Die Tempel. Cara nickte ihre Zustimmung. Es lag schon eine geraume Zeit zurück, da sie den Göttern für ihre glückliche Ankunft gedankt hatte. Zudem war im Tempelbezirk immer etwas los. Ein guter Platz also, um den Tag zu verbringen. Sie ging also nicht davon aus, dass es ein spezieller Grund war, der die Germanica zu den Tempeln führte.
„Es ist eine rege Stadt mit 1000 Einwohnern und einem Markt auf dem Forum. Sehr viele Soldaten leben dort. Ansonsten ist es der Ort an dem Mosel und Rhenus zusammenfließen. Es gibt ein paar recht idyllische Plätze. In der Regel gibt es hier in Germania nicht sehr viel mehr als Natur zu sehen, schon allein daher stellt eine Siedlung von solcher Größe eine gewisse Abwechslung dar…“antwortete sie. „Daher ist sie zumindest den Ritt wert…“ Immerhin kam man so zumindest einmal aus dem Alltag hinaus.
„Ich weiß ehrlich gesagt nicht so genau…ich hatte vor, vor dem Wintereinbruch wieder nach Rom zurückzukehren.“ Mit einem Schulterzucken fügte sie hinzu: „Meiner Mutter geht es ja offensichtlich wieder besser…“ Ein leiser Kälteschauer durchzog ihren Körper. Nicht wegen der Vorstellung, dass sich ihre Mutter bester Gesundheit erfreute – ihre Füße waren im stetigen Fluss des Rheins allmählich kalt geworden. „Wollen wir uns vielleicht setzen?“, schlug sie vor.
Beiträge von Iulia Cara
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Die Germanen waren in der Tat meistens von hoch gewachsener Statur und trugen auch gern Bärte – im Vergleich zu den Römern. Die wenigsten römischen Männer, zumindest jene, die auf sich etwas hielten, pflegten sich regelmäßig zu rasieren und die meisten Soldaten trugen die Haare eher kurz. Das war in Teilen Germanias ganz anders. Wobei man auch hier Abstriche tätigen musste. Mogontiacum war kein Niemandsland. Römische Kultur hatte hier Einzug gehalten. Dennoch hielten sich bestimmte Vorurteile hartnäckig. Was auch logisch war. Der Durchschnittsrömer, insofern er in Roma geboren worden war, kam selten nach Germanien. Die Reise war lang und man überlegte sich lieber dreimal ob man wirklich dorthin reisen wollte oder nicht. Dass was die meisten also über die ferne Provinz wussten entstammte einem Buch oder der Erzählung von anderen. Und die meisten Geschichtenerzähler besaßen einen gewissen Hang zur Übertreibung.
„Ich glaube, es wäre mir auch nicht anders ergangen“, antwortete die junge Iulia, „Wenn ich nicht hier geboren und aufgewachsen wäre. Das was man hört oder liest stimmt ja dann meistens doch nicht mit der Wirklichkeit überein. Die Germanen, denen du in Mogontiacum begegnest, haben schon viel von der römischen Zivilisation übernommen. Das hören sie natürlich nicht gerne…“, Corax Gesicht verharrte regungslos. „… Die Stämme weiter im Norden sind freilich von einem anderen Schlag…“ Eine Stimme drang von hinten in ihre Unterhaltung ein. Unwillkürlich wandten sich die drei Frauen dem Fremden zu. Ein wenig abgekämpft sah er aus, hatte er sich doch wahrscheinlich durch den halben Markt gekämpft. Ein Lächeln des Mitleids kräuselte Caras Lippen. Sie kam freilich nicht auf den Gedanken, dass der Mann sie drei lediglich als ein weiteres Hindernis auf seinem Weg betrachtete. „Natürlich…“, erwiderte sie daher freundlich und trat einen Schritt beiseite.
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„Du klingst beinahe wie ein Augur…“, Cara schmunzelte, indem sie Phocylides die Hand zurückgab. „Weißt du etwas, das ich nicht weiß?“, meinte sie spielerisch, scherzhaft, warf dem Sklaven aber einen durchaus abschätzenden Blick hinter den langen hellen Wimpern zu und widmete sich augenscheinlich wieder ihrem Abendessen.
Verglichen mit Germania war wohl alles bunter, aber die junge Iulia war nicht auf Spitzfindigkeiten aus, sondern ließ sich von der Beschreibung Phocylides durchaus mitziehen. „Was? So breit?!“, Sie konnte das Marktgewimmel regelrecht vor ihrem inneren Auge sehen. „Weißt du was, Phocylides…sollte ich einmal dorthin reise, dann nehme ich dich mit! Immerhin brauche ich ja auch einen Führer!“
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Mit einer grazilen Bewegung reichte die Octavia den Gemüsestängel an die Marktfrau zurück, die mit einem „Kaufen?! Gute Qualität!“ noch einmal ihr Glück versuchte, dann aber irgendetwas unverständliches murmelnd aufgab. Vermutlich hätte sie der jungen Frau ohnehin einen solch überteuerten Preis gemacht, dass es sich nicht wirklich lohnte, den Spargel zu kaufen. Die meisten Germanen verhielten sich ruhig gegenüber Römern, viele waren auch neugierig und interessiert, es gab aber auch zahlreiche unter ihnen, welche die römische Oberherrschaft über dieses Land nur zähneknirschend hinnahmen. Diese Abneigung zeigte sich dann darin, dass die Kaufleute versuchten an den Ständen und in der taberna Römer wie Festtagsgänse auszunehmen. Cara fand es immer rech amüsant, wenn sich Händler ihr gegenüber aufplusterten, um ihre Ware zu überteuerten Preisen zu bewerben. Sie war Römerin durch und durch. Aber als Kind dieser Stadt, das hier zwischen der germanischen Kultur und vor allem der Sprache aufgewachsen war, balancierte sie gleichzeitig auch immer auf einem dünnen Seil.
Manchmal kam es aber auch vor, dass man sie aufgrund ihrer auffälligen – unrömischen – Haarfarbe auch für eine Gallierin hielt, was sie dann doch eher störte. Wer wollte schon als Barbarin gelten, wenn er es sich nicht explizit vorgenommen hatte? Die Iulia folgte dem Deut Catienas auf das Federvieh, das seine langen dürren Hälse durch Holzstäbe hindurchstreckte. „Womöglich wittern sie schon den Kochtopf“, meinte Cara vergnügt. Immer wenn sie auf dem Markt ein bekanntes Gesicht entdeckte, beflügelte sie das förmlich. „Richtig gefährlich ist es nicht. Aber auch hier hat es Diebe und Halunken und manchmal zeigen sie sich in Gestalt eines Händlers, der seiner römischen Kundschaft das Geld aus der Tasche zieht, weil er annimmt man kenne als Ausländer die hiesigen Preise nicht...Aber da kann einem ein Sklave auch nicht sehr viel helfen. Es sei denn man überlässt es einem germanischen Sklaven einzukaufen – aber dann würden wir ja gar nicht mehr vor die Tür kommen“, Ein feines, humorloses Schmunzeln kräuselte Corax´ Lippen. Denn auch mit Cara war er dazu auserkoren die Einkäufe zu schleppen. Mit ihr war es sogar noch viel anstrengender, denn er musste auf den roten Wildfang aufpassen und das war zuweilen so, als würde man einen Sack Flöhe hüten. Von einem auf den nächsten Wimpernschlag konnte die Iulia verschwinden – nur weil sie irgendetwas gesehen hatte, dass ihre Neugierde anzog. Dann lieber doch Stall ausmisten. Das Stichwort Stall erinnerte Cara wiederum daran, dass sie, nachdem sie sich laut aufgrund der Missstände im Stall beschwert hatte, ja noch immer einen Pfleger für ihr Pferd suchte. „Das ist gar keine so schlechte Idee...“, meinte sie und betrachtete den großen Hünen aufmerksam. Seine Hände waren groß, kräftig, wirkten regelrecht klobig im Vergleich zu den Armen deren Verlängerung sie darstellten, aber sie waren auch sanft, wie sie wusste. Schon das eine oder andere Mal hatte sie den Mann dabei beobachtet, wie er mit den Kätzchen, die sich die Sklavenschaft zugelegt hatte, umging.Calvenas Erklärung riss sie aus ihren Überlegungen.
„Das erste Mal?“, Ihre Augen wurden groß und neugierig. „Hast du den Kulturschock denn schon verwunden?“ Ein verschmitztes Lächeln glitt auf ihre Züge, dass sich bis in ihre Augen ausbreitete. Germanien war anders, eigentümlich, urig. Man kannte hier keine Aquädukte, Wasser wurde aus Brunnen geschöpft. „Dann ist der Markt in der Tat eine sehr gute Wahl, um anzufangen. Hier schlägt der Puls....“, konstatierte sie Calvena. -
„Wir legen uns schon genug Fesseln an“, stimmte Cara zu. „Eigentlich ist das ziemlich ungesund. Letztendlich gewinnen aber die meisten Menschen eine recht nüchterne Sicht auf den Tod. Auch aus Selbstschutz. Man will kein zweites Mal verletzt werden….“ Der Tod ihres Vaters hatte Cara mitgenommen. Das eigentlich Erschreckende war jedoch nicht sein Ausscheiden aus dem Leben gewesen, sondern sein fiebriges Dahinsiechen. Es gab Momente, da die Trauer, die Wut und die ohnmächtige Fassungslosigkeit wie eine Sturmflut sie überrollten, sie hilflos paddelte, im Allgemeinen war die Iulia aber viel zu lebenslustig – und durstig, als dass sie sich selbst gestattete sich allzu lange den aufwühlenden Gefühlen hinzugeben.
Auch das war ein Grund, weshalb sie nun nahezu radikal das Thema wechselte. „Genau bei Iuppiter!“, meinte sie lächelnd und ließ den Blick über die nahen Bäume schweifen. Noch ein paar wenige Wochen und das Blattwerk würde einem bunten Flickenteppich weichen. „Was hast du die nächsten Tage vor? Hast du dir schon einmal das Umland Mogontiacums angesehen? Warst du schon in Confluentes?“
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„Das wird es sein…“, bestätigte Cara und nahm sich vor bei nächster Gelegenheit gleich einmal für Calliphanas Wohlergehen zu opfern. Bei all der Freude, der ein solches Ereignis Raum bot, war es nicht nur ein lebensschenkender, sondern auch ein lebensbedrohlicher Zustand. Nicht wenige Frauen und Un- und Neugeborene starben. Vor diesem Hintergrund erschien es ihr fürs erste eher unwichtig, ob nun Sohn oder Tochter. Aber sie war ja auch kein Mann, für den ein Erbe freilich sehr wichtig war. „Und mögen die Götter Mutter und Kind sicher ins Leben geleiten“, fügte sie lächelnd hinzu und hob ihren Becher.
„Auf den nächsten erfolgreichen Iulier…“, stimmte die alte Aquilia ein, prostete ihren beiden Tischgefährten zu und nippte an ihrem verdünnten Wein. „Wo wir schon von Söhnen sprechen, wie ergeht es den deinigen, Decimus?“, Sie war eindeutig besser informiert.
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Hallo lieber Verwandter=)
Das bin zum Beispiel ich...du kannst die Sichtbarkeit in deinem Profil verändern und dann online sein, ohne, dass es jemand sieht. Man wird dann nur als Geist angezeigt und nicht namentlich!
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Kaum war der Karren vorbei gerumpelt, überquerte sie die Gasse und gesellte sich zu den beiden Frauen. „Salve!“, begrüßte Cara lächelnd die Octavia. „Es ist immer schön hier neue Gesichter zu sehen – und auch solche, die ich bereits kenne“, fügte sie schmunzelnd in Calvenas Richtung hinzu. Erst vor einigen Tagen waren sie sich bei einem Ausritt begegnet und hatten den Weg gemeinsam fortgesetzt. Auch da war ihr schon ein Sklave auf den Fersen gewesen, um sie wie ein kleines Kind zu hüten. Corax kam über die Straße. Cara hob den Blick und das Lächeln verschwand augenblicklich aus ihrer Miene. „Ja...der gehört zu mir...Das ist Corax“, meinte sie düster. Der Benannte nickte den drei anderen Damen mit einem gemurmelten „Salvete!“ zu. „Er braucht gar nicht so genervt zu sein...Ich hätte eindeutig mehr Grund dazu. Wie ein Wachhund hängt er an mir. Ich weiß gar nicht, warum man mir ständig Sklaven hinterherschickt. Früher war ich auch oft allein in den Straßen Mogontiacums unterwegs – und ich lebe immer noch...“, machte sie ihrem Unmut Luft und schien sich gar nicht daran zu stören, dass sie von dem Betreffenden, der ja neben ihr stand, in der dritten Person sprach. Das Thema ärgerte sie nur, weshalb Cara sogleich einen Wechsel des Gesprächsgegenstandes anstrebte. „Ihr seid an Spargel interessiert?“, erkundigte sie sich freundlich.
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Die junge Iulia war es nicht gewohnt, dass immer überall ein Sklave dabei war, der auf sie Acht gab, als wäre sie ein kleines Kind, das Gefahr lief jeden Augenblick eine Dummheit anzustellen. Natürlich hatte auch sie als kleines Mädchen ein Kindermädchen gehabt, das aber so viel nebenher noch um die Ohren gehabt hatte, dass sie zumeist viel Freiheit besessen hatte, um dorthin und hierhin zu stromern. Oder aber Publius ihr Bruder hatte herhalten müssen, um auf die kleine Schwester Acht zu geben. In letzter Zeit – eigentlich erst seit sie hier im Praetorium untergebracht worden war – schien sich die Anzahl der Sklaven in ihrer Nähe aber exorbitant gesteigert zu haben. Ein Umstand, der sie doch sehr störte, gehörte sie schließlich nicht zu den wehrlosesten Frauen.
Calvena tat es ihr unter den Blicken Elissas gleich. Offensichtlich stand auch die Germanica unter strenger Bewachung. Es rief ihr jenen kurzen Gedanken in den Sinn, der sie veranlasste hatte, die Körpermitte der Frau unauffällig verstohlen zu mustern. Aber da war natürlich (noch) nichts.
„Das ist wahr...“, Die Sterblichkeit war so unglaublich hoch. Vor allem Kinder und Frauen starben wie Eintagsfliegen. Und dennoch, die Masse linderte den Verlust des Einzelnen nicht. „Ich glaube, irgendwann muss man sich eine nüchterne Sicht auf die Dinge zulegen, sonst bleibt nicht als Verzweiflung...“, Urplötzlich meinte sie lächelnd: „Calvena! Hör uns einmal zu! Es ist ein wunderbarer Tag, das Leben pulsiert, die Bäume atmen – und wir sprechen über Tod und Verlust!“, und schüttelte den Kopf. „Wir sollten über das Leben sprechen!“ -
Die Tore der Stadt Mogontiacum lagen schon eine ganze Wegstrecke hinter ihnen zurück. Das freie Land war dicken Baumstämmen gewichen, die ihre ausladenden Kronen über ihren Köpfen ausbreiteten und die Welt in grün tauchte. Dass der Herbst allmählich Einzug hielt, war unverkennbar. Der Farbton der Blätter war nicht mehr so saftig grün und hier und da verfärbten sich schon die ersten Zweige als Vorboten der herbstlichen Zeit.
Der weiche Boden federte unter den Schritten ihrer beider Pferde.
Decimus hatte sein Versprechen tatsächlich wahr gemacht. Am Mittag waren sie in die Stallungen des Kastells gegangen, hatten sich zwei Pferde genommen und waren durch die Stadt gen Tor geritten. Es war weniger los als sonst, da sich die meistens Menschen für einen kurzen Imbiss in ihre Häuser zurück gezogen hatten. Das Tor hatten sie ohne weitere Mühe durchquert und sich schließlich auf eine gewundenen Weg in Richtung der Wälder gehalten. Cara liebte den Wald, eine verwunschene Welt, in welcher man hinter jedem Baum und Strauch Nymphen und Faune wähnen konnte. Der Herbst war dort die schönste Zeit. Wenn das Licht bunte Schatten auf den Boden malte. Heute war es jedoch nicht sehr sonnig. Am fernen Horizont waren Wolken aufgezogen.
„Es riecht nach Regen...“, meinte Cara, nach einem tiefen Atemzug, der Ausdruck ihres Wohlbefindens war. Sie genoss es. -
Verwirrt verfolgte Cara, wie der Decimer zu seinem Schreibtisch hinüberschritt. Sah er ihr offensichtliches Eindringen nicht, oder wollte er es schlichtweg nicht. Denn ganz gleich, wie gut oder schlecht ihr Ablenkungsmanöver gewesen sein mochte, ihr Erfahrung war er dahin gehend, dass sich ihr Vater, ihr Bruder oder auch Lucius erhoben hatten, um sie zurecht zu weisen. Aber dieser Mann dort tat nichts dergleichen. Während sich ein Teil ihrer selbst verständlich freute, dass sie um Ärger herum gekommen war, verharrte ein anderer zutiefst misstrauisch und irritiert. Livianus hatte sie erwischt. Eiskalt.
Langsam glitt ihr Blick hinunter zu ihren Händen. Tatsächlich, sie hatte es immer noch. Das Tuch und das darunter liegende Metall hatten inzwischen ihre Wärme angenommen. Die aufflammende Röte ihrer Wangen konnte sie förmlich spüren. "Richtig...", erwiderte sie knapp, nüchtern und trug es hinüber zu jener Truhe, auf welcher sie es zuvor gefunden hatte. Sanft legte die Iulia es zurück und verharrte dann noch einen Moment an Ort und Stelle. Sie konnte nicht einfach so gehen. Das Gewissen trieb ihren Herzschlag in die Höhe. Cara regte sich, sah zu ihm hinüber. Er hob kurz den Blick von seinem Schriftstück. Sie glaubte nicht daran, dass er wirklich die Buchstaben las, die dort in schwarzer Tinte festgehalten waren. Ihre Lippen kräuselten sich unter einem leisen Lächeln. "Verzeih mein Eindringen, Decimus...", sagte sie endlich. Eine Welle der Erleichtung beruhigte ihr Herz. Erst jetzt konnte sie gehen. "Gute Nacht!"...und ließ ihn allein.
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Zitat
Original Numerius Duccius Marsus: "Soll ich dir die Vase liefern oder wirst du sie abholen lassen?" fragte er, während er sich bereits die Finger rieb beim Anblick des Geldbeutels.
Gedankenverloren blickte Cara von dem Beutel in ihrer Hand auf, als der Händler ihr eine Frage stellte. Einen Augenblick zögerte sie. Vermutlich war es keine so gute Idee, sich das gute Stück direkt ins Kastell bringen zu lassen; Dann..."Es wäre am besten, du könntest sie zur Casa Iulia schicken...", und reichte ihm das Geld....
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Eine weitere Römerin befand sich in dem bunten Treiben, wohl behütet von Corax, einem hoch gewachsenen Hünen, der aber so spindeldürr wie ein Grashalm im Wind war, sodass man beinnahe befürchten musste, die nächste Brise mochte ihn erfassen und davon tragen. Cara hätte das freilich wenig ausgemacht. Der Mann war ja nett, wenn auch etwas langsam, aber für Caras Geschmack viel zu anhänglich, klebte er doch an ihren Fersen, als wäre er dort festgewachsen. Schon einmal hatte die Iulia es geschafft ihm zu entkommen – nur um ein paar Augenblicke später wieder von dem loyalen Mann „gefunden“ zu werden.
„Corax! Mensch! Lass mir doch etwas Luft!“, beschwerte sie sich und drückte ihn sanft von sich, als er sich wieder einmal über ihre Schulter beugte, um aufzupassen, als ginge von dem kleinen Tiegel in Caras Händen eine explosive Gefahr aus.
„Verzeih...domina...“, murmelte er, senkte schuldbewusst den Kopf und zog die Schultern hoch. „Aber ich habe Order - “
„Ja, ja...ich weiß dass du Order hast mir auf Schritt und Tritt zu folgen. Aber doch nicht exakt und zur selben Zeit in dieselben Fußstapfen!“, unterbrach sie ihn schnaubend.
„Hmm...“, machte der Mann nur und beobachtete dann argwöhnisch, wie sie den Deckel des Tiegels hob und an der Creme darin schnupperte. Mit einer Geschwindigkeit, die selbst dem achtbeingen Pferd Odins zur Ehre gereicht hätte, stellte die Iulia auf einmal den Gegenstand zurück und verschwand mit einem „He, das ist doch!“, im Strom der Menschen. „domina Iulia!“, rief Corax ihr noch hilflos hinter her, um ihr schließlich mit einem gemurmelten „Nicht schon wieder...“, zu folgen.Cara indessen hatte sich inzwischen einen Weg über die Gasse gebahnt und war in eine zweite Reihe von Verkaufsständen hinüber gehuscht, wo sie bei einem Gemüsestand ein ihr bekanntes Gesicht entdeckt hatte. „Germanica Calvena!“, rief sie und winkte, als sie kurz stehen bleiben musste, um einen Karren mit Kisten vorbei holpern zu lassen, der sich ausgerechnet diesen Moment ausgesucht hatte.
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Das Stichwort riss Cara in ihre Gedankenwelt zurück. Schicksal. Ihr behagte dieses Wort nicht sonderlich. Es verhieß Sicherheit, den Glauben daran, dass man geführt wurde, einen Zweck erfüllte. Gleichzeitig aber auch bedeutete es Hilflosigkeit und ein Ausgeliefertsein, Grenzen. Sie war ein Kind der Freiheit. Freiheitskinder mochten keine Grenzen.
„Es heißt, die Wege der Götter seien unergründlich. Wer weiß schon was die Parzen planen“, Das Bewusstsein kehrte in ihre Augen zurück und ihre Mundwinkel kräuselten sich zu einem Lächeln. „Aber ich glaube nicht, dass mir ihr Plan durch dritte offenbart wird. Ich muss meinen Weg schon selbst finden.“ Sie sah nicht den Zusammenhang, den er sah. „ Und du wirst das auch tun…“, Unvermittelt fasste sie ihn bei der Hand und drückte sie kurz. Die Iulia hatte ja keine Ahnung, dass der Mann Mittler der Pläne ihres Verwandten war.Sie fiel in Phocylides Grinsen ein. Fast überall war es wärmer als hier, sah man einmal von den britischen Inseln ab. Aber für den Ägypter musste es besonders kalt sein. „Ach, ich würde auch einmal gern dorthin reisen, um es mit eigenen Augen zu sehen“, erwiderte sie fast wehmütig. „Warst du auch schon in anderen Provinzen?“
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Aquilia Cretica entspannte sich sichtlich. Sie hatte schon befürchtet, der Legat bräche in eine Moralpredigt darüber aus, wie sich eine junge Frau zu verhalten hatte. Aber die Information, er sei ein ruhiger, bedachter Mann, die ihr von fleißigen Bienchen zugetragen worden war, hatte sich als wahrheitsgemäß heraus gestellt. Nicht daran zu denken, was geschehen wäre, wenn er es als anstößig empfunden hätte – Ein Aus für die wunderbaren Pläne und Visionen, die sie sich für ihre Tochter zusammen gesponnen hatte. >Unvernünftiges Ding!<, rief sie Cara gedanklich zu. Von wem hatte sie das nur? Bestimmt nicht von ihr! Und auch ihr Vater – die Götter haben ihn seelig! – war als Mann des Militärs diszipliniert gewesen. Aber dieses Mädchen da?! Sie fiel vollkommen aus dem Raster. Zu Creticas Unmut.
„Dann ist es abgemacht!“, nahm Cara ihn sogleich beim Wort und strahlte begeistert. Wirklich gerechnet hatte sie mit der Einwilligung des Legaten nicht und freute sich deshalb umso mehr darüber.
Eine kleine Schar von Sklaven stürmte das Triclinum. Während zwei mit Tabletten auf den Armen herbei eilten, auf denen sie das dampfende Abendessen aufgetürmt hatten, brachte ein anderer einen Korb, den er mit einer Decke ausgelegt hatte und stellte ihn neben Cara. Mit einer Geste seiner Hand bedeutete er ihr, dass der Korb für den kleinen Welpen bestimmt war der mittlerweile auf Caras Schoß eingedämmert war. Vorsichtig hob sie ihn hinein und wusch sich in einer kleinen Wasserschale, die man ihr wie aus dem Nichts hin hielt nochmals die Hände.
„Lucius und Marcus haben mir geschrieben...“, informierte sie beiläufig ihre Mutter, während sie nach einem Stück Brot griff. Das Essen sah wirklich schmackhaft aus und roch beinnahe so gut, wie die Zaubereien des iulischen Kochs in Rom. „Iulius Centho und Iulius Licinus“, erklärte sie in Richtung des Decimers und nutzte den Augenblick, ein weiteres Mal in seinem Gesicht zu forschen. So sehr sie sich auch freute, dass er mit ihr reiten gehen wollte – Sie traute dem Frieden nicht so wirklich über den Weg und erwartete, dass er jeden Moment mit dem Vorfall im officium herausrückte. „Es geht ihnen beiden vortrefflich. Calliphana ist schwanger und Lucius zum Quaestor classis ernannt worden...“ Cretica hob beide Brauen.
„Tatsächlich?“, Natürlich war sie bestens informiert. Viel besser als es wohl Cara selbst war. „Das ist ja großartig! Richte ihnen meine Glückwünsche aus, wenn du ihnen das nächste Mal schreibst, Kind!“ Cara nickte knapp. Dass ihre Mutter sie als „Kind“ bezeichnete missfiel ihr. Vor allem in der Gegenwart des Legaten.
„Ich soll auch dir Grüße ausrichten...“, sagte sie an den Decimer gewandt -
Mit pochendem Herzen beobachtete Cara wie der Legat dazu ansetzte etwas zu sagen – nur um die Lippen sogleich wieder zu verschließen. Dann schickte er seinen scriba hinaus, der sie auf ganz unerhörte Weise ansah.
Sie waren allein.
Cara war sich nicht sicher, ob das nun ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Würde jetzt eine Eruption folgen? Ein Ausbruch? Jetzt da niemand mehr da war? Sie machte sich nichts vor, bestimmt stand der Mann vor der Tür und lauschte. Es war keine Lappalie, zumindest das ließ sich aus seinem Schritt herauslesen. Aber das hatte sie auch schon zuvor gewusst. >Mensch, warum kannst du nicht einfach mal vernünftig sein?!<, tadelte sich die Iulia selbst und bereitete sich schon einmal innerlich auf das vor, was da kommen mochte. Es war nun mal nicht so leicht der Vernunft zu folgen, wenn die Neugierde einen wie ein Riese übermannte – oder in ihrem Fall überfraute. Eigentlich hatte sie auch noch nichts Unwahres gesagt. Ursprünglich war Cara ja zu ihm gekommen, um ihn etwas zu fragen. Und auch die Gefahr, dass sich jemand, der die Neugierde der Iulia teilte aber bedeutend weniger Kenntnis von Waffen hatte, sich an der scharfen Klinge des Schwertes verletzte. So bestand ihr Vergehen nicht darin gelogen, sondern allenfalls etwas ausgelassen zu haben. Nämlich die Neugierde, die das eigentliche Motiv ihrer Handlung dargestellt hatte.
Sie hielt still und lauschte auf jede subtile Regung seiner Mimik, die ihr etwas über seine Gedanken hätte verraten können. Die Spannung rann in Schauern durch ihren Körper und dennoch brachte sie es fertig den wütenden Ausdruck ihres Gesichtes aufrecht zu halten.
Aber der Ausbruch blieb aus. Er schleuderte ihr keine Vorwürfe entgegen. Livianus´ Ruhe brachte die Iulia unvermittelt ins Stolpern. Doch war sie weise genug, nicht allzu lange mit ihrer Antwort zu zögern. Ihre Züge glätteten sich, als sie ihm erwiderte: „Eine meiner Freundinnen, Sentia Aemilia, heiratet Ende des Sommers und hat mich über Nacht zu sich nach Hause eingeladen, um alles nötige zu besprechen. Mit deiner Erlaubnis, Decimus, würde ich dieser Einladung gern nachkommen.“
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Die Zeit in Germanien schien tatsächlich eigenen Regeln zu gehorchen. Jedoch auch nur auf den ersten Blick und nur, wenn man sie in den Vergleich zu Rom setzte. Aber an Rom gemessen war generell immer alles anders. Ob langsamer, ländlicher, ärmlicher. Betrachtete man jedoch die einzelnen Regionen für sich, dann ließ sich feststellen, dass das Leben auch abseits der Hauptstadt des Imperiums pulsierte und lebte. Ein so verschlafenes, uriges Nest, wie sich viele Römer klischeehaft Mogontiacum vorstellten, war das Herz Germania Superiors eigentlich gar nicht. Für ein integriertes Mitglied der Gesellschaft gab es auch hier Freundschaft, Liebe, Intrigen, Abenteuer zu finden und zu bestreiten. Man musste sich nur darauf einlassen und was noch viel wichtiger war, falls man gerade aus Rom kam, die Fähigkeit besitzen, sich auch ein Stück weit von der Ewigen Stadt zu lösen, um seine Zeit nicht damit zu vergeuden, nur in Erinnerung und Selbstmitleid zu versinken und damit den Blick auf die Gegenwart zu verlieren. Cara fiel es im Moment schwer. Gerade weil sie hier schon so lange gelebt hatte, langweilte sie sich. Dadurch noch verstärkt, dass so viele alte liebe Freunde offensichtlich der Stadt den Rücken gekehrt hatten.
„Ja, warum nicht? Eine zweite Meinung ist immer besser…“, Sie glaubte zwar nicht, dass der Germanicer die Katze im Sack unter die Menschen brachte – immerhin hatte er als Mitglied einer ehrenwerten Familie einen Ruf zu verteidigen – aber Vorsicht war immer besser als blindes Vertrauen. Die Vorsicht kam bei Cara ohnehin viel zu oft zu kurz.
Auch jetzt.
Während Pax und Calvenas Stute schon die ersten Grashalme in Angriff nahmen, entledigte sich die Iulia ihrer Sandaletten, hob ihr Kleid etwas an und testete mit ihrem Zeh die Temperatur des Wassers. Es war kalt, aber nicht unangenehm eiskalt. Der Schlamm gab leicht unter ihren Füßen nach. Ihrem Begleiter schien das gar nicht zu gefallen. Aufgeschreckt beobachtete der Sklave jede ihrer Bewegungen. Als der Fluss sie bis zur Hälfte ihrer Waden umfloss, ohne an ihr zu zerren, wandte sich Cara zu Calvena um. Die paar Augenblicke hatten gereicht, um die Schatten weiter zurück zu treiben. Kleine Fischchen schwammen neugierig heran und knabberten an ihrer Haut. Es kitzelte.
„Das klingt, als hättest du damit schon einige Erfahrung….“, antwortete die junge Iulia. -
Die Vestalin selbst fragen. Das bedeutete, sie musste nach Rom zurück. Wann? Nicht mehr lange und das saftige Grün der Bäume würde sich rings um sie herum in goldenes Licht verwandeln. Dann durfte Cara mit dem Aufbruch nicht mehr allzu lange warten, wollte sie nicht Gefahr laufen, doch noch im tiefsten Winter die Alpen zu überqueren. Sie schauderte jetzt schon bei dem Gedanken. Eigentlich mochte sie es zu reisen...Die junge Iulia nickte und ließ das Thema damit fallen.
Aus dem Augenwinkel heraus nahm sie wahr, wie es nun auch Calvenas Pferd Richtung Fluss zog. "Dahinten kommt eine sehr flache Stelle mit einer kleinen Wiese...Da könnten wir ein wenig rasten...", schlug sie vor.
Ihr Gesicht hellte sich noch ein ganzes Stück weit auf, als die Germanica nicht nur anbot, ihren Vorschlag den anderen Mädchen vorzubringen, sondern sie auch noch einlud, sie einmal zu besuchen. "Vielen Dank! Das würde ich sehr gern tun!" In ihren Kindertagen hatte sie ihre Zeit nur sehr selten in der Casa Iulia verbracht, sondern war stetig bei igrendeiner Freundin, wenn sie nicht gerade ihrem älteren Bruder und seiner Bande nachgejagt war. "Mal sehen, vielleicht statte ich deinem Onkel demnächst einen Besuch auf seinem Gut ab. Ich überlege mir schon länger mir vielleicht noch ein zweites Tier zu zulegen...", fuhr Cara dann fort."Hier ist es", Sie hatten eine weitere kleine Wiese erreicht, die im Durchbesser vielleicht drei Meter hatte. Ein verwitteter dicker Baumstamm ragte halb in den Fluss, der an dieser Stelle eine leichte Kurve machte und deshalb nicht sehr schnell floss. Sie ließ sich von Pax Rücken herunter gleiten und landete mit den Füßen dumpf im Gras. Es gab ihr einen Moment Zeit sich zu ordnen, die dunklen Schatten über ihrem Herzen zu vertreiben und zumindest äußerlich ein gefasstes Gesicht zu machen. Sie rückte die Zügel über Pax´ Hals zu recht. Für die 1 1/2 Jahre hatte die Iulia vollkommen das Zeitgefühl verloren. Es war lang und dann wieder so kurz. Sie ließ ihren Hengst laufen und frei darüber entscheiden, ob er lieber saufen oder grasen wollte. Auch die Sklaven waren inzwischen abgesessen und bezogen ihren Wachposten, von welchem aus sie auf die Tiere Acht geben würden. "Es ist schon lange her...", sagte Cara schließlich und hob die Schultern.
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„Monate, ja“, bestätigte Cara noch einmal. Über die Alpen war es ein langer und mühsamer Weg, ein noch längerer, umrundete man das Gebirge. „Nicht sehr lange…Zwei Wochen…Maximal drei“, Die Zeit schien hier in Mogontiacum eigenen Regeln zu folgen. Sie zerfloss zu einem nicht fühlbaren Brei. Tage muteten auf einmal wie Wochen an.
„Ich reise eigentlich gern“, gestand die junge Iulia, hob dann aber fast entschuldigend die Schultern: „Du scheinst deinen Platz schon gefunden zu haben – ich bin noch auf der Suche danach.“ Da war ein Unterschied zwischen Heimat und Zuhause. Zuhause konnte man viele haben, aber die Heimat war einzigartig. Sie war der Ort, wo das Herz auch dann noch verweilt, wenn einen hunderte von Kilometer davon trennten. Im Moment war es die Ewige Stadt, an der ihr Herz hing. Obschon sie nun schon einige Wochen hier war, dachte sie täglich daran, was in der großen Stadt wohl vor sich ging und war mehr dort als im tiefen Germanien.
Dann musste Cara doch schmunzeln, wie sie der Duccia lauschte. Die schien ein kleines Kämpferherz zu besitzen. In ihrer Fantasie sah sie, wie Lucius Kopf wie eine Tomate rot anlief, während sie vor ihm stand und sich schlicht weigerte seinen Wünschen nach zu kommen. Eine Vorstellung, die ihren Reiz hatte. „Warst du denn wirklich noch nie wo anders?“, erkundigte sich Cara, während sie neben der Germanin einher schritt.
Die junge Frau hatte anscheinend schon ein recht bewegtes Leben hinter sich, das vor allem durch starke Veränderungen geprägt gewesen war. „Es tut mir Leid, dass du dich mit deiner Familie nicht so gut verstehst…“, erwiderte sie, nachdem Vera mit ihrer Ausführung geendet hatte. Es war sicherlich schwer für einen Menschen, denn die Familie war ja für gewöhnlich das weiche Netz, in das man fiel. Es brachte sie unvermittelt zu der Frage, ob sie ohne die Iulier in ihrem Rücken fähig wäre ein Leben zu führen und wurde sich erstmals über die Stellung bewusst, die ihre eigene familia in ihrem Leben einnahm. „Hast du dir nie überlegt woanders hinzugehen, wenn dich hier nichts mehr hält?“. Die Welt war immerhin groß und weit.
Cara trat neben die Duccia und betrachtete die Keramik, die sie in ihrer Hand hielt. Es war ein feines Stück- „Sie ist schön! Genau solche einfachen Vasen suche ich…“ Vorsichtig strich sie mit der Hand über das Material. Schön glatt war sie auch.
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Original von Numerius Duccius Marsus: "Unmöglich!" empörte sich Amon über den völlig wahnwitzig niedrigen Preis, der angeblich in Rom für solche wunderbar hochwertige und kunstfertige Keramik gefordert wurde. Er wusste es natürlich besser, denn er war unter anderen für die Lieferung des Krempels zuständig. Oder so.....
Der Händler spielte sich auf und Cara sah darin das Zeichen, dass sie bekommen hatte, was sie wollte. Zumindest fast. „Ich weiß dein Entgegenkommen zu schätzen“, sagte sie und erwiderte sein charmantes Lächeln, sichtlich erfreut am Feilschen. „Sagen wir Sieben und wir kommen überein…“, schlug die junge Iulia ihm vor und zückte schon ihre lederne Geldbörse.