Cara konnte ihr Glück kaum fassen: Endlich Neuigkeiten! Und dann gleich zwei Briefe auf einmal! Die Schriftrollen in der Hand eilte sie freudestrahlend in Richtung ihres cubiculums, um die Episteln in aller Ruhe zu lesen. Vielleicht war ja einer von ihrem Bruder dabei?
Sie hatte die Tür noch nicht hinter sich geschlossen, als sie schon das erste Siegel brach. Ein Brief ihres Großonkel aus Mantua.
AD
Iulia Cara
Casa Iulia
Moguntiacum Germania
Salve Cara,
ja, ich bin in Mantua und das wohl auch noch ein paar weitere Jahre, so der Kaiser nicht beschließt, dass die legio verlegt oder ich versetzt werde. Meine reguläre Dienstzeit läuft derzeit noch zehn Jahre, und danach stellt sich noch die Frage, ob ich mich weiter verpflichte. Schade, dass du es erst so spät erfahren hast. Wobei auch ich nicht weiß, ob ich dich noch erkennen würde, aber ich kann dir immerhin sagen, an was ich mich erinnere. Da war so ein kleiner Rotschopf, der es geschafft ganz alleine ein ganzes Haus auf den Kopf zu stellen. Hab ich Recht?
Ein Lächeln flammte über ihre Züge. Ihre Mutter und nicht zuletzt die mit ihrer Aufsicht betrauten Sklavinnen hatten ihre Freude mit Klein-Cara gehabt. Aber dass sich Marcus daran noch erinnerte? Es schien ihr Jahrzehnte zurück zu liegen. Jahrzehnte angefüllt mit Untaten.
Es tut mir Leid zu hören, dass auch du an einem Fieber erkrankt warst, aber so wie du klingst hast du dich gut erholt. Die Strecke Rom – Moguntiacum zweimal in solch kurzer Zeit hinter sich zu bringen, das haben gewiss nicht viele Leute gemacht. Ich muss allerdings zugeben, dass ich den Unmut deiner Mutter nachvollziehen kann, sonderlich vernünftig erscheint es nicht, sich sofort nach einer Krankheit auf eine solche Reise zu begeben. Das deine Sklavin geflohen ist, ist natürlich bedauerlich. Und töricht von ihr. Ich glaube nämlich nicht, dass ihre Überlebenschancen zu dieser Jahreszeit besonders hoch sind. Was jedoch deine Folgerung angeht, möchte ich dir einen Rat geben, den ich im Laufe des Soldatenlebens gelernt habe. Genauer genommen derer zwei: Zum einen solltest du neuen Untergebenen immer die Chance geben, sich dir zu beweisen und auch dein Vertrauen zu erwerben. Ein generelles Misstrauen führt nur dazu, dass die Sold- Sklaven ihre Arbeit nur noch widerstrebender und ungründlicher erledigen, da sie es offenbar eh nicht richtig machen können. Du solltest dein Vertrauen allerdings auch nicht leichtfertig vergeben. Warte ab und belohne nur jene damit, die es verdienen, sonst tanzen sie dir zu bald auf der Nase herum. Du siehst, die Kunst ist es den Mittelweg zu finden. Zumindest bei Soldaten, meine Erfahrungen mit Sklaven sind natürlicherweise ziemlich gering.
Sonderlich vernünftig war es in der Tat nicht gewesen, die Alpen im Winter zu überqueren. Allerdings war Vernunft auch nicht unbedingt jene Instanz, an welchen sie ihre Handlungen maß. Sie hatte zu Lucius Hochzeit wollen. Sie hatte nach Rom wollen. Um jeden Preis. Nun war sie wieder hier und hielt sich an dem Glauben fest, dass sie bald wieder in die Ewige Stadt zurückkehren würde.
„Wie immer pragmatisch...“, murmelte sie, als ihre Augen über die Zeilen zu Sophie und dem Umgang mit Sklaven glitten. Sie konnte sich der Logik Marcus´ Worten nicht verwehren.
Deine Bekanntschaften finde ich allerdings hochinteressant, lernte ich beide Männer doch als meine Vorgesetzten kennen. Genau genommen war Decimus Livianus legatus legionis der prima, als ich zu den Adlern ging. Er war es auch, der uns nach Parthia führte. Dagegen ist dein „Retter“ in Rom, Aurelius Ursus, der heutige Befehlshaber meiner legio.
>Ha, die Welt ist doch klein!<
Natürlich kenne ich Iulius Centho, abgesehen davon, dass wir in Briefkontakt stehen, bringt die acta ja regelmäßig Berichte über die Wahlen, in denen unser Verwandter ja regelmäßig erwähnt wird. Logisch daher auch, dass er besonders auf den guten Ruf der Gens und ihrer Mitglieder achtet. Und, wenn du dich im Gegensatz zu meiner obigen Erinnerung nicht sehr geändert hast, auch logisch, dass du dir solche Gedanken machst. Mich würde, in diesem Zusammenhang, allerdings auch interessieren, was er dazu sagen würde, dass ihr beiden im Haus des legatus wohnt. Ich kann mir vorstellen, dass er nicht sonderlich begeistert davon wäre. Aber das ist einzig deine Entscheidung, ich werde mich da heraushalten. Nun, was hat sich bei mir sonst so getan? Da ich nicht weiß, was genau dein letzter Stand ist, kann ich jetzt entweder mein ganzes Leben hier niederschreiben oder einfach, was zur Zeit Sache ist. Nun, ich bin primus pilus der legio prima und cliens des Aurelius Ursus um für den Fall eines Ausscheidens aus medizinischen Gründne gewappnet zu sein. Vor kurzem führte mich eine Rekrutierungsreise durch Italia und nun bin ich damit beschäftigt die neuen Rekruten zu drillen. Der ganz normale Dienst also. Übrigens ist, als ich anfangen wollte, diesen Brief zu schreiben Iulia Corona bei mir in der habitatio erschienen. Sie ist wohl schon auf dem Rückweg, aber das weißt du ja sicherlich bereits. [Da das Gespräch noch läuft schreibe ich hierzu jetzt nicht mehr] Wünsche deiner Mutter bitte in meinem Namen gute Besserung Vale bene M’IUL’LIC’
Als sie den Brief zu Ende gelesen hatte, behielt sie die Schriftrolle noch eine Weile in den Händen und rief sich ihre Erinnerungen an ihren Großonkel zurück ins Gedächtnis. Ein hagerer Mann mit braunen Haaren und kantigem Gesicht. Da sie jetzt wusste wo er war, nahm sie sich vor ihn auf dem Rückweg nach Rom zu besuchen. Familienbande musste schließlich stark bleiben und zu diesem Zweck gepflegt werden.
Schließlich legte sie den Brief beiseite, auf den kleinen Tisch neben ihrem Bett, setzte sich auf die Bettkante und nahm die zweite Schriftrolle zur Hand.
Sie trug das Siegel der Iulia, eine Taube. In der Familie war es hauptsächlich Lucius, der das Siegel benutzte.
An Iulia Cara
Castra der Legio II
Mogontiacum, Germania
Salve Cara . Ich will nun endlich mal wieder zu Griffel und Tabula greifen. Ich bitte dich um Vergebung das du so langen nichts von mir gehört hast doch glaube mir es war keine böse Absicht. Es gibt viel zu berichten lieb Cara und ich weiß nicht wo ich beginnen soll. Aber denke ich fange beim Besten an. Es wird dich sicher Freuen das die Götter es gut mit mir und meiner Frau meinen. Denn sie haben uns ihre Gunst erwiesen. Du wist bald Groß groß Tante werden de Calliphana ist Schwanger.
Calliphana war schwanger?! Die junge Iulia konnte ihren Augen nicht trauen. Hatte sie das gerade richtig gelesen? Rasch überflog sie die Zeilen ein zweites Mal, dann noch einmal. Tatsache! Da stand es! Sie würde Großgroßtante werden! Wie ungeheuerlich alt sich das anhörte! Mit einem Strahlen auf dem Gesicht las sie rasch weiter. Denn Lucius hatte von vielen Neuigkeiten gesprochen und Cara konnte es gar nicht abwarten es in sich aufzunehmen.
Aber das war nur die beste aller Nachrichten nun die guten. Ich bin nun zum Quaestor gewählt was mir ein großes Glück verheißt. Aber das war noch nicht alles den der Stadtpräfekt hat mich als dank für mein Tribunat mit einem Clipeus geehrt. Doch damit nicht genug dein lieber Lucius ist seit ein paar tagen Mitglied in einem der ältesten Collegien denn ich bin nun Augur. Aber auch obskures ist passier. Wie aus dem Nichts ist jetzt ein Bruder von Corona aufgetaucht. Die Erklärung von Lucia war weniger befriedigend als ich sie mir in so einem Fall wünsche. Es ging wohl um einen Aberglauben und die Tatsache das sie schon zwei Kinder verloren hatte. Sie hat ihren Sohn in meinem Haus in die Arme geschlossen und geherzt und so getan als sei nichts geschehen. Nicht mal Corona wusste davon du kannst dir vorstellen was in meinem Atrium los war. Ich freue mich dir Berichten zu können das dein Bruder nun das höchst Amt in Misenum bekleidet und zu einem der beiden Duumviri gewählt wurde. Ich weis du vermisst ihn und ich bin mir sicher er tut das selbe. Doch bedenke der er nicht den selben Weg wie dein Vater beschreitet und es ist hart wenn man um öffentliche Ämter kämpft. Wenn der dir lange nicht geschrieben hat bin ich mir sicher das di das bald tun wird. Nun bitte ich dich bestelle einer Freundin von mir liebe Grüße sie ist in Mogontiacum sie heißt Germanica Calvena und ist die Frau eines Befreundeten Centurios. Bitte besuche sie ein mal und grüß sie beiden von mir. Ich Küsse und umarme dich mögen die Götter immer über dich wachen. Lucius Iulius
„Lucius, Lucius...hat sich dein Eifer doch bezahlt gemacht....“, Cara ließ die Hände auf ihren Schoß sinken und starrte die wohl in einiger Eile niedergeschriebenen Buchstaben an. Quaestor, Auszeichnung, Augur. Ihr Verwandter schritt wie ein mächtiger Stier im Eiltempo voran und kletterte eine Stufe nach der nächste auf der Karriereleiter empor. Und nicht nur er. Auch ihr eigener Bruder. „Publius...“, Der leise ausgesprochene Name hing in dem Raum. Ja, sie vermisste ihn furchtbar. Wie gut Lucius sie doch schon kannte, dabei hatten sie nur ein paar Monate unter dem selben Dach gelebt. Unter seinem Dach. Publius. Sie wagte gar nicht zu hoffen, es würde ihr schreiben. Gewiss hatte er sie vergessen. Ein Schatten zog über ihr Herz und sie wandte sich rasch jenem Teil des Briefes zu, der in der Tat höchst obskur klang. Ein verschollener Sohn war zurück gekehrt. Wie um alles in der Welt hatte Lucia ihren Sohn selbst vor ihrer eigenen Tochter verbergen können? Höchst mysteriös....Sie ließ sich auf das Bett zurück sinken, ungeachtet des Umstandes, dass ihre Zimmertür noch sperrangelweit offen stand - ein vorbeikommender Sklave würde sich gewiss darum kümmern – und überließ sich ihren unsteten Gedanken, die fließend ineinander übergingen. Marcus, Lucius, Calliphana, der Aurelier. Publius...