Tierhetzen, sogenannte venationes, bildeten an jenem strahlenden Vormittag den Auftakt der Spiele und die Einstimmung zu den eigentlichen Gladiatorenkämpfen und erfüllten dabei mehrere Aufgaben. In erster Linie brachten sie natürlich die Zuseher in die richtige Stimmung, um die folgenden Kämpfe in vollen Zügen genießen zu können. So konnte sich das Auge zunächst an das Blut und die Brutalität der Kämpfe gewöhnen, ehe in den Mann gegen Mann Gefechten auch noch das Element der Spannung hinzutreten würde. Abgesehen davon dienten sie aber auch dazu, die Freigiebigkeit des Editors Aurelius Avianus zu demonstrieren, der durch die Präsentation exotischer Tiere aus fernen Provinzen des Reiches zeigen konnte, dass er keine Kosten und Mühen gescheut hatte, beträchtliche Mengen an wilden Tieren auch aus den entlegensten Regionen des Imperiums unter größtem Aufwand nach Rom zu transportieren, wo nun die wenigen, die die Strapazen der langen Reise überstanden hatten, einen spektakulären Tod in der Arena finden sollten, sei es im Kampf untereinander oder auch mit Menschen. Grausige Szenen fanden statt, die das Publikum aufheizten und regelrecht zum Johlen brachten und die erhitzten Gemüter nach noch mehr Blut verlangen ließ.
Aus der aurelischen Loge hatte Flaccus diesen ersten Teil der Spiele verfolgt und Floras Anwesenheit, wie auch das Gespräch mit ihr und die unzähligen Annehmlichkeiten, welche die Einrichtung der Loge selbst, wie auch die Sklaven in derselben gleichermaßen zu bieten hatten, in vollen Zügen genossen. Dann schließlich trat der erste Gladiator auf, der von den Rufern theatralisch als "Lysandros, der Thraex aus Byantium" angekündigt wurde. Der Name war dem Flavier - wenig verwunderlich - gänzlich unbekannt, der selbst nur den größten und prächtigsten Spielen beizuwohnen pflegte. Dennoch schien es in den Reihen des Publikums durchaus auch Anhänger des Kämpfers aus dem Osten zu geben, denn tosender Jubel brandete auf, als der Thraex stolz erhobenen Hauptes den blutgetränkten Sand der Arena betrat. Mit emporgerichtetem Schwert präsentierte sich der Gladiator und badete im aufbrandenden Jubel der Massen, deren Gunst womöglich schon bald über sein Leben entscheiden würde. Der ölglänzende Körper des Kämpfers strahlte im Sonnenlicht und verwundert ertappte sich Flaccus dabei, wie er Floras Reaktion auf das beeindruckende Erscheinungsbild des Mannes beobachtete. Generell schien der Gladiator auf die Frauen in den umliegenden Rängen einen durchaus anziehenden Eindruck zu machen, denn besonders die weiblichen Hälse reckten und streckten sich nun hoch hinaus, um den besten Blick auf den Kämpfer zu erhaschen.
Noch dramatischer wurde allerdings der Eintritt des nächsten Gladiators, der mit sich überschlagenden Worten der Rufer als wahrer Held der Arena angekündigt wurde. Der Jubel der Zuseher, als der Kämpfer leichtfüßig in die Arena lief, schien, so das denn überhaupt möglich war, noch tosender als bei dem Thraex zuvor, denn offensichtlich war der "beste Hoplomachus, den die Arena je gesehen hat", dem Publikum wohl bekannt. Besonders unter den Frauen schien sich die Begeisterung beim Anblick des schwerbewaffneten Hopliten gar in wahre Extase zu steigern. Unter großen, siegessicheren Gesten lief der Gladiator also in die Mitte der Arena und ließ den entflammten Jubel auf sich wirken. Er war ganz klar der Favorit des kommenden Kampfes, denn er schien sein Können bereits in zahlreichen Auseinandersetzungen unter Beweis gestellt zu haben. Sprechchöre begannen seinen Namen zu rufen und einige junge Frauen fielen gar in Ohnmacht. Der tosende Jubel im Kolosseum ließ auch Flaccus nicht kalt, sodass er den Gruß des Gladiators in Richtung der patrizischen Logen mit Applaus und einem wohlwollenden Nicken zur Kenntnis nahm. "Hast du diesen Velox schon einmal im Kampf erlebt?", erkundigte er sich bei Flora, wobei er ziemlich laut sprechen musste, da der Lärm im Amphitheater alles zu übertönen schien.