“Mantua mit nur einer Legion lange genug zu halten ist utopisch. Prinzipiell sieht mein Vetter den Zeitpunkt für entscheidend an, wo man sich vereint. Je länger deine Vorbereitungen brauchen, umso sicherer ist der Treffpunkt in Raetia gewählt, so dass man mit vereinten Kräften gegen Marius und Vescularius vorgehen kann. So umgeht man auch die Gefahr, dass dann hinterher sowohl deine Legionen als auch die seine zwischen denen von Marius und der Stadt Rom sitzen wie zwischen Hammer und Amboss.
Im übrigen glaubt mein Vetter nicht, dass Vescularius es sich leisten kann, große Teile der Praetorianer, Cohortes Urbani und Vigiles aus Rom abzuziehen, da die Bevölkerung kaum hinter ihm steht. Er hatte auch bis zu meiner Abreise nichts unternommen, um daran etwas zu ändern, nicht einmal Leichenspiele für den verstorbenen Imperator. Von daher sollte es uns möglich sein, Marius abzufangen, ehe er Rom erreicht. Sofern wir schnell handeln.“
Dann aber sagte Modestus etwas, das Sextus nicht so gefiel. Claudius herholen. Jetzt. Der Iulier müsste noch mitten im Gespräch mit ihm sein, und im Gegensatz zu dem Annaer, der sich ganz offensichtlich nicht mehr an das Essen bei Tiberius vor vielen Jahren so genau erinnerte und daher den kleinen Klienten von Durus, der damals noch Vigintivir werden wollte, vergessen hatte, erinnerte sich der Claudier sicher noch an ihn. Die Claudier und die Aurelier mochten einander nicht besonders, und nach dem Debakel mit den claudischen Sklaven und der mangelnden Opfervorbereitung und der Ablehnung des jungen Claudius Wiehießerdochgleichnochmal bei den Saliern hatte sich das bestimmt nicht gebessert. Sextus erinnerte sich auch an nachfolgende Schmierereien gegen seinen Namen, wobei er hierfür keine Beweise hatte – allerdings auch sonst niemanden, der Veranlassung für so einen Unfug gehabt hätte außer dem ständig maulenden Pöbel.
Von daher hielt Sextus es für eine ausgesprochen schlechte Idee, den Claudier jetzt hier antraben zu lassen und das ganze im kleinen Kreis zu besprechen, wo der Statthalter ihn nicht gerade freundlich behandelte. Zwei Männer in diese Situation zu bringen war in jedem Fall kontraproduktiv für Sextus vorhaben, wenn die beiden sich dann gegen ihn verbündeten, einfach aus persönlichen Befangen.
“Ich denke, wenn ohnehin eine Besprechung anberaumt ist und du mir erlaubst, daran teilzunehmen, wäre der Sache besser gedient, so sind alle gleich informiert und man kann Beschlüsse fassen, die nicht nachträglich erneut revidiert werden müssen“, gab er eine pragmatische Begründung vor, die seine wahre Meinung nicht preisgab. In großer Runde war es wahrscheinlicher, dass der Claudier sich seiner Manieren erinnerte, ebenso gab dies seinem Begleiter die Möglichkeit, den Claudier zuvor schon auf ihre Seite zu ziehen – auch wenn dies nach dem von Claudius unterschriebenen Brief an Vescularius wohl ebenso unnötig war wie seine Überzeugung des Annaeus.
Die andere Frage war da schon gänzlich anderer Natur und erforderte ein kurzes Nachdenken. “Der Praefect der Classis von Misenum ist Octavius Dragonum, der bekanntermaßen ein Klient von Decimus Livianus ist, der ein bekennender Gegner von Vescularius ist. Allerdings gehört Senator Octavius Macer zu denjenigen, die am meisten durch Vescularius profitiert haben. Ebenso haben die Decimer wohl ihren eigenen Frieden mit den Vescularius-Getreuen geschlossen durch die Hochzeit von Decimus Livianus' Nichte mit Terentius Cyprianus, der ebenfalls zum Dunstkreis des Usurpators gehört.
Von daher würde ich nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass er auf unserer Seite steht und nicht mit ihm rechnen. Inwieweit eine Kontaktaufnahme sinnvoll wäre, weiß ich auch nicht abzuschätzen, der Mann ist mir nicht bekannt.
Was Marcus Antonius Longus als Praefectus Classis Ravennae angeht, ist er mir persönlich nicht bekannt. Meine Mutter stammt ebenfalls aus der Gens Antonia, allerdings ist die Verwandtschaft vermutlich nur sehr entfernt, sofern vorhanden, sonst wäre mir sein Name vermutlich geläufiger. Ich kann nicht abschätzen, inwiefern für diesen Mann verwandtschaftliche Bande ausschlaggebend sein mögen, so dass ich die Sinnhaftigkeit einer Kontaktaufnahme nicht abschätzen kann. Generell hat die Gens Antonia allerdings keinen Nutzen von Vescularius' Herrschaft, im Gegensatz zur Gens Octavia.“