Beiträge von Marcus Marius Madarus

    Es kam wieder einer dieser Momente, in denen Stille das dominierende Geräusch im Raum war... nur dieses Mal, weil Sönke angestrengt versuchte zu entschlüsseln was das gerade wieder bedeutete. Er war ja bereits zweimal befördert - und sogar einmal wieder degradiert worden. Was das nun sollte, würde sich ihm wohl so schnell nicht erschließen.
    Allerdings blieb ihm natürlich nichts anderes übrig als zu tun wie ihm geheißen, immerhin stand hier nicht nur der Legat vor ihm, sondern auch einer jener denen er schon aus familiären Gründen zur Treue verpflichtet war.
    "Wie du wünschst, Legatus." , war daher auch alles, was Sönke dazu zu sagen hatte. Sagen konnte. Denn wirklich klar war ihm noch nicht geworden, was das an neuer Arbeit für ihn bedeutete.

    "Danke." , erwiderte Sönke pflichtschuldig, auch wenn ihm nicht ganz klar war was hier nun die implizierte Beleidigung gewesen sein soll. Loyal und verlässlich, das war doch was. Damit konnte man arbeiten, oder nicht? Intelligenz machte einen nicht satt... war zumindest die Einstellung die Sönkes Hirn ausspuckte.


    "Das kann ich, Legatus.", erwiderte er nun viel schneller auf die Frage, ob er reiten konnte. Hätte jemand anderes ihn gefragt, hätte er wohl verächtlich gelacht ob einer solchen Frage. Hier hielt er sich allerdings mit derartigem zurück und fing mit einer diplomatischen Erläuterung an: "Mein Bruder ist der Vorarbeiter der Hros. Ich habe so wie er reiten gelernt um im Gestüt helfen zu können, Legatus. Mich fegt so schnell nichts aus dem Sattel." , schob er dann doch nicht ohne Stolz nach.

    Was wurde das hier? Warum starrte der Legat ihn so an? Hatte er etwas im Gesicht? Etwas fieses? Stank er? Mehr als sonst? Was bei Loki...
    Sönkes Unruhe wuchs unter dem Blick des Legaten, der es offensichtlich nicht nötig hatte ihn anzusprechen. Die hohen Tiere hatten ja alle einen an der Waffel, was offensichtlich Grundvoraussetzung für ihren Aufstieg war. Der Arennius zum Beispiel, der hatte immer dieselbe Handbewegung gemacht. Das was selbst ihm als Optio, der den Legaten nicht sooooo oft sah, aufgefallen. Die linke Hand, zur Schläfe, und wieder zurück. Sollte wohl zeigen, dass er sein graues Stübchen benutzte. Als hätte man das nicht so gemerkt, wenn er den Mund aufmachte.


    Und nun der Duccius. Stand da sehr herrschaftlich, glotzte erst die Waffen an, dann ihn... und sagte kein Wort. Kein verdammtes Wort. Was glaubte der? Dass Sönke seherische Fähigkeiten hatte und aus den Furchen im legatischen Gesicht erkennen konnte, was der Mann gerade dachte?
    Nichtsdestotrotz war klar, DASS der Mann IRGENDETWAS von IHM erwartete. Hatte er vergessen zu salutieren? Nein, ganz sicher nicht. Das ging in Mark und Bein über und man hätte ihm genauso gut vorwerfen können, sein linkes Bein in der Barracke vergessen zu haben. Aber vielleicht hatte der Legat das einfach übersehen... oder auch nicht, weil er ihn ja hatte bequem stehen lassen. Aber vielleicht hatte er das ja komplett vergessen... konnte ja sein, dass die Superlegatenkraft des Duccius darin bestand, enorm vergesslich zu sein. Das konnte ein Vorteil sein.


    "Optio Marcus Marius Madarus meldet sich wie befohlen zur Stelle, Legatus." , salutierte Sönke noch einmal zackig und wie aus dem Lehrbuch, in der Hoffnung, dass der Legat das dieses mal nicht wieder so schnell vergessen würde und er ENDLICH erfuhr warum er überhaupt hier war.

    Unwohl war Sönke ja schon, als er zum Legaten gerufen worden ward. Das letzte Mal, als er dem Legaten der Legion direkt gegenübergestanden hatte, war er wegen einer Kneipenschlägerei degradiert worden. Dass nun ein Duccius Legat geworden war, hatte natürlich eine gewisse Spannung erzeugt, immerhin war Sönke in vielfacher Generation Spross einer Sippe, die sich dem Dienst an den Söhnen Wolfriks verschrieben hatte... doch wie genau sich das jetzt aufwirken würde, und ob überhaupt, mochte er nicht mutmaßen. Besonders hervorgetan hatte er sich nicht, das war sicher. Was also nun der Grund sein mochte herzitiert worden zu sein konnte der ohnehin nicht brillierende Denker Sönke nicht erahnen... stand recht ahnungslos, aber stramm vor dem Legaten. Erst als der Duccius ihn bequem stehen ließ, erkannte Sönke, dass er im Armamentarium stand. Was irritierend war, hatte sich die Waffenkammer bisher in den Horrea befunden. Offensichtlich gehörte dies zu den Dingen, die der Legat bevorzugte. Schon der Cavarinus hatte ja einiges anders gemacht als der Claudius, und dieser wiederum als der Decimus vor ihm.


    Seiner in ihrer Leistungsfähigkeit stark begrenzten Zentralmembran war es zu verdanken, dass er erst einmal überhaupt nicht auf die Frage des Legaten antwortete, sondern nur interessiert an den Waffen entlangstarrte, die hier so fein säuberlich gelagert waren. Allzu oft bekam man als Optio auch nicht die Gelegenheit das waffenstarrende Zentrum des Lagers zu betrachten, ohne das sie alle ziemlich gearscht waren.

    Generell war Sönke nicht unbedingt der schnellste, wenn es darum ging Befehle zu befolgen. Das hatte weniger mit der Attitüde eines Freizeit-Rebellen zu tun, sondern mit einer ausgeprägten Faulheit. Natürlich wurde das abgestuft. Riefen andere Soldaten, drehte man sich durchaus nochmal in der eigenen Koje um. Beim Centurio nutzte man vorher noch einmal den Pott. Bei den Tribuni ging es schon schneller, auch wenn man sich noch einmal den Sand aus den Augen rieb. Beim Legaten allerdings konnte man das Umziehen durchaus schonmal auf den Hinweg verlegen. So schnürte Sönke, der zuvor Nachtwache gehabt hatte und dementsprechend im Bett liegen DURFTE, seine Schuhe erst zuende als er bereits in der Basilica Principiae stand und sich vor dem Wachoffizier anmeldete: "Optio Marcus Marius Madarus, Centuria Quarta Cohors Secunda, wie befohlen zum Legatus."

    Im Verbund mit seiner Centuria nahm natürlich auch Sönke am Generalapell (welch Wortspiel.) teil, zu welchem sie am gestrigen Abend gerufen worden waren. Natürlich hatte es SEHR schnell die Runde gemacht, dass sie einen neuen Legaten bekämen und dieser sogar schon aus Rom angekommen war. Zusammen mit dem Körperbau seiner Frau (heiß bis lauwarm) war die wichtigste Information über den Legaten natürlich seine Identität gewesen: Titus Vala von den Duccii. Nicht wenige, die mit der einflussreichsten Sippe der Provinz verbunden waren (wie Sönke selbst) nahmen das durchaus positiv zu Kenntnis, immerhin reichten die politischen und gesellschaftlichen Verbindungen tief in die Legio hinein. Das wusste Sönke natürlich nicht, der auch als Optio nicht weiter dachte als über den Rand seines Bierbechers, ihn freute einfach die Aussicht darauf, einen Legaten zu haben der möglicherweise einen Muntling seiner Sippe mit etwas weniger Strafe versehen würde als zuvor. Andere hingegen waren skeptisch bis vorurteilsbeladen, was die Einsetzung eines Barbarenabkömmlings als ihren obersten Kommandanten anging. Die meisten allerdings hatten den Neuen als jenen im Kopf, der im Bürgerkrieg gezeigt hatte, dass er verstand was er tat... und sie alle deshalb wohl eher weniger in das nächste blutige Abenteuer stürzen würde.
    Nicht, dass der Arennius einen schlechteren Ruf genoss, der Mann hatte die Legion als fähiger Mann (sprich einer mit geringem Blutzoll) geführt, allerdings auch durch eine relativ unaufregende Zeit. Die Geschichten von drüben nahmen allerdings in ihrer Menge zu, was wohl der Neue würde richten müssen. Und da galt es wie im Fußball: Entscheidend ist auf'm Platz.


    Das alles ging in sehr viel rudimentärere Gedanken gekleidet in Sönkes Kopf vor, während er routiniert strammstehend darauf wartete, dass die Bosse sich vorne endlich mal zur Aktion bemühten.

    Sönke grunzte unvernehmlich, als er die hausbackenen Antworten 'seiner' Tirones vernahm. Allerweltsgewäsch, das jeder Depp in der Dorftaverne wusste. Ein wenig besser hätten die Jungs sich ja schon vorbereiten können, wenn sie schon nicht aus einer Bierlaune in die Legion eingetreten waren... andererseits: vielleicht waren sie das ja. Kam ja oft genug vor, dass Kerle sich im Suff rekrutieren ließen.


    Was folgte, was also ein ellenlanger Vortrag Sönkes zur Legion und zu ihren Bestandteilen. Nachdem er sich so den Mund fusselig geredet hatte, ging er einfach gleich zur Prüfung über: "So ihr Flachzangen... heute also die Theorie. Ich stelle euch jetzt Fragen.. und wer sie falsch beantwortet... nun, ihr werdet sehen." , erklärte Sönke und fragte sich, ob er als Optio immer soviel zu labern haben würde.
    "Wer verwaltet die Truppenkasse und was sind seine sonstigen Aufgaben?"

    So ging es weiter in der eckigen Runde des Campus... auch wenn Sönke sicherlich kein Leistungssportler war und er schon ziemlich deutlich schwitzte, atmete er einfach weiter und ackerte sich über den Platz. Eigentlich hatte er keinen Zweifel daran gehabt, dass die Tirones irgendwann schlapp machen würden (schlapp machen MUSSTEN), aber bisher versuchten sich zumindest zwei der Jungs in der 'Homo Superbus'-Manier... die Sönke natürlich sofort langweilte. Einzig Klopsfrosch hatte offensichtlich die Eier hier nicht einen auf harten Mann machen zu müssen, wie es dem germanischen Optio anerkennend auffiel.


    Dann allerdings meinte Drekkfress seine Dummheit von vorhin wiederholen zu müssen... was Sönke dazu veranließ, mittem im Lauf zu stoppen, das linke Bein in den Dreck zu stemmen und den renitenten Tiro mit der rechten Schulter aus dem Lauf zu rammen und erneut auf den Boden zu befördern.


    "Das war Nummer zwei..." , kommentierte Sönke frostig, "...letzte Warnung. Du läufst jetzt alleine weiter bis ich dir sage, dass du damit aufhören kannst. Wenn ich das Gefühl habe, dass du zu langsam läuft, lasse ich dich weiterlaufen bis es Morgen wird... ihr beiden da, Klopsfrosch, Pickelpitz, angetreten...", befahl er schließlich den beiden anderen und wartete, bis der Halbstarke sich aufgemacht hat den Befehl auszuführen: "Also... was wisst ihr über die Legion?"

    Sönke, der wie immer nicht zu langen Reden aufgelegt war, fasste sich entsprechend kurz, als das ganze komplizierte Gedöns mit den Zeugen und der Amtsdings geklärt war.


    "Optio Marcus Marius Madarus, vierte Centuria der zweiten Cohors.", stellte er sich erst selbst vor, weil die anderen das auch so gemacht haben, und wiederholte dann diesen Schwur, wie er ihn ebenso bei den anderen mitbekommen hatte... natürlich nicht fehlerfrei..., "Ich, Titus Vibi.. Marcus Marius Madarus, schwöre bei Apollonus Ogoun, Divus Augustus und allen Divi Augusti, beim Genius Cornelii Palmae und allen Göttern, der Lecks Cornenicipalis, allen Decredings der Decuriones Mogontiaci und den Weisungen der Magisate des Municirnelium Mogontiaci zu jeder Zeit Folge zu leisten. Ich schwöre, diese Gesetze zu halten, solange ich als Munips diesem Mupium angehöre."

    Auch Sönke hatte sich für dieses groß angekündigte Opfer freigeben lassen, als sein Vater ihn darum gebeten hatte. Natürlich opferte er immer im Klein-Klein der Götter für diese oder jene Gelegenheit (meist um Gesundheit oder ein funktionierendes Reproduktionsorgan), aber derart große Opfer, ließ man jene durch den Legatus einmal beiseite, waren ihm dann doch eher eine Seltenheit.


    Zusammen mit seinen Eltern und seinen ebenfalls im Gefolge der Duccii stehenden Geschwistern traf Sönke also am Opferplatz ein (der ehemals der seiner Eltern und der anderen Familien auf der Rus gewesen war) und gesellte sich mit ihnen quasi automatisch zur Gruppe der Muntlinge und niederen römischen Klienten der Duccii, die sich in gebührend aber doch kleinen Abstand zur Familie der Wolfrikskinder ihren Platz gesucht hatten.

    "Phelan.", murmelte Sönke wiederholend, wie als ob er sich den Namen dadurch erst greifbar machen würde. Allerdings fand er wenig dazu, weshalb er sicherheitshalber nochmal nachfragte: "Issat de Gode? Het is' do vor eenije Joar wechjezogen, innen Südn, meente man, to hirate?" Eine reichlich blöde Frage, wenn man bedachte, dass er offensichtlich dem Produkt dieser Heirat gegenüberstand... was auch erklärte, warum er kaum Erinnerungen an den Mann hatte: er war ja selbst noch nicht lange in seinen Zwanzigern. Das letzte Mal dürfte er den Mann also vor zehn Jahren gesehen haben.
    Aber gut, es hatte also nicht geschadet das Weib nicht sofort klarzumachen wie eine dahergelaufene Straßendirne. Bei den Göttern, hätte das nen Stress geben können... also weiterhin schön vorsichtig segeln: "Min Vadder is Hartwich, Muntling vunne Wolfrikskin, zo denen ju wohl jehörs. Wir levten ma inne Rus, die stand do unne am Weech, aber doa sind nu die Häuser us Stein. Ik heb jeguckt, mine Eltern sind net doa... wohl oppe Feller." Sprach's und kam sich recht seltsam vor, so viel zu reden.. weshalb er dann doch wieder ins Schweigen verfiel und leicht betreten (um gegenüber der Tochter eines der Duccii nicht zudringlich zu erscheinen) an der Frau vorbei.

    ..von der Barracke kommend gelangte der neue Wieder-Optio Sönke mit 'seinen' Tirones auf den Campus, auf welchem der große Teil der Ausbildung der Neuen stattfand. Sönke hielt hier allerdings nicht an, sondern steigerte das Tempo und verfiel schließlich in einen deutlichen Dauerlauf um den Campus herum. Das war zwar nicht Teil des Plans (den Sönke nicht kannte, da er quasi gerade erst zum Ausbilder ernannt worden war), sondern reines Zeitgewinnen, aber er hatte da eine Idee.


    Die Tirones wie einen Rattenschwanz hinter sich herziehend zog Sönke seine Bahnen um den Campus... eine nach dem anderen, wie die gestandenen Legionäre jede Woche taten... in eingelaufenen Schuhen. Kein Wort wurde vom Optio verloren, kein erklärender Mucks... aber immer, wenn er das Gefühl hatte seine Tirones waren noch zu fit, zog er das Tempo für eine Weile an.

    "Aaaaahja." , gähnte Sönke, immernoch keineswegs begeistert von seiner 'Beförderung', weithin vernehmbar gelangweilt, als 'seine' Tirones sich vor ihm aufstellten und offensichtlich das nachahmten, was man außerhalb der Lager für 'Haltung annehmen' hielt. Wäre Sönke etwas selbstkritischer gewesen (was er nicht war), hätte er sich daran erinnert, dass er vor einigen Jahren wohl genauso doof aus der Wäsche geguckt und einen ziemlich dümmlichen Eindruck gemacht hatte, als er sich an eben jener Sache versucht hatte. Wie genau das jetzt vonstatten gehen sollte erschloss sich ihm natürlich nicht, deshalb hieß es erst einmal: Zeit gewinnen. Grundlagen... das Geschwätz, was so ziemlich jeder eingetrichtert bekam wenn es ihn in die Legion zog.



    "Eure Namen interessieren mich nicht.", knurrte Sönke daher erst einmal um eine grundlegende Sache klarzustellen,
    "Niemanden hier interessieren eure Namen... höchstens den Signifer, von dem ihr euren mickrigen Sold erhaltet.. für den Rest verdient ihr euch eure Namen mit dem Abschluss eurer Ausbildung. Bis dahin...", besah sich Sönke seine Frischlinge ernst und deutete schließlich mit dem Finger auf den Jungen, der sich als Licinius vorgestellt hatte, "...heißt du Klopsfrosch... du da bist ab sofort der Pickelpitz..", wanderte der Finger weiter über den Antonier und landete schließlich bei dem Matinier, "...du bist Drekkfress."
    Zufrieden mit seinem Anflug an Kreativität wandte sich der frischgebackene Optio um und begann im lockeren Lauf loszulaufen, nachdem er den Tirones "...mitkommen." befohlen hatte. Ihr Weg führte sie an den Barracken vorbei auf die Via Praetoria, und von dort auf den Campus...

    Man war zu lange in der Legion, wenn man den Centurio schon an seinen Schritten über den hölzernen Gehsteg vor den Butzen erkannte. Und man war definitiv zu lange in der Legion, wenn man trotzdem erst einmal sitzen blieb und wartete bis der Centurio in der Tür auftauchte, um eher minder schnell hochzurauschen (bei Optiones, zu denen Sönke jetzt offenbar gehörte, war die Strammsteh-Geschwindigkeit am niedrigsten, beim Legaten verlor man allerdings den Kontakt zum Boden) und Haltung anzunehmen.
    "Eh..." , zeigte Sönke sich einen Moment ratlos ob der Glückwünsche und flüchtete schließlich in die einfachste Floskel: "Danke."
    Bevor er allerdings fragen konnte, wie sich der werte Centurio das denn nun vorgestellt hatte (lag Sönkes Ausbildung ja schon einige Jahre zurück und der tägliche Drill unterschied sich massiv von dem, was in der Ausbildung gelehrt wurde), tauchte plötzlich irgendein Kerl neben dem Centurio in der Tür auf und laberte Sönke auf eine Art und Weise an, die einerseits nassforsch war... und andererseits wahnsinnig dumm.
    Ein Moment verging in dem nichts geschah, der Centurio schien wohl auf irgendwas zu warten. Ein Räuspern hinter ihm, das verdächtig nach 'Optio!' klang erinnerte Sönke dann aber wieder daran, dass dieser jetzt eine unerhebliche, aber eben nicht nicht erhebliche Stellung innehatte und der Centurio wohl genau darauf zu warten schien, dass er die Situation jetzt in die Hand nahm. Tat Sönke aber nicht, denn er nahm sie auf den Fuß. Oder genauer gesagt: UNTER den Fuß, denn seine erste Amtshandlung als Optio war, dem nassforschen Tiro einen satten Tritt gegen das Brustbein zu verpassen und ihn somit aus der Tür in den Dreck vor der Barracke zu befördern.


    Das Contubernium hinter ihm explodierte quasi vor Gelächter und Gejohle, doch Sönke warf dem im Dreck liegenden Typen keinen weiteren Blick zu, denn er hatte die beiden anderen Typen entdeckt die auf dem Gehsteg standen und ebenfalls zu warten schienen.


    "Im dritten und siebten Contubernium sind noch Plätze frei." , grollte er mehr als er sprach und nickte zu den Türen der besagten Contubernia, "Sachen verstauen, caligae anziehen und dann wieder antreten."
    Dann, ohne den beiden weiteren Aufmerksamkeit zu schenken, stapfte er wieder in seine Stube und schnallte sich die eigenen Caligae um während er zu den Sprüchen seiner Kameraden nur schief das Gesicht verzog. Denn trotz des höheren Soldes bedeutete das vor allem wieder nur eins: mehr Arbeit.

    'Laaaaaaaaaaaaaaangweilig.', gähnte einer der anwesenden Legionsuffze während sie sich die Beine in den Bauch standen um sich als Bürger der Stadt registrieren zu lassen. Natürlich geschah das ganze klar nach hierarchischen Gesichtspunkten: die Optiones und Decuriones der Legio warteten am längsten, während die Tribunes nicht einmal eine Minute anwesend gewesen waren. Die Centuriones standen irgendwo weiter vorne... und im Castellum tanzten die Miletes wohl auf den Tischen, wenn die Katzen schon aus dem Haus waren.


    Den Sinn ihrer Anwesenheit ergriffen nicht alle Soldaten, war es zuvor und in vielen Legionsstandorten doch immer so gewesen, dass die Soldaten samt Offizieren quasi eine eigene Stadt in ihrem Castellum bildeten und mit den Geschehnissen und der Verwaltung der Canabae oder der Stadt wenig bis garnix zu tun hatten. Nur bei Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen zog man gemeinsam am Strang.
    Hier in Mogontiacum war das offensichtlich neuerdings anders, weshalb sie nun hier standen... im Pulk zu einigen dutzend, die sich immer wieder mit anderen Dutzenden aus dem Lager abwechselten.


    Sönke, durch mit allem Optimismus als 'begrenzt' zu bezeichnenden Intellekt, hatte sich garnicht erst die Mühe gemacht verstehen zu wollen warum sie nun hier waren. Er hatte, nachdem seine überraschende Rück-Beförderung zum Optio bekannt geworden war, die direkte Order sowohl aus der Principia (schlauere Uffze munkelten, dass man sich dort dadurch größeren Einfluss in der Civitas erhoffte) als auch aus der Villa Duccia (wo man diesen wohl schon hatte) bekommen sich zum Bürger registrieren zu lassen... was er als einfacher Legionär nicht gekonnt hatte. Als braver und unkritischer, aber durchaus mürrischer Befehlsvollzieher stand Sönke hier also nun und vertrieb sich die Wartezeit mit sinnlosen Geschwätz mit seinen Mit-Uffzen oder einfach nur mit stoischem Schweigen.


    In einen Moment dieses Schweigens klangen irgendwelche in der Schlange gesprochenen Worte. Natürlich wurde überall geredet, aber das was an den Worten auffallend war, war die Art und Weise _wie_ sie gesprochen wurden. Viel hatte Sönke nicht mitbekommen, aber seine inneren Lauscher hatten das Wort 'Problem' aufgeschnappt ohne dass sich das Hirn die Mühe machen musste es wirklich zu ergreifen. Dass neben ihm der eine oder andere Kamerad die Lauscher zu spitzen schien, bewies ihm, dass er sich nicht verhört hatte... und alsbald war auch herausgefunden woher die Worte kamen. Wenig hinter ihm hatte sich ein Soldat, offensichtlich einer von der Reiterei, ergo wohl Decurio, zu einem Pärchen umgedreht.. und wohl nicht nur Sönke bildete sich ein, dass eine gewisse Anspannung in der Luft lag.
    Auch Sönke, als erfahrener Kneipenschläger, musste nicht lange nachdenken um die übliche Handlungsweise aufzuzeigen: die Schultern wurden gestrafft und man nahm wortlos hinter dem Decurio Aufstellung um eben den Eindruck zu machen den ein Haufen von breitschultrigen und stumm dreinblickenden Soldaten so machte. :D

    "Sööööhööööönke!!!!", dröhnte es durch den Flur der Barracke der vierten Centurie, als sich Aulus Pinius Septus eilend den Weg bahnte, "Du blöder germanischer Hund! Komm raus!"
    "Meine Fresse, du weißt wo ich bin." , grollte Sönke zurück, der in ihrer Stube zusammen mit zwei weiteren hockte und in der freien Minute die Würfel schwang. Da der Herbst sich immer mehr von seiner kälteren Seite zeigte, zogen die beiden anderen das Halblicht der Barracke dem draußen pfeifenden Winde definitiv vor, während Sönke das ganze ziemlich gleich war: er hatte jahrelang noch nach dem ersten Herbst auf den Feldern und in den Wäldern geackert und wusste sich dagegen zu wappnen. Da war man auch net immer für ne Pause zurück in die warme Bude geflüchtet.
    "Du elender Dreckskerl..", tauchte das Gesicht des Kameraden in hinter dem Türrahmen auf, "..du musst mir echt verraten, wie du das gemacht hast."
    "Siehst du nicht, dass du störst, Mann?" , fluchte Sönke den Kerl an, als die Würfel ein weiteres Mal scheppernd fielen und alle gebannt auf die ihnen entgegenblickenden Augen starrten. Seine Schultern fielen leicht nach unten, als das Ergebnis nicht annähernd so gut ausfiel wie er gehofft... und gewettet... hatte. Genervt richtete er seinen Blick wieder auf den immernoch in der Tür verharrenden und ihn mit einem seltsamen Grinsen anblickenden Kameraden: "Also, was soll ich jetzt getan haben?"
    "Den Centurio bestochen oder sowas.", grinste der Typ immer breiter und lehnte sich nun lässig in den Türrahmen, "Wie willst du mir sonst erklären, dass man dich wieder zum Optio gemacht hat?"
    "Die haben Sönke WAS?", staunte nun einer von Sönkes Mitspielern mit offenem Mund und noch größeren Augen.
    "Du hast doch gesoffen!" , winkte Sönke ab und wollte sich schon wieder den Würfeln zuwenden, als der Typ noch einmal nachsetzte: "Ich bin mir hundertprozentig sicher... also quasi... Virelius hat es mir selbst vorgelesen, die Bekanntmachung des Stabs. Du bist wieder Optio."
    "Warum sollte jemand so irre sein und Sönke wieder zum Optio machen? Der kann nicht einmal lesen!", posaunte der Würfler ungläubig dreinblickend hervor.
    "Du doch auch nicht, du Spezialist.", entgegnete der Pinier irritiert.
    "Na, ICH werde ja auch kein Optio!", verteidigte sich der andere entrüstet.
    "Jaja, gut jetzt... ich dachte das wäre durch?" , fragte Sönke ebenso irritiert und ungläubig, "Was soll ich schon machen können, so als Optio? Jetzt mal ganz im Ernst...?
    "Keine Ahnung, frag den Centurio.", zuckte der Nachrichtenbringer mit den Schultern, "Man erzählt sich allerdings, dass du die Neuen ausbilden sollst, weil es so viele sind."
    "Ich soll WAS?" , riss Sönke die Augen auf.
    "Die Neuen einschleifen!", wiederholte der andere sich.
    "Oooooooh scheisssssseee!!!!!!"

    Nein, kam es ihm nach einer Weile in den Sinn, dies war nicht mehr sein Zuhause. Offensichtlich wohnten seine Eltern hier, auch wenn er es noch nicht gewagt hatte sich wieder hinunter zur großen Hofstelle mit den neuen Gebäuden zu bewegen, aber sein Zuhause war es nicht mehr. Klar, vor gerade einmal fünf Sommern noch war er über diesen Weg gegangen, als dort oben noch keine Villa thronte sondern nur der Wald aus welchem er Holz zu schlagen hatte. Und einige Bäume am Wegesrand kannte er auch noch, während andere fehlten... dem römischen Ordnungswahn zum Opfer gefallen welcher den Hauptweg des Anwesens in eine durchstrukturierte Allee verwandelt hatte.
    Just in diesem Gedanken gefangen, fiel sein Blick auf eine junge Frau die sich ihm offenbar unbemerkt genähert hatte. Einen Moment schien Sönke erschreckt über seine eigene Unachtsamkeit, die es jemandem erlaubte sich ihm derart zu nähern, dann aber schaltete der Geist auf Automatik.
    Hatte er früher noch von Liebesgeschichten und als heldenhafter Soldat eroberten Frauen geträumt, hatte ihm das Soldatenleben auch hier einen ganz anderen Blick auf Frauen geschenkt. Natürlich gab es hier und da einfältige Mädchen, die für die männlichen und rauen Soldaten schwärmten, meistens aber hatten Frauen angesichts eines Soldaten nur zwei Dinge im Sinn: Angst (Vicetia! Rom!) und gute Geschäfte (eigentlich überall). Ein Mann mit mehr Empathie und Gehirnschmalz hätte das ganze durchaus reflektierend analysierend können, allerdings hatte Sönke weder das eine noch viel vom anderen, weshalb sein erster Blick auf das Weibsbild durch und durch taxierend und plump-taxierend ausfiel. Der zweite allerdings verriet ihm, dass das Weib nicht im schlechtesten Stoff und die Kleidung nicht allzu einfach geschnitten war, weshalb sein einfacher sozialer Radar ihm die Prognose zuteil werden ließ, es hier mit einer Frau zu tun zu haben die für Ärger sorgen konnte, wenn er sie so wie jede andere behandelte.


    "Moyn." , grüßte Sönke das junge Wicht, das ihn mit seinen blauen Augen und dem (seiner Meinung nach) für eine Frau viel zu frechen Blick musterte. Ein Moment Stille folgte, weil Sönke erstens durch die (Anforderungen der) Situation dezent überfordert war und ohnehin kein großer Parlierer war, bis er sich schließlich zu einer plumpen Erklärung hinreißen ließ: "Ik ben Sönke, Sohn des Hartwig. Datt hier ist... war... mein Heim. Mine Eltern lebn wohl noch hier. Weißt, wo ik die finde?"