EPISTULA AD XENOPHANE MITTENDA
OIKIA TOU XENOPHANOUS
ALEXANDRIA - PROUINCIA ALEXANDRIA ET AEGYPTUS
Flavius Flaccus Xenophanei philologo amicoque s.
Deine Briefe aus Alexandria sind mir immer Lichtblicke in der tristen Welt römischen Alltags. Du hast dich erkundigt, ob ich in Rom die Möglichkeit hätte, so wie damals in Athen mit wissbegierigen Freunden zu philosophieren und zu diskutieren. Betrüblicherweise ist dem nicht so. Noch immer ist es mir nicht gelungen, einen Kreis aus Freunden aufzubauen, die sich in ähnlicher Weise der Suche nach Wahrheit verpflichtet sehen, wie ich es zu sein versuche. So treibe ich meine Studien so gut es eben geht allein voran, ein irrwitziges Unternehmen, liegt doch gerade im gesprochenen Wort, insbesondere im Dialog die Quelle der Erkenntnis.
Ich hoffe, die Lage in Ägypten ist besser, und du hast, wie einst in Athen, bereits einen großen Kreis an interessierten Schülern um dich geschart. Du hast geschrieben, du würdest dich im Moment mit der Typologie des Lehrgedichtes beschäftigen, insbesondere im Vergleich der Erga kai Hemerai Hesiods und Vergilius' Georgica. Ein überaus spannendes Thema, ich bitte dich bereits jetzt, mir deine Erkenntnisse, die du im Lauf der intensiven Arbeit zweifelsohne gewinnen wirst, genau mitzuteilen. Auch der Vergleich mit Kallimachos, Aratos, Lukretius und natürlich Ovidius Naso verspricht gewiss bemerkenswerte Früchte hervorzubringen. Doch was ist mit der Geometrie und der Mathematik, hast du aus Liebe zum Wort die Beschäftigung mit diesen Bereichen der Wissenschaft, wenigstens für den Moment, gänzlich eingestellt? Ich hoffe nicht, denn gerade darin vermochtest du mir in Athen in vielerlei Hinsicht im wahrsten Sinne des Wortes die Augen zu öffnen.
Ich selbst bemühe mich im Moment um eine Kandidatur zum Vigintivirat, die mir aufgrund eines leidigen Missverständnisses stark erschwert ist. Ich werde dich aber auf dem Laufenden halten, was meinen politischen Fortschritt betrifft. Die wichtigsten Neuigkeiten aus Italia hast du bestimmt auch in Alexandria mitbekommen. Die mittlerweile hoffentlich überstandene Seuche in Mantua und die Sühnung des Frevels im Dianahain bewegten Rom in den letzten Monaten. Entschuldige die lange Zeit, die seit meinem letzten Schreiben verstrichen ist, doch ich will auch dir eine ebenso lange Zeitspanne für deine Antwort gewähren. - Selbst, wenn ich bereits jetzt die Nachrichten aus Alexandria kaum erwarten kann. Vale.