezüglich dem Umgang mit Sklaven. Er scheint mir weise zu sein und ich werde versuchen ihn zu beherzigen. Ich werde Phocylides demnächst wohl losschicken, um mir nach einer neuen Sklavin zu schauen. Im Haushalt des Legaten leben nur wenige Sklavinnen und die sind zumeist mit anderen Dingen beschäftigt. Oder vielleicht warte ich doch besser, bis ich wieder in Roma bin. Der hiesige Sklavenmarkt ist nicht sehr ausgeprägt und es widerstrebt mir eine Germanin aus offensichtlichem Grund zur Sklavin zu nehmen. Kommst du dir manchmal nicht eher wie ein Kindermädchen denn als Centurio vor?


    Es ist erstaunlich wie klein die Welt doch manchmal ist! Dass du einen der beiden Männer kennst, das wäre erstaunlich gewesen, aber dass dir beide bekannt sind, das ist unglaublich! Du warst also auch in Parthia. Kannst du mir darüber etwas erzählen? Der Legat gibt sich diesbezüglich eher wortkarg. Und bitte richte Aurelius Ursus einen Gruß von mir aus, wenn du ihm das nächste Mal begegnest. Vielleicht erinnert er sich noch an mich. Ein solcher Retter kann nur ein guter Befehlshaber sein. Hier ist ein anderer großer Mann, denn du vermutlich kennst. Quintilius Valerian wurde nach Mogontiacum versetzt. Mit ihm ist auch seine Frau Germanica Calvena gekommen. Ich habe sie letztens bei einem Ausritt getroffen. Es tat gut wieder einmal mit einer Frau zu reden.


    Ich könnte mir gut vorstellen, dass in Zukunft noch mehr von ihm in der Acta stehen wird. Zum Quaestor wurde er ernannt. Wohin er nur wachsen will?! Eines Tages wird er gewiss im Senat das Wort haben. Dass ich beim Legaten hier untergebracht bin, das war nicht meine Idee. Sondern seine. Ich wurde auf sein Bestreben hin hier einquartiert, damit Mutter und ich nicht ständig aneinander fahren und dadurch ihre Genesung nicht behindert wird. Tja, so bin ich also nun hier. Selbstredend nicht allein. Lucius maior domus Phocylides ist bei mir und wacht darüber, dass alles mit rechten Dingen zugeht. In letzter Zeit spricht er ziemlich oft bei Decimus vor. Keine Ahnung, was die beiden zu besprechen haben.


    Corona war bei dir? Das freut mich zu hören! Ursprünglich wollten wir dich ja auf unserem Hinweg besuchen kommen. Schön, dass sie es doch noch nachgeholt hat. Wenn die Götter es wollen, werde ich dir auch noch einen Besuch abstatten, wenn ich vor dem Winter nach Roma zurückkehre! Hoffentlich. Lucius hat mir übrigens Nachricht von meinem Bruder gebracht. Er wurde in Mantua zum Duumvir gewählt. Vermutlich seid ihr Männer aber untereinander wesentlich besser vernetzt und du weißt darüber schon längst Bescheid. Hast du vielleicht noch irgendwelche anderen Informationen von meinem Bruder? Ich habe schon lange nichts mehr von ihm gehört und lechze förmlich nach jedem kleinen bisschen, das ich von ihm zu greifen bekomme.


    Was mein Leben hier betrifft, ist alles rasch wieder zum Alltag geworden. Ich habe leider feststellen müssen, dass es ein Großteil meiner alten, engen Freunde in die Welt hinausgetragen hat. Manchmal kommt man sich hier regelrecht einsam vor. Und dabei gehöre ich weiß Iuppiter nicht zu den schüchternen, schweigsamen Mädchen. Immerhin eine erfreuliche Nachricht gibt es zu verkünden. Eine gute Freundin aus Kindertagen wird diesen Sommer heiraten und ich darf bei den Vorbereitungen helfen. Mutter war zu meinem Geburtstag zu Besuch. Ich habe ein kleines Hündchen von ihr bekommen. Da hat sie ausnahmsweise Kreativität an den Tag gelegt. Deinen Gruß habe ich ihr übrigens ausgerichtet. Auch sie lässt dich herzlich grüßen!


    Liebste Grüße! Vale bene,


    Cara



    Familienwertkarte

    Der Mann hatte offenkundig ein Problem. Zwar kam er Caras Bitte nach, jedoch so wortkarg wie ein stummer Fisch. "Äh...Danke", erwiderte die junge Iulia sichtlich irritiert, als er ihr Bürste und Kamm in die Hand drückte. Vielleicht war er ja mit dem falschen Fuß aufgestanden? Oder einer seiner Vorgesetzten hatte ihn getritzt, oder er hatte doch seine Zunge in irgendeinem Kampf gegen einen übermächtigen Gegner XY eingebüßt, der ihm zum Spaß und als Kriegstrophäe dienend den Muskel aus dem Mund geschnitten hatte. Oder er hatte ein Problem mit Frauen - womöglich sogar Angst! Cara sah an sich herab. Vor Dreckstehend, konnte sie eigentlich kaum furchteinflößend wirken. >Beherrsch dich Iulia! Beherrsch dich!<, ermahnte sich Cara selbst, als die Irritation der Empörung wich. "Springst du immer so unhöflich mit Frauen um? Bringt man euch Soldaten denn hier keine Manieren bei?", fragte sie unwirsch in seine Richtung, streitbarer denn je nach dem Gespräch mit dem Stallmeister. "Unter meinem Vater wäre das nicht geduldet worden..." Dann ließ sie ihn stehen. Es gab eindeutig wichtigeres zu tun, als sich mit diesem ungehobelten Kerl auseinander zu setzen. Pax wartete und ihr ging es eindeutig besser.


    Mit kräftigen Bewegungen zog die junge Iulia die Bürste über Pax´ Fell, bis es vollständig befreit war von jeglichen dreckigen Rückständen. Der Tier schien diese Massage zu gefallen und stand ganz ruhig. Auch dann noch, als sie dazu überging, seine Hufe zu reinigen. Schließlich übergab sie den Rappen jenem Stallburschen, der inzwischen herbei geeilt war, um die Box zu säubern und wies ihn an, den Hengst ein wenig im Hof zu führen, damit seine Muskulatur wieder lockerer würde. Allzu viel konnte man dabei ja nicht falsch machen. Während der Junge von dannen zog, ging sie selbst nochmals in die Sattelkammer, um dort einen Eimer und draußen im Hof an einem Brunnen Wasser zu holen. Keuchend unter der schweren Last, schleppte sie den Eimer zurück. Im Stalltor setzte Cara ihn ab und ruhte sich einen Augenblick aus. Der Eimer war viel zu schwer für sie. Aber diesen >eingebildeten Schnösel< - sie interpretierte sein Verhalten inzwischen als reine Arroganz - wollte sie um nichts in der Welt fragen. Dazu war die Iulia viel zu stolz. Lieber wollte sie sich an diesem verdammten Eimer einen Bruch heben oder noch schlimmer elendig krepieren, weil sie ihn nicht mehr tragen konnte, stolperte und sich das Genik brach. Sie blickte auf den Eimer vor sich. >Vom anstarren wird es auch nicht weniger..< Seufzend nahm Cara den Kübel wieder auf und spürte umgehend, wie der Schmerz in ihren Rücken zurückkehrte. Als hätte sie ihn dorthin bestellt. Schnaufend wankte sie voran, während das Wasser bei jeder ihrer Bewegungen gefährlich hin und her schwappte. Sie kam auf Höhe jener Box, in welcher der unfreundliche Soldat stand. Und das Wasser schwappte und schwappte und schwappte....

    Die beiden mussten sich sehr nahe stehen. Vertrauen und Zuneigung waren es, was Cara aus dem Timbre ihrer Stimme herauslas. „Nicht wirklich kennen gelernt. Eher flüchtig miteinander gesprochen“, erwiderte Cara lächelnd. „Wann ist sie der Priesterschaft beigetreten?“
    Dieses Thema schien sie eindeutig mehr zu mögen, als das Gerede über den PU, auch wenn Cara einen leisen Schatten über ihrem Gesicht wahrnahm. Alles war wohl nicht so in Ordnung zwischen ihr und ihren Freunden. Die junge Iulia beschloss das Thema Salinator vollständig fallen zu lassen. „Vulgär“ und „Begierde“ waren Worte, die keinen Mann zur Ehre gereichten. Nicht so ein Mann wie es der Decimer etwa war. Und sie wollte Calvenas Stimmung nicht durch die Erinnerung an einen solchen Kerl trüben.
    Calvenas Eingeständnis ließ Cara schmunzeln. Dieses Problem kannte sie selbst nur zu gut. „Bis zu einem gewissen Grad kann jeder Unrecht und Dreistigkeit ertragen, aber irgendwann wird eine Grenze erreicht. Dann kann man einfach nicht mehr an sich halten…“


    „Es war auch ziemlich unvernünftig“, gestand sie im Hinblick auf die winterliche Überquerung der Alpen. Eigentlich war es eher Wahnsinn. Zumal sie zuvor noch an einem Fieber gelitten hatte. Aber die Götter waren ihrer Reise wohl gesonnen gewesen und hatten sie beschützt. Die Bäume teilten sich zum Flussufer hin und machten einer kleinen Lichtung Platz. Zu ihrer Linken erhob sich eine Trauerweide, deren lange, fadenartigen Äste fast bis auf den Boden reichten. Hier war sie oft gewesen. Erst als Kind zum Spielen, später als Heranwachsende zum Nachdenken.
    „Es geht ihr besser, ja…“, antwortete Cara. „Sie macht einen äußerst gesunden Eindruck, um ehrlich zu sein. Als wäre sie nie krank gewesen.“ Es war eines jener Begebenheiten in einer ganzen Reihe verschiedener Merkwürdigkeiten, die sie nach wie vor stutzig machten.

    Die Patrouille kehrte zurück. Während Cara dem Atier noch dabei zu hörte, wie er von seiner Herkunft sprach (Er war ein Iberer! Da sie nun begriff, dass auch sie ihn falsch eingeschätzt hatte, tat ihr ihre Reaktion auf seine falsche Annahme schon fast ein bisschen leid.) Zu einer Antwort kam sie jedoch nicht. Einer der Reiter hielt an. Sie kannte ihn. Der Soldat aus dem Stall. Die junge Frau erwiderte seinen Gruß mit einem „Salve“.
    Die beiden Männer verloren sich sehr rasch in einem Gespräch. Offensichtlich witterte der eine die Gefahr der Untergrabung der Dienstmoral. Cara hatte dazu nicht viel beizutragen. Peripher hörte sie den beiden zu streichelte dabei aber das Pferd des Atiers.

    Dass sich der Stallmeister um die Angelegenheit kümmern würde, da war sich die junge Iulia nach ihrem Gespräch sicher. Der Mann bot ihr an für einen Ersatzstallburschen zu sorgen, der das Pferd und dessen Unterkunft säubern würde. Doch Cara dankte zumindest hinsichtlich des Putzens ihres Pferdes ab. Heute würde sie niemand anderes mehr an Pax heranlassen. Scarpus versuchte sie noch zu überreden.
    „Nein, wirklich…Ich kümmere mich selbst darum…“, erwiderte sie lächelnd. Der Mann betrachtete sie noch einen Moment, hob dann die Schultern, ließ ein „Vale“ verlauten und schritt davon. Cara unterdessen band den Rappen an einem Eisenring an und ging dann dazu über, mit den Händen über dessen Fell und Beine zu streichen. Offensichtlich war das Tier nicht verletzt, nur etwas steif vom Stehen und sein Fell stand vor Dreck. „Ein wenig Hafer könnte dir auch nicht schaden, hm Großer?“, sprach sie beruhigend mit ihm, als ihre Finger über Pax´ weiches Maul strichen. „Na warte;Ich komme gleich wieder...“
    Die Sattelkammer war nicht weit entfernt. Hier lagerten Unmengen von Lederhalftern, Decken, Eimern und Besen, aber auch Futtertruhen. Die junge Iulia nahm sich einen Eimer und suchte die Truhen nach Hafer ab, von dem sie zwei Schaufeln in den Eimer gab. Schließlich schnitt sie noch zwei Äpfel klein und warf sie zu dem Hafer dazu. So mit Futter bewaffnet kehrte sie zu ihrem Pferd zurück und während Pax sich an seiner Mahlzeit gütlich tat, machte sich Cara zurück in der Kammer auf die Suche nach Putzzeug. Zu ihrer eigenen Überraschung fand sie aber nur eine äußerst kläglich aussehende Bürste, der schon die Hälfte der Borsten fehlte. Das konnte unmöglich alles sein. Noch einmal suchte die Iulia zwischen den Halftern und in den Schränken. Nichts. Unschlüssig sah sie auf die Bürste in ihrer Hand. Damit würde sie Pax auf keinen Fall sauber bekommen. Vielleicht sollte sie einen der Stallburschen fragen. Hatte sie auf ihrem Weg hierher nicht einen in einer der Boxen gesehen? Cara ging hinaus und schritt aufmerksam an der Reihe der Ställe vorbei. Tatsächlich! Da war er. Fahrig strich sie sich eine Strähne zurück, die ihr aus ihrer Frisur gerutscht war. Angesichts des Staubs und Drecks auf ihrem Gewand ein unsinniges Unterfangen ein wenig Ordnung herzustellen.„Salve Soldat!“, begrüßte sie den Mann lächelnd und steckte den Kopf zur Tür herein. „Wo habt ihr denn Putzbürsten versteckt? Die hier wird wohl nicht eure einzige sein…“

    Selbst wenn Cara versucht hätte ihren Unmut zu verbergen, wäre er auf ihrem Gesicht nur umso deutlich sichtbar gewesen. Sie war eine leidliche Schauspielerin und ihre Züge für nahezu jeden aufmerksamen und intelligenten Menschen ein offenes Buch. Deshalb unternahm die Iulia auch noch nicht einmal den Versuch einen Hehl daraus zu machen, dass ihr die Äußerung des Atiers ganz und gar nicht gefiel.
    „Iulia Cara...“ Sie bemühte sich dennoch um ein freundliches Timbre in ihrer Stimme, was einzig dem Umstand zu verdanken war, dass es ihm offensichtlich Leid tat. Dennoch brachte sie ihre Sätze in recht wortkarger Manier hervor und das zuvor noch strahlende Lächeln wirkte nicht mehr ganz so offen und fröhlich.
    „Die roten Haare, hm?“, sprach sie sogleich wissend die Ursache des Übels an, das gleichsam Fluch wie Segen war. Auf diese Weise stach sie von der Natur aus so gewollt aus der Menge heraus. Der Nachteil war die Verlockung zu irrtümlichen Annahmen. Für gewöhnlich hielt man sie eher für eine Gallierin denn für eine Germanin. Für viele Römer mochte das ein und dasselbe sein. Barbaren eben. Die Iulia, in Mogontiacum geboren und aufgewachsen, kannte aber die feinen Unterschiede zwischen den verschiedenen Völkern und ihrer Stämme. „Eigentlich stimmt das ja auch...“, fügte sie in versöhnlichem Ton hinzu. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen...Aber ich bin eine Römerin...“ Sie hingegen hielt ihn immer noch für einen Germanen. Für einen, zu dem man ganz schön hoch schauen musste. „Du bist aber selbst für einen Germanen ganz schön groß!“, bemerkte sie beeindruckt und fasziniert zugleich und schickte ein Lächeln nach. „Kommst du ursprünglich aus dieser Gegend?“


    Eigentlich hätte Cara das als Tochter eines ehemaligen Lagerpraefects wissen müssen.
    „Verzeih...ich wollte dich nicht...hmm...beleidigen?“, Schon die Tatsache, dass er sie belehrte machte deutlich, dass er offensichtlich großen Wert darauf legte, nicht als „miles“ bezeichnet zu werden. Vielleicht aus einer Abneigung heraus. >Warum auch immer<.

    Cara, die nicht ahnte in welchem Zustand die Germanica war und welchem Risiko sie sich damit aussetzte, ritt lauschend neben Calvena einher. Das war ein weiterer Vorteil Mogontiacums. Fernab von Roma gab es niemanden, der ihr das Reiten verbieten konnte. Überhaupt schien es hier viel weniger Regeln zu geben. Natürlich stand man auch hier in der Öffentlichkeit. Aber „unangemessenes“ Betragen verbreitete sich nicht unbedingt wie ein Flächenbrand. So weit von der Ewigen Stadt entfernt mahlten die Mühlen gemächlich und langsam vor sich hin.
    Calvena schien amüsiert über ihren Unglauben zu sein. Es blieb aber bei einem kurzem Aufblitzen, ehe der Ernst in ihre Züge zurückfand. Ihre Antwort fiel jedoch ziemlich vage aus. Da war es wieder, das „unmögliche Verhalten“, das in Roma so rasch in aller Munde war. „Ich habe da scheinbar wirklich etwas nicht mitbekommen...aber ich war auch in ein Gespräch mit einer Vestalin vertieft.“ Das war schon ein Highlight, das man sich nicht so einfach entgehen lassen konnte. Immerhin bekam man die heiligen Priesterinnen so selten zu Gesicht, dass man meinen konnte, es gäbe nur eine in der ganzen Stadt. Dass die Iulia nach wie vor interessiert daran war, was denn so ungeheuerliches vorgefallen war, das war ihr deutlich anzusehen. Allerdings sah sich Cara nicht in der Lage die ältere nun mit Fragen zu löchern. Bisher waren sie sich nur zwei Mal begegnet und waren sich somit eigentlich noch fremd. Daher versuchte sie es mit einem diplomatischen: „Er muss sich wirklich unerhört verhalten haben. Ich schätze dich eigentlich als einen geduldigen und belastbaren Menschen ein.“ Das musste sie sein. Immerhin wirkte sie trotz der Unbilden, die ihr das Leben gespielt hatte fidel. Die Germanica schien regelrecht zu aus dem Inneren heraus zu blühen.
    Mit einem Nicken nahm Cara ihre nächste Äußerung entgegen. „Das kann ich gut verstehen...“, erwiderte sie mit einem leisen Lächeln. „Unfreiwillige Reisen sind immer die unerträglichsten – und dazu ist es eine lange gewesen. Ich habe die Strecke in den letzten Monaten gleich zweimal machen dürfen. Erst über den Winter, was ich niemandem empfehlen kann, und dann zu Beginn des Sommers. Meine Mutter schrieb einen Brief an Lucius, dass sie krank sei und ich kommen solle...“ Ihr Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel darüber, wie sehr sie davon angetan gewesen war. Nämlich gar nicht. Vermutlich hatte ihr Corona davon schon berichtet.


    Die Gruppe näherte sich einem kleinen Wäldchen, das vorwiegend von Laubbäumen bestanden war. Es war nur ein schmaler Streifen von wenigen Reihen, hinter denen der breite Fluss zügig dahin floss. Als sie zwischen den Bäumen einritten, wurde es schlagartig kühler und auch dunkler. Eine zarte Brise fuhr durch die Baumwipfel und brachte die Blätter zum Rascheln. Nur noch wenige Wochen und das Grün würde anfangen zu welken.

    Im Laufe seines Lebens hatte der Decimer die Fähigkeit, seine wahren Empfindungen und Gedanken unter Kontrolle zu halten, perfektioniert. Zumindest im Moment schien es so, denn auf seinem Gesicht bewegte sich kein einziger verräterischer Muskel. Das war in seinem officium nicht so gewesen. Er stellte sich dieser kleinen Herausforderung, die Cretica ihm nicht bewusst, sondern eher aus altersbedingter Unaufmerksamkeit gestellt hatte und die für Cara im Grunde gar keine war, da ihr der Geburtstag reichlich wenig bedeutete. Sie selbst hätte ihn ja einfach überlebt, ohne daran zu denken, wäre ihre Mutter nicht auf einmal aufgekreuzt. Aber anscheinend machte es ihm etwas aus. Er sah sie entschuldigend lächelnd an.


    Versprich mir einfach einen gemeinsamen Reitausflug als Geschenk...“, meinte sie mit einem Schmunzeln auf den Lippen, anstatt einfach abzuwinken, was ihn zweifelsohne nicht vollständig von dem schlechten Gewissen, das er offenkundig hatte, befreit hätte. Cretica im Hintergrund wurde den Hauch eines Augenblicks lang von offenkundigem Schock ergriffen. Hatte sie soeben richtig gehört? Ihre Tochter verlangte einen REITausflug von dem Legaten. Wie kam sie nur darauf etwas so unziemliches von dem Mann zu verlangen, den sie, wenn auch im Moment noch unwissentlich, eines Tages nach ihren, Creticas, Plänen heiraten sollte?! Eine Frau ritt nicht. Und schon gar nicht mit dem Legaten. Cara unterdessen schien an ihrem Vorschlag gar nichts zu finden. Wie naiv sie doch noch ist, ging es Cretica durch den Kopf und betrachtete den Rotschopf, wie er lächelnd mit dem Hund im Schoß da saß und zu dem Decimer hinauf lächelte. Nun ja, immerhin bot sie in dieser Haltung einen liebreizenden Anblick und sie hatte um einen „gemeinsamen“ Ausritt gebeten. Es musste Livianus eigentlich gefallen, dass sie ihn um gemeinsame Zeit bat und nicht um teure Kleider. Ein Mann mochte in der frommen Bitte auch Anzeichen von Verliebtheit herauslesen, eine Verheißung auf mehr. Männer, die ihre Tochter nicht kannten. Wenn sie ernsthaftes Interesse an etwas oder jemanden hatte, konnte Cara äußerst direkt werden. Zu Creticas Leidwesen. Dass sie den Legaten allerdings mochte, das war selbst für einen Blinden noch erkennbar. Immerhin. Vielleicht würde der Mann diese Zuneigung tatsächlich missinterpretieren, mehr darin sehen, als im Moment augenscheinlich da war. Das wiederrum konnte ja nur ein Vorteil für sie sein.


    Cara indessen fragte sich, ob ihre Bitte nicht vielleicht doch etwas unverschämt gewesen war. Nach dem, was sie sich in seinem officium geleistet hatte, wo er sie mit seinem Schwert in der Hand ertappt hatte, konnte sie ihm eigentlich schon dankbar dafür sein, wenn er ihrer Mutter gegenüber kein Sterbenswörtchen verlor. Forschend sah sie ihm in die Augen.

    Zitat

    Original von Marcus Decimus Livianus :"Cara? Was tust du hier?"


    >Wer es wohl geschmiedet hat?< Normalerweise waren es römische Schmiede, welche die Waffen für die Truppen fertigten. Den Germanen und anderen barbarischen Stämmen traute man einfach nicht über den Weg. Und schon gar nicht wollte man sie in die Geheimnisse der römischen Waffenschmiede einweihen. Dabei waren auch Barbaren in der Lage tüchtige Schwerter und Pfeilspitzen im Feuer zu schmieden. Cara hatte schon einige dieser Waffen gesehen und auch die eine oder andere – heimlich – in der Hand gehalten.


    „Cara? Was tust du hier?“ Die Stimme drang von der Tür herüber. Einer Tür, die sie nicht gehört hatte, als sie geöffnet wurde. Eine Stimme, die sie gut kannte und aus der klar und deutlich die Überraschung hervorstach. >Scheiße!< Cara war klug genug diesen undamenhaften Fluch nur in Gedanken zu formulieren und sich nicht wie ein ertapptes Reg herumzuwerfen, um denjenigen, der es gerade umritt auch noch ins Gesicht zu blicken. Für den Bruchteil einer Sekunde erstarrte sie in ihrer Bewegung, die Augen vor Schrecken weit aufgerissen. Zum Glück konnte der Mann ihren Gesichtsausdruck nicht sehen. Er hätte sogleich gewusst, dass es Neugierde und Sachverstand gewesen war, der sie letztendlich herein getrieben hatte. >Was machst du jetzt, Iulia, hm? Dummes Mädchen!<, tadelte jene Vernunft, die zuvor so kläglich verloren hatte, zornig. >Ja, was machst du? Durchatmen! Bleib ruhig! Noch kannst du die Situation retten!< Betont, legte sie das Schwert zurück in das Tuch und schlug den Stoff darüber. >Warum musste ich auch so neugierig sein? Mutter wird mir die Hölle heiß machen, wenn sie davon erfährt...< Schließlich erhob sich die Iulia und nahm eingewickelt wieder in die Hände. Schließlich wandte sie sich zu ihm um. Ernst, gefasst. >Angriff ist die beste Verteidigung<
    „Ich habe dich gesucht, Decimus...“, Es klang vorwurfsvoll. Sie gab sich alle redliche Mühe, sich ihre innere Anspannung nicht anmerken zu lassen. Gar nicht so einfach für eine so schlechte Schauspielerin, wie sie es war. Aber dieser Teil war auch noch nicht sonderlich schwierig, entsprach er doch der Wahrheit. Sie hatte ihn gesucht. Schwieriger wurde es erst später...
    „Und dabei das hier gefunden....“ Cara hielt ihm das Schwert entgegen.
    „Weißt du eigentlich wie gefährlich es ist, so etwas einfach in der Gegend herum liegen zu lassen? Was wenn eines der Sklavenkinder hier vorbei kommt, denkt es sei ein Spielzeug und sich daran verletzt?“, beschwor die junge Iulia wie aus dem Nichts einen Schwall des Zorns hervor (der sie ehrlich selbst überraschte). Sie hob dabei sogar ihre Stimme an. „Oder noch schlimmer, es hakt sich die ganze Hand ab!“, sie redete sich so richtig schön in Rage. „Ich dachte wirklich, du seist ein verantwortungsvoller Mann, Legat!“, trieb sie es auf die Spitze. Schlagartig brach ihr Schweigen herein, als sie sich darauf verlegte ihn wütend anzufunkeln >Ooooh...bitte nimm es mir ab...< Dabei hatte sie wohl die beste Inszenierung ihres Lebens hingelegt.


    AD
    Lucius Iulius Centho
    Casa Iulia
    Roma, ITA


    Salve Lucius!


    In der Tat habe ich einen Brief aus Roma sehnlichst erwartet – aber das warten hat sich eindeutig gelohnt. Das sind ja ganz und gar wunderbare Neuigkeit! Im ersten Moment konnte ich es gar nicht glauben und musste die Stelle gleich drei Mal lesen. Ich gratuliere euch beiden von Herzen und wünsche euch alles Gute! Ich werde selbstverständlich dafür beten, dass die Götter auch weiterhin ihre schützende Hand über euch halten! Jetzt verstehe ich auch, was Phocylides meinte, als er sagte, Coronas Mutter treibe Calliphana noch in den Wahnsinn. Ich habe mich schon gewundert, da Calliphana zwar eine temperamentvolle, aber auch geduldige Frau ist. Durch ihren Zustand ist sie aber natürlich für alles viel sensibler. Jetzt musst du umso freundlicher und umsichtiger zu und mit ihr sein. Aber ich bin mir sicher, dass du dich gut um sie kümmern wirst – trotz deines Eifers, den ich aus deinen Zeilen heraus lese.


    Nun bist du also zum Quaestor ernannt worden. Mein lieber Verwandter, wo wächst du denn nur hin? Ich freue mich sehr, dass dein Ehrgeiz, deine Mühe und Arbeit so honoriert und dann auch noch ausgezeichnet wird! Du wirst sehen, nicht mehr lange und man wird dich zum Senator machen. Dann hättest du die Iulia wahrlich wieder ans Licht geführt. Ich möchte dich aber dennoch mit auf den Weg geben, dass du auch ein bisschen auf dich selbst Acht geben musst. Jetzt erst Recht, da du Vater wirst! Du schreibst ja selbst, dass der Kampf um öffentliche Ämter ein harter ist und deine Familie will doch noch lange etwas an dir haben. Als Augur bist du aber in einer guten Position, die Zeichen der Zeit richtig zu deuten. Auch hierzu meine Gratulation.


    Du wirst verstehe, dass ich mich nicht im Stande sehe viel zu meinem Bruder zu schreiben. Seine Karrierebestrebungen in allen Ehren, aber seinen letzten Brief erhielt ich, als ich nach Roma kam. Das liegt nun schon mehrere Monate zurück. Ich bin geneigt allmählich zu glauben, dass es mich voll und ganz vergessen hat.


    Ein Bruder Coronas ist aus dem Nichts aufgetaucht? Das ist aber in der Tat höchst mysteriös! Und Lucia hat ihren verlorenen Sohn nach all den Jahren wieder erkannt? Wie konnte sie ihn so lange geheim halten? Irgendjemand muss das doch gemerkt haben? Ist er auch wirklich ein Iulier oder gibt er sich nur als solcher aus? Konnte er sich ausweisen? Deinen Zeilen entnehme ich, dass es Lucia wieder besser geht? Was ist mit Corona? Geht es ihr gut?


    Germanica Calvena traf ich letztens, als ich einen Ausritt an den Rhenus unternahm. Ich war sehr überrascht ihr hier in Mogontiacum zu begegnen. Wie klein die Welt doch zuweilen ist! Der Grund ihres Aufenthalts schien kein erfreulicher zu sein, berichtete sie mir doch, dass ihr Ehemann sozusagen nach Germania „strafversetzt“ wurde, weil sie den Preafectus Urbi zurecht wiesen. Ich weiß nicht so genau, was ich davon halten soll. Was für ein Mensch ist dieser Mann? Ist es nicht ein unverschämter Akt der Willkür? Warum spricht der Kaiser kein Machtwort? Wie dem auch sei, ich erhielt deinen Brief erst nach unserer Begegnung. Deiner Bitte werde ich dennoch nachkommen und sie demnächst einmal besuchen.


    Ansonsten ist hier in Mogontiacum alles beim alten geblieben. Der Legat hat viel zu tun, Mutter besucht mich des Öfteren hier im Lager und ich vertreibe mir meine Tage. Letztens kam eine sehr gut Freundin aus Kindertagen zu Besuch Sentia Aemilia. Sie wird bald heiraten und ich werde ihr bei den Vorbereitungen helfen. Ich dachte vielleicht ich könnte danach nach Roma zurückkehren, da es Mutter gesundheitlich ausgezeichnet geht. So müsste ich die Alpen nicht im Winter überqueren. Ich würde auf dem Rückweg auch gern einen Halt in Mantua einlegen, um meinen Großonkel Iulius Licinus zu besuchen.


    Ich umarme dich,


    Cara





    Ad
    Furia Calliphana
    Casa Iulia
    Roma, Italia


    Liebe Calliphana,


    Ich habe keine Ahnung, ob dein Gatte dir meine Grüße ausgerichtet hat oder nicht; Jedenfalls dachte ich, es wäre eine gute Gelegenheit, dir ein paar Zeilen zukommen zu lassen, um sicher zu gehen, dass diese Grüße dich ganz gewiss erreichen. Wie geht es dir? Was geht in Rom vor sich? Ich hoffe doch, Lucius ist nicht wieder auf die glorreiche Idee gekommen, dich für ein Wagenrennen in ein blaues Kleid zu stecken. Hier in Mogontiacum geht alles seinen gewohnten Gang. Während meiner leider nur kurz währenden Abwesenheit hat sich hier nicht sehr viel verändert. Es ist ein wenig ruhiger, urtümlicher, aber gleichzeitig auch entspannter. Die Germanen kennen nicht die stadtrömische Hast. Eigentlich wäre das ja ganz angenehm – aber die Ewige Stadt fehlt mir. Und das obwohl ich nur wenige Monate dort verweilte.
    Meiner Mutter geht es ganz passabel. Ich weiß nicht, was sie Lucius geschrieben hat, aber ich glaube, er hat ihre Worte eindeutig überinterpretiert. Natürlich hat auch sie mit den Gebrechen des Alters zu kämpfen, aber ich meine verglichen mit anderen Frauen ihres Alter ist sie fast noch als jugendlich zu bezeichnen. Ich weiß nicht, was für Mittelchen sie benutzt, sollte es jedoch an ihrem Erbe liegen, so hoffe ich doch, dass sie es auch an mich weitergegeben hat. An diese Stelle: Meine Mutter Cretica wünscht dir und Lucius alles Liebe und Gute zu eurer Vermählung. Bevor ich es vergesse, ich habe von dem Unfall gehört, den Coronas Mutter ereilte. Es ist ein Jammer hier festzusitzen! Ich hätte Corona anstelle des Briefes lieber selbst begleitet. Ich glaube Trost und aufbauende Worte könnte sie nun gut gebrauchen. Ich hoffe, dass es der alten Dame bald wieder besser geht....Meine besten Genesungswünsche! Ich gehe einmal davon aus, dass Corona um sie zu übermitteln bzw. sich um ihre Post zu kümmern. Was den Legaten betrifft, meinen Gastgeber, so ist er ein sehr freundlicher, ehrenwerter und durchaus attraktiver Mann. Bisher hatte ich noch nicht sehr viel mit ihm zu tun. Aber schließlich hat er in seiner Position auch immer viel zu tun. Männer scheinen ja überhaupt mit immer irgendetwas beschäftigt zu sein. Nun ja, es ist nicht schlimm. Ich kann mich auch ganz gut allein beschäftigen. Davon einmal abgesehen kann ich meine Freiheit genießen.
    Eine freudige Nachricht gibt es dann doch zu übermitteln. Meine beste Freundin aus Kindertagen hier wird bald heiraten. Derzeit weilt ihr zukünftiger Ehemann noch in Hispania (du ahnst richtig: die Arbeit). Warst du dort schon einmal? Ich nicht, aber Iulius Vestinus hat mir einen herrlichen spanischen Hengst zum Geschenk gemacht. Ein Land, das solch herrliche Geschöpfe hervorbringt, kann nur schön sein. Oder besonders hart. Unter Härte, Entbehrung und Disziplin wurde schon der eine oder andere Rohdiamant zum Juwel. Ich weiß noch nicht genau, wann ich in die Casa in Rom zurückkehren werde (unter uns, ich hoffe sehr bald – kaum auszuhalten, was ich alles verpasse, während ich hier im tiefsten Germanien sitze). Im Winter über die Alpen gehen zu wollen grenzt an Wahnsinn, deswegen werde ich einen geschickten Zeitpunkt zwischen den Ausläufern des Sommers und den ersten Herbststürmen abpassen müssen. Falls ich den verpassen sollte, wird es wohl ein äußerst langweiliger und kalter Winter für mich hier in Mogontiacum. Aber egal, wann ich zurückkomme, Lucius hat Corona und mir ein Fest versprochen. Da nun eingeweiht bist, wird ihm gar nicht anderes übrig bleiben, als sein Versprechen einzulösen. ...


    Während ich gerade an diesem Brief schrieb, ereilte mich endlich ein Brief von Lucius aus Roma. Du bist schwanger?! Das ja wunder-wunder-wunderbar! Ich freue mich sehr für euch beide. Wenn ich zurückkomme ist bestimmt schon etwas zu sehen! Ich werde die Laren darum bitten, dass sie gut auf dich Acht geben.
    Mögen die Götter ihre schützende Hand über dich halten! Bis zu unserem Wiedersehen alles Gute!


    Viele Grüße,
    Cara


    Sim-Off:

    Familienwertkarte bitte=)

    Das Herz der alten Frau schlug vielmehr für ihre beiden Kinder. Saturninus, der ältere der beiden, war auf einem sehr guten Weg. Zum Duumvir war er in Misenum ernannt worden und hatte damit Pfade eingeschlagen, die jenseits der Fußstapfen seines Vaters lagen. Was ihre Tochter Cara betraf, so setzte sie im Moment alles daran, sie an eine vorteilhafte Partie zu verheiraten...
    „Ich war auf dem Weg runter zum Rhenus, als sie mit einer Sklavin meinen Weg kreuzte. Ihr Mann wurde vom Praefectus Urbi strafversetzt. Quintilus Valerian. Vielleicht hast du schon einmal von ihm gehört?“ .... und diese vorteilhafte Partie betrat gerade in dem Moment der Raum, als Cara ihr von ihrer Begegnung mit einer gewissen Germanica Calvena berichtete.
    Die beiden Frauen sahen auf, als der Decimer auf der Bildfläche erschien. Er trug immer noch seine Rüstung. Warum um alles in der Welt sahen Männer in Uniform immer nur so unverschämt gut aus?, ging es Cara bei seinem Anblick durch den Kopf. Ihre Mutter erhob sich, um ihn zu begrüßen.
    „Decimus. Es ist in der Tat schon eine Weile her. Ich dachte, angesichts des 18ten Geburtstages meiner Tochter müsste ich einmal vorbei kommen, wenn sie schon nicht die Zeit findet...“
    Cara indessen ging auf die Spitze ihrer Mutter gar nicht erst ein. Stattdessen lächelte sie den Legaten von unten herauf an. „Ich würde ja auch aufstehen, aber...“, Entschuldigend verwies sie auf den kleinen Hund, der es sich auf ihrem Schoß nun gänzlich gemütlich gemacht hatte, wohl um ihre Körperwärme zu genießen. Sie freute sich den Decimer wieder zu sehen, denn in den letzten Tagen hatte sie die cena hauptsächlich mit Phocylides eingenommen, weil der Mann schlichtweg zu beschäftigt gewesen war. Gleichzeitig hegte Cara aber auch leise Sorgen, ob der Zwischenfall in seinem officium nicht doch noch irgendwelche größeren Auswirkungen haben würde. Hoffentlich kam er nicht auf die Idee es gegenüber Cretica zu erwähnen. Zumindest im Moment sah es nicht danach aus, als wäre das Verhältnis zwischen ihnen getrübt.

    „Man kann nicht missen, was man nicht kennt...“, Womöglich war es für einen in Gefangenschaft geborenen Sklaven tatsächlich besser, wenn er gefangen bliebe. Aus Schutz. Das war es, was Phocylides sagte. Er hatte keine Ahnung, wie es war frei zu sein. Cara hingegen glaubte voll und ganz frei zu sein. Nicht, weil man ihr die Freiheit ließ, sondern weil sie ganz und gar davon überzeugt war, dass sie im Stande war sie mit ihrer Willenskraft an sich zu reißen und sie sich zu nehmen. Vielleicht war der Gedanke, man könne Sklaven nicht frei und damit sich selbst überlassen, auch nur ein Schutzgedanke des Herrn, der Legitimation suchte.
    Sie trank einen Schluck Wasser und musterte den Ägypter vor sich, der im Grunde ein Griechen-Ägypter war. Für Lucius war der Mann von überaus großem Nutzen. Er war gebildet, zuverlässig und gewissenhaft in seiner Arbeit. Stellte sich die Frage, ob Lucius einen solchen Mann jemals gänzlich entbehren konnte – und wollte. Phocylides selbst schien davon auszugehen, dass Lucius ihm eines Tages die Freiheit schenkte.
    „Ich bezweifle, dass Lucius dir erst die Freiheit schenken und dich dann aus der Casa werfen wird...“, antwortete sie. „So ein Mann ist er nicht. Ich bin mir sicher, dass er dir helfen wird, deinen Platz zu finden, sollte er dir eines Tages die Freiheit tatsächlich zum Geschenk machen...“ Gut möglich, dass ihr Verwandter dem Mann sogar eine Anstellung unter seinem Regiment anbot.
    „Wie ist es dort, wo du her kommst?“, erkundigte sie sich neugierig.

    Hätte die junge Iulia geahnt, dass man auch sie für eine Germanin hielt – Nein, es war besser, Cara wusste nichts davon. Ihre rote Haarpracht hatte schon einige Menschen dazu verführt irrtümlicherweise anzunehmen, sie sei von barbarischer Herkunft. Dabei war sie durch und durch von römischem Geblüt. Sie selbst fand es nicht gerade amüsant als Barbarin bezeichnet zu werden, auch wenn sie selbst zugeben musste, dass die Annahme aufgrund ihrer Haarfarbe nahe lag. Für eine Römerin waren rote Haare in der Tat eher ungewöhnlich. Zumindest in ihrer Familie gab es bis auf ihren Verwandten Lucius und sie selbst niemanden dem dieses Erbe zu Teil geworden war. Auch wenn sie gegenüber Germanen und anderen barbarischen Stämmen tolerant war – sie selber war froh und stolz, als freie Römerin geboren worden zu sein.
    Dass sie selbst allerdings auch nicht vor Fehleinschätzungen gefeit war, das zeigte sich im Falle dieses Mannes, den sie ebenfalls aufgrund seiner Größe, seiner hellen Haare und den blauen Augen für einen Eingeborenen dieses Landes hielt. Und groß war er. Mindestens einen und einen halben Kopf größer als Cara, die selbst nicht zu den kleinsten gehörte.


    Er schien sich auf Pferde zu verstehen. Seinem Tier hielt er ein Stück Brot entgegen, dass er aus einer seiner Satteltaschen gezogen hatte. Er bestätigte ihre Annahme. Eine germanische Zucht. Die Tiere hier waren ein wenig kräftiger, als die Zuchten in der Provinz Italia. Viele von ihnen besaßen kürzere, aber dafür stämmige robuste Beine, einen breiten Rumpf und waren von sanftem Gemüt. Ihre Reiter trugen sie zuverlässig über Stock und Stein. Und sie waren es gewohnt Entbehrung hinzunehmen. Auf einem solcher Tiere hatte die junge Iulia selbst einst das Reiten gelernt.


    Dass er angesichts seiner Kameraden ein fast schon als derbe zu bezeichnende Ausdrucksweise an den Tag legte, nahm Cara ruhig hin. Andere junge Damen hätten an ihrer statt nun wohl pikiert das Gesicht verzogen, doch Cara war an der Seite eines älteren Bruders aufgewachsen, dem sie zu seinem Unwillen überallhin gefolgt war. Und sei es in die nächste taberna. Die Soldaten hatten zu weilen auch kein sehr angenehmes Leben. Vor allem hier in Germania war es durch Entbehrung geprägt. Da gab es nichts schön zu reden. Hier betrank man sich um warm und bei Laune zu bleiben. „Nur „irgendwie“?“, entgegnete sie sarkastisch mit einem Schmunzeln auf den Lippen. „Werter Atius, das ist nicht unbedingt das, was eine junge Frau hören möchte...“, kam sie nun doch nicht umhin, ihn zumindest ein wenig aufzuziehen. Sie spielte eben gern. Das hatte aber nicht immer etwas zu bedeuten. „Dann hatte ich Recht – ich habe gleich gesehen, dass du gut mit ihm umgehen kannst“, mit einem schwachen Kopfnicken deutete sie in die Richtung des Pferdes. „Als miles der Reitereinheit wirst du gewiss keinerlei Probleme haben, dich an ihn zu gewöhnen...“
    „Iulia...“, stellte sie sich schließlich vor. Offensichtlich handelte es sich bei diesem Germanen um einen, dessen Familie in der Vergangenheit das Bürgerrecht wie die Duccier erteilt bekommen hatte.

    >>Wiedersehen zwischen alten Freunden



    Wie es sich herausstellte, musste die junge Iulia die cena allein zu sich nehmen, da der Legat noch mit irgendwelchen Besprechungen aufgehalten wurde- An sich machte es ihr nicht viel aus, hatte sich der viel beschäftigte Mann doch schon öfters entschuldigen lassen. In diesem Fall hatte sie es sich daher zur Gewohnheit gemacht, Phocylides und manchmal auch andere Bedienstete, die in der Gegend herum standen, an den Tisch einzuladen und unterhielt sich mit ihnen. Auf diese Weise kannte sie bald einen Großteil der Bediensteten des Legaten. Zudem, da es sich bei vielen um Germanen handelte, hatte sie schon einige Brocken der fremden Sprache dazu lernen können. An diesem Abend jedoch, empfand es Cara als äußerst unpraktisch, dass der Decimer nicht zu gegen war, hatte sie ihn doch fragen wollen, ob es in Ordnung war, wenn sie eine Nacht außerhalb der Preatoriums in der Casa Sentia verbrachte. Zwar glaubte sie nicht daran, dass er es ihr versagen würde – zumal sie sich in diesem Fall ohnehin wohl nicht an seine Anordnung halten würde – aber da sie unter seinem dach und damit seiner Obhut lebte, empfand sie es als angebracht, ihn zumindest von ihrem Plan zu unterrichten.


    Aus diesem Grund machte sich die junge Iulia nach dem Abendessen auch zu seinem officium auf, in der Hoffnung ihn dort anzutreffen. Nachdem sie an der dunklen Holztür angeklopft hatte, wartete Cara einen Moment und lauschte auf ein Zeichen aus dem Inneren. Als das ausblieb, pochte sie abermals. Doch auch dieses Mal war nichts zu hören. Unschlüssig drückte sie an der Klinke – und tatsächlich, die Tür ging auf. Vorsichtig schob sie den Kopf in den Türspalt und lugte in den Raum dahinter. Von dem Legaten war jedoch nichts zu sehen, noch nicht einmal der Tunikenzipfel einer seiner Scribae. Enttäuscht wollte sich Cara schon wieder zurückziehen, als ihr Blick auf eine Truhe fiel. Eigentlich war es nicht die alte mit eisenbeschlagene Holzkiste, die ihre Aufmerksamkeit gefangen nahm, sondern der Knauf eines Schwertes, der unter einem dunkelroten Tuch hervorlukend, oben auflag.
    Die Iulia machte einen Schritt in den Raum hinein, aber nur, um sogleich wieder zögernd inne zu halten. Eine leise Stimme wisperte ihr zu, dass dies nicht rechtens war. Im officium des Decimers hatte sie nichts verloren – vor allem dann nicht, wenn sich der Hausherr nicht selbst darin aufhielt. Es stellte ein unerhörtes Eindringen in seine Privatsphäre da. Wer da zu ihr sprach war ganz klar ihre Vernunft, die Erziehung Creticas. Aber andererseits war da dieses Ding...Ihre Fingerspitzen pulsierten förmlich vor Neugierde. Cara wusste, dass es ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen würde, bis ihre Fingerkuppen das Schwert berührt hätten. Außerdem kam der Decimer bestimmt spät nach Hause. Solche Besprechungen konnten ewig dauern. Manche Männer waren im Verlauf schon gealtert und zu schlotweißen Greisen geworden. Bis dahin wäre sie längst aus dem Arbeitszimmer verschwunden und der Mann würde nicht einmal erahnen, dass sie während seiner Abwesenheit hier drin gewesen war. Die Vernunft verlor haushoch.


    Cara gab sich einen Ruck. Mit einem letzten Blick hinaus auf den Gang, um sich zu vergewissern, dass niemand sie beobachtet hatte, schloss sie leise die Tür und trat hinüber zu der Truhe. Dort ließ sich die junge Iulia auf die Knie sinken und schlug vorsichtig das rote Tuch zurück. Ein Schwert kam zum Vorschein. Ein kurzes, römisches Stoßschwert mit breiter Klinge. Die Waffe war schlicht an Verzierung, aber selbst für Laien war erkennbar, dass es fein und von Meisterhand geschmiedet war. Noch besser hatte man das Metall gepflegt. Obschon das Schwert einige Jahre, wenn nicht Jahrzehnte alt sein musste, schimmerte die Klinge blank und sauber, als wäre sie erst am Vortag geschmiedet worden. Fasziniert strichen ihre Finger über das Kunstwerk. Nach allem was der Legat angedeutet hatte, war diese Kline bereits benutzt worden. Das Blut war längst fortgespült, doch die Erinnerung haftetet der Waffe an. Sie hatte nicht nur Leben genommen, sondern auch bewahrt. Schon seit jeher hatte der Schwertkampf eine Faszination auf Cara ausgeübt. Erst ihr Vater, dann der ältere Bruder hatten es ihr – heimlich – beigebracht. Zumindest so lange, bis Saturninus entschieden hatte, dass sie eine junge Frau war und sie ihrer Bitten verschlossen hatte. Als junge Frau war es natürlich unschicklich auch nur in die Nähe einer Waffe zu kommen. Junge Frauen hatten angesichts solcher mörderischen Dinge in Ohnmacht zu fallen. Was jedoch niemand, nicht einmal Sophie, wusste, war, dass die junge Frau stets einen kleinen Dolch mit sich führte, den sie mithilfe eines schmalen Gürtels in einer Scheide an ihrem Oberschenkel befestigt trug. Man konnte schließlich nie wissen, wann es galt sein eigenes Leben zu schützen. Und Cara wollte definitiv nicht zu jenen Frauen gehören, die sich nicht zu verteidigen wussten. Vorsichtig nahm Cara das Schwert auf und wog es abschätzend in den Händen. Es war schwer, aber nicht untragbar. Ihr erster Eindruck hatte sie nicht getäuscht. Die Waffe war meisterlich ausbalanciert und lag gut in der Hand. Ein treuer Gefährte für den Kampf....