S. 102 "... allerdings kamen zu diesen Personen - wie unter Vespasian und dann, ständig seit Domitian - auch ehemalige Ritter hinzu, die im Rang eines gewesenen Vigintivir oder Quästor oder in einem höheren Rang in den Senatorenstand aufgenommen wurden, sodass die Zahl der Senatoren seit dem Ende des ersten Jahrhunderts leicht gewachsen sein dürfte." Hiermit ist, denke ich, deutlich belegt, dass die adlectio principis, weil das anscheinend auch ein Anlass zu zweifeln war, durchaus eine gängige Praxis darstellte. (Vor allem auch, um besonders loyale (i.e. kaisertreue) Männer in den Senat zu befördern)
S. 107 "Die einzelnen Laufbahntypen (Anm.: im Senat) waren verschieden; sie spiegeln deutlich die innere Schichtung des Senatorenstandes wider. Am deutlichsten sind diese Laufbahntypen in der Antoninenzeit zu unterscheiden, nachdem sie - nach einer langen Entwicklung mit verschiedenen Experimenten - eine ziemlich feste Gestalt angenommen hatten. Eine kleine Spitzengruppe, bestehend aus den Nachkommen der älteren, in der Republik oder unter den frühen Kaisern geadelten Familien und aus den näheren Verwandten des regierenden Herrschers, verfügte über patrizischen Rang, der wichtige Privilegien sicherte: Der Patrizier begann seine Laufbahn normalerweise in der vornehmsten Klasse der vigintiviri als Münzmeister (triumvir monetalis), erhielt die Quästur und die Prätur sehr häufig durch kaiserliche Kommendation, brauchte die grundsätzlich plebejischen - und kostspieligen - Ämter des Volkstribunen oder des Ädils nicht zu übernehmen, stieg schon mit 32 oder 33 Jahren zum Consul auf und konnte auf die oft mühevolle Ausübung prätorischer und konsularer Ämter in den Provinzen, die er für sein Sozialprestige nicht nötig hatte, verzichten. Andere Senatoren (Anm.: also keine Patrizier), unter ihnen insbesondere die sich schon früh als tüchtig erweisenden homines novi, wurden von den Herrschern in ihrer Laufbahn ebenfalls stark gefördert, aber ..."
Und jetzt will ich noch versuchen, das römische Denken ein bisschen zu skizzieren, um zu beweisen, dass ein patrizischer homo novus undenkbar ist. (Ich meine damit einen Patrizier der sozusagen als homo novus zunächst das ius honorum bekommt und dann in den Senat aufgenommen wird. Der umgekehrte Fall ist natürlich zweifellos möglich - man denke nur an Vespasian.)
In der frühesten Zeit Roms, der dunklen Geschichte der Könige, waren wohl alle Senatoren patricii. Denn noch im XII Tafelgesetz, durch welches das Conubium der Patrizier mit den Plebejern verboten wurde, werden erstere als "patres" bezeichnet. Vgl. Cicero rep. II 63: "conubia ... ut ne plebi et patribus essent;" und Liv. IV 4,5: "ne conubium patribus cum plebe esset." Die Bestimmung stand auf einer der beiden letzten Tafeln, Cic. rep. II 63, Dionys. X 60, 5, welche Gaius nach allgemeiner Ansicht im 6. Buch seines Kommentars zu den XII Tafeln behandelt. Dort aber sagt er: "plebs est ceteri cives sine senatoribus." Patricii und Senatoren waren also für ihn gleichbedeutende Begriffe. Das Patriciat ist ferner, doch ich denke, darüber stimmen wir ohnehin alle überein, kein Recht der Person, sondern der Gens.
Tatsächlich mochte es, zumindest habe ich auch Ansätze solcher Annahmen in der Literatur gefunden, auch patrizische Ritter gegeben haben, doch das widerlegt keinesfalls, dass die Patrizier grundsätzlich dem senatorischen ordo angehörten. Ich hoffe, zumindest in Ansätzen, demonstriert zu haben, dass das Konzept des Patriziats als solches eng mit dem Senat und dem senatorischen ordo verflochten ist. Dass jedoch ein Abkömmling einer patrizischen Familie, egal ob einer aus ältester Zeit, oder einer erst durch die Kaiserwürde (oder die Bestimmung des Kaisers) geadelten, als "homo novus" in den Senat eintritt, obwohl er also einer Familie angehört, die entweder bereits seit längster Zeit den Senat bevölkert, oder aber sogar einen Kaiser in ihrer Ahnenreihe aufweist, ist für einen Römer des ersten und beginnenden zweiten nachchristlichen Jahrhunderst meiner Meinung nach undenkbar.
Wie ihr seht, bin ich grundsätzlich noch nicht von meinen ursprünglichen Ansichten abgewichen, und werde jene auch noch durch weitere Literaturstellen untermauern, wenngleich es tatsächlich patrizische Ritter (aus welchen Gründen auch immer) gegeben haben dürfte (trotzdem konnte ich in der Literatur noch keinen Namen eines patrizischen Ritters ausfindig machen, warte aber momentan auf ein weiteres Buch, das vielleicht noch mehr Licht in die Sache bringen könnte: H. H. Pistor, Prinzeps und Patriziat in der Zeit von Augustus bis Commodus (Freiburg, 1965) ).
Hat vielleicht irgendjemand Zugang dazu:
E. Groag, "Zur Ämterlaufbahn der Nobiles in der Kaiserzeit", Strena Buliciana (Zagreb, 1924)
??