Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    Ein Sklave aus dem Haus der Flavier gab an der Porta am frühen Vormittag folgenden Brief ab.



    Ad senatores
    Kaeso Annaeus Modestus et Lucius Annaeus Florus



    Salve Senatores,


    im Namen des Consuls Lucius Flavius Furianus ist es mir eine Freude, euch zu einem Concilium in der Villa Flavia Felix einzuladen. Thema wird die geplante Landreform sein. Der Consul hofft auf regen Disput.


    So es eure Zeit erlaubt, würde ich euch bitten ANTE DIEM VI ID IUL DCCCLX A.U.C. (10.7.2010/107 n.Chr.)** zur hora decima zu erscheinen.


    Im Namen des Consul Flavius Furianus


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    Scriba personalis



    Sim-Off:

    Das Datum ist rein fiktiv. In den nächsten Tagen wird ein Thema eröffnet, wo ihr euch dann hinzugesellen könnt.

    Na, na, na, was war denn das? Wunder Punkt? Sextus beobachtete fasziniert, wie sich Corvinus Miene verfinsterte und dann nur allmählich wieder glättete, wobei ein düsterer Ausdruck zurückblieb. Also konnte Corvinus Sextus' zukünftigen Schwager nicht ausstehen. Das war höchst interessant. Und den Grund zu erfahren, warum er Piso nicht leiden konnte, war noch viel interessanter.
    Wäre Sextus nicht so kontrolliert, er hätte seiner diebischen freute wohl durch ein Grinsen Ausdruck verliehen. Zu Prisca zudringlich geworden. Und Prisca wollte mit ihm dieser Tage ins Theater gehen, um einen Flavier zu treffen. Und ihre Seitenblicke zu Corvinus dabei waren ja fast schon unübersehbar gewesen. Man musste kein Genie sein, um jetzt das Puzzle zusammenzufügen. Prisca also hegte Gefühle für seinen zukünftigen Schwager, und dieser Kerl war der Grund, warum sie ihn hatte so auflaufen lassen an dem Tag der Gladiatorenspiele. Und Sextus hatte nun alle Möglichkeiten, mit dieser Information anzufangen, was er wollte.
    Er könnte Corvinus hier aufklären und sich damit ein wenig mehr Entgegenkommen sichern. Er könnte vielleicht sogar diese vermaledeite Hochzeit dadurch abwenden.
    Auf der anderen Seite, die Flavier erwiesen sich in Zukunft vielleicht als gute Verbündete. Er selbst war momentan Scriba beim Consul, der wohl wenig angetan wäre, wenn sein verwandter bloßgestellt werden würde. Sie füllten mindestens ebensoviele und wichtige Posten aus wie die Aurelier, hatten aber eine 'etwas' längere Familiengeschichte vorzuweisen. Wegen dieser Sache einen Kleinkrieg vom Zaum zu brechen war vielleicht eine unkluge Wahl. Außerdem gab es auch herrlich viele Möglichkeiten, Prisca und ihren Geliebten durch dieses Wissen ein wenig in eine Richtung zu drängen, die ihm zupass kam.


    Sextus setzte also einen leicht bestürzten Gesichtsausdruck direkt auf die Worte hin auf, und lehnte sich dann leicht überlegend zurück.“Nun, dann werden Verhandlungen mit dieser Person sicher sehr interessant.“ Definitiv.
    “Gibt es noch etwas, worüber du mit mir sprechen wolltest?“ Sextus hatte es nicht wirklich eilig, irgendwohin zu kommen. Aber nun gab es wieder einiges zu tun. “Ansonsten wollte ich noch ein Opfer an Ianus vorbereiten.“ Zwar war er nicht besonders religiös. Im Grunde erfüllte er seine Seite des Vertrages, nicht mehr, und nicht weniger. Aber es würde wohl ein gutes Zeichen setzen, gerade, wenn er sich als Haruspex hervortun wollte. Außerdem konnte es nicht schaden.

    Sextus taxierte sein Gegenüber ganz leicht. War nicht so, als wäre er der einzige, der Dreck im Gesicht hatte. Oder eine blutige Lippe und schmerzende Glieder. Die Taktik des Namenlosen hier schien ihm nicht wirklich durchdacht, und eher zufällig von Erfolg gekrönt. Was zugegebenermaßen auch daran liegen mochte, dass Sextus kein besonders guter Verlierer war.
    Mit ebenso leichtem wie unehrlichen Lächeln hob auch er seinen Becher. “Auf besoffene Deppen“, komplettierte er den Trinkspruch, kippte Bacchus' Anteil brav auf den Boden – wenngleich der Weingott von Bier vielleicht nicht so angetan war – und nahm einen kräftigen Schluck.
    Werter Feind... Sextus trank nur langsam und sinnierte über die Worte nach. Wollte er diesen Kerl hier wirklich zum Feind? Angst hatte er nicht, weswegen auch. Aber warum sollte er sich wegen einer Prügelei, selbst einer verlorenen, die Mühe machen, jemanden zu befeinden? Es gab drei einfache Regeln, wie man recht unbehelligt durchs Leben kam, so man denn wollte. Finde deine eigene Wahrheit. Lass ab von Drachen (wobei hier nicht die feuerspeienden Flatterviecher gemeint waren, sondern jegliche Person, die schlicht so weit in ihrer Macht über einem selbst stand, dass man selbst dann noch auf der Hut sein musste, wenn sie freundlich zu einem waren. Oder gerade dann). Und zu guter Letzt: Wähl deine Feinde mit Bedacht.
    Gut, einige davon konnte man nicht immer befolgen, vor allem nicht, wenn man vorhatte, auf der Erfolgsleiter mal ein paar Sprossen zu überspringen. Dennoch blieb die Frage: War dieser unbekannte Niemand hier eine Feindschaft wert? Im Grunde nicht, entschied Sextus. Was hatte er davon, den Kerl tot im Tiber treiben zu lassen? Gar nichts, außer das zweifelhafte Vergnügen, einmal laut 'Ha Ha' sagen zu können.
    So also beließ er es vorerst einmal dabei. Die Option, seine Meinung zu ändern, blieb ja bestehen.

    Sextus wollte bei den ersten Worten seines neuen, barbarischen Freundes nur mit einem Grinsen antworten. Da seine Lippe aber ein wenig geschwollen war und sich an einigen Stellen schon Schorf gebildet hatte, der dabei unangenehm spannte, ließ er es bleiben.
    Tz, da gelingt ihm ein guter Schlag, und schon wird er frech, dachte Sextus nur mit verhohlenem Ärger. Er hätte sich wohl doch nicht umwerfen lassen sollen und anfänglich härter zuschlagen sollen. Oder ihn nochmal zu verprügeln, allerdings nicht jetzt. Seine Rippen hielten das für keine gute Idee. Für den Moment.
    Und auch, wenn Vala Recht hatte, dass es eine Frau war, die ihm so die Laune verhagelt hatte, Sextus würde das sicher nicht jedem dahergelaufenen Typen auf die Nase binden und sein Leid von der ach so ungerechten Welt klagen, die ihm, oh Graus, ein wundervolles Weib zur Verwandten gemacht hatte. Da konnte er ja gleich Wattebällchen rausholen und damit im Frust um sich schmeißen.
    “Und was treibt dich dazu, dich von Fremden erstmal verprügeln zu lassen, bevor dir einfällt, dass du dich ja eigentlich wehren kannst? Stehst du da drauf, oder musst du etwas kompensieren?“ Seine Worte klangen nicht unfreundlicher als Valas, und auch sonst wirkte Sextus durchaus ruhig.


    Die Bedienung kam und stellte zwei Becher und einen großen Krug mit Bier auf den Tisch, füllte noch die Becher und hielt auch schon die Hand auf. Auf Rechnung soffen hier nur die Stammgäste, der Rest zahlte gleich. “Bitte, Schönheit“, drückte Sextus ihr eine Münze in die Hand und sah ihr zu, wie sie höflich lächelte und dann schleunigst wieder verschwand. Offensichtlich war sie von seinem momentanen Aussehen mit der blutigen Lippe nicht sehr angetan, aber das würde ihn nicht weiter stören. Im Gegenteil war ein wenig offen zur Schau gestellte Abneigung mitunter interessanter als geheuchelte Bewunderung. Wobei letztere auch nicht zu verachten war.
    Nun, über beides nachzudenken war müßig, also nahm er stattdessen den Krug zur Hand und trank einen kräftigen Schluck von dem Bier. Gräßliches Gesöff, kein Vergleich zu Wein. Wobei hier in dieser Spelunke wohl auch kaum etwas serviert werden würde, was dem Begriff gerecht werden würde.

    Das Gespräch entwickelte sich zäh. Sofern man es euphemistisch ausdrücken wollte. Sextus gelangte mehr und mehr zu der Überzeugung, er sollte mehr seinen Instinkten und weniger den Worten seines Verwandten glauben. Aber wie hieß es so schön? Konsequenz hieß, auch Holzwege zu Ende zu gehen. Auch wenn Sextus sich für ein kleines Abweichen vom strikten Pfad der Wortknappheit erlaubte, sonst säßen sie wohl noch morgen hier. Außerdem war das Thema dergestalt, dass sich ein wenig Wortreichtum anbot.
    Ein leichtes Lächeln spielte ganz kurz um seine sonst gleichmütigen Züge. Ja, es würde mehr bedürfen als einer Willenserklärung, da hatte der Pontifex recht. “Selbstverständlich. Verzeih, wenn ich etwas weiter aushole.“ Sextus nahm noch einen kleinen Schluck Wein, als wolle er seine Kehle befeuchten vor dem folgenden Redeschwall. In Wirklichkeit schuf er so nur eine kleine Kunstpause, ehe er anfing. “Meine Mutter Antonia Iavolena entstammt dem etruskischen Zweig der Antonier. Es war ihr Bestreben, mir die disciplina etrusca beizubringen und für mein weiteres Leben mitzugeben. Ich lernte bereits als Kind, was dazu notwendig ist, die göttlichen Zeichen zu deuten. Von daher siehst du hoffentlich, dass ich die passende Eignung vorweisen kann.
    Weiters ist mir nur allzu schmerzlich bewusst, welch Scharlatanerie mit dem Deuten von Omen getrieben wird. Ich weiß, die Haruspices haben im allgemeinen keinen sehr guten Ruf, gibt es doch weit mehr herumziehende Betrüger, die sich brüsten, die Zukunft vorhersagen zu können, als man zählen könnte. Daher ist es meiner Ansicht nach wichtig, dass dem Collegium genügend fähige Männer zur Verfügung stehen, damit niemand denkt, darauf angewiesen zu sein, einem solchen Lügner noch Geld in den Rachen zu stopfen. Zwei freie Plätze sind zwei Plätze, die es zu füllen gilt.“

    Gut, das war nun vielleicht etwas blumiges Geschwafel, aber Sextus wollte etwas weiter ausholen und dem ganzen etwas mehr Substanz verleihen als nur die bloßen Fakten runterzurattern. Ein Gespräch lebte doch von den Worten, die darin flossen.
    “Doch das sind allgemeine Gründe, die dafür sprechen, dass ich mich um diesen Posten bemühen sollte. Der Grund, warum du mich darin unterstützen solltest, liegt näher. Mein Vater hat für meine Person eine Verbindung mit dem Hause Flavia angestrebt. Eine Flavia Nigrina, um deren Mitgift ich in den nächsten Tagen mit ihrem Bruder in Verhandlungen treten werde.
    Unsere Familien sind auch schon anderweitig verbunden. Senator Arelius Corvinus ist mit Flavia Celerina vermählt, ebenso wie schon vor langer Zeit Flavius Bellienus mit Aurelia Agrippina verheiratet wurde.
    Daher war es für mich auch die logische Folge, dich, der du Pontifex bist, im Zeichen der bestehenden, vergangenen und auch zukünftigen Verbundenheit unserer Familien um diesen Gefallen zu ersuchen. Ich denke, dein Wort hätte beim Haruspex Primus sicher großes Gewicht, und ich wäre dir zutiefst verbunden.“

    So langsam fing Sextus an, die „Ich heirate eine von euch“-Karte zu mögen. Sie war herrlich vielseitig einsetzbar. Ob sie genügen würde, hatte er keine Ahnung, allerdings hoffte er es. Sonderlich viel anderes hatte er momentan noch nicht vorzuweisen. In Zukunft gewiss, und wenn der Flavier vorausschauend dachte, würde ihm das sicher auch auffallen. Doch Momentan stand er noch am Anfang seiner Laufbahn.

    Während ihr Blick an seinem Körper immer tiefer glitt, wurde Sextus Lächeln eine Spur süffisanter. Er widerstand dem Drang, angeberisch ein paar Muskeln unter dem Stoff spielen zu lassen, und lehnte sich einfach nur entspannt zurück. Sollte sie sich ruhig satt sehen und ihre Gedanken in dieselbe Richtung wandern lassen, wie seine gingen, wenn er sie anschaute. Dass sie seine Cousine war, war dabei vollkommen gleichgültig. Das gab der ganzen Sache nur einen um einiges verbotenen Hauch, der es eher interessanter machte.


    “Welche Sterbliche könnte sich schon mit dir, meine Göttin, messen? Verblassen muss sie wie der Morgenstern, wenn die Sonne aufgeht.“ Sextus sah sie noch immer betont bekümmert und leidend an, wobei er allerdings keinen Zweifel daran ließ, dass auch das zum Schauspiel gehörte.
    Seine Begleitung also war eine Flavia. Folglich war Priscas Auserwählter ein Flavius, noch dazu einer, den Corvinus wohl nicht mochte, denn sonst wäre dieser Seitenblick vorhin von ihr nicht nötig gewesen. Und auch jetzt schaute sie kurz zu dem Hausherren hinüber, als müsse sie sichergehen, er würde nichts davon mitbekommen. Das machte die ganze Sache doch schon eine Spur komplizierter, vor allem in Anbetracht der geplanten Hochzeit von ihm selbst mit einer Flavia. Er konnte seine angedachte Begleitung also nicht so einfach um den Finger wickeln, wenn er nicht befürchten wollte, dass es sich im Haus der Flavier herumsprach und es zu Schwierigkeiten bei den Verhandlungen anschließend kam. Andererseits war eine Flavia doch so gut wie eine andere, und er konnte notfalls dann auch dieses Mädel nehmen, wenn man es deichseln konnte. Im Grunde war es ihm vollkommen gleichgültig, wer letztendlich in seinem Bett landen würde, war es so oder so doch eine Pflicht, der er sich nicht entziehen konnte. Politik war eben Politik.
    Dennoch waren all das Informationen, die Sextus nur zu gern in sein Repertoire aufnahm, um sie möglichst gewinnbringend für sich selbst zu benutzen. Es gab keine Information, die vollkommen wertlos war.


    Als sie sich dann wieder versicherte, dass er wirklich mitmachen würde, wurde Sextus schon eher hellhörig. Nicht nur, wie sie versuchte, ihn zu umgarnen, sondern auch die zweideutige Wortwahl dabei. Sicher, sie hatte mit dem Thema gespielt, es waren die einen oder anderen Andeutungen gefallen, aber so direkt war keiner von beiden gewesen. Jetzt war es an ihm, seinen Blick an ihr hinabgleiten zu lassen. Ein leiser Zweifel kam auf, ob das hier nur Spiel war oder doch einer Einladung gleich kam, die Sextus sicher nicht ausschlagen würde. “Ja, wirklich ein Jammer, dass die Dinge, die man am meisten begehrt, die sind, die einem das Schicksal verweigern will.“
    Sein Blick war wieder zu ihren Augen gewandert, und er sah sie einen Augenblick lang nur durchdringend an. Er zweifelte nicht daran, dass sie sich erfahrener gab, als sie war. Er konnte sich nicht vorstellen, dass eine so beherrschte Frau wie Prisca ihren Ruf ruinieren würde. Nicht für ein profanes Abenteuer. Wenn sie verheiratet wäre, dann vielleicht , aber nicht, solange sie mehr riskierte, als einen Ehemann vor den Kopf zu stoßen, so er es herausfände. Allerdings war er auch gerne bereit, sich vom Gegenteil überzeugen zu lassen. “Andererseits sagt man ja auch, dass das Glück die Mutigen belohnt.“ Er wandte seinen Blick nicht eine Sekunde von ihren Augen und beobachtete so die Reaktionen, die sich wohl in den ihren widerspiegelten. Im Grunde waren sie ja sogar weit genug voneinander entfernt, dass es theoretisch möglich wäre, dass sie eine Verbindung eingingen. Nicht, dass einer von ihnen sich darauf wohl einlassen würde, denn es bedeutete trotz rechtlicher Möglichkeit einen Rufverlust, den sie beide sich wohl nicht leisten wollten. Dennoch war diese Tatsache gut genug, dass Sextus nicht auch nur den Hauch eines schlechten Gewissens bekam, während er Prisca weiter neckte und reizte.

    Nur eine Sponsalia, vielleicht. Dennoch war Sextus nicht unbedingt erpicht darauf. Natürlich sah er die positiven Seiten des ganzen, das Ansehen, die Verbundenheit mit den Flaviern, den Einflussgewinn und, wenn es einst soweit war, der Wegfall nach einer nötigen Braut, um den Stand eines Senators ohne Gerede einnehmen zu können. Auch wenn das eine sehr langfristige Planung war. Aber dennoch war er nicht erpicht darauf, sein junges Leben jetzt schon durch eine Ehe einzuschränken. Und da die Flavier wohl kaum mit einer Manusehe einverstanden wären, würde er auf sein Weib dann Rücksicht nehmen müssen.


    Allerdings ließ er sich seine Gedanken nicht anmerken, sondern blieb weiterhin ruhig. Dass Corvinus ihn beim Praenomen anredete, registrierte er mit ein wenig Genugtuung. War also die anfängliche Zurückhaltung nun vorüber und er als Teil der Familie akzeptiert. Gut so.
    “Sicher, das wäre eine gute Gelegenheit, ein paar wichtigen Menschen mehr zu begegnen. Nachdem ich die Empfehlung eingeholt und mit dem Haruspex Primus gesprochen habe, werde ich das als nächstes angehen und mich einmal mit Flavius Piso treffen, der hierbei die Verhandlungen führen soll. Kennst du den Mann?“ Sextus wusste bislang nur, dass es der Bruder seiner vielleicht-bald-Verlobten war und bereits politisch tätig war. Allerdings fehlten ihm wie zu den meisten Persönlichkeiten der Stadt nähere Informationen.

    Das Schweigen breitete sich aus bis zu einem Grad, wo es beinahe unangenehm wurde. Sextus überlegte schon, ob Corvinus ihm falschen Rat gegeben haben könnte. Vielleicht wollte der Vetter sich nur nicht die Blöße geben, einzugestehen, dass er den Flavier nicht gut genug kannte, um Ratschläge zu erteilen? Sextus wusste es nicht, aber er schwieg weiter, bis Gracchus schließlich die Frage nach dem Grund seines Hierseins stellte.
    “Im Collgeium Haruspicium sind meines Wissens nach zwei Stellen derzeit vakant. Ich interessiere mich für eine dieser Stellen als Haruspex und hatte gehofft, dich dafür zu gewinnen, mir eine Empfehlung auszustellen.“ Ohne große Umschweife oder lange drumherum zu reden kam Sextus direkt zum Punkt. Auch hier verließ er sich auf den Rat seines Vetters. Ob dieser richtig war oder falsch, würde er gleich sehen. Genau beobachtete er die Reaktionen im Gesicht des Flaviers, während er sich ruhig ein wenig im Stuhl zurücklehnte. Sicher, der Flavier konnte auch ablehnen, und diese schnelle Vorgehensweise barg nicht wenige Risiken, andererseits hatte Sextus auch wenig zu verlieren, aber viel zu gewinnen.
    Sein Instinkt riet ihm, gleich weiterzusprechen und so dem Flavier nicht lange Zeit zu geben, darüber nachzudenken. Jemanden gleich zu überzeugen, ehe er Gelegenheit hatte, alles Für und Wider im Geiste abzuwägen war meistens eine erfolgversprechende Taktik. Allerdings musste er in diesem Fall auf Corvinus und seine Einschätzung des Flaviers vertrauen, in der Hoffnung, keinen Fehler damit zu begehen.

    So ein Arsch. Sextus musste wieder grinsen, als sein Gegenüber nur so knapp die unausgesprochene Frage nach dem Namen und die ausgesprochene nach seiner Herkunft abhandelte. Kein 'Salve, ich bin Caius Mannulus, lass uns Freunde sein'. Irgendwie war es richtig erfrischend, und Sextus beschloss, den Kerl zu mögen. Zumindest vorläufig, während er ihm grinsend und den Kopf schüttelnd in die nächste Taberna folgte.


    Der Kerl setzte sich an einen Tisch, Sextus setzte sich ächzend dazu. Nachdem das Adrenalin verbrannt und die Euphorie verklungen war, tat ihm seine Seite doch ganz schön weh. “Bier, ich zahle“, meinte Sextus, die Bedienung angrinsend. Wär albern, Bier und Wein zu bestellen. Die nickte nur und eilte dann auch schon davon.
    Er sah der Bedienung nach und blieb mit seinem Blick dabei einen Moment auf den Hüften des Mädchens hängen. Wär noch ein schöner Abschluss für den heutigen Abend. Wenn seine Seite aufhörte, zu pochen, und er sich nach dem Bier an diese Idee erinnerte.

    Wieder auf den Beinen ging es Sextus immernoch gut. Es tat immernoch alles weh und er hielt sich ganz leicht die Seite, wo Vala einen gekonnten Körpertreffer gelandet hatte, und er hatte den Geschmack von Blut auf der Zunge, aber es ging ihm gut.
    “Drei ältere Brüder, da lernt man ein bisschen was.“ Wobei er sich mit denen weitaus seltener geprügelt hatte als mit den Brüdern anderer Leute.
    Auf die Nachfrage, ob er denn Römer sei, lachte Sextus ganz leicht, was er aber schnell wieder einstellte. Irgendwas zwickte dabei in seine Seite. So beließ er es bei einem selbstgerechten Grinsen und lehnte sich nun seinerseits mit den Schultern leicht gegen die Vala gegenüberliegende Häuserwand. In dieser kleinen Gasse machte das ohnehin kaum Unterschiede.
    “Sextus Aurelius Lupus“, stellte er sich selbst vor. Nachdem sie einander die Köpfe eingeschlagen hatten und sich wohl gleich noch betrinken würden, konnte man sich schon mal vorstellen. “Und du, woher kommst du, dass du so viel über die Standfestigkeit der Durchschnittsrömer weißt?“ Sextus schloss einfach, dass der Kerl ihm gegenüber ein Peregriner war. Sonst wäre seine Wortwahl wohl anders ausgefallen.

    Sextus folgte dem Sklaven durch die mittlerweile gut vertrauten Gänge der Casa und blieb schließlich vor dem Arbeitszimmer stehen, während der Sklave ihn anmeldete. Kurz ging er in Gedanken noch einmal durch, was er von Flavius Gracchus wusste. Es war erschreckend wenig, aber würde reichen müssen, um den Mann für seine Sache zu gewinnen.


    Schließlich durfte er eintreten und ging auch schon selbstsicher auf den angebotenen Platz zu. “Danke, dass du mir einen Moment deiner Zeit schenkst“, begann Sextus mit nur der vagen Andeutung eines Lächelns, während er sich setzte und den Wein entgegen nahm. Er nippte nur anstandshalber einmal an dem sicher kostspieligen Glas, ehe er es sorgsam wegstellte.
    Corvinus hatte ihm geraten, Gracchus erst Fragen stellen zu lassen und nicht zu viel zu reden, also fiel er nicht gleich mit der Tür ins Haus. Auch wenn er es gewohnt war, andere teilweise durch die schiere Masse an Worten niederzuargumentieren, hatte er kein Problem damit, einem anderen die Gesprächsführung zu überlassen und selbst nur die präzisen Spitzen anzuführen, die nötig waren. Und er würde wohl schnell feststellen, ob die von seinem Vetter vorgeschlagene Taktik wirklich erfolgversprechend war.

    Den Ianitor kannte Sextus nun schon, und noch viel wichtiger, er kannte ihn auch. Als Scriba des Consuls kam er häufiger vorbei und musste eigentlich nur noch 'zum Consul' sagen. Wo sollte er als sein Scriba auch sonst hinwollen?


    Nun, heute wollte er woanders hin. Er hatte sich, wie Corvinus ihm vorgeschlagen hatte, einen Termin bei Flavius Gracchus geben lassen und hoffte, ihn dafür zu gewinnen, ihm eine Empfehlung für den Haruspex Primus auszustellen. Sextus hegte zwar wenig Zweifel daran, es auch ohne diese Empfehlung zu schaffen, aber warum es sich unnötig schwer machen? Und für spätere Zeiten, wenn er gewählt werden wollte, war es ohnehin nicht schlecht, das eigene Netzwerk immer mal ein klein wenig zu erweitern und neue Bekanntschaften zu knüpfen.
    So klopfte er also heute an der Porta, und als er den Ianitor sah, meinte er auch gleich möglichst freundlich: “Salve. Heute zu Flavius Gracchus. Ich habe einen Termin mit ihm.“

    Nur ein kleines Lächeln schenkte Sextus seinem Vetter, als dieser ihm viel Erfolg wünschte. Auch wenn er den Flavier nicht kannte, er hegte doch nur wenig Zweifel, ihn gewinnen zu können. Wenn Sextus eines konnte, dann labern. Auch wenn er von dieser Fähigkeit immer nur sehr maßvoll Gebrauch machte. Nur weil man etwas gut konnte, wäre man ein Narr, wenn man es ständig tat, oder gar umsonst.


    Die zweite Frage hingegen war doch eher in die Richtung, die einer Antwort bedurfte. Sextus dachte kurz darüber nach, als müsse er es erst genau abwägen. “Ich bin mir unschlüssig. Vermutlich noch nicht die nächste, sondern erst die darauf folgende Wahl. Ich will nicht den Cursus Honorum als vollkommener Neuling in Rom beschreiten, ich möchte mir vorher, wenn auch nur in kleinem Rahmen, schon einen Namen gemacht haben. Ich denke, ein Wahlkampf für irgendwen aus Achaia zu führen, dürfte teurer sein als ein solcher für jemanden, der zumindest einen gewissen Bekanntheitsgrad vorweisen kann.“
    Sicher, es wäre wohl das Geld seiner Gens gewesen, das er verpulverte, aber Sextus wollte nur antreten, wenn er sicher sein konnte, er würde gewinnen. Und dafür fehlte ihm noch die Erfahrung, die verschiedenen Lager in der Stadt einschätzen zu können. Mit der Hilfe des Consuls würde sich das hoffentlich rasch ändern, und dann stand einem Durchmarsch durch die Ämter bis zum Senatorenstand nichts mehr im Weg.
    “Natürlich wäre es als Verhandlungsgrundlage der Verlobung besser, es würde schon bei der nächsten Wahl dazu kommen. Allerdings glaube ich, dass der Zeitraum dafür etwas knapp bemessen sein könnte.“

    Da waren sie also, seine hoffentlich künftigen Sodales. Sextus studierte ruhig ihre Mienen, während sein Vetter die Sitzung eröffnete. Er hatte sich eine grobe Beschreibung der einzelnen Personen geben lassen, so das er glaubte, sie ihren Namen zuordnen zu können. Ob sie einen weiteren Aurelier in ihren Reihen wohl dulden würden? Man würde sehen.
    Dass sein Vetter ihn gar beim Paenomen nannte, als er ihn bat, zu sprechen, kam ihm da nicht wirklich gelegen. Es implizierte doch eine sehr starke Verbundenheit, die innerhalb einer Familie wohl durchaus üblich war (wenngleich er seine Verwandten noch immer beim Cognomen nannte, bis ihm anderes offeriert wurde), aber eben bei einem Anlass, wo er die Skeptiker überzeugen wollte, dass er eben nicht nur aus Verbundenheit mit seiner Familie hier her wollte, eher hinderlich war. Dennoch ließ er sich nichts anmerken und machte einfach neutrale Miene zum bösen Spiel.


    “Verehrte Sodales.
    Die meisten von euch werden mich nicht kennen, deshalb beginne ich am besten mit einer Vorstellung. Mein Name ist Sextus Aurelius Lupus, ich bin Sohn von Numerius Aurelius Fulvus. Mein Vater lebt schon seit vor meiner Geburt nahe Athen in Achaia, so dass dies wohl hier in diesen Hallen nicht mehr als ein Name ist, ebenso wie der meine, da ich noch nicht viel vorzuweisen habe außer eben jenem. Meine Jugend verbrachte ich in Achaia, erst vor wenigen Wochen entschied mein Vater, dass ich hier nach Rom gehen und dem Cursus Honorum folgen solle – was übrigens auch mein persönlicher Wunsch ist.“

    Sextus machte eine leichte Pause, in der er abzuschätzen versuchte, wie seine Worte auf die Anwesenden wirken mochten. Wie hinderlich sein Name bei diesem Unterfangen wirklich sein würde, musste sich erst noch zeigen, ebenso wie der Umstand, dass er nicht viel vorzuweisen hatte.
    “Aber ich weiß, dass es auch eben jener Name ist, der vielleicht zu Bedenken führen könnte. Natürlich nicht gegen mich als Person, das möchte ich niemandem unterstellen...“ Und Sextus schaffte es auch, niemanden dabei anzusehen, so dass sich keiner angesprochen fühlen musste, “... oder gegen meine Gens. Aber mir ist durchaus bewusst, dass damit meine Gens einen großen Teil der Sitze dieser Sodalität inne hätte, so ihr mich aufnehmt.“ Erst jetzt richtete er seinen Blick wieder an die Männer, die darüber abzustimmen hatten, ob er aufgenommen werden würde oder nicht.
    “Dennoch bitte ich euch um Aufnahme. Ich bitte euch um nicht mehr und nicht weniger, als dass ihr mich bewertet und meine Ambitionen. Und diese sind, meine Pflicht den Göttern gegenüber zu erfüllen, wie es einem Mann unseres Standes gebührt. Mehr als das, ist es doch eine Ehre und nicht nur bloße Verpflichtung. Ich möchte meine Kraft gerne den Salii Palatini widmen.“
    Er überlegte, ob er noch davon reden sollte, wie viel ihm das bedeuten würde. Es wäre zwar eine Lüge gewesen, aber es hätte gut geklungen. Allerdings wollte er nicht übertrieben, ehe jemand seine Worte noch als Heuchelei abtun würde. Also entschied er sich dagegen und schloss ganz einfach: “Und um diese Ehre bitte ich euch.“

    Ihn ehrlich überzeugen, dass er sich sehr engagieren würde. Sextus stellte sich die Situation gerade vor, wie er erzählte, mit welcher Freude er sich Lebern den ganzen Tag anschauen wollte, und wie sehr ihn der Dienst für die Götter doch inspirieren würde. Es war gar nicht so einfach, eine gleichmütig nachdenkende Mimik beizubehalten und nicht lauthals loszulachen. Im Grunde waren ihm die Götter egal. Er tat, was er tun musste, um den Frieden mit ihnen zu wahren, aber darüber hinaus hatte er kein sonderlich großes Verlangen danach, sich zu engagieren.
    Was ihn aber sehr wohl interessierte, war Macht. Kontrolle über seine Mitmenschen zu erlangen war ein sehr feiner Aspekt, den dieser Posten mit sich brächte. Ganz zu schweigen von Bestechungsgeldern, die wohl fließen würden, wenn ein gutes Omen dringend benötigt wurde. Oder noch besser, wenn ein schlechtes Omen benötigt wurde, diese Gelder waren meist etwas höher noch. Immerhin musste der Auftraggeber dann sichergehen, dass er mehr zahlte als der Opferherr.


    So blieb sein Gesicht weiter neutral und er nickte einmal zu Corvinus' Einschätzung der beiden Männer. “Ich denke, ich werde mein Glück zunächst bei Falvius Gracchus versuchen. Aufgrund der Verwandtschaft zum Consul sollte er wohl eher geneigt sein, mir einen Moment seiner Zeit zu schenken.“ Für die Tiberier war er immerhin nur irgendwer, der ein Ansinnen hatte. Bei den Flaviern war er zumindest der Scriba von Furianus und vielleicht, wenn alles gut ging, bald auch der Verlobte von einem ihrer weiblichen Familienmitgliedern.


    Dann fragte Corvinus direkt nach Furianus, und Sextus blieb nicht viel, als mit den Schultern zu zucken. “Ich lerne, so gut es mir möglich ist. Aber noch ist die Zeit etwas kurz, um etwas Konkreteres schon sagen zu können.“ Der Consul würde sicher noch größere Projekte anstreben, bei denen er seine Tatkraft dann brauchen würde. Im Moment allerdings plätscherte es noch leicht dahin, so dass Sextus sich über zu viel Arbeit nicht beklagen konnte. Und dennoch lernte er, was sich anbot.

    Sextus machte es sich auf der angewiesenen Bank bequem und widmete seine volle Aufmerksamkeit seinem Vetter. Noch immer hatte er an seiner rechten Seite einen blauen Fleck in der Größe eines Pferdehufes, was das Sitzen nicht gerade angenehm machte, aber er verzog keine Miene. Sein Vetter hatte keine Ahnung von seinen feierabendlichen Gossenaktivitäten, und die sollte er auch nicht haben.


    Als Corvinus dann aber anfing, hätte Sextus dennoch am liebsten aufgestöhnt. Die Haruspices. Seine Mutter hatte unzählige Stunden darauf verwendet, ihm zu zeigen, welcher Teil der Leber für welche Gottheit stand, wie die Götter da ihren Willen kund taten, wie man Verformungen, Verfärbungen oder gar Geschwülste zu deuten hatte. Sextus hatte nicht sehr viel Begeisterung dafür über gehabt, in Eingeweiden toter Tiere rumzupanschen und darüber dann Aussagen für das morgige Wetter zu treffen. Blitze waren da schon interessanter, aber auch hier schaffte seine Mutter es mit traumwandlerischer Sicherheit, das ganze so wissenschaftlich und sachlich klingen zu lassen, dass es furchtbar öde wurde.
    Auf der anderen Seite jedoch hatte ein Haruspex Macht. Gerade der Pöbel liebte es, wenn ein Haruspex mit salbungsvoller Stimme verkündete, welche Gottheit jemand erzürnt hatte, wenn gerade etwas schlecht lief, und wie man alles wieder in Ordnung bringen konnte. Auch wenn das meiste von der Höhe des Bestechungsgeldes abhing und gerade durch reisende, freischaffende Haruspices viel Schindluder getrieben wurde, der Pöbel liebte seine Zeichendeuter einfach.


    Sextus lehnte sich in seinem Sitz etwas zurück und strich sich einmal salbungsvoll über sein Kinn. Eigentlich fiel die Entscheidung nicht schwer, aber dennoch wollte sie gut durchdacht sein.
    “Flavius Gracchus, sagst du? Ich werde sehen, dass ich einen Termin bei ihm bekomme. Was ist er für ein Mann? Wie könnte ich ihn am ehesten überzeugen, mir ein solches Schreiben zu geben?“ Corvinus war schließlich schon länger in der Stadt und kannte die wichtigen Männer und ihre Marotten daher eher. Warum nicht auf sein Wissen zurückgreifen?

    Also hatte Corvinus Ambitionen. Eine kleine Information, die Sextus wie alle anderen erst einmal sammelte. Er hatte noch nicht genügend Informationen über die Verhältnisse in Rom, um es irgendwie als nützlich oder unnützlich verbuchen zu können, ebensowenig wie er die Chancen von Corvinus' Aufstieg beurteilen mochte. Er war Senator und Pontifex, und seiner Meinung nach war das schon viel erreicht. Aber auch Sextus wusste, dass es immer ein höheres Ziel gab, ja geben musste. Wenn man aufhörte, sich zu verbessern und nach mehr Macht zu streben, wurde man von ambitionierteren Männern überholt.
    “Es ist Rechtslehre“, beantwortete Sextus die Frage mit einem entschuldigenden Lächeln. Er selbst konnte der Paragraphenreiterei nur insofern etwas abgewinnen, dass man sie zum eigenen Wohl einzusetzen vermochte. Man musste immer wissen, welches der effektivste Weg war, seinen Willen durchzubringen, und die Rechtslehre war da manchmal ein Weg, der weniger Blut erforderte als andere. Von daher war dieses Schriftstück nicht mehr oder weniger interessant als so mancher Rhetorikgelehrter oder taktische Abhandlungen über Schlachtzüge. Kam einzig auf den Willen an, es sich anzueignen.
    “Im Moment habe ich Zeit. Worum geht es?“ Sextus konnte sich nicht vorstellen, was Corvinus von ihm wollen könnte. Es gab ein paar Möglichkeiten, die durch seinen Geist huschten, aber bevor er sich Sorgen machte wegen Dingen, die der Hausherr nicht wissen konnte, wollte er erst einmal hören, was denn offenbar so wichtig war.

    Bereits als Sextus den Raum betrat, verfinsterte sich leicht seine Miene. Gegen dieses Quietschen sollte etwas unternommen werden. Es war nicht repräsentativ, wenn in einem patrizischen Haus die Türen Quietschten. Ein aufmerksamer Sklave sollte das schon längst bemerkt und den Missstand behoben haben. Beispielsweise so einer, wie er ihn auch schon erblickte. Der auch noch den Schneid hatte, ihn zu tadeln. Und hätte Sextus nicht bereits Corvinus im Blickfeld, er hätte den Mann an die Ordnung der Dinge erinnert und daran, dass er sich gefälligst eher um die Tür kümmern sollte als darum, was er wohin mitnahm.
    So aber ignorierte er den Mann einfach, wie er es mit allen Sklaven zu tun pflegte, so sie nicht seiner Aufmerksamkeit dringend bedurften. Stattdessen schenkte er dem Hausherren eher ein leichtes Lächeln. “Ja, ist sie. Entschuldige, ich dachte nicht, dass sie dringend benötigt wird.“ Er händigte sie Corvinus selbstredend sofort aus, den Sklaven weiterhin völlig ignorierend. Er hätte nicht gedacht, dass sein Vetter sich dafür gerade jetzt interessierte. Er selbst hatte es im Grunde nur auf der Suche nach Weiterbildungsmöglichkeiten überhaupt gelesen.

    Die erste Lektion in Sachen Politik erhielt Sextus schon, bevor er noch die Zustimmung des Flaviers hatte. Bringe deinen Kontrahenten in eine Lage, in der er tun muss, was immer du willst, oder aber ein beträchtliches Risiko eingeht. Zwar war diese Lektion nicht wirklich neu, aber es war doch fast schon amüsant, es so vorgeführt zu bekommen. Corvinus antwortete möglichst neutral. Natürlich, immerhin musste er zumindest den Schein wahren, dass sie beide hier die Bittsteller waren. Dennoch musste Sextus anerkennen, wie geschickt der Flavier ihm so ein halbes Versprechen für seinen Antrag abgerungen hatte.


    Als der Flavier dann endlich seine Zusage explizit aussprach, gestattete Sextus sich doch ein ganz leichtes Lächeln. Er hatte nicht wirklich daran gezweifelt, dass der Flavier ihn nehmen würde, aber ein klein wenig Erleichterung machte sich nun doch breit. Und man durfte sich auch in gegebenem Maße mal über eine günstige Fügung freuen. Zumindest ein klein wenig.
    “Ich bin mir sicher, dass ich viel lernen kann. Hab Dank, Consul Flavius.“
    So, er hatte, was er wollte. Allerdings wollte er weder den Eindruck erwecken, es wäre ihm nur darum gegangen, noch wollte er hastig wirken. Daher überließ er seinem Vetter, dem es vom Rang her ohnehin zustand, das Gespräch noch weiterzuführen, oder aber sich zu verabschieden. Er selbst gab sich bescheiden, während seine Gedanken schon in naher Zukunft waren. Vielleicht ergab sich ja die Gelegenheit, im Dienst des Consuls schon durch die eine oder andere Tat von sich reden zu machen, so dass er bei der nächsten oder übernächsten Wahl schon teilnehmen konnte. Das brächte ihm auch einen besseren Stand bei den Hochzeitsverhandlungen, folglich eine größere Mitgift. Und darüber hinaus ebnete es ihm den Weg zu weiterer Macht. Ja, Sextus war durchaus zufrieden im Moment.