Beiträge von Quintus Flavius Flaccus

    Was für den alten Tiberier an Dummheit grenzen mochte, konnte wohl der jugendlichen Leidenschaft seines cliens zuzuschreiben sein, der die Stirn runzelte, als jener seine eigene Sicht der Dinge darlegte. Hier schien allerdings auch der Molosser begraben, denn nun sprach der Tiberier bereits davon, jemanden an die Stelle Valerianus' zu setzen, und ging damit viel weiter, als Flaccus selbst im jugendlichen Überschwang. Er sprach von Kaisermord. Schweres Schweigen lastete über den beiden, nachdem Durus geendet hatte, denn wiewohl nicht explizit ausgesprochen, so wurde hier doch in aller Klarheit Hochverrat betrieben. Mit der Erkenntnis dieses Umstands, dessen Folgen, sollte dieses Gespräch an die Öffentlichkeit dringen, Flaccus als Iurist nur allzu genau kannte, realisierte der junge Flavier auch, dass es nun tatsächlich keinen Ausweg mehr gab. Bereits mit diesem Treffen hatte er sich sich der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens schuldig gemacht, ein Umstand, der seiner politischen Karriere, noch ehe sie begonnen hatte, ein jähes Ende zu setzen vermochte, vielmehr aber auch lebensgefährlich werden konnte. "Verstehe ich dich richtig, patronus ...", er sprach mit einem Mal sehr leise, "... du sprichst allen Ernstes davon, den Kaiser zu ermorden?" Natürlich tat er das, doch die ganze Sache war einfach dermaßen unvorstellbar, dass Flaccus sie schlichtweg nicht verstehen wollte. Er saß im Haus eines Consulars, der darüber hinaus an der Spitze des höchsten Priesterkollegiums der Stadt stand und unterhielt sich darüber, Hochverrat zu begehen und das offenbar nicht in ehrenwerter Weise coram publico, sondern im Geheimen.

    Es wäre schon ein glücklicher Zufall gewesen, hätte Germanicus Sedulus auch über den Matinier und den Annaeer Bescheid gewusst. So allerdings blieb Flaccus nur, sich achselzuckend zu bedanken. "Du sagst es. Aber ich werde zweifellos noch Gelegenheit zu einem Gespräch mit ihnen finden." Er erhob sich langsam. "Ich danke dir jedenfalls für deine Zeit und freue mich schon darauf, die Fahrer der Veneta im Hain der Dea Dia am Start zu sehen." Die endgültige Verabschiedung überließ er alle Regeln der Höflichkeit wahrend dem Senator.

    Wie vorgehen beim Sturz eines Tyrannen? Platon schoss dem jungen Flavier unvermittelt in den Kopf, vielmehr durch jenen hindurch, denn immer noch fühlte er sich auf seltsame Weise benommen, ob der tiefgreifenden Offenbarung, die der Tiberier gewirkt hatte, nicht Herr der Situation und noch weniger seiner selbst. Der Kreislauf. Gedankenfetzen einer längst vergangenen Zeit schwirrten in den nebeligen Sphären flavischen Denkens umher. Milder Herbst in Athen, abends Diskussionen bei den zahllosen Symposien, Philosophie, oder wenigstens der Versuch sie zu betreiben - auch mit Xenophanes. Herrschaftsformen, sechs an der Zahl, die sich in zyklischer Abfolge den Staat unterwerfen. Auf die Tyrannis musste notwendigerweise die Aristokratie folgen. "hoi aristoi...", murmelte Flaccus geistesabwesend. - Aber waren sie die Besten des Volkes, des Reiches, der Stadt? Schien es nicht anmaßend das Geschick des Staates in die Hände weniger zu geben, insbesondere wenn es sich bei jenen um Verschwörer handelte, Umstürzler, Mörder? Der Tod des Tyrannen ist notwendig, um dem Volk die Freiheit zu schenken. War Rom nicht frei? Lastete tatsächlich ein solches Joch der Tyrannei auf den Schultern rechtschaffener Bürger, oder würde der Tod des Einzelnen nur Macht für Wenige sichern, ohne etwas zu ändern? Oligarchie. So schnell? Das Volk würde sich erheben, früher oder später - sich erheben müssen - der Kreislauf war endlos. Der Tod des Einzelnen zum Wohle des Reiches?


    Flaccus räusperte sich. Töten ja, aber wie? Verdeckt, im Geheimen, womöglich mit Gift - das mochte nicht ins Bild des edlen Unterfangens passen, welches der Flavier bereits entworfen hatte. Doch würden sie nicht genau das sein, Mörder und Giftmischer, für Salinator, für Rom, für den Staat? Hieß nicht den vom Caesar bestimmten Stadtpräfekten zu vergiften, den Staat zu vergiften? - Die Dosis macht das Gift. - Es gibt keinen Unterschied zwischen Gift und Heilmittel, alles entscheidet sich in der Art der Anwendung. Vermochte dieses Gift den Staat zu heilen? - War ein Glied des Körpers hoffnungslos verdorben, musste man es nicht abtrennen und die Wunde mit Feuer schließen, um die Reinheit des gesamten Körpers nicht zu gefährden? War der Körper denn rein, der Staat? Das Haupt, caput, der princeps, war es bei klarem Verstand? Agrippa Menenius Lanatus. - Die Fabel. - Doch war der Magen nicht gänzlich verdorben? Konnte er denn den Leib noch bei Kräften halten und die Glieder nähren? Wer würde dem kopflosen Körper einen neuen Kopf aufsetzen? Musste es denn ein einzelnes Haupt sein, sollte die Macht nicht wie in den goldenen Zeiten der alten Republik auf den Schultern der Besten lasten, den Männern des Senats, zum Wohle des Volkes? Barg der geplante Umsturz nicht auch die Möglichkeit einer Neuordnung des Staates aus den Wurzeln der Republik? Konnte ein starker Senat nach dem Tod des Vesculariers und dem Ableben des siechenden Kaisers die Macht an sich binden und Rom unter Kontrolle halten? Doch wer könnte die Armeen in Zaum halten, die gewiss ihre imperatores als Kaiser proklamieren würden? Es mochte eines starken Senatsheeres bedürfen, um solche Ansprüche, wenn nötig mit Gewalt, niederzuschlagen.


    Flaccus erschrak sichtbar über die Kette seiner Gedanken, die ihn weit vom eigentlichen subiectum cogitationis fortgeleitet hatte. Wie war also vorzugehen bei Salinators Ermordung? "Ich ... hielte es für wichtig, es öffentlich zu tun. Es müsste unmissverständlich klar sein, dass er dem Unbill des Volkes zum Opfer fällt. Getragen werden müsste das Unterfangen allerdings von hervorragenden Männern des alten Adels und auch einigen besonders beim einfachen Volk beliebten Politikern. Dann müsste der Senat dem princeps einen geeigneten Mann aus den eigenen Reihen als neuen praefectus urbi präsentieren, den jener, anscheinend ohnehin nicht mehr fähig, klar zu denken, zweifellos akzeptieren würde." Er runzelte die Stirn.Ja, so müsste es vonstattengehen! "Die Abwesenheit und Schwäche des Kaisers und dessen Unvermögen, die Amtsgeschäfte wahrzunehmen und Rom zu lenken, sollten zu einer weiteren Stärkung des Senats führen, sodass nach dem Ableben des Kaisers, welches ob der Schwere seiner Krankheit gewiss nur eine Frage der Zeit ist, der Senat die Herrschaft zweifellos an sich nehmen könnte, da es dem Sohn des princeps gewiss an Unterstützung der Truppen und des Volkes zur Durchsetzung seiner möglichen Herrschaftsansprüche mangeln würde. So...", überlegte Flaccus laut weiter, "... wäre es möglich, Rom in altem Glanz erstrahlen zu lassen und von allen Makeln der Tyrannis, der impietas und politischer Willkür zu befreien!" Zur Bekräftigung seiner Worte nickend, war der Flavier nun mit dem Ergebnis seines komplexen Gedankenkonstruktes durchaus zufrieden, wenngleich er es lediglich als ein hypothetisches ansah und nicht ernsthaft mit einer Möglichkeit zur Durchsetzung desselben rechnete. Nichtsdestotrotz ließen seine dunklen Augen das Funkeln ob der Begeisterung für hehre politische Ideale nun nicht mehr missen.

    Tylus, in des Flaviers mitunter schillernder Gedankenwelt ein gefühlsmäßig in den Osten des Imperiums zu verlegendes Reich, das wohl in der Vergangenheit allzu hartnäckig dem römischen Stahl zu trotzen vermochte, sodass es in die illustre Reihe römischer Bundesgenossen aufgenommen worden war, durch ausgeklügelte Verträge an Rom gebunden, unter dem Anschein, die Freiheit zu wahren. Jedenfalls gingen derartig gestaltete Überlegungen munter durch den Kopf des besagten Flaviers, als jener die relativ kurze Reise von Rom nach Ostia bestritt. Dort angekommen, fand er seinen Weg ins Peristyl des Praetoriums des tylischen Reiches. Von einigen, vornehmlich griechischen, unter ihnen natürlich der greise Myson, Sklaven begleitet, trat er ein, und musterte die bereits zusammengekommene Gesellschaft nach bekannten Gesichtern. Er war in eine prächtige Toga gekleidet, sein Aussehen und Verhalten ließ nicht im Geringsten den subjektiven Eindruck entstehen, dass er lediglich ein Dach über'm Kopf hätte, oder gar ein Kulturbanause wäre. Nichtsdestotrotz war er sehr hungrig, denn Reisen, so sie auch nur klein waren, hatten die lästige Angewohnheit, einen unstillbaren Hunger im Reisenden zu wecken, sodass der flavische Kopf nicht nur nach bekannten Gesichtern, sondern auch nach kleinen Häppchen zu Essen Ausschau hielt.

    Flaccus schluckte und atmete tief durch. Der Schritt von der bloßen Mitwisserschaft hin zu den tatkräftigeren Dingen eines solchen ... Vorhabens, schien nun nur noch ein kleiner, welchem jedoch nichtsdestotrotz immenses Gewicht innewohnte. Moralische Bedenken erhoben sich nicht, denn Salinator von seinem Thron zu stürzen war zweifelsohne eine gute Sache, ja gleichsam eine strahlende Tat zum Wohle der Stadt und des Reiches. Doch auch das Volk von Rom müsste das Ableben des Praefectus Urbi als eine solche Erlösungstat sehen, um das Rechtsverständnis des Flaviers einigermaßen befriedigen. Andererseits verlor eine edle Tat auch durch den Unbill der Bevölkerung nichts an ihrer Rechtmäßigkeit, oder? Konnte es überhaupt einen anderen Weg geben? Musste der Tod des Vesculariers nicht die einzig logische Konsequenz aus seinem verderblichen Handeln sein? Fragen überschlugen sich im Kopf des jungen Mannes, doch vermutlich war die Zeit der Entscheidung bereits abgelaufen, wahrscheinlich hatte er schon mit dem Übertreten der tiberischen Schwelle sein Schicksal besiegelt, denn im Besitz jenes Wissens, welches ihm nun zuteil geworden war, stellte er für den Senator und seine Mitverschwörer eine empfindliche Bedrohung dar, sollte er sich nicht in ihre Reihen eingliedern. Wenn überhaupt, so konnten seine Überlegungen nun also nur noch der Rechtfertigung, keinesfalls der Entscheidungsfindung dienen, und waren damit auch auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Seine Aufmerksamkeit nun also wieder in vollem Maße seinem Patron und der Sache an sich zuwendend, nickte Flaccus abermals und kräuselte nachdenklich seine Lippen. "Ich bin bereit, alles in meiner Macht stehende zu tun, um die Sache zu unterstützen, denn es ist zweifellos ein edles Unterfangen." , erklärte er also mit belegter Stimme in jenem Ton, der bedeutenden Worten Klang zu verleihen vermag. Wenngleich nicht außerordentlich viel "in seiner Macht" stand, so konnte er dem Vorhaben möglicherweise wenigstens durch seinen klangvollen Namen den Anschein der Rechtmäßigkeit geben, wie es einst auch der Name eines gewissen Iuniers war, der nicht unwesentlich zur Legitimation einer an sich schändlichen Tat beitragen sollte. Erst langsam bekam Flaccus eine Ahnung von der politischen Gewaltigkeit des Vorhabens bei welchem er nun mitzuwirken im Begriff war.

    Dass er Tilla durch seine Anrede in irgendeiner Weise erschüttern oder besonders treffen könnte, war dem jungen Flavier schlichtweg nicht bewusst, verbarg sich doch dahinter, zumindest für ihn, keinerlei Geringschätzung. Es gab schließlich ganz einfach freie Bürger und Sklaven, sowie auch Patrizier und Plebejer, das war eine Tatsache, die zu hinterfragen zwar eine nette philosophische Spielerei sein mochte, jedoch keine gravierenden Veränderungen für die Realität bewirkte. Und so war es für ihn mittlerweile auch selbstverständlich, dass jene Sklaven der Villa, die nicht im unmittelbaren Umfeld und persönlichen Kreis des jungen Flaviers sich aufhielten, tatsächlich mit der Einrichtung zu verschmelzen pflegten. So dauerte es auch einige Momente, bis Flaccus die Verwunderung im Antlitz der jungen Sklavin mit dem Verhalten eben jener gleichsam lebendigen Einrichtung in ursächlichen Zusammenhang zu bringen vermochte. Die Erkenntnis ließ ihn schließlich lächeln, denn Tilla würde in der Villa Flavia zweifellos noch weitaus seltsamere Dinge zu sehen bekommen, sodass die lebenden Statuen lediglich Vorboten künftiger Überraschungen sein mochten. Erst seine Worte schienen ihre Aufmerksamkeit wieder auf seine Person zu lenken, und zufrieden nahm Flaccus das zustimmende Nicken zu seinem Vorschlag zur Kenntnis. Die Chlaina auf einer Kline weiter hinten im Raum ablegend, zog Flaccus mit einer raschen Bewegung die Tunika über den Kopf, sodass er nun völlig nackt im Raum stand. Nicht lange allerdings währte dieser Zustand, denn schon warf er sich den dunklen Stoff geschickt über die linke Schulter, und holte aus einer kleinen Schatulle eine goldene Spange hervor, deren Oberfläche ein wilder Greif zierte. Mit dieser in der einen Hand (die andere musste die Chlaina festhalten), trat er wieder zu Tilla. "Könntest du den Stoff mit der Spange auf der rechten Schulter festmachen?" Normalerweise gab es ja für solche Dinge, wie auch das Anlegen der Toga, die ornatrix, aber Flaccus war schon voll Vorfreude auf das Gespräch mit Prisca, sodass er jetzt keine Zeit mehr verlieren wollte.

    Der Schreiber zählte nach und Flaccus konnte keinen Anstoß an seiner Gewissenhaftigkeit nehmen, sondern betrachtete mit Wohlwollen, wie auch jener exakt 500 Sesterzen zählte. Dann allerdings harrte er voll Ungeduld der Dinge, die nun kommen mochten.


    Sim-Off:

    überwiesen!

    Ernst nickend und mit einem starren Gesichtsausdruck bestätigte der Flavier die Worte seines Patrons, denn auch er hatte den Vescularier in der Öffentlichkeit stets in Begleitung der grässlichen Barbaren gesehen. Dann allerdings beugte der ältere Tiberier sich etwas vor und formte Worte, die Flaccus im Geiste sich zu wiederholen zwang, um sicher zu gehen, dass sich ihm ihre Bedeutung korrekt und ohne Missverständnisse erschloss. Als er einigermaßen überzeugt war, dass Durus tatsächlich gesagt hatte, was er gehört zu haben kaum glauben konnte, hob sich seine linke Augenbraue ein wenig empor und verweilte dort, einen Ausdruck der Verwunderung ins Antlitz des Flaviers zaubernd. Der neben ihm liegende Senator und Pontifex pro Magistro hatte tatsächlich eben, zweifellos im vollsten Besitz seiner geistigen Kräfte, seinem Klienten eröffnet, dass er nicht irgendeinen Beamten des Reiches - nein! - den vom Imperator Caesar Augustus eingesetzten Stadtpräfekten von Rom persönlich, zu töten (denn was anderes konnte sich schon hinter dem unschönen Wort "beseitigen" verbergen?) trachtete. Erst nach und nach realisierte der junge Flavier das volle Ausmaß dieser Offenbarung, die gleichsam eine Einweihung in finstere Machenschaften bedeuten mochte, deren bloße Vorstellung Flaccus nicht ganz geheuer war, und den damit verbundenen Vertrauensbeweis des Tiberiers. Was schließlich konnte jenen so sicher machen, dass der Flavier nicht unmittelbar nach diesem Gespräch dem Praefectus Urbi Nachricht zukommen lassen würde, über jene düstere Wolke, die am Horziont aufzuziehen im Begriff war. Der junge Mann stand schließlich erst am Beginn seiner Laufbahn und mochte unter Umständen durchaus berechtigte Hoffnung tragen, ein derartiger Dienst für Salinator würde ihm die besten Voraussetzungen für eine strahlenden Karriere schaffen. Abgesehen von der Tatsache, dass Durus, zweifellos zu Recht, sicher sein konnte, dass der Vescularier eine solche Meldung als Hirngespinst eines weltfremden Patriziers abtun mochte, war es allerdings auch mit der pietas des Flaviers keinesfalls in Einklang zu bringen, seinem Patron zuwider zu handeln. Nach diesen Augenblicken der Überlegung also, in denen er noch nicht bis zur erschreckenden Erkenntnis, in welche Gefahr er sich durch seine nächsten Worte mitunter begeben würde, vorgedrungen war, nickte Flaccus und presste seine Kiefer dabei so stark zusammen, dass sein Gesicht kantige Züge annahm. "Dieser ... Meinung bin auch ich, patronus" Er sprach leise und blickte dem Tiberier dabei tief in die Augen, um die Aufrichtigkeit seiner Worte zu unterstreichen. "Zum Wohle Roms ist es wohl unvermeidlich."

    Flaccus stellte sein Glas wieder auf dem Tisch ab und nickte zufrieden. Im Gedächtnis wiederholte er einige Male den eben genannten griechischen Namen, um ihn zu behalten, wenigstens solange bis sich ihm eine Gelegenheit würde bieten, ihn in Wachs oder auf Papyrus zu bannen. "Wunderbar. Ich freue mich, dass die Veneta dabei sein wird. ... Eine letzte Frage habe ich noch: Matinius Agrippa von der Purpurea und Annaeus Varus von der Albata haben meinen Schreiben nicht geantwortet, weißt du zufällig genaueres über deren Verbleib?" - Das war zwar unwahrscheinlich, aber ein Versuch konnte nicht schaden.

    Fünfhundert Sesterzen waren eine ganz schöne Summe Geld. Ein prüfender Blick des jungen Flaviers in Richtung seines griechischen Privatsekretärs ließ jenen beruhigend nicken. Auf einen auffordernden Wink hin trat der Scriba auch näher heran und zählte exakt 500 Sesterzen auf den Tisch des Officiums. Flaccus blickte den Soldaten fragend an, um zu sehen, ob ansonsten noch etwas Administratives zu erledigen wäre.


    Sim-Off:

    Auf welches Konto?

    Zum Wohlgefallen des Flaviers schien der Scriba kompetent und willig die Angelegenheit schnell und unkompliziert abzuwickeln. Das Lächeln des Flaviers wurde bei der Frage des Soldaten allerdings noch etwas breiter. "Nein. Weder noch. - Ich bin ein einfacher Bürger Roms." Setzte er mit einem bescheidenen Gesichtsausdruck hinzu, wenngleich er natürlich kein einfacher Bürger Roms war, wovon die breiten Streifen auf seiner Tunika, wiewohl im Moment zum größten Teil durch die darüberliegende Toga verdeckt, vielmehr jedoch auch die purpurroten calcei mit den halbmondförmigen Schnallen Kunde trugen. Jedenfalls war er Zivilist, und das wollte der Schreiber schließlich in Erfahrung bringen.

    Flaccus' Behandlung des Kaisers bestand tatsächlich aus der kühlen Wiedergabe allgemeiner Floskeln, was jemand, der den jungen Flavier näher kannte, unschwer an der fehlenden Leidenschaft in seinen Worten, dem nicht vorhandenen Feuer in seinem Blick erkannt hätte. Seine wahre Meinung über den Kaiser konnte er schließlich unmöglich einem der höchsten Politiker des Staates an den Kopf werfen, zumal es keine sonderlich gute war. Seine wahre Meinung über das Kaisertum an sich wagte er indessen nicht einmal seinen engsten Vertrauten zu offenbaren, schien doch seine Neigung zur Begeisterung für republikanische Ideale die Vergangenheit seiner eigenen gens mit Füßen zu treten. In der klaren Äußerung gegen die unerhörte Dreistigkeit des Vesculariers allerdings, der rücksichtslos alles jedem wahren Römer Heilige mit seinem triefenden Spott und von Selbstgefälligkeit triefendem Hohn verdarb, sah Flaccus seine eigene Empörung über das Tun Salinators bestärkt. Er nickte also ernst. "Selbst religiöse Gebote tritt er mit Füßen. Es war wohl im letzten Jahr, da marschierte er mit Barbaren durch das Pomerium - unter Waffen!" Vom Eklat der 24 Liktoren beim Sühneritus der Diana, an dem der Flavier natürlich selbst teilgenommen hatte, ganz zu schweigen.

    Mit verwunderlicher Selbstverständlichkeit nickte Tilla zunächst eifrig, als Flaccus sie fragte, ob sie den Weg zu seinem Cubiculum kannte, und führte ihn dann auch ohne Umschweife direkt dorthin. Vor der Tür angekommen, blieb sie jedoch stehen und zögerte offenbar einzutreten. Erwartungsvoll blickte sie stattdessen den jungen Flavier an. Dieser trat an ihr vorbei ein und machte eine einladende Geste. "Worauf wartest du, Sklavin?", lächelnd blickte er Tilla an und seine dunklen Augen blitzten schelmisch. Die drei Sklaven, die bis vor wenigen Augenblicken eifrig herumwuselnd das Zimmer in Ordnung gebracht hatten, schienen mit einem Mal verschwunden, trieben sie doch die Kunst, zur Gänze mit ihrer Umgebung zu verschmelzen, wie alle flavischen Sklaven, zur Perfektion. So waren sie bei flüchtigem Hinsehen kaum von den Büsten und Statuen zu unterscheiden, die, an besonderen Plätzen geschmackvoll platziert, das Cubiculum des Flaviers schmückten. Jener war mittlerweile, nicht weiter darauf achtend, ob die kleine Sklavin seiner Aufforderung nachgekommen war, denn das schien ihm gewiss, an eine große Truhe herangetreten, in der Teile seiner Kleidung aufbewahrt wurden. "Was hältst du von etwas Griechischem?", stellte er eine Frage in den Raum, die zweifellos an Tilla gerichtet war, während er eine stilisierte dunkelblaue griechische Chlaina hervorzog, die mit dem ursprünglichen Wollmantel der Bauern und Soldaten, später auch Philosophen, lediglich die Form teilte, und sich damit umwandte.

    Ein wohliger Schauer ergriff den jungen Flavier, als er, nachdem das letzte Stück gedreht und gewendet und aus allen möglichen und unmöglichen Blickwinkeln begutachtet worden war, sich zu seiner vollen Größe aufrichtete und mit fester Stimme verkündete: "Litatio." Nun brachte er Stück für Stück die wichtigsten Organe, unter ihnen Leber, Lunge und Herz zum Altar, um sie zu verbrennen und sie somit in göttliche Sphären zu transferieren. Der größte Teil des genießbaren Fleisches würde später in der Tempelküche zubereitet und anschließend verkauft werden, doch darum sollten sich die Tempeldiener kümmern. Flaccus selbst hingegen harrte konzentriert aus, bis auch das letzte Stück vollständig von den Flammen verzehrt worden war, ehe er in einer Schüssel mit klarem Wasser, die einer der Sklaven ihm demütig entgegenstreckte, seine blutigen Hände säuberte. Als auch dieses geschehen war, machte der junge Mann sich mit dem erfreulichen Gefühl, das eine geglückte Opferzeremonie nach sich zog, und einem strahlenden Lächeln auf den Lippen wieder auf den Heimweg zur Villa. Während er durch die Straßen Roms spazierte hielt er die Augen besonders offen, ob nicht unter den vielen hübschen Frauen, die sich an jenem angenehmen Nachmittag im Freien tummelten, bereits seine zukünftige Geliebte zu entdecken sein mochte. Ein Mädchen, das er an einer der unzähligen Straßenecken entdeckte, machte tatsächlich einen überaus anziehenden Eindruck auf ihn, schien sie doch wiewohl von überaus reizender und anmutiger Erscheinung, dennoch keinem ihm gefährlich werdenden Stand zu entstammen. Lediglich ein letzter prüfender Blick an sich hinunter, bevor er auf das junge Ding zutreten und sie ansprechen wollte, hielt ihn im letzten Moment davon ab. Zwar war er dem verwegenen Ausdruck, den seine blutbefleckte Toga zweifellos bewirkte, durchaus nicht abgeneigt, doch widersprach der Umstand, nicht in Ordnung und strahlender Reinheit gekleidet zu sein, seinem gleichsam perfektionistischen wie auch idealistischen Gemüt. Bevor er sich auf die Jagd machen und in Kontakt mit der holden Weiblichkeit treten würde, musste zweifellos eine frische Toga her - falls sich das überhaupt noch auszahlen würde, denn der Mittag war mittlerweile weit überschritten, komplexe Opferhandlungen forderten einfach ihre Zeit, und die cena würde er in wenigen Stunden auch in einer schlichteren synthesis einnehmen können.

    Es war früh Nachmittag, eine sanfte Brise verwandelte die ansonsten beinahe drückende Hitze über der ewigen Stadt zu einer angenehmen Wärme und reinigte die Luft vom unerträglichen Gestank, der für gewöhnlich in den kleinen Gassen Roms sich einzunisten pflegte, wie das klare Wasser eines Gebirgsbaches den Geist gleichsam erquickt und rein macht. Ein munterer Opferzug aus einer bunten Schar an Freien und Sklaven, die Gaben trugen oder mit verschiedenen Arten von Flöten zarte Melodien durch die Straßen schweben ließen, dem allgemeinen Lärm des geschäftigen Treibens zum Trotz. In der Mitte der Gruppe sprang munter ein kleines, strahlend weißes Zicklein herum, mit bunten Bändern geschmückt, und ahnte wohl kaum von den Dingen, die ihm in nächster Zeit widerfahren würden. Zunächst den Quirinal hinab, überquerte der Zug das Forum Romanum, um schließlich, am Palatin vorbei, die Senke vor dem Aventin zu erreichen, in der sich der prächtige Circus Maximus ausstreckte, welcher, wenngleich nicht Ziel der Prozession, so doch das beherrschende Gebäude der Umgebung war. Vergleichsweise jung im Gegensatz zu der Bahn, auf der schon hunderte und aberhunderte Jahre Pferderennen ausgetragen wurden, aber dennoch alt genug, um jenes Gefühl des ehrfürchtigen Staunens vor allem Alten hervorzurufen, war ein kleinerer aber überaus prächtiger Tempel, der Venus, die die Herzen wandelt, geweiht, der unweit des Circus Maximus am Aventin errichtet worden war. Endlich vor dem bunt bemalten Heiligtum angekommen, kam der muntere Zug schließlich zum Stehen und lediglich Flaccus selbst sowie die Diener mit den Gaben für das Voropfer erklommen die Stufen bis zur Säulenhalle, wo der Eingang zum Tempelgebäude lag. Eine freundliche Absprache verbunden mit einem kaum nennenswerten Geldfluss im Vorfeld hatten dafür gesorgt, dass der Tempel nun gänzlich frei von Besuchern für die Dauer des Opfers dem jungen Flavier allein zur Verfügung stand.Jener durchschritt langsam den Tempeleingang und wurde unvermittelt von jenem heiligen Schauer gepackt, den die gewaltige Atmosphäre der Tempel in gewohnter Weise in ihm erglimmen ließ. Der Geruch verbrannter Harze, die flackernden Flammen zahlloser Öllämpchen in der heiligen Halle der geweihten Stätte tauchten den Ort in ein dämmerndes Licht, an das sich die Augen des Flaviers jedoch schnell gewöhnten. Zunächst trat er an das mit Marmor ausgekleidete Becken mit kühlem Wasser, in welches er seine Hände langsam sinken ließ, die beim Eintauchen ob der unerwarteten Kälte ein wenig zurückzuckten. Zu einer flachen Schale geformt, drückte er sie jedoch bestimmt gänzlich unter die klare Oberfläche, um dann sein Antlitz mit dem kalten Nass benetzend zu murmeln: "Dieses Wasser möge alle Unreinheiten von meinem Körper fortspülen, den Geist und das Fleisch reinigen. So sei es." Während die kristallklaren Perlen des Wasser langsam die Züge seines Gesichts entlang rollten, trocknete Flaccus seine Hände in den Falten seiner Toga, um anschließend eben jene in einer langsamen Bewegung über sein Haupt zu ziehen und gänzlich in das Innere des Heiligtums einzutreten. Er durchschritt die menschenleere Halle des Tempels gemessenen Schrittes und gelangte schließlich in die Cella mit dem Kultbild der Göttin, den Kern des Tempels. Zu der wunderschönen, entblößten Venus aufblickend verharrte er einige Augenblicke in ehrfürchtiger Bewunderung, ehe er sich schließlich zu den ihn begleitenden Sklaven umwandte, um zunächst ein ledernes Säckchen mit Weihrauch entgegenzunehmen, einer überaus seltenen Sorte, aus dem fernen Orient jenseits der östlichsten Grenzen des Imperiums stammend und von exquisitem Wohlgeruch, und ergriff eine Handvoll der kostbaren Körner. Aus flacher Hand ließ er jene schließlich auf die glühenden Kohlen einer Feuerschale zu Füßen der Göttin rieseln, während sein Blick sich empor richtete, wo die duftenden Rauschwaden nun in spielerisch anmutender Weise die Rundungen des göttlichen Körpers gleichsam zu erforschen und zu umspielen begannen. Das Haupt der jungen Frau wurde schließlich gänzlich verhüllt und erschien in geheimnisvollerweise verklärt. Die Handflächen seiner nunmehr leeren Hände zur Decke des Tempels gerichtet, begann der schlanke junge Mann zu sprechen. "Aphrodite Basilís, königliche Venus, Xenía, du Freundin deiner Gäste sei' auch mir, Quintus Flavius Flaccus, der ich dein Haus als Gast besuche freundlich gesonnen. Eile herbei aus Kythera, von Paphos komm heran und nimm' die Gaben an, die ich dir in Demut reiche, erhöre meine Bitten und Gebete, Eleémon, du Gnädige!" Wieder wandte der junge Mann sich um und nahm nun die patera mit Wein entgegen. Einige Tropfen ließ er zunächst auf den Boden des Tempels fallen, wo sie den kalten Stein benetzten und zerronnen, dunkle Flecken hinterlassend, Vorboten des schon bald fließenden Blutes. Den Rest des Weines goss er in die am Altar bereitstehenden Schalen, ehe Flaccus die nunmehr leere patera wieder den Sklaven überreichte und stattdessen die Früchte und das Gebäck entgegennahm und auch sie auf dem Altar niederlegte, bevor er erneut seine Stimme erhob. "Aphrodite Urania kai Pandemos, die du im Himmel waltest wie auch den Menschen Liebe schenkst, nimm diese Gaben an, die ich dir allein darbringe: wohlschmeckenden Wein, frische, köstliche Früchte und zarte Kuchen zur Ehre deines Namens." Eine finale Rechtsdrehung bildete den Abschluss des Gebetes und ein letzer Blick ins Antlitz des Bildnisses unterstrich die flehentliche Bitte des Flaviers, ehe er sich umwandte und aus der göttlichen Atmosphäre des Tempels hinaus in die freundliche Wärme des frühen Nachmittags trat.


    Noch immer standen die bei dem Zicklein verbliebenen Sklaven und Klienten, wie auch die Musiker im Tempelhof und harrten des Fortgangs der Opferhandlungen. Der junge Flavier selbst, der noch einen kurzen Moment zwischen den Säulen an der Vorderseite des Tempelgebäudes verweilt war, schickte sich nun an, ohne übermäßige Eile die Stufen des Tempels hinabzusteigen, um das Opfer zu vollenden. Ein bestimmendes "Favete linguis!" erscholl und hallte im Hof des Tempels wieder, als Flaccus an den Altar und das davor munter herumblickende weiße Zicklein herantrat. Nur die sanften Klänge der tibicines und fidicines erfüllten nun noch die frühlingshafte Luft, und erlaubten dem schlanken jungen Aristokraten seine volle Aufmerksamkeit auf die notwendigen Opferhandlungen zu richten. Zunächst nahm jener die mola salsa und bestreute damit, ganz wie es Sitte war, das Opfertier und den culter. Auch ein Kännchen mit Wein nahm er zur Hand und goss den blutroten Inhalt über das strahlend weiße Fell des Zickleins, dessen Opferschmuck nun von dienenden Sklaven rasch entfernt wurde. Im Anschluss ergriffen die schlanken Hände des Flaviers das Opfermesser und er beugte sich über das Haupt des Tieres, um einen Strich von der Stirn entlang über den Rücken zu ziehen. War dies geschehen, breitete Flaccus seine Arme aus und richtete Hände und Haupt gen Himmel, eine mächtige, ehrfurchtgebietende Erscheinung. "Venus Despina, die du die Herzen der Menschen wendest! Stammmutter Roms! Venus Felix, Venus des Himmels, Venus des Meeres! Du Göttin der reinen, himmlischen, edlen Liebe! Ich, Quintus Flavius Flaccus rufe dich voll Demut an! Zahlreich sind die Geschichten deiner gewaltigen Macht. Du wandelst die Herzen und schenkst Liebe. Ich will dir dieses Zicklein opfern, weiß und weiblich wie es sich geziemt. Lass' auch mich neue Liebe finden auf dass ich die alte Liebe, die mir die Götter zu grausam verwehrt hatten, überwinden kann. Gewähre mir diese Gunst und ich will dir Opfer darbringen in Fülle!" Eine Wendung nach rechts schloss auch dieses Gebet ab und Flaccus ergriff erneut das Messer. Wie erst wenige Male zuvor, gedachte der junge Flavier auch an diesem Tag etwas Besonderes zu tun. Er wollte, ganz den Sitten der Alten folgend, das Opfer eigenhändig vollbringen. Nahe an das Tier herantretend ergriff er es am Haupt, legte die kalte Klinge des Messers an den strahlend weißen Hals und zögerte einen kurzen Augenblick, ehe er mit einem schnellen Schnitt die blutführende Ader durchtrennte. Stoßweise spritzte das Blut aus der Wunde, über die schlanken Finger des Flaviers, auf den hellen Stoff der Toga, wo es rostige Flecken hinterließ. Eine schnell herbei gereichte Schale fing einen Teil des austretenden Blutes auf und Flaccus hielt den nunmehr nur noch schwach zuckenden und Augenblicke darauf gänzlich erschlafften, leblosen Körper des Zickleins noch einige Momente am Haupt, ehe er ihn zu Boden sinken ließ, nur um schon kurz darauf selbst neben dem Tier auf die Knie zu sinken und die Innereien zu begutachten. Über alle Maßen sorgfältig und mit der, dem jungen Flavier in so außergewöhnlichem Maße eigenen akribischen Genauigkeit, prüfte Flaccus jedes einzelne Organ, drehte und wandte es in seinen nunmehr bluttriefenden Händen - die strahlende Toga war schon längst von den rostfarbenen Malen des Opfers übersät – auf dass ihm auch nicht die kleinste Unförmigkeit, der unscheinbarste Defekt entging.

    Der Glückwunsch des Senators Flaccus' Aufnahme unter die Fratres Arvales betreffend bedachte jener mit einem glücklichen Lächeln, und fühlte die kleine Flamme des Stolzes in seiner Brust aufflackern. Auch als Sedulus meinte, dass die Factio gerne ein, zwei Gespanne zum Start bringen würde, nickte er erfreut. "Ausgezeichnet. Zwei Gespanne wären großartig, die Rennen sollen dieses Jahr besonders groß und prächtig ausfallen. Dann bitte ich dich lediglich, mir die Namen der beiden Fahrer rechtzeitig mitzuteilen, damit wir in Ruhe alle Vorbereitungen treffen können." Flaccus nahm noch einen Schluck des überaus erfrischenden Getränkes.

    Lediglich in Begleitung zweier Sklaven, unter ihnen natürlich Myson, der greise griechische Leibsklave des Flaviers, betrat Flaccus das Officium der Academia Militaris, um durch einen Kurs seine militärischen Defizite abzubauen. "Salve.", grüßte er den Soldaten, der hier als Schreiber Dienst tat freundlich. "Mein Name ist Quintus Flavius Flaccus, ich bin hier um mich zum ersten Examen anzumelden." Da er nicht genau wusste, was nun von ihm erwartet wurde, überließ er es dem Schreiber, das Gespräch fortzuführen.

    "Unerfreulich ... in der Tat.", murmelte der junge Flavier und war erleichtert, als sein Patron unmittelbar ein neues Thema anschnitt, dessen Verbindung zum ersten jener im speziellen Fall seines Gesprächspartners wohl nicht ahnen konnte. Dennoch schien Flaccus der gedankliche Sprung doch ein großer, sodass er erst nach einem kurzen Moment des Überlegens antwortete. "Vescularius, ja, in der Tat. Ich ersuchte ihn zwei Mal um Gefallen - erfolglos." Ein Schluck Wein zwischendurch. "Beim ersten Mal bat ich ihn um eine schriftliche Erlaubnis, um auf der Durchreise zu meinen Gütern in Campanien in Misenum bei unserem Imperator Caesar Augustus - mögen die Unsterblichen ihn gesunden und nach Rom zurückkehren lassen! - vorstellig zu werden. Grundsätzlich wollte ich lediglich der Tradition folgen, nach der junge Männer edler Abstammung sich vor Beginn ihrer Karriere dem Kaiser vorstellen, um dann als dessen Kandidaten die Wahlen zum Cursus Honorum zu bestreiten, überdies hinaus strebte ich damals jedoch auch danach, die Zeit bis zu meiner Kandidatur zum Vigintivirat als Praefectus Viatorum für Italia zu überbrücken, denn der Posten war vakant und es bot sich so die einzigartige Möglichkeit, Erfahrungen in der Provinzverwaltung wie auch in militärischen Bereichen gleichermaßen zu erwerben. Meine Mühen wurden jedoch nicht mit Erfolg gekrönt." Eine kurze Pause nutzte Flaccus dazu, um durch einen Schluck des ausgezeichneten Weines seine trockene Kehle zu befeuchten. "Das zweite Mal wurde ich erst unlängst bei dem Praefectus vorstellig, als ich ihn um den Gefallen bat, meinen Namen auf die Liste der candidati principis zu setzen, um so doch noch zur Wahl antreten zu können. Wieder wurden meine Hoffnungen zerschmettert." Die sich aufdrängende melancholische Stimmung kämpfte der Flavier mit Gewalt nieder und fügte mit fragendem Gesichtsausdruck hinzu: "Doch weshalb die Frage?"

    Ehe Flaccus weitersprechen konnte, trat ein Mann hinzu, in dem der Flavier sogleich den Senator Aurelius Avianus erkannte, welchen er von den zahlreichen aurelisch-flavischen Feiern der jüngeren Vergangenheit, wie natürlich auch von den unlängst veranstalteten prächtigen Gladiatorenspielen im Amphitheatrum Flavium wenigstens vom Sehen kannte. Freundlich lächelnd nickte er ihm auf dessen Angebot, den Umstand mangelnder Bekanntschaft zu ändern, zu. Dann allerdings ließ er seinen Blick etwas abschweifen und musterte die umliegenden Männer, die sich größtenteils zu kleineren oder größeren Gruppen zusammengefunden hatten und in angeregte Gespräche verwickelt waren, während der Aurelier die dringliche Angelegenheit zur Sprache brachte.