Beiträge von Quintus Flavius Flaccus

    Erstaunt weitete sich der Blick des jungen Aristokraten, als sein Patron ihm völlig wider Erwarten Recht gab anstatt ihm eine knappe Belehrung über die Macht des Praefectus Urbi als kaiserlicher Stellvertreter in Rom, zumindest während der Abwesenheit des Imperator Caesar Augustus, zu erteilen. Zögernd trat Flaccus näher an den Stuhl des Tiberiers heran, als dieser in herbeiwinkte. Was der Consular allerdings dem jungen Mann daraufhin zuflüsterte vermochte die Verwirrung desselben noch zu steigern.


    "Ich ... also ... natürlich, ich werde da sein.", flüsterte auch er beinahe seinem Patron zu, sprach jedenfalls so leise, dass sicherlich niemand außer dem Tiberier selbst ihn verstehen konnte. Daraufhin blickte er den alten Mann fragend an - Was sollte die plötzliche Geheimnistuerei, das vertraute Flüstern, das persönliche Gespräch? Beim besten Willen konnte sich der junge Mann keinen Reim darauf bilden, doch er würde kommen, soviel stand fest - hatte er sich doch selbst noch vor wenigen Augenblicken die Schuld, in welcher er bei dem Tiberier für dessen Gefälligkeit stand, eingestanden.

    Zitat

    Original von Flavia Nigrina


    Gespannt folgte Flaccus dem in-den-Eingeweiden-Herumwühlen der Haruspices und unweigerlich kamen ihm Catos alte Worte in den Sinn: "Miror, quod non ridet haruspex, haruspicem cum videt." und zauberten ein ob der Gravität des Falles wohl doch eher unangebrachtes Lächeln auf seine Lippen. Ja, das wunderte er sich auch. Die Haruspices berieten sich auf jeden Fall eifrigst in etruskischer Sprache, sodass Flaccus etwas widerwillig einen Schluck Wein tat. Glücklicherweise wurde die Wartezeit schon bald unterbrochen.


    "Nigrina, salve!", erwiderte er den Gruß seiner Verwandten und bemerkte das feine Lächeln, welches auf ihre Lippen flog, als der Wolf, ähm, also Lupus eben mit blutverkrusteten Händen, ein schauderliches Bild abgebend, vor das Volk trat und mit unheilsschwangerer Stimme verkündete, dass die Götter erzürnt wären. Nun konnte sich der junge Flavier tatsächlich eines breiten Grinsens nicht mehr erwehren. Nun, DAS hätte sogar er aus seinem Becher Wecher Wein lesen können. Die Haruspices schienen ihren zweifelhaften Ruf, der mit einem gewissen Misstrauen ihre Kompetenz betreffend einherging, durchaus nicht grundlos zu tragen. Auch die nächsten Worte waren kaum verwunderlich. Dem Volk ein bisschen Angst einzujagen hatte schließlich noch nie geschadet. Und wer nahm es schon so genau mit den vorgeschriebenen Feiertagen? Niemand konnte jeden Tag opfern, und das wussten auch die Haruspices ... ein durchaus leichtes Mittel also, um möglichst viele Leute zu berühren. Nun denn, auch die nächste Aussage schien wenig verwunderlich. Diana war also besonders erzürnt. Aha. Naja, es war ja auch ihr Hain gewesen, der so frevelhaft geschändet worden war. Die Sühnung ging zu träge voran. Wie wahr, wie wahr! Es waren schließlich bereits einige Monate ins Land gezogen, seit diesem schrecklichen Vorfall. Nun allerdings kam tatsächlich etwas, das die Aufmerksamkeit des Flaviers fesselte: Ein quasi-Todesurteil für den Rex Nemorensis - nicht schlecht. Offenbar waren die Haruspices doch etwas gewiefter als vermutet. Was nun folgte, glich nur noch einem Abgesang auf das bereits Gesagte. Jeder sollte nun nach Hause gehen und Diana opfern, der Hain aufgebaut werden etc. etc. Die Aufmerksamkeit des jungen Aristokraten richtete sich wieder auf seine beiden Verwandten. Nigrina sprach Piso an, und unverhohlener Stolz lag in ihrer Stimme. Nun, SO großartig hatte Flaccus den Auftritt des Aureliers auch wieder nicht gefunden, ein wenig banal gar, aber das hatte wohl an dem ganzen Blut gelegen ... diese roten Flecken konnten das edelste Bild zunichte machen.

    Pheidippides, der jugendliche cursor des Flavius Flaccus brachte, kaum außer Atem, ein kleines Schreiben bei der Casa Iunia vorbei.



    Q. Flavius Axillae suae s.


    Einige Zeit ist bereits seit unserem letzten Gespräch vergangen, und ich habe seither nichts mehr von dir gehört. Ein betrüblicher Umstand den wir äußerst schnell ändern sollten! Wollen wir uns an den Lupercalien am Fuß des Palatin beim Lupercal treffen? Ich hoffe dir enteilen die Tage in ähnlich angenehmer Weise wie mir selbst, und der Grund für deine Schweigsamkeit liegt in der Beschäftigung mit Dingen, die besondere Muße erfordern oder aber eifriger Geschäftigkeit und nicht daran, dass du meiner Gesellschaft überdrüssig bist. Sollte es doch so sein, dann lass mich wenigstens das wissen, denn die Bitterkeit der Ungewissheit ist mir kaum erträglich. Vale.

    Flaccus folgte der Einladung des Consuls in dessen Arbeitszimmer und ließ sich dort auf einem Stuhl nieder. Aus dem sinus seiner Toga brachte er eine Wachstafel zum Vorschein, auf der die wichtigsten Ergebnisse seiner Nachforschungen in komprimierter Weise Platz gefunden hatten.


    "Nun gut,", begann der Flavier und überflog nochmals die Notizen, "im Grunde sind die Nachrichten durchaus erfreuliche, es gibt kaum Senatoren, die ihr Dasein im Senat durch die bloße participatio an den Sitzungen als berechtigt ansehen. Im Grunde sind sich die meisten der viri clarissimi durchaus bewusst, dass enorme öffentliche Verantwortung auf ihren Schultern lastet, und handeln auch ensprechend. Sie besetzen Ämter in der Stadt- oder Provinzialverwaltung, engagieren sich im Cultus Deorum, in den alten Priestercollegia der Sodalii, Fetiales oder Arvales Fratres oder den quattuor amplissima collegia. Gerade jene Männer, die eine Statthalterschaft in gewisse Provinzen geführt hat, bleiben auch danach oft noch mit den betreffenden Regionen verbunden und vertreten deren Interessen in der Stadt. Erwähnung sollte sicherlich auch der Einsatz bei den Factiones finden, der, wiewohl nicht von besonders staatstragender Bedeutung, so doch überaus öffentlichkeitswirksam erscheint. Auch die Germanitas Quadrivii, die sich dem Bau und Erhalt von Schreinen für die Lares Compitales widmet, hat einige Senatoren in ihren Reihen, ja sogar der Magister derselben, ist mit Germanicus Sedulus im Senat vertreten."


    Eine kurze Pause, in der Flaccus innehielt und einen etwas ernsteren Ausdruck aufsetzte.


    "Dennoch gibt es auch Männer, die es nicht für sonderlich notwendig erachten, alles daran zu setzen, sich besonders zu egagieren, wiewohl nahezu immer plausible Gründe vorliegen. Octavius Victor zum Beispiel, von dem ich dir übrigens Grüße übermitteln soll, lässt nach seiner Erkrankung, in der er alle seine Pflichten abgegeben hat, erst wieder alles "langsam anlaufen". Andere Männer sind zwar offiziell noch Mitglieder des Senats, haben sich jedoch aus den Geschäften weitgehend zurückgezogen, wie etwa Titus Helvetius Geminus - ein überaus beeindruckender alter Mann übrigens, der dich sehr schätzt, Consul. Manche Senatoren waren jedoch auch überhaupt nicht für mich zu sprechen, ja bei Lucius Annaeus Florus und Lucius Aelius Quarto gelang es mir nicht einmal ein Gespräch mit einem ihrer scribae zu führen! - Doch das stellt eindeutig eine Ausnahme dar, die meisten Männer des Senats habe ich als durchwegs freundliche, sehr ehrenvolle und um das Wohl der res publica ehrlich bemühte Menschen kennengelernt...", skizzierte der junge Flavier seine Beschäftigung der letzten Tage kurz, um dann für weitere Fragen des Consuls zur Verfügung zu stehen.

    In eine helle Toga gekleidet und mit todernstem Gesichtsausdruck, in seinem Anblick nichts der gewöhnten gravitas missen lassend, fand sich Flavius Flaccus bereits am nächsten Morgen, nachdem er das Schreiben aus der Kanzlei des Praefectus Urbi erhalten hatte, im Hause desselben ein, um endlich einige Worte mit jenem wechseln zu können. Obwohl er innerlich vor Wut kochte - Welche Dreistigkeit musste man besitzen, ihm, einem Flavier, einen Termin zu verweigern! - wahrte er einen ruhigen, nüchternen, einen durchwegs ernsten Ausdruck, während er wartete, endlich an die Reihe zu kommen.

    Im Grunde war die Begrüßung nicht einmal außergewöhnlich vertraulich, es war eben einfach in Mode sich unter Männern auf diese Weise zu begrüßen. Dennoch mochte es gut möglich sein, dass Flaccus in seiner Fröhlichkeit im Rahmen des Gewöhnlichen durchaus an die Grenze der Vertraulichkeit geraten war, ein Umstand, der nicht gerade typisch für den ansonsten so auf die Wahrung der dignitas bedachten jungen Mann schien. Jedenfalls entging ihm nicht, dass die Umarmung des Legaten ein wenig reservierter und auch sein Tonfall zwar voll freundlicher Höflichkeit, aber eben doch nicht ganz so vertrauensselig wie sein eigener ausfiel. Und so trat Flaccus auch einen kleinen Schritt zurück, als Ursus fortfuhr und seine Annahme, die schönen Feinheiten des Hauses würden wohl allesamt von seiner Gattin stammen, bestätigte. Nochmals blickte der junge Aristokrat sich anerkennend um, "Man kann dich nur beneiden, sie besitzt einen überaus erlesenen Geschmack...", schob Flaccus mit einem Lächeln noch ein scherzhaftes Kompliment nach, ehe er sich, einer Geste des Aureliers folgend, auf einer Cline niederließ.


    Seine Worte zu Flora und dem Kompliment des Flaviers fielen knapp aus, sodass auch Flaccus es nicht als günstig erachtete dieses Thema weiter zu verfolgen. Glücklicherweise schien Ursus ohnehin lieber über die Landschaft reden zu wollen, und das schien auch dem Flavier ein unkomplizierter Einstieg ins Gespräch zu sein. "Tatsächlich?" Dass Frühling und Sommer eine wahre Blütenbracht an diesen traurigen Flecken Erde bringen sollten schien aus der momentanen Perspektive kaum vorstellbar. "Nein, so weit in den Norden haben mich meine Wegezuvor noch nicht geführt ... eigentlich stamme ich aus Campania, dort besaß mein Vater ein Landgut wohin er sich kurz vor meiner Geburt mit meiner Mutter zurückzog. Dort habe ich im Grunde meine gesamte Kindheit verbracht, wenn man natürlich von gewissen familiären Verpflichtungen, die mit Reisen in die Stadt unweigerlich verbunden waren, absieht. Die letzten Jahre haben mich zum Studium nach Athen geführt ... doch in diese Gegend bin ich noch nie gekommen. Überhaupt scheint mir mir der Standpunkt für die Positionierung einer Legion nicht ganz einleuchtend ... Ist die Gegend hier so unsicher, dass es der Präsenz einer ganzen Legion bedarf? ... Und sollte es zu einer Bedrohung an den Grenzen kommen, wie lange würde es eigentlich dauern, die Legion nach Raetia, Noricum oder etwa Pannonia zu verlegen?", bewarf der junge Mann nicht gänzlich beabsichtigt den Legaten mit einer Fülle von Fragen. Und doch entsprach es dem wissensdurstigen Charakter des Flaviers, ihm in den Kopf schießende Fragen, nahezu unverzüglich zu verbalisieren.

    "Nicht direkt.", meinte er dann, "Dennoch möchte ich gerne meine Pläne und Vorhaben mit dir teilen. Da ich mich nämlich nicht mit der Vorstellung anfreunden kann, das volle nächste Jahr tatenlos verstreichen zu lassen, trage ich den Gedanken, den momentan vakanten Posten des Praefectus Viatorum für Italia anzustreben, um auf diese Weise die Zeit zur Kandidatur nutzbringend zu überbrücken. Da der Imperator Caesar Augustus persönlich für die Besetzung dieser Stelle verantwortlich ist, werde ich ihn auf der Reise zu meinem Landgut bei Poseidonia in Misenum zu einer Unterredung treffen." In einer kleinen Pause ließ Flaccus seinen Blick abschweifen, um darauf seine dunklen Augen wieder gänzlich auf das Antlitz des Tiberiers zu richten. "Ich habe Myson, meinen besten Sklaven, zu einer Terminanfrage vorausgeschickt und von jenem die Nachricht erhalten, dass die Praetorianer in Misenum strikten Befehl hätten, lediglich Männer mit einem diesbezüglichen Schreiben des Praefectus Urbi zu dem Kaiser vorzulassen. Ist das nicht eine bodenlose Frechheit?" Die Stimme des jungen Flaviers hatte sich bei seinen letzten Worten etwas erhoben, nur um nach einer kleinen Pause wieder in den gewohnt nüchternen Tonfall zurückzufallen. "War es nicht eine gute, alte Sitte, dass gerade die ausgezeichneten jungen Männer aus noblem Haus, auf deren Schultern einst das Gewicht des Staates ruhen sollte, möglichst früh dem Kaiser ihre Referenz erwiesen, um hernach als dessen Quaestoren in den Lauf der Politik einzusteigen? War es nicht Pflicht jedes rechtschaffenen Römers, seiner Sorge um das Wohl des Kaisers durch einen persönlichen Besuch Ausdruck zu geben? War es ferner nicht impius sondergleichen, gerade für einen exzellenten Mann aus vornehmem Geschlecht, gleichsam am princeps vorbeizureisen, ohne jenem wenigstens durch einen Besuch, ja wenige Worte, die nötige Ehre und Ergebenheit zu bezeugen, ja hätte man einen solchen Mann, der das nicht getan hätte, nicht ehrfurchtslos, pflichtvergessen und ruchlos genannt, hätte man ihm nicht ohne zu zögern den Prozess wegen Majestätsbeleidigung gemacht? O tempora, o mores! Wohin sind wir nur gefallen ..." Leidenschaftlich waren die Worte aus dem Munde des jungen Mannes geströmt, ein ernster Ausdruck war auf seinen Zügen gelegen, drei Finger der rechten Hand zum Rednergestus vereinigt. Erst einige Augenblicke später wurde er der Stille um sich gewahr, und dass er den Bogen unter Umständen etwas überspannt hatte. Vermutlich war es auch ein belustigendes Bild, solche Worte aus dem Munde eines Jünglings zu hören, doch sie entsprachen dem Charakter des jungen Mannes. "Es tut mir leid, doch bei aller Ehre für den Vescularier, das geht zu weit ...", murmelte er noch, und blickte dann den alten Tiberier an, bereit, mahnende Worte für seine rüde Aussage gegen den Praefectus Urbi einzustecken.

    Dass der Senator bereits eine Frau verloren hatte, und jene frühere Ehe auch eine Frucht in Gestalt einer Tochter getragen hatte, war Flaccus nicht bekannt gewesen, umso mehr betrübte es ihn jetzt, die Erinnerung an seine verstorbene frühere Frau wachgerüttelt zu haben. Ein ernster Gesichtsausdruck legte sich über die Züge des Flaviers, lediglich seine dunklen Augen drückten Anteilnahme und Mitgefühl aus. "Es tut mir leid, das wusste ich nicht.", sprach er mit etwas trockener Stimme und nahm einen Schluck Wasser, plötzlich fühlte er sich etwas heiser. Der Tod war etwas, das der junge Aristokrat nicht ausstehen konnte.


    Ein kurzer Moment der Stille senkte sich über die beiden Gesprächspartner, ehe Flaccus, bevor das Schweigen unangenehm wurde, erneut das Wort ergriff. "Ich danke dir jedenfalls, für deine Zeit und die bereitwilligen Auskünfte.", meinte er freundlich, während er sich erhob, plötzlich hatte er das Gefühl, das Officium verlassen zu müssen, alles kam ihm mit einem Mal so beengend vor. "Den Segen der Götter für dich und deine Familie ...." Flaccus stellte den mittlerweile leeren Becher ab. "Vale, Senator." Er wandte sich zum Ausgang um. "Und nochmals vielen Dank!"

    Ja hier stand er, der politische "Rekrut" des Consuls, und nickte dankbar, als jener ihm die Erlaubnis gab, in Zukunft sogleich an seine Seite sich zu gesellen, um aus noch größerer Nähe die ein oder andere nützliche Redewendung oder Geste aufzuschnappen. Der Gruß des Purgitiers rang dem jungen Aristokraten ein freundliches Lächeln ab, ehe Flaccus die Annahme desselben, er würde seine Zeit wohl auch so nicht vertrödelt haben, heftig bekräftigte: "Natürlich nicht! Ein aufmerksamer Mensch kann zu jeder Gelegenheit nützliche Dinge lernen." Dann allerdings kam er auf den eigentlichen Grund des Gespräches zu sprechen: "Gewiss kannst du dich noch an unser jüngstes Gespräch erinnern ... du hast mich aufgefordert, ich solle mir einen Überblick über die Senatorenschaft verschaffen - über einflussreiche und weniger einflussreiche Männer im Senat, über den öffentlichen Einsatz der Senatoren und so weiter ...", half er dem Consul auf die Sprünge, falls jener die kleine Unterredung mittlerweile im Trubel seiner vielfältigen Verpflichtungen vergessen haben sollte. "Ich denke, ich wäre nun soweit, meine bescheidenen Erkenntnisse mit dir zu teilen ... natürlich nur, falls du das wünschen solltest.", fügte er rasch hinzu.

    Die folgenden Worte des Tiberiers ließen den Gesichtsausdruck des jungen Flaviers nun gänzlich zu einem ernsten werden. Ein Geschenk ihrer Freundschaft sollte es also sein. Flaccus nickte leicht. "Das ist überaus großzügig, Patron, ich danke dir und stehe fortan in deiner Schuld, zögere also nicht diese auch einzulösen, wenn meine Hilfe in irgendeiner Angelegenheit von Nutzen sein kann.", erklärte er ernst, denn die Bande der Freundschaft waren gleich denen des Patronats jedem wahren Römer heilig. Tatsächlich würde Flaccus nicht zögern, seinem Patron in jeder Sache beizustehen. Die nun folgenden Worte des Tiberiers mochten wohl als Aufmunterung gedacht sein, doch saß der Frust des jungen Mannes noch etwas zu tief, als dass sie ihre Wirkung auch tatsächlich erfüllen konnten. Für den alten Senator mochte es auf ein Jahr nicht ankommen, er war schließlich bereits Consular und Pontifex pro magistro. Flaccus aber glich einem ungestümen Hengst in den Startboxen der Rennbahn, unbändigen Willens endlich loszustürmen, den Lauf zu durcheilen, jedenfalls metaphorisch gesehen. Aulus? "...deinem Sohn?", fragte Flaccus vorsichtig nach, denn er war in der Kenntnis der tiberischen Familienkonstellation nicht gänzlich sattelfest. "Es wäre mir eine Freude.", meinte er jedenfalls - wenn er nur endlich ein Amt würde antreten können!

    Einen kurzen Moment ungäubigen Schweigens verursachte Flaccus' Frage nach dem Duccier bei seinem Onkel, ehe jener tief Atem holte, um zu eine wahre Schimpftirade gegen ihn loszulassen. Selten hatte der junge Flavier eine derartige Häufung aller nur erdenklicher und auch einiger ganz und gar absonderlicher Schimpfwörter vernommen, sodass die Worte des Älteren, gepaart mit einem todernstem, ja völlig erzürnten, Gesichtsausdruck einen wahrhaft erschreckenden Eindruck auf ihn machten. Bei den Göttern, er hatte ja nicht geahnt, was für ein übler, verlogener und ganz und gar grässlicher Abschaum dieser Duccier eigentlich war ... Die Worte des Älteren steigerten sich in ihrer Dramatik um schließlich einen theatralischen Höhepunkt, unterstrichen von eindrucksvollen Gesten, zu erreichen. Nun hatte Piso den jungen Mann völlig von der Schlechtigkeit dieses Menschen überzeugt, die sich offenbar zuweilen hinter einer charmanten Fassade zu verbergen wusste, was ihn nur noch gefährlicher machte. Dann allerdings hing Piso noch ein paar Worte an, gleichsam als Abgesang des bereits Gesagten, die Flaccus noch tiefer trafen, als alles zuvor. Er ist übrigens der Spezialfreund von Axilla.


    Spezialfreund von Axilla


    Spezialfreund von Axilla


    Spezialfreund von Axilla


    Entgeistert blickte er seinen Onkel an, während dessen Worte unaufhörlich in seinem Kopfe sich wiederholten. Die weiteren Äußerungen, das unheilsverkündende Gesicht Pisos, die eindringliche Warnung, alles das drang kaum mehr in die bewussten Sphären seiner Wahrnehmung, wo immer und immer wieder jene Worte erklangen, wo Pisos Stimme, mittlerweile gewaltig dröhnend sich überschlug.


    "Ich...", die Stimme des jüngeren Flaviers stockte plötzlich und klang brüchig, "Ich ... wusste nicht, dass er so ist...", meinte er, während seine dunklen Augen noch immer völlig entgeistert kaum sein Gegenüber anzublicken schienen, sondern vielmehr durch Piso hindurch in den unendlichen Weiten eines imaginären Raumes sich verloren. Was sollte das nur heißen - Spezialfreund Axillas? Konnte es etwa sein, dass ... Sollte er etwa gar ...? Immer noch geistig abwesend und einer willenlosen Puppe gleich erhob sich Flaccus, und blickte nun doch Piso direkt an. "Ich danke dir ...", meinte er tonlos, " ... für deine Unterstützung, für alles ..." Er musste jetzt alleine sein. Er brauchte Zeit, um Klarheit zu gewinnen, um die Worte seines Onkels zu begreifen, um das Ausmaß derselben zu erkennen.

    Erfreulich kurz fiel die Wartezeit für den jungen Flavier aus, denn schon bald stand der junge Aristokrat vor dem Stuhl des Tiberiers, wie üblich eingerahmt von diversen Schreibern, Sklaven und Sekretären des Senators. Erfreut auch über die besonders freundliche Begrüßung seines Patrons, der heute offenbar außerordentlich gut gelaunt war, erwiderte Flaccus jene mit einem Lächeln.


    "Hervorragend, ich danke dir. Doch noch zu viel größerem Dank bin ich dir verpflichtet, Patron ...", begann er, eine kleine Klimax fabrizierend, "Ich wurde in den Ordo senatorius erhoben." Nunmehr strahlte der junge Mann über das ganze Gesicht. "Falls es also irgendetwas geben sollte, wodurch ich meine Dankbarkeit dir gegenüber zum Ausdruck bringen kann, lass es mich wissen!" Nun erst überzog ein kleiner Schatten das strahlende Antlitz des jungen Flaviers. "Leider war es bereits zu spät für eine Kandidatur zum Vigintivirat...", fügte er hinzu, hatte er sich doch schon so ungeduldig danach gesehnt, endlich sein erstes Amt zu bekleiden, und den letzten Worten seines Vaters gerecht zu werden.

    Nicht außerordentlich viel Mühe hatte es Nestor, den greisen Griechen und persönlichen ab epistulis des Quintus Flavius Flaccus abverlangt, ein schlichtes Schreiben an den PU aufzusetzen, und es anschließend von einem der jungen cursores an den castra praetoria abliefern zu lassen.



    Nestor Administrationi Praefecti Urbi


    Um seinen Dank für die vor kurzem erfolgte Verleihung des latus clavus zum Ausdruck zu bringen, sowie in einer wesentlich geringeren Angelegenheit, welche jedoch ebenfalls im Aufgabenbereich des Praefectus Urbi liegt und daher nur von diesem höchstselbst erfüllt werden kann, bittet mein Herr, Quintus Flavius Flaccus, darum, einen Termin, zu einer persönlichen Unterredung mit dem Praefectus Urbi, festzusetzen.

    Zitat

    Original von Aurelia Flora


    Zufrieden nickte Flaccus. Flora schien sich über die Einladung zu freuen. Sofort stellte sie jedoch klar, dass zuvor noch Titus, ihr Tutor um Erlaubnis gebeten werden müsste. "Das trifft sich doch wunderbar. Schließlich werden wir ja beide bald nach Mantua reisen. Dort können wir dann in Ruhe mit ihm darüber sprechen.", erwiderte Flaccus und war sich eigentlich sicher, dass der Aurelier nichts gegen diese Einladung einwenden würde. Mittlerweile hatte sich die Arena bereits so weit geleert, dass es auch ohne großes Gedränge möglich sein sollte, sich einfach durch den nächsten Eingang nach draußen zu begeben. "Ja ... ich hoffe du hattest Gefallen an den Kämpfen.", meinte er, sich bereits erhebend, zu Flora und reichte ihr freundlich die Hand, um auch ihr emporzuhelfen.


    Vor der Arena angekommen, stand die flavische Sänfte bereits bereit, und wurde, einige Momente später, bereits auf die Schultern der kräftigen Träger gehoben, um durch das enge Menschengewirr auf den Straßen, langsam der Villa Aurelia zuzuschweben.

    Einige Tage, vielleicht eine Woche nach dem ersten ausführlicheren Gespräch mit dem Consul, fand sich Flavius Flaccus am Morgen wieder im Haus des Purgitiers ein, um im Laufe des Vormittages mit jenem die unmittelbarsten Ergebnisse seiner Umtriebigkeit der letzten Tage zu teilen. Er war in eine helle Toga gekleidet, unter der er eine ebenfalls schlichte Tunika trug, beide wohl nicht in dem strahlendsten Weiß eines candidatus gehalten, aber doch nicht allzu weit davon entfernt. Natürlich rückte er bald in die Nähe des Purgitiers vor, begrüßte jenen auch mit einer kleinen Geste, um dann der Salutatio beizuwohnen, was ja auch einen grundlegenden Bestandteil des Sammelns von Erfahrungen während eines Tirocinium Fori darstellte. Schließlich sollte Flavius Flaccus ja möglichst schnell selbst in die Lage kommen, eine Clientenschar um sich zu versammeln und dieses allmorgendliche Procedere anständig hinter sich zu bringen. Als die höchstrangigen der Clienten ihre Anliegen vorgetragen hatten, und auch die anderen ihre sportulae, Versicherungen, Zugeständnisse und guten Worte bekommen hatten, trat schlussendlich auch der Flavier selbst näher an Macer heran. "Salve. Hast du etwas Zeit für ein Gespräch?", erkundigte er sich höflich, schließlich konnte es ja auch sein, dass eine Sitzung des Senats oder etwaige andere gewichtige Dinge im Laufe des restlichen Vormittages den Consul gänzlich in Beschlag nehmen würden - dann müsste die kleine Unterredung eben bis morgen warten.

    Dass die kleine Streicheleinheit für das Ego der jungen Aurelia, welches sich nun offenbar, metaphorisch gesprochen, einer Katze auf der warmen Ofenbank gleich, wohlig schnurrend zu einem flauschigen Fellknäuel zusammen rollte, genau die beabsichtigte Wirkung zu erzielen schien, mochte nicht besonders verwunderlich erscheinen, besaß der Flavier doch, gerade im gehobenen Wortgeplänkel patrizischer Kreise, durchaus gewisse Qualitäten. Die unverhohlene Neugier in der nächsten Frage der jungen Frau vermochten sein fröhliches Lächeln noch etwas breiter werden zu lassen, war es doch nun tatsächlich nicht sonderlich abwegig, dass man sich in gewissen Kreisen eben einfach kannte. Und diese Kreise schlossen durchaus auch die angesehensten Familien der nobilitas ein, wo gute Kontakte zweifellos auch für politischen Erfolg nicht unpraktisch sein konnten. "Natürlich! Iunia Serrana, eine fabelhafte Frau - sie hat mich im Dienst an den Göttern unterwiesen.", erklärte er also freimütig. "Das ist schön zu hören. Dann möge auch noch das letzte Stück ihrer beider beschwerlichen Wege glücklich verlaufen...", meinte er, denn so eine Schwangerschaft war gewiss mit vielen Mühen verbunden, jedenfalls in der Imagination des Flaviers, der (noch) keine weitere Erfahrung mit diesen Bereichen des Lebens hatte.


    Die Stallungen ... ein schelmisch triumphierender Ausdruck bildete sich auf den Zügen des jungen Mannes, Audruck der Freude darüber, dass seine feine, untrügerische Nase ihn nicht im Stich gelassen hatte. "Verstehe ... ist sie denn von einer besonders anspruchsvollen Rasse?", erkundigte er sich, denn von Pferden hatte er nun wirklich keine Ahnung, und warum sollte Flora sonst selbst nachprüfen, ob das Tier auch gut versorgt worden war. Dass es zwischen der jungen Frau und der Stute eine besondere, ja gar freundschaftliche Beziehung geben könnte, kam Flaccus schlichtweg nicht in den Sinn. Wenngleich gerade ihm die mitunter überaus intensiven Bindungen zwischen Mensch und Tier nur allzu bekannt sein müssten, doch hatte er die Spinnereien seines Vaters vermutlich erfolgreich jedenfalls aus den bewussten Sphären der Erinnerung verdrängt.


    Mit der kecken Bemerkung, die sie ihren nächsten Worten anschloss konnte Flaccus allerdings nur allzu gut, jedenfalls weitaus besser, als mit der Pferdethematik umgehen. "Niemals!", protestierte er gespielt empört, und mit einem offenherzigen Lachen, "Ich sollte die Götter wohl bitten, dass der Rest sich noch ein wenig länger Zeit lässt ..." Zu spät, denn schon betrat Aurelius Ursus, der legatus legionis höchstselbst das Triclinium. "Salve", erwiderte Flaccus den Gruß desselben erfreut, und trat mit ausgebreiteten Armen auf den Aurelier zu, um jenen in üblicher Weise unter Freunden, ja vielmehr noch unter Verwandten, mit Umarmung und Kuss zu begrüßen. "Du kannst dir gar nicht vorstellen, was für eine Freude es mir ist, dich zu sehen!" Ohne etwas zu erwidern bekam auch Flaccus, auf die aufmerksame Bemerkung des Hausherren hin, einen Becher gereicht. "Ich danke dir für die doch reichlich kurzfristige Möglichkeit zum Besuch, und die überaus angenehme Aufnahme in deinem Haus." Noch einmal ließ er seinen Blick über die geschmackvolle Einrichtung schweifen. "Es sieht prächtig aus ... das Werk deiner Gattin, nehme ich an?"


    Eine weitere Frage folgte, verbunden mit einem leichten Emporwandern einer der aurelisch-ursischen Augenbrauen, welches dem jungen Flavier zwar nicht entging, jener jedoch zunächst gekonnt ignorierte. "Ja, wir hatten bereits das Vergnügen ... ich kann dich nur beglückwünschen: Dein Mündel ist eine bezaubernde junge Frau." Oh ja, das war sie. Und da die Interessen des Flaviers auch gar nicht in eine bestimmte Richtung verliefen, konnte er das auch völlig freien Gewissens sagen. Womöglich wusste Ursus ja gar nicht, was für ein niedliches Ding Flora sein konnte. Wie auch immer.


    "Die Reise. Nun ja, sie hätte gewiss weitaus beschwerlicher sein können, doch erschien sie mir vor allem trist und ein wenig langweilig...", erklärte er, nur um dann etwas besorgt nachzufragen, "Die Landschaft hier bietet doch im Frühling und Sommer hoffentlich anregendere Reize als im Moment?" Denn es wäre schlichtweg ein deprimierender Gedanke, würde dieser Fleck Erde das ganze Jahr über nur in hoffnungslosem, regenverhangenen Grau sich dem Auge des die landschaftlichen Schönheiten des Südens gewohnten Betrachters darbieten. Doch vermutlich war die momentan bedrückende Wetterlage ohnehin lediglich temporärer Natur, schien sie sich doch auch über die restlichen Provinzen des Reiches zu erstrecken. Vermutlich war das traurige Wetter auch sichtbarer Ausdruck göttlichen Unmuts über die Leichtfertigkeit, mit der die Bürger Roms die Störung ihrer pax deorum hinzunehmen schienen.

    Der rosafarbene Hauch, den sein fröhliches Kompliment Flora auf die Wangen zauberte, stand ihr überaus gut und machte, zusammen mit dem etwas verlegenen Lächeln einen überaus niedlichen Eindruck auf den jungen Mann. Er war ehrlich erfreut über das Wiedersehen mit ihr und das sah man ihm auch an. Überhaupt war er in einer überaus fröhlichen, ja für seine Verhältnisse fast schon ausgelassenen Stimmung, würde er doch heute nicht nur Iunia Serrana wiedersehen sondern auch Aurelius Ursus, seinen Großcousin etwas besser kennenlernen. Die Aussicht auf einen überaus angenehmen Abend unter Freunden war es also, die den Flavier mit diesem kribbeligen Gefühl der Vorfreude erfüllte.


    "Das ist schön.", meinte er also auf Floras Versicherung, dass ihr selbst hier im Lager nicht langweilig wurde. "Septima und Serrana. Wie geht es den beiden?", erkundigte er sich dann fröhlich, schließlich stand doch bei beiden jungen Frauen unmittelbarer Nachwuchs vor der Tür. Zumindestens bei Serrana konnte es gewiss nicht mehr allzu lange dauern, hatten sich doch bereits als sie den Flavier noch in kultischen Dingen unterwiesen hatte, durchaus deutliche Zeichen ihrer Schwangerschaft eingestellt. Von Tiberia Septima wusste Flaccus lediglich, dass sie ein Kind erwartete, allerdings nicht, wie nahe sie der Geburt tatsächlich schon war, wenngleich es wohl auch bei ihr nicht mehr allzu lange dauern konnte. "Sie werden doch auch kommen?", fragte er etwas besorgt nach, da bisher noch niemand sich hatte blicken lassen und Flaccus sich auf das Wiedersehen mit seiner ehemaligen magistra besonders gefreut hatte.

    Zitat

    Original von Aurelia Flora


    Erfreut nahm Flaccus zur Kenntnis, dass Flora an seinem Vorschlag offenbar nichts auszusetzen hatte, ja ihn sogar bekräftigte. Eine gravitätsvolle Pause folgte, die die Spannung des jungen Mannes nahezu ins Unermessliche steigerte. In gänzlich flavischer Manier wanderte die linke Augenbraue des jungen Mannes allerdings bei Floras folgenden Worten ein wenig nach oben. Als einen "Meister der Künste" hätte er sich selbst gewiss niemals bezeichnet, dann doch eher als einen Liebhaber der Musen ... aber das war ein gänzlich anderes Thema. Ein Gedicht verlangte sie also und stieg dadurch im Ansehen des Flaviers in überaus hohe Sphären. Viele Dinge hatte er erwartet, doch eine poetische Kostprobe war nicht darunter gewesen. Offenbar war die junge Aurelia nicht nur hübsch sondern auch den Musen durchaus nicht abbhold, was für eine angenehme Verbindung!


    Nun lag es wohl an ihm seine eigene Forderung zu stellen. "Ich möchte lediglich, dass der heutige Nachmittag eine Fortsetzung finden soll ...", begann er, denn tatsächlich wäre es doch ein Frevel, die Bekanntschaft mit einer so bezaubernden jungen Frau gleichsam im Sande verlaufen zu lassen. " ... wie wäre es, wenn du mich einmal auf meinem Landgut in Campania, bei Paestum ... oder, wie die Griechen es genannt haben, Poseidonia, besuchen kommst?", fragte er also, wenngleich die Antwort auf seine Frage eigentlich bereits feststehen sollte, denn Wettschulden waren schließlich Ehrenschulden. "Dort könnten wir dann beide unsere Wettschulden einlösen ...", meinte er mit einem erwartungsvollen Lächeln. Poseidonia war einer der schönsten Flecken der Erde und würde auch Aurelia Flora zweifelsohne gefallen. Fruchtbare Weingärten schmiegten sich dort an sanfte, sonnenbeschienene Hänge, das Landhaus selbst lag direkt am Meer, der Moment, wenn Helios abends mit seinem feurigen Wagen gleichsam ins Meer sich stürzte bereitete einen unvergesslichen Anblick. Doch auch die Umgebung des Landguts bot eine überaus reizvolle Landschaft, mit kleinen Wäldchen, versteckten Seen, schattigen Hainen und kühlen Bächen, die am besten zu Pferde zu erkunden war. Sollte die Aurelia sich also mit dem Einsatz einverstanden erklären würde auch sie selbst eine durchaus angenehme, abwechslungsreiche Zeit im Süden erwarten.