Wenngleich selbstverständlich nicht sofort, so war doch schon bald auch ein Bote in die Basilica Iulia entsandt worden, wo die centumviri tagten, um auch Flavius Flaccus von den schrecklichen Ereignissen in Kenntnis zu setzen. Jener, durch das ihm aufgebürdete Amt des Decemvirats gezwungen, den Hundertmännern in Erbschaftsprozessen vorzustehen, konnte nicht einfach ohne weiteres wehender Toga aus der Gerichtshalle eilen, sodass es einige Zeit in Anspruch nahm, bis schließlich eine Vertagung des Prozesses ob der besonderen Umstände erwirkt war. Erst nach und nach drangen die Worte des Boten nun endlich in die bewussten Felder seiner Wahrnehmung vor, als der junge Flavius raschen Schrittes durch die Gassen eilte. Wieder und wieder hallten sie nun jedoch durch seinen Kopf, dröhnend, gewaltvoll. Der Senator Flavius Piso kam bei einem Unglück ums Leben. ... einem Unglück ums Leben. .... Unglück ums Leben. Unglück. ums. Leben. ums Leben. Piso? bei einem Unglück? Pochend fühlte Flaccus sein Herz gegen die brennende Brust hämmern, sein Atem ging flach während er den Hügel hinauf eilte. Welches Unglück sollte Piso ... Es musste eine Verwechslung sein. Ja, ganz sicher. Flavius Piso, ein Pontifex Roms - von den Göttern umschirmt. - Welches Unglück sollte einen solchen Mann treffen? Flavius Piso, ein Senator Roms - wer würde es wagen, sich an der purpurnen Brust zu vergehen?
Die Tür schlägt auf. Hinein ins Atrium eilt der Flavier. Versteinerte Mienen, elende Blicke. Weißer Stoff, rot verfärbt. Blut stört die Harmonie, das friedliche Bild, Blut eines Opfers? Flavius Piso kam bei einem Unglück ums Leben. Dahingesunken vor dem blutigen Nachtmahr eine Frauengestalt. Eine kräftige Stimme ruft den jungen Flavius zurück. Gracchus' Worte klangen bestimmt, beinahe pragmatisch, ganz so, als ob er hier als Magistrat spräche, als Pontifex, als Senator. Zu paradox schien dieses grausame Bild, als um es für real zu halten. Die ganze Szenerie, die blutverschmierten Männer, der bestimmende Senator, die kniende Frau, die erst jetzt in die Gestalt Nigrinas sich zu wandeln scheint, und inmitten aller der unschöne Nachtmahr, der Tote, der sein Onkel sein sollte. Schillerndes Trugbild, grausamer Streich der Moiren schien es dem jungen Flavius, der nun erst gänzlich ins Atrium trat, zögerlichen Schrittes sich jener unheimlichen Mitte des Geschehens näherte, die Bahnen der Toga verrutscht, der Blick seltsam verklärt. In unmittelbarer Nähe Nigrinas stockte er, kam zur Ruhe, zwang sich, den Blick entgegen eines starken Dranges nicht abzuwenden, sondern fest zu richten auf das schreckliche Bild, das ihm einem Schwertstoß gleich in die Eingeweide fuhr, sodass er sich, ob des unvermuteten Schmerzes intuitiv zusammengekrümmt, an der Kline abstützen musste, um nicht zu fallen, schwer atmend, während sein Blick gebannt auf das Antlitz des Toten gerichtet blieb.