Der Auftritt des Centurios und seine Bemühungen, gerade stehen zu bleiben, waren in Sextus' Augen so erbärmlich, dass er sich eine geistige Notiz machte, was zukünftigen eigenen Weinkonsum anging. Oh, Sextus hatte sich auch schon betrunken, vor allem in jüngeren Jahren. Den Duccius hatte er nach einem solchen Besäufnis kennen gelernt, wenn er sich recht erinnerte. Allerdings hoffte er, dass er selbst zu all jenen Zeiten keine so erbärmliche Erscheinung abgegeben hatte. Und ganz sicher wusste er, dass er nie einen Rausch gehabt hatte, wenn auch nur potentiell eine nüchterne Entscheidung von ihm erwartet werden konnte, oder gar während der Ausübung irgendeines Dienstes. Für die Zukunft allerdings beschloss Sextus in diesem Augenblick, sich auch nie wieder absichtlich zur Feier gleich welchen Ereignisses auch immer so dermaßen zu betrinken, dass er seiner Sprache und seiner Würde am Ende so verlustig ging wie diese halbgare Gestalt da vor ihm. Wenn es einen Augenblick des Fremdschämens gab, so befand sich Sextus gerade mitten in ihm.
Und er glaubte dem Mann vor ihm kein Wort, dass dieser ähnliche Beschlüsse für sein Leben zog wie der Aurelier. Was allerdings erwartete man auch schon von einem provinziellen Plebejer? “Gut“, schloss Sextus die Unterhaltung streng und knapp und widmete sich dann wieder seiner Cousine, die scheinbar auf dem Bett eingeschlafen war.
Sachte ging er neben ihr in die Hocke. Er ließ sich Zeit damit, ganz vorsichtig seine Arme unter ihre Schultern und ihre Kniekehlen zu schieben. Ganz behutsam und langsam, wie man es wohl bei einem eingeschlafenen Kind auch tun würde, rückte er sie näher an sich, ließ ihren Kopf erst an seinem Oberarm, dann schließlich, als sie nahe genug heran war, an seiner Schulter ruhen. Sie stank ganz entsetzlich nach billigem Wein.
Sie murmelte ganz leise. Sextus war sich nicht sicher, ob er ihre Frage verstanden hatte. Er war sich allerdings ebenso wenig sicher, ob sie überhaupt wirklich wach war, und wenn ja, ob ihr alkoholumnebelter Verstand überhaupt für diffizile Antworten gerade verarbeitungsfähig funktionierte. “Du bist in Sicherheit. Ich beschütze dich. Schlaf weiter“, flüsterte er ihr leise und beruhigend als Universalantwort auf ihre Frage zu. Auch wenn er sie nicht wirklich verstanden hatte, war da wohl eine Antwort, die sie verstehen konnte und hören wollte.
Ganz vorsichtig und langsam stand Sextus auf, ihr Gewicht in seinen Armen balancierend, ihren Körper an ihrem stützend. Er hätte die Rüstung vielleicht besser ausziehen sollen, aber seit beginn dieser Unternehmung hatte er das Ding jeden Tag getragen und vorhin beim Aufbruch nicht daran gedacht, seine Cousine vielleicht tragen zu müssen. Aber es würde schon gehen. Er achtete darauf, dass ihr Kopf an dem bisschen Stoff seines Umhangs eher ruhte als an dem Metall und bewegte sich langsam.
Prisca war nicht im eigentlichen Sinne schwer, dennoch hatte sie natürlich ein Gewicht, das der Aurelier nicht jeden Tag herumtrug. Vor allen Dingen nicht langsam, bedächtig und den Versuch unternehmend, sein Transportgut nicht zu wecken. Aber er verzog keine Miene, gab nichts auf die Blicke der vereinzelten Männer – hauptsächlich Verwundete – die hier im Lager waren und nicht ihr Glück beim Plündern suchten. Immer wieder, wenn er meinte, Prisca könnte aufwachen, flüsterte er wieder leise zu ihr. “Du bist in Sicherheit. Ich beschütze dich.“ Und er meinte es ernst. Man konnte Sextus sehr wenig nachsagen, vor allem sehr wenig Herzlichkeit. Aber er war fest entschlossen, sein Blut zu beschützen.