Beiträge von Linos

    RE: Zurück nach Rom

    Still und leise war ich durch den Sklaven Eingang eingetreten, blickte wieder verwundert in die mir unbekannten Gesichter, setzte mich so verschmutzt wie ich war, in das Atrium, um dort auf das Heimkommen meines Herrn zu warten.

    Lange noch hatte ich da gestanden und meinem Freund hinterher gestarrt. Ob er noch mein Freund sein will? Wenn nicht kann ich das durchaus verstehen. Ich habe ihm wohl, wenn auch unbeabsichtigt die erschreckendsten und grauenvollsten Stunden seines Lebens beschert. Im guten Glauben, ihm etwas schönes, neues, unbekanntes zu bieten, hatte ich Charislaus zu einer Reise mit mir überredet. Jetzt konnte er im Gegensatz zu mir nicht schnell genug nach Hause laufen. „Lebewohl mein Freund und hab Dank für deine Begleitung“, flüsterte ich ihm hinterher.

    Ich selber war noch nicht in der Lage das Stadttor zu durchschreiten, nicht bevor ich mit mir selber ins Reine gekommen war. Mein innerer Kampf war noch lange nicht ausgefochten und so schritt ich erst einmal am Stadttor vorbei. Zurück in meine Heimat auf Creta wollte ich noch nicht. Auch nicht nach Hause in die Villa Claudia, wohin ich als gehorsamer Sklave wohl gehen sollte. Mein Vorhaben war zunächst in dem näheren Umland von Rom zu verweilen. Dort wollte ich den nächsten Schritt überdenken.

    Tagelang war ich durch die Gegend gezogen, kam und kam nicht ins Reine mit mir. Wenn ich hier blieb, musste ich mein Innerstes weiter verbergen und mich den Gegebenheit anpassen. Nur in meiner Heimat konnte ich so leben wie ich wollte und allem was in mir brodelte und aufsteigen wollte nachgeben.

    Nach einer wiederholt mit Alpträumen durchbrachten Nacht, hatte ich einen Entschluss gefasst. Wie der Zufall es wollte, war ich bei meinen Wanderungen um Rom am Tiber Strand angekommen. In Erinnerung an meinen früheren Freund Phaeneas,
    warf ich einen sehnsüchtigen Blick in die Ferne, in dem wohl mein ganzer Schmerz lag und wandte mich hastig ab.. Es musste sein, ich musste zurück zur Villa. Mein Wort musste ich halten und über das Ergebnis, meiner mir aufgetragenen Suche berichten.

    Charislaus, der wohl sofort bemerkt hatte, dass mit mir etwas nicht in Ordnung war, fragte dann auch sehr schnell nach und wollte wissen ob etwas los wäre. Jetzt zögerte ich nicht lange und begann mit dem Bericht
    über meinem Zustand. „Ja du hast es natürlich erkannt, ich habe in den letzten Tagen immer mehr gelitten. In der letzten Nacht habe ich noch einen langen Brief an meinem Herrn geschrieben. Seit Kreta nagt Heimweh an mir, jeden Tag an dem wir uns weiter entfernten, wuchs es. Gestern Abend stand für mich fest, ich würde dafür Sorgen, dass du mit sicherem Geleit nach Rom zurückkehren könntest, ich aber wollte die nächste Möglichkeit ergreifen um nach Kreta zurück zu reisen. Deshalb auch der Brief. In der Nacht, im Schlaf jedoch ist etwas geschehen. Was, weiß ich selber nicht. Ich erinnerte mich heute am frühen Morgen, dass ich noch niemals mein Wort gebrochen habe. Das gab ich einst meinem Herrn, in dem ich ihm versprach niemals zu fliehen. Jetzt ist es soweit, ich halte es und fliehe nicht. Ich kehre nach Rom zu ihm zurück.“

    Ich lächelte Chari an: „So nun weiß du es, ich bin froh, dass ich es Aussprach. So sollte es sein, Freunde sollten sich alles sagen können und sich nicht bei dem kleinsten Problem von einem abwenden und einander bis zum Ende zuhören. Du bist ein Freund denke ich, deshalb danke ich dir und bitte entschuldige, dass ich so lange zögerte um mit dir zu sprechen, doch ich musste zunächst mit mir selber ins Reine kommen.“ Zögernd und fragend schaute ich Charislaus an. „Brechen wir nun auf, zu dem Platz an dem die Händler sich sammeln, um nach Hause zu reisen?“

    Natürlich war gutes Essen , ein Bad und ein Bett unsere erste Sorge. Es war als ob einen wie ein Magnet anzöge. Je näher wir kamen um so ungeduldiger wurden wir. Zumindest empfand ich das so. In einer Caupona schlugen wir uns den Bauch mit dem jeweiligen Lieblingsessen voll. Dort saßen am Nachbartisch Händler die gerade gerade eine Reise nach Rom planten. Sie wollten natürlich die meist benutzte Handelsstraße von Nord nach Süden benutzen die Via Appia.

    Später meinte ich zu Charislaus, wir sollten uns ihnen anschließen, gerade weil die Straße so benutzt wird sind Reisende und Kaufleute dort sicher. Es ist bestimmt jederzeit mit einer Militärpatrouille zu rechnen, vielleicht nimmt uns der ein oder andere ein stück weit mit auf seinem Wagen. Morgen in der frühe gehen wir einfach zu ihrem Treffpunkt und schließen uns ihnen an.


    In Brundisium herrschte ein reges Treiben, Handelsschiffe aus vielen Gebieten des Reiches legten hier an und wurden be- und entladen. Händler feilschten, Gerüche umnebelten einen und die Farbenpracht war zeitweise überwältigend. Zu sehen gab es soviel, dass wir abends vollkommen erschöpft auf unsere Betten sanken.

    Irgendwann stand ich wieder auf, setzte ich mich hin und begann einen Brief zu schreiben in welchen ich einen Reisebericht anfertigte, indem unsere ganze Erlebnisse, Erfahrungen und meine Rückschlüsse auf bestimmte Situationen standen. Erst danach legte ich mich zu Schlafen hin, schlief ruhig und fest, denn jetzt hatte ich endlich meinen Inneren Frieden gefunden.

    Am nächsten Morgen lud ich Charislaus zu einem guten Frühstück ein. Es war wie ich fand die beste Gelegenheit ihm mein vorhaben zu erklären. Als wir da saßen und auf unser Frühstück warteten schaut ich ihn an um zu erforschen ob es ihm gut ging. „Hast du du gut geschlafen und bist gerüstet für die Heimreise?“ Unruhig rutschte ich auf meinem Platz hin und her. In dem Augenblick wo ich das Gespräch eröffnen wollte, war mir äußerst unwohl, einen Gesprächsanfang fand ich nicht, obwohl ich es sorgfältig geplant hatte.

    Ja ich hatte das Glück gespürt genauso wie Charislaus es gesagt hatte. Das obwohl es in ihm nagte, dass er den Auftrag des Claudius nicht zur Gänze erfüllt hatte. Er hatte ihn zwar schnell, schneller als im lieb war gefunden aber genauso schnell verloren. Abends in Ruhe hatte immer wieder überlegt was mit dem Tiberier los war. Er wirkte gehetzt, getrieben aber auch verletzt, einsam und unverstanden. Für jeden mochte er als kaltblütig und mordlüstern wirken, auch für ihn selber, schließlich hatten sie es selber erlebt, doch war er das wirklich? Genug jetzt zwang ich mich selber, mich von diesen Gedanken zu trennen.

    Wenn wir so durch die Straßen gingen sahen wir nicht das alte, das ursprüngliche Korinthus, es war der von den Römern aufgebaute Teil. Der Teil den die Menschen bestimmt wieder gerne sehen würde, der in dem die Götter noch unter ihnen weilten, war längst vergangen. Nur die Ruinen zeugten noch von der großen Vergangenheit.

    Wir sind aber im hier und jetzt mahnte ich mich genoss, einen wahren Freund an meiner Seite zu haben, das Wetter, das gute Essen und vor allem die Aussicht bald wieder zu Hause zu sein. Mit genau diesen Gedanken betrat ich das Schiff. Wenn ich Chari so betrachtete, glaubte ich zu wissen es ginge ihm ähnlich. Wir hatten

    ein gemeinsames Erlebnis, das wir bestimmt nicht mehr vergessen würden. Schnell hatten wieder einmal einen geschützten Winkel auf einem Schiff gefunden.

    Es stellte sich bei der Überfahrt raus, das wir froh über den Einkauf von den Decken und warmen Mäntel sein konnten. An der Küste entlang war ja noch alles soweit gut aber mitten auf dem Mare lonium wehte der Wind zeitweise doch recht kalt und heftig. Kälter war es als auf der Hinfahrt. Doch unser Ziel so nahe vor Augen, hielten wir durch ohne herum zu jammern.

    Dann war sie da Die Küste von Brundisium. Schnell hatten wir unsere Sachen gepackt und standen bald darauf an Land. „Wie schön jetzt bekommen wir bald wieder Landbeine“, lachte ich. „Weiß du worüber ich noch froh bin, dass keiner von uns Seekrank wurde und ständig die Fische füttern musste. Auf lass uns die Stadt ansehen und ein Quarier für die Nacht suchen.“

    RE: KRETA - und was nun?

    Wir hatten uns eine Taberna ausgesucht um zuerst einmal eine gute Mahlzeit zu uns zu nehmen. Während wir auf unsere Bestellung wartete beantwortete ich Charis Frage. „Ob man die Wolken zähmen kann?“ Ein wenig wehmütig wiederholte ich die Frage von Charislaus. „Obwohl der Wunsch auf ihnen zu reisen noch immer besteht, habe ich einmal erfahren, dass dieser Wunsch niemals in Erfüllung geht. Es war in den Alpes, von dem Gebirge hast du sicher schon gehört. Wenn man nach Germanien möchte durchqueren wir es meist. Es war auf einem der hohen Berge wir hatten die Bergspitze fast erreicht, die Wolken hingen an dem Tag sehr tief. Da wir auf den Weg achten mussten beobachtete ich natürlich eher selten den Himmel. Plötzlich war waren wir in einem sehr feuchten Nebel eingehüllt und sahen den Weg kaum noch. Wir schafften es dennoch und waren dann auch bald auf der Bergspitze. Was denkst was ich dann sah als ich talwärts schaute. Unter mir war eine Wolke, die den Berg auf dem wir standen umwand. Wir waren doch wirklich durch eine Wolke gegangen. Ich war hin und hergerissen, einmal weil ich so etwas erleben durfte, dann aber auch, weil meine Vorstellung zerstört worden war. Wie so vieles im Leben", traurig kam das Letzte von mir. „Ja es wäre wunderbar alles von oben betrachten zu können“, meine Antwort kam traurig, doch das ankommende Essen vertrieb diese Traurigkeit schnell.


    Chari zog mich voll Entdeckerfreude mit sich, kaum das wir auf der Straße waren. „Ja Korinthus“, lachte ich. „Nein ich kam nie dazu diese Stadt und all die berühmten Städte, so wie mein Plan war, als ich mein Elternhaus verließ, zu sehen. Du muss wissen Griechenland und seine Kultur ist tausende Jahre älter als Rom. Hier lebten schon Menschen, als die Götter noch auf der Erde wanderten.“ Ich überlegte kurz, dann viel mir ein brauchbares Beispiel ein. Du kennst doch Herakles oder Herkules wie er auch genannt wird. Er ist der Sohn von Zeus wie wir Griechen ihn nennen oder wie er in Rom genannt wird Iuppiter und einer Menschen Frau. Ihr Name war Akimene. Herkules war somit ein Halbgott, wie es viele gab. Ich kann mich nicht erinnern gehört zu haben, dass zu unserer Zeit noch ein Gott auf Erden weilte. Ich hatte mir vorgenommen, eine Rednerschule zu besuchen, ebenso mich einem berühmten Philosophen anzuschließen, doch leider waren die Sklavenjäger schneller. Doch genug davon, ich möchte mich endlich wieder wohl in meiner Haut fühlen, auf zur nächsten Therme. Vorher wollen noch ein paar neue Kleidungsstücke kaufen.“

    Wie eines Herrn, wie des unseren würdig, frisch gebadet, rasiert und gut eingekleidet wanderten wir durch die Stadt. Auf einem Markt hörten wir wie ein Händler seinem Kunden, der wohl auch ein guter Bekannter von ihm war, erzählte er wolle in zwei Tagen nach Italia aufbrechen um neue Waren an zu sehen und zu ordern. Als Händlersohn wusste ich doch, dass dies hier die größte oder sogar die wichtigste Handelsmetropole in Griechenland war. Ich hegte keinen zweifel an dem Gerede. Als der Kunde weg war einigten wir uns mit dem Händler und durften ihn auf seinem Schiff nach Brundisium begleiten. Jetzt hatten wir noch einen Tag Zeit um uns auf die Reise vorzubereiten und Briefe ab zu schicken und noch einmal in einem Bett zu übernachten.

    Aufmerksam hörte ich zu. Charislaus teilte mir seine Sorgen Zweifel und Ideen mit. Das wichtigste was ich aber erkennen konnte war die Furcht, der ich mich auch nicht verschließen konnte. Doch aus Erfahrung wusste ich, wir durften nicht zulassen, dass sie uns beherrschte. Ich würde versuchen alles dafür zu tun. Einen guten Gasthof würden wir bestimmt finden. Ich wusste nur zu gut, was für eine Sorte Mensch so nahe am Hafen einkehrten. Einmal abgesehen vom Schmutz, Gestank, Ungeziefer würden wir auf Betrunkene,
    Diebesgesindel, Halsabschneider, wenn nicht sogar auf ganze Banden dieses Gesindel treffen. In der Stadtmitte gab es sicherlich weitaus bessere Unterkünfte.

    „Du musst dir keine Sorgen machen, ich kenne zwar nicht den Ruf den mein Herr zur Zeit in Rom hat, doch eins weiß ich mit Sicherheit, er glaubt mir. Er weiß dass ich ihn niemals belügen würden, selbst wenn die Wahrheit mir zum Nachteil angesehen würde.“ Der Claudier war ein Mann der seine festen Vorstellungen und seine Prinzipien hatte, er hielt an ihnen fest, auch wenn sie von manch einem, ihm zum Nachteil angesehen wurden. Er hielt eisern an seiner Kaisertreue, an den Götterglauben, genauso an alt hergebrachten Traditionen, und festen Regeln in dem Leben eines ehrbaren Römers. Wenn gleich er Neuem nicht unverschlossen blieb. In meinen Augen versinnbildlichte er das Urbild eines alten Geschlechts. Ich rieb mir die Stirn, dass waren meine Gedanken und mein Freund hatte bestimmt seine eigenen Gedanken zu den Reaktionen seines Herren.

    Erschrocken sah ich Chari an, was sagte er da. „Nein!“ zu heftig kam dieses nein von mir, bestimmt würde ich Chari damit erschrecken. „Die Berge und die Vorstellung wie schön sie im Winter sind, das sind Träume, Wunschbilder. Selbst im Sommer lauern dort Gefahren. Gefahren, wie Steilwände Steinschläge, starke Winde, niedriege Wolkenfelder, die die schmalen Wege an den Steilwänden entlang mit einer gefährlichen Feuchtigkeit bedecken. Die Gefahr eines Absturzes besteht ständig. Je höher du kommst um so größer wird die Atemnot. Beim Abstieg besteht die Gefahr. dass dich dein Körpergewicht zu schnell nach unten führt und du nicht mehr abbremsen kannst und über den Weg hinaustrittst. Die schlimmen Wetter überraschen dich unversehens, du musst oft nicht nur für Stunden sondern für Tage auf einem Weg oder schmalen Felsvorsprung verharren. Zum Übernachten bleibt dir oft kaum mehr Platz. Im Winter ist all das noch viel Schlimmer, abgesehen von dem Schnee der dir oft nicht nur die Sicht nimmt. Alles ist vereist, nicht nur die Weg, die Wände, die dir sonst halt geben könnten sind mit einer Eisschicht bedeckt. Noch schlimmer ist, da lauert der kalte Tod. Die Kälte setzt dir zu, nagt an deinem Gesicht, deinen Gliedern. Einzelne Teile deines Körpers können erfrieren. Irgendwann wirst du so müde, dass du dich nur noch nach Schlaf sehnst. Doch du darfst nicht einschlafen, das wäre dein Tod. Oft genug geben Menschen nach. Lassen sich von der Müdigkeit einlullen, geben ihr nach und der sanfte Tod hat wieder ein Opfer gefunden.“

    Erschrocken über mich selber sah ich Charis an. „Entschuldige bitte, ich wollte dich nicht erschrecken.“

    Nachdenklich nahm ich noch einen Schluck Wein.

    "Die Reise nach Brundisium hat noch einen Vorteil, vielleicht können wir noch vor ihnen zu Hause sein.
    Schau wir müssen nur das Mare Adriatikum durchqueren um dorthin zu gelangen und können verschiedene Straßen nach Rom wählen. Die Impetus hingegen muss verschiedene raue Maare durchquere, unterwegs frische Nahrung und Frischwasser aufnehmen und zuletzt, da sie ja nach Ostia will, wie wir sicher wissen, die Mare Tyrrhenum. Unterwegs ist sie dem Wetter und den Begegnungen von Piratenschiffen ausgesetzt. Sie müssen von Ostia nach Rom wir aber können von der anderen Seite nach Rom und haben mehrere Möglichkeiten. Wenn unsere Nachrichten schnell sind, werden sie vielleicht schon in Ostia erwartet.“

    Zufrieden mit meinen Erklärungen schaute ich Charislaus an, spürte aber gleichzeitig wie sich Müdigkeit in mir breit machte. Schläfrig hörte ich seine Worte über die Schiffe. „Wo du das so sagst, das Gleiche empfinde ich immer wenn ich den Wolken zuschaue. Ich wünsche mir dann immer, auf einer liegend, davon treiben zu können. Ja nehmen wir noch einen Schluck auf eine gute Heimreise.“


    Wie geplant legten wir in der Mittagszeit in Korinthus an. Jetzt hatten wir Zeit uns in der Stadt umzusehen, die Thermen zu besuchen, neue Kleidung und Proviant zu besorgen, Briefe zu schreiben und uns nach dem nächsten Schiff zu umhören, wie auch ein gutes Zimmer zu besorgen. Da wir kein Gepäck mitschleppten waren wir schnell an Land.

    Natürlich bemerkte ich wie müde Charislaus war und da er sich die Augen rieb. Bei mir war es nicht anders, wenn zur Zeit auch der Hunger noch überwog. Ich hatte meinem Freund aufmerksam zugehört und verstand
    durchaus warum er so hart in seinem Urteil war. Leider befürchtete ich, so ganz konnte ich mich seinem Urteil über Tiberius und seinen Männer nicht beugen. Wenn dem Getöteten eine Unschuldsvermutung zugebilligt wurde, so stand es ihnen auch zu. Wussten wir denn ob der Tote nicht doch rechtskräftig verurteilt worden war und er nur die Gelegenheit hatte zu fliehen und sie den Auftrag hatten, das Urteil zu vollziehen? "Lass uns ein andermal darüber weitersprechen", war ich kurz ein. Nein so einfach all das nicht. Heute Abend aber waren wir zu müde, suchend schaute ich mich um. „Eine vernünftige Coupona haben wir noch nicht gesehen und selbst die Stabula lassen hier in der Hafenumgebung zu wünschen übrig. Wir müssen das nehmen was bleibt. Bestimmt ein verdrecktes Loch. Wir hätten uns mit Decken und Kleidung eindecken müssen, das werden wir Morgen als erstes erledigen. Doch komm versuchen wir da drüben unter zu kommen."


    Zum Frühstück trieb der Hunger uns Puls mit ein wenig Garum durchsetzt rein. Bei einem Händler erwarb ich, Reisesäcke, einigermaßen saubere Decken, Mäntel und eine Tunika für jeden. Es waren gebrauchte
    Sachen, neues würden wir und in einer größeren Stadt zu legen, in der wir dann auch eine Therma aufsuchen konnten.

    Mit Broten und Wein eingedeckt betraten wir ein Schiff nach Corinthus, welches noch heute ablegen würden.

    In einer windgeschützten Ecke begann ich Chari von meinen Zukunftsplänen zu berichten. „In Corinthus finden bestimmt Schreibmaterial und eine vernünftige Poststelle. Da sitzen doch überall Scriba und bieten ihre Dienste an, die müssen ja ihr Material auch kaufen. Wenn das erledigt ist schlage ich vor, eine Therma zu besuchen, dann geht es uns bestimmt gleich besser“, lächelte ich ihm zu. „Eine gute Taberna mit Schlafplätzen finden wir dann auch noch. Ich schlage vor wir wählen den vorgeschlagenen Weg an der Westküste entlang um dann nach Brundisium zu segeln. Es scheint mir der sicherste Weg, denn Tiberius wollte ja unbedingt nach Ostia. Wir wollen ja schnell nach Rom, um dort zu berichten was geschehen ist oder?"

    Eine Weile beobachtete ich nachdenklich die anderen Fahrgäste bevor ich weitersprach. „Der von mir vorgeschlagene lange weg scheint mir bei genauerem nachdenken dann doch nicht so geeignet. Er mag ja schön und interessant sein, doch mir ist eingefallen wir müssten einige Bergketten überwinden, viele
    Landstriche werden auch gefürchtet wegen den Räuberbanden. In der Winterzeit solch eine lange Reise zu unternehmen scheint mir dann doch nicht so gut. Ich habe dir die Wahl gelassen, doch ich finde, das solltest du vorher noch wissen.“

    Um Chari Zeit zu geben, holte ich ein Brot und eine Flasche Wein heraus. Das Brot teilte ich und gab Charislaus die eine Hälfte, zupfte von meiner ein Stück ab und steckte es mir in den Mund.




    Ich hörte aufmerksam auf Charis Einwände. Er hatte ja recht, einen Menschen zu töten war das schlimmste in meinen Augen, was man einem anderen Menschen antun konnte. Egal ob es ein freier Mensch war oder aber ein Sklave. Für mich waren es Menschen auch wenn das Imperium und all die anderen Mächte es anders sahen. Seufzend wandte ich ein: „Sicher kann er für meinen Herrn ein wertvoller Mensch sein. Als er mich losschickte wusste er doch nichts von dem, was hier geschah.“ Zum Kaiser wollte ich mich nicht äußern, ich kannte seine Vorstellungen und Einstellung nicht. Doch das viele die an einer Machtposition saßen diese ausnutzten und für sich zurechtlegten war, dachte ich, allgemein bekannt. „Du ahnst nicht wie schrecklich es für mich war den Mord mit an zusehen. Ich der gegen jede Art von Gewalt und der dazu gehörigen Werkzeuge bin, bezahlte meine Überzeugung mit körperlichem Schmerz.“ Jetzt zog ich meine Tunika aus und zeigte Charislaus meine Narben auf meinem Rücken, die von den Peitschenhieben in der Form eines Adlers angeordnet waren. „Diese Bestrafung hat meine Überzeugung eher noch verstärkt. Was denkst wie ich gelitten habe bei meinem letzten Herrn wenn ich die täglichen grausamen Bestrafungen der anderen Sklaven mit anschauen musste. Wie oft wurde ich bestraft, wenn ich versuchte ihnen zu helfen und Linderung zu verschaffen. Aber bedenke, wir wissen nicht was der Mann getan hat, ob er befragt wurde, ob er sich verteidigen konnte, wann und warum er geflohen ist. So gut wie er die Gelegenheit erhalten muss sich zu rechtfertigen, muss der Tiberier diese auch erhalten. Oh nein, ich lasse mich nicht täuschen und werde ihn bei meinem Herrn anklagen. Eines müssen wir uns aber merken, erinnerst du dich was er zu Plat sagte Wenn ich mich recht erinnere waren das seine Worte * "Ich kann dir nur so viel sagen, dass diese Kiste für viele Menschen von hoher Bedeutung ist und unbedingt nach Ostia muss. Es ist mir egal, was mit mir ist und ob du mich oder meine Männer mitnimmst aber diese Kiste muss zum Hafenmeister in Ostia* Außerdem war es ihm sehr wichtig, dass seinen Männern nichts geschah. Ich denke er ist nicht von Grund auf Böse, wie ich selber ihm immer wieder unterstellte, etwas hat ihn zu seinem Tun getrieben. Wir sehen nicht in einen Menschen hinein.“


    Bevor wir uns am nächsten Morgen zum Hafen aufmachten, hatte ich den Milchkrug geleert und und in einem unbeobachteten Augenblick in ihm das vorgesehene Entgelt gleiten lassen. Am Hafen angekommen stellten wir, wie erwartet fest, die Impetus war natürlich weg. Was uns Sorgen machte in den nächsten Tagen ging kein Schiff in Richtung Rom. Ich suchte mir ein Stöckchen setzte mich auf einen Stein und malte auf dem sandigen Boden die Umrisse von Creta, weiter den Südzipfel des griechischen Festlandes und Italien. „So schau, wir können nach Athena und dann den langen Festland Weg nehmen. Oder wir fahren von Corinthus die Westküste Griechenlands entlang, bis wir rüber nach Brundisium segeln können. Von da geht es zu Fuß in Richtung Rom. Auf diese Weise vermeiden wir unsere Ostküste, wo sich vielleicht die Impetus tummelt. Entscheide du, ob wir den langen Landweg, damit du wenigstens noch viel von der Welt sehen bekommst oder ob wir so schnell wie möglich nach Rom reisen." Natürlich hatte ich selber genug und das Gefühl total versagt zu haben, doch Charislaus mochte ich nicht damit belasten. Er war schon reichlich genug mit meiner Bekanntschaft gestraft.

    Erstaunt schaute ich meinen Freund an. „Ich weiß doch nicht viel von ihm.“ Das stimmte auch, ich hatte mich vor der Abreise und noch auf dem Weg von der Impetus zur Stadt, nicht nur auf eine tagelange eher wochen-, wenn nicht gar monatelange Suche gefasst gemacht. „Es war nur sehr wenig was ich von meinem Herrn erfahren habe. Das wichtigste war für ihn, der Tiberier war ein wertvoller Mensch, einer dem er vertraute. Und glaub mir, dieses genügt mir. Ich erfuhr seinen Namen, dass er Prätorianer ist, dass die reale Möglichkeit besteht er wäre im Auftrag des Kaisers unterwegs. Bei dieser Aussage kam ich zu dem Ergebnis, er wäre ein Speculator, denn schau die meisten Menschen in Rom, selbst die ohne Kenntnisse des Militärwesen wissen, was die Schwarzen treiben und was eine solch eine Aussage dann heißt. Mein Herr gab mir aber auch zu verstehen dass er vielleicht am Sinn seines Lebens zweifele. Für mich bedeutet dies, entweder will so einer mit seinem Leben abschließen oder beginnt eine verzweifelte Tat.“

    Ich machte eine kurze Pause betrachtet die, von Meer her aufziehenden Wolken. „Aber wenn ich mir das so überlege, kann letzteres nicht sein. Nicht nur weil mein Herr ihm keine Dummheiten zutraut, nein überleg doch mal, er und die seinen machten alles um diese Kiste an Bord zu holen. Meinst du er hätte uns wirklich umbringen wollen? Die Gelegenheit hatten sie doch oft genug. Für ihn war nur wichtig, dass er uns vorerst unter Kontrolle hielt. Er konnte dabei nicht, wie er es bestimmt gewohnt war, alles bis ins kleinste Detail planen, er musste immer wieder neu reagieren. Gut er hat den Einen zu unserem entsetzen umgebracht, doch wir kennen die Umstände nicht. Uns musste er nur mit Angst und Drohungen gefügig machen. Von dem Augenblick an, als die Kiste an Bord kam, galt für ihn nur noch uns los zu werden und das Teil ungestört zu seinem Bestimmungsort zu bringen. Jetzt nach langen Überlegungen, Zusammenreimen glaube ich nicht mehr daran, dass er unseren Tod plante.“

    Die Äpfel von Leonides gehörten schon zu meiner ständigen Weg Begleitung. Wieder einmal rieb ich einen Apfel an meiner Tunika und bis herzhaft hinein. Kauend meinte ich: „ Genauso wie du es sagst machen wir es. Unseren Gastgebern werde ich ein Entgelt geben. Auch wenn, Gastfreundschaft hier heilig ist, kann ich nicht erwarten, dass sie zwei Männer tagelang bewirten. Du wirst sehen, ich schaffe das schon. Ja und was den Landweg betrifft, zuerst müssen wir aber von der Insel runter und auf das Festland. Komm wir sagen es unseren Gastgebern, schlafen uns aus und morgen in der Früh geht es los. Wir haben doch Glück und Leben noch, das ist doch am wichtigsten.“

    Leonides war am Abend zurückgekehrt und hatte uns mitgeteilt, die Impetus wäre ausgelaufen. Selten in meinem Leben habe ich geflucht, doch nach dieser Nachricht konnte ich mich nicht zurückhalten. „Hatte ich es mir doch gedacht, wir alleine sollten fortgehen, was für ein Blödsinn. Plötzlich hatte er so viel Vertrauen, dass er uns alleine losziehen lies. Ich hoffe nur er lässt Plato und seine Leute leben. Trotzdem sollten wir noch warten und die Lage erst sondieren. Wer weiß vielleicht kehrt er zurück? Bei ihm muss man doch auf alles gefasst sein.“

    Sofia und Leonides taten ihr bestes damit es uns so gut wie eben möglich ging. Leonides ging auch mehrmals zum Hafen runter um nachzusehen ob die Impetus zurückgekehrt war. Wir beobachteten so gut wir es konnten von dem Hügel aus das Städtchen. Nur noch hier und da kräuselte sich noch eine dünne Rauchfahne zum Himmel. Die Menschen waren zurück zu ihren Häuser um nach zu schauen was noch zu retten war, mit den Aufräumarbeiten und wieder Aufbau zu beginnen.

    Niemand Fremdes näherte sich Leonides Grundstück. Alles war ruhig geblieben. Chari und ich halfen dem Ehepaar und gemeinsam aßen wir mit ihnen.

    Nach ein paar Tagen schauten Chari und ich uns den Sonnenuntergang an. „Schön ist es hier oder? Trotzdem, ich glaube wir beide haben Heimweh nach Rom oder sogar nach unseren Herren. Was denkst du? Sollen wir wir uns morgen zum Hafen aufmachen und schauen wann wir das nächste Schiff ausläuft und uns mitnehmen kann?“ Erwartungsvoll schaute ich meinen Freund an.

    Meine Gedanken überschlugen sich fast. Alles prasselte auf mich ein. Noch während ich sie sortierte, folgte ich Charislaus wie ein Kind. Natürlich mussten wir weg, uns verstecken, wir waren ja in größter Lebensgefahr. Ich konnte es nicht fassen, alle ließen uns unbeobachtet ziehen? Das hatte doch einen Grund. Für mich gab es einiges zu klären. Wo waren wir? Wie sollte ich meinen Auftrag erfüllen. Wo konnten wir uns verstecken? Aber vor allem, auch wenn es noch so erfreulich für uns war, warum ließ der Tiberier uns laufen? Scheute er sich doch uns zu ermorden?

    Zum Glück mussten wir nicht gegen den, vor dem Feuer flüchtenden, Menschenstrom laufen. Die wollten zum Meer, wir aber suchten unseren Weg abseits. Fast auf dem Hügel angekommen, kam uns ein alter Mann entgegen der einen Esel, dem links und rechts ein Korb voller Äpfel umgeschnallt war, an einem Seil mit sich führte. Als er uns entdeckte, wurde er langsamer, ich spürte regelrecht sein Misstrauen. „Salve, wir haben uns verirrt, wo befinden wir uns?“ Zweifel standen in dem Wetter gebräunten Gesicht. Er antwortete mir in einer Sprache die ich nur zu gut kannte, in dem griechischen Dialekt meiner Heimatinsel. „Wir sind auf Kreta?“ Fast schon jubilierend kam meine Frage. „Wo? Wie heißt die Stadt da unten?“ Nachdenklich murmelte ich „Lappa? Lappa sagt mir nichts. Aber egal, sag kannst du uns helfen? Wir brauchen ein Versteck?“ Meine Fragen kamen etwas holprig, aber ich konnte sie noch, die Muttersprache. Aufmerksam hörte ich zu und nickte, lachte und klopfte Leonides, so war sein Name, freundschaftlich auf den Rücken.

    Jetzt übernahm ich die Führung. „Hörzu Chari, der Mann, Leonides ist sein Name, hilft uns, weil ich ein Creter bin. Wir sollen zu dem kleinen Bauernhof dort oben gehen und Sofia, seiner Frau sagen, er hätte uns geschickt, wenn Fremde kämen, solle sie uns verstecken.“ Nachdenklich schaute ich den Weg runter.

    „Ich glaube nicht, dass sie uns suchen, sie hauen ab, bringen sich in Sicherheit und lassen uns hier.“

    RE: [Schiff] Impetus

    Langsam bohrte die Sonne ihre Strahlen in den morgendlichen Himmel. Wir trotteten fast im Gänsemarsch zu dem Kern der Ortschaft. Noch kein Mensch war unterwegs, doch das störte die Matrosen nicht, sie klopften einen Händler heraus gaben ihm die Einkaufsliste und warteten bis dieser alles herbeischaffen würde. „Ihr beide geht schon mal die Gasse entlang, an ihrem Ende wendet ihr euch nach rechts, geht weiter den Hügel hinauf, bis ihr ob versteckt hinter einer Obstwiese einen Bauernhof seht, er ist bekannt für sein gutes Obst und seine wohlgenährten Hühner. Da wartet ihr auf mich“. Der die Anweisung gegeben hatte, war der, der mich auf dem Schiff gestoßen hatte. „Ist gut“, maulte ich, sah Chari an und winkte mit dem Kopf. Das war die Gelegenheit endlich einmal unbeobachtet mit einander zu reden.

    Erschrocken fuhr ich aus dem Schlaf hoch, was war los? Ankerten wir etwa? Es hatte sich gerade so angefühlt, dieser unsanfte Ruck der durch das Schiff gegangen war, deutete doch darauf hin. Ich schnupperte, eindeutig roch es nicht mehr nur nach Meer. Aber feucht fühlte sich die Luft noch an. Blinzelnd öffnetet ich die Augen, ja der Morgendunst war der Sonne noch nicht gewichen. Gerade als ich mich erheben wollte, hörte ich die Kommandos von Plato. Neugierig spähte ich umher und sah wie Charislaus sich mit gesenkten Kopf in Bewegung setzte. Da erst sickerte der Befehl des Kapitän langsam in meinen Kopf. Was fiel dem ein? Der hatte mir nicht solche Befehle zu geben, ihm musste ich nicht gehorchen. Ein Blick auf die Prätis reichte und ich besann mich in welcher Lage wir uns befanden. Ich schlurfte auch los, möglichst langsam, in der Hoffnung irgend etwas von einem Gespräch aufzufangen. Diese Hoffnung wurde schnell zerstört, denn einer der Matrosen stieß mich vorwärts. „Mach schon, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit“.

    Schon stand ich auf festem Boden, an einem, wie ich dachte, mir unbekannten Ort. >>>>

    Wie großzügig, wir dürfen uns frei bewegen, dachte ich voll Bitterkeit und schaute mich um. Wir hatten Glück unsere Ecke war noch frei. Schon hörte ich Chari’s *"Warte bitte auf mich, Linos",* Entsetzt schaute ich mich um, wie konnte ich nur? Was war geschehen? Ich hatte in meiner Verzweiflung über die Starrsinnigkeit des
    Prätorianers, meinen Freund vergessen. Was für eine Selbstsucht. Jetzt aus der Nähe sah ich was sie mit Charislaus gemacht hatten. Sofort eilte ich zurück, bückte mich, so dass er einen Arm auf meine Schulter legen konnte. An unserem geschützten Winkel angekommen, schaute ich ihn an. Besorgt blickte ich auf seine Knie. „Entschuldige, das ich nicht auf dich geachtete habe, magst du dich setzen? Ich hole etwas zum kühlen. Kann ich sonst noch etwas für dich tun? Vielleicht etwas Wasser? Ich könnte einen Schluck vertragen.“ Dabei fiel mir ein, wo waren unsere Reisebeutel? Hatten sie diese zurück gelassen oder einfach entsorgt. Eher nicht, denn bestimmt wollte der Herrscher ihren Inhalt kennenlernen. Es könnte sich ja geheimes Material oder gar Geheimbotschaften darin befinden. Traurig schaute ich Chari an. „Er hat mich wirklich dazu gebracht, eins meiner Prinzipien zu vergessen, immer auf meine Mitmenschen zu achten und wenn nötig um sie zu kümmern. Verzeih mir, es ist unentschuldbar. Nicht nur das jetzt, sondern, dass ich dich zu der Reise eingeladen habe. Dich dazu mit meinen Worten verführt habe. Sollten wir je zu Hause ankommen, kann ich verstehen, wenn du nichts mehr von mir wissen willst.“ Abrupt drehte ich mich um eilte zu dem Eimer der für das heraufholen des Meerwasser gedacht war und holte mir einen Eimer voll hoch. Meine Tunika, die zerfetzt war stopfte ich hinein und eilte damit zu Charislaus. „Hier nimm, das tut bestimmt gut. Du kannst sie zur Not auch teilen, für jedes Knie ein Stück. Soll ich dir helfen?“ Schon war ich in mein altes Muster hinein geraten. Aus Sorge um meinen Freund und seine Freundschaft redete und redete ich. „Ah, Wasser, zum Trinken“, schon sprang ich wieder hoch um fort zu eilen.

    "Mutige Worte," erklärte Verus, als er sich über Linos stellte. "Mich direkt so anzusprechen und an etwas zu appelieren, was in dieser Frage nicht relevant ist. Du verstehst diese Welt nicht und verstehst auch nicht meine Rolle darin. Du machtest erneut einen Fehler. Der Name wird grundsätzlich nicht genannt. Keiner meiner Begleiter trägt seinen wahren Namen und niemals werden ihre Namen in der Öffentlichkeit genannt. Wir haben keine Namen für dich und du besitzt die Frechheit, zu behaupten, dass ich diese Person bin," zürnte Verus und seine Augen fanden das eisige und böse Feuer wieder, welches für sich schon eine Waffe war. Die beiden Soldaten zerfetzten auch Linos Tunika und begannen daraufhin, seinen Beutel zu durchsuchen. Sie fanden einen Brief von Claudius Menecrates, der nach einem kurzen Augenschein, direkt an Verus ausgehändigt wurde. "Sieh' an...," murmelte der Magister und gab den Brief an die Soldaten zurück, die diesen in den Beutel zurücklegten. Danach ging Verus wieder zu Plato, der ihn ebenfalls ansprach. Verus entschied sich diesen emotionalen und verbalen Angriff durch Linos vorerst zu ignorieren, da er keine Zeit für eigene Befindlichkeiten hatte. In erster Linie gab es nun eine Mission und die Mission hatte immer Vorrang.

    Für mich stand immer mehr fest das Verus krank war. Sein Geist war erkrankt, irgend etwas in seiner Vergangenheit hatte ihm geschadet. Das kam jetzt wieder zum Vorschein. Er gestattet mir nicht, ihn mit
    seinem Namen anzusprechen. Was bildete er sich ein, mir das zu verbieten stand ihm nicht zu. Außerdem dachte er etwa ich würde ihn mit Dominus oder gar mit mein Herr anreden? Das stand ihm nicht zu. Nicht nach dem wie er sich hier aufführte. Klar machte ich einen Fehler, denn das einer seinen Namen wusste passte ihm nicht. Aber so wie er das sagte hörte es sich an, als ob ich damit gegen ein Gesetz verstoßen würde. Gegen welch ein Gesetzt bitte? Gegen das persönliche Gesetzt von Aulus Tiberius Verus aber das zählte nicht. So wenig wie die Worte eines Centurio über mich befehlen konnten, so wenig konnte die Worte einer der schwarzen Garde des römischen Reiches über mich bestimmen. Das wusste auch mein Herr. Das sein Name nicht von seinen Komplizen, Kameraden, Untergebenen genannt wurde leuchtete ein. Für mich hatte es aber keine Bedeutung. Er war in der überlegenen Position und wenn. Ich konnte für mich und meine Worte einstehen. Hatte ich immer und überall gekonnt. Mich konnte er in Ketten legen, meinen Geist nicht. Es lag an mir ob ich meine Zunge zügelte oder nicht. Jetzt wollte ich es nicht. „Sicher bist du diese Person, sonst komme mit zu Claudius Menecrates und beweise mir das Gegenteil. Wenn es sich zeigt, dass du es nicht bist, darfst du von meinem Herrn meine Zunge auf einem Silbertablett verlangen. Natürlich kannst du meine Zunge dir jetzt hier auf der Stelle nehmen, denn so eine blutige Angelegenheit stört dich ja bestimmt nicht.“ Dies rief ich ihm hinterher als er sich abwandte. Bestimmt hatte er mich noch gehört ehe er zu Plato trat.

    Platos Worte sowie meine Papiere hatten ihm bewiesen, dass alles was ich gesagt hatte, der Wahrheit entsprach. Wenn Verus wirklich ein Freund meines Herrn war, musste es ihn doch berühren, dass dieser jemanden schickte, der ihn Heim holen sollte. Der sich um ihn sorgte. Das Claudius Menecrates wusste, warum er ausgerechnet ihn, einen Sklaven schickte und keinen höherrangigen Römer und schon gar keinen vom Militär war für eine Tiberier bestimmt kein Problem nachzuvollziehen.

    Gerade hatte ich Hoffnung geschöpft und schon wieder wand sich das Blatt. Nicht nur das, ich staunte nicht schlecht, kam da das wahre Gesicht der Prätorianer zum Vorschein? Sie zeigten Gefühle. Es war nicht nur die Anhänglichkeit zu Verus, das zeigten auch Räuberbanden und Piraten zu ihrem Anführer. Es war mehr die Menschlichkeit, die sie wohl noch nicht zur Gänze verloren hatten. Warum nur wollte er nicht mit nach Rom? Menecrates würde alles tun um ihm zu helfen. Er war nicht der Mann der einem Freund die Hilfe versagte, egal was geschehen war. Nein er nicht, so gut kannte er seinen Herrn. Der Tiberier wusste mit Sicherheit, dass weder Charislaus noch ich gewalttätig waren und selbst Plato, so sehr ihn auch mein Dasein störte, genauso. Also wo war der Grund, dass er nicht mit wollte, schämte er sich vor sich selber. War es die Angst seinem Freund ins Gesicht zu schauen. Hatte dieser Iulius, der sein Vertreter werden sollte, nicht etwas von Familie gesagt? Zog es ihn denn nicht zu ihr hin? Wofür opferte er alles in dem er hier in der verbrannten Erde blieb? Ich musste schnell was unternehmen, ein abtasten konnten ich nicht verhindern, nur das ich das Papier von Claudius verbergen wollte, wurde damit hinfällig. Mich einzusperren geschah bestimmt mit dem Gedanken, mich am Reden zu hindern, nicht aus Sorge vor meiner Gewalttätigkeit. Was also tun?

    Chari konnte danach seinen Ohren kaum trauen, er log ständig und hatte diese Männer angegriffen? Also der Mann war gut.


    "Ich habe noch nie jemanden angegriffen und diese Mörder schon mal gar nicht. Ich werde auch nicht anfangen Leute zu ermorden. Und ich werde für Euch nicht anfangen zu lügen!", murrte Charislaus und versuchte all das zu verstehen was gerade vor sich ging. Sein Kopf schwirrte wie ein Bienenstock.

    Chari war verletzt worden, ihn hatte er mit seinen Lügen über uns verletzt. Er war so stolz auf seine Gewaltlosigkeit und Ehrlichkeit, Verus hatte seine Ehre verletzt, denn auch wir Sklave haben Ehre, auch wenn wir nach ihrer Ansicht nur eine Sache, ein Ding sind.

    Fieberhaft überlegte ich, was würde Claudius Menecrates jetzt sagen? Nein das ging nicht, seine Worte konnte ich nicht finden. Ich musste es auf meine Art versuchen, auch wenn keiner an Bord mich hören wollte und es bestimmt meine Schaden war. „Aulus Tiberius Verus, warum stehst du dir selber im Weg? Vor nichts und niemanden hast du Angst. Mir scheint du fürchtest dich vor dir selber. Du fürchtest dich davor, dir selber von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. Bei all deinem Tun, deiner List und Tücke, fürchtest du dich vor einem, deinem Freund. Dem Freund der alles für dich tun würde, dich anhören, verstehen und dir verzeihen wird. Denn so etwas macht ein Freund und das weißt du. Das fürchtest du. Du läufst vor deinem Inneren weg. Du bist in Wirklichkeit feige. Mit deinem bisherigen Leben überdeckst und verbirgst du diese Feigheit. Zeig deinen wahren Mut und stelle dich endlich dir selber.“ So das war es jetzt gewesen. Wie jeder bestimmt erwartete, senkte ich aber nicht meinen Blick, nein ich suchte Verus Augen um ihn fest anzusehen. Ich wollte sehen was meine Worte bewirkten, selbst was ich für die wahrscheinlich hielt, es das Letzte war, was von mir kam.

    Das konnte doch alles nicht wahr sein, fast tat er mir leid, der Kapitän. Wir hatten ja wenigstens etwas Zeit uns in diese Situation, in der wir uns befanden, einzuleben. Wenn auch auf eine seltsame, eher harte Art. Der Mann wurde eingeschleimt und auf diese Art überrumpelt. Plato konnte ja auch nicht verstehen was die Kerle wollten und nun versuchte der Anführer ihn natürlich mit einer Unsumme zu bestechen. Wollte er jetzt beides? Die Kiste und sich nach Rom bringen oder ging es die ganze Zeit um diese dämliche Kiste? Spielte er so mit Menschen um die Kiste nach Rom zubringen? Er hätte doch nur zu einem Handelsschiff gehen müssen und bestimmt für viel weniger Geld, die Fracht aufgeben können. Was heißt spielen? Er verbreitete Angst und Schrecken mit roher Gewalt. Alles wäre doch so, viel weniger auffällig gegangen. Nein, das leibhaftige Böse lauerte in ihm. Dann geschah das unfassbare, Chari setzte sich durch und gab dem Kapitän einen Bericht. Sehr gut, wenn er das hier hörte, wäre er hoffentlich bereit und würde mir zuhören. Was hatten sie nur mit Charislaus getan? Hoffentlich würde er jemals sein Zittern wieder los. Ob er nochmal eine Reise antreten würde? Wie hatte er sich auf das Erlebnis gefreut Aber mutig war er, so was von mutig. Diesen Moment ausnutzend, an dem alle Chari’s Bericht nachwirken ließen und noch keine Reaktion von einem anderen kam, nutzte ich aus. Meinen Bewacher ignorierend bäumte ich mich auf. „Plato, leg ab! Die Fracht ist an Bord. Claudius Menecrates wird zufrieden sein. Glaub mir die Suche ist zu Ende, sie endete bevor sie richtig begann, wir stolperte regelrecht dem Gewünschten vor die Füße. Beeil dich!“ Ich hoffte meine Worte waren eindringlich genug und es kam Bewegung in die Geschichte und es wurden keine lange Verhandlungen geführt. Er Verus, konnte doch damit zufrieden sein, seine unheilvolle Fracht, seine Leben, denn in Themiskyra wollte er doch bestimmt nicht bleiben. Seine Männer, deren Leben er hoffentlich, denn er war doch für sie verantwortlich, würde er so auch noch retten. Ob ich nun hier, auf dem Meer oder im Hafen von Ostia mein Leben aushauchte war egal. Dann hätte ich wenigstens meine Auftrag halbwegs erfüllt und meinem Herrn, seinen angeblichen Freund fast nach Rom gebracht. Nur für welchen Preis?

    Natürlich hörte der Kapitän mich nicht, wie ich mir selber eingestand, es war nicht weil er nicht wollte, sondern es nicht konnte. Zu laut war es in dessen Umgebung. Das Meer, die eigen Geräusche des Schiff und das immer lauter werdende Geschrei der fliehenden Menschen. Dafür aber landete ich und ich wusste nicht wie meine Füße ohne die aller Geringste Anstrengung mich so schnell, so nahe zu meinem Quälgeist geschafft hatten. Ehe ich noch auf seine Frage *"Du hast etwas zu sagen?"* antworten konnte, redete er selber. Von da überschlugen sich fast die Ereignisse und ich bekam einfach nicht die Möglichkeit etwas zu sagen, wie er mir vorher so großzügig erlaubte. Er faselte etwas von einer Tonscherbe im Zusammenhang mit seinem Namen. Energisch schüttelte ich mit dem Kopf. Nicht wegen dem was Verus sagte, sondern wegen meinem eigenem Gedanken. Bisher hatte ich es geschafft, diesen tief in meinem inneren zu verbergen, doch jetzt drängte er sich vor. Das musste ich verhindern. Irrsinniger Weise hatte sich in mir der Verdacht aufgetan, dieser hinterhältige Sadist, könne Gedanken lesen. Klar war seine Identität unwichtig, wenn diese bekannt würde, könne man ihn ja zur Verantwortung ziehen.

    Für einen Augenblick war ich zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt und hatte das geschehen um mich herum nicht mitbekommen. Entsetzt hörte ich wie der mit dem Knüppel sagte, "Netter Versuch,". Ich hörte auch die Verachtung, gegenüber Chari, in der Stimme des Prätorianers. Dieser Überrasse von Menschen. Etwas kaltes in meinem inneren griff nach mir. Etwas was ich noch nie gefühlt hatte. Es war das Grausen über meinem Gedanken, der gleichzeitig aufgeflammt war. Ich sah mich mit einem Messer in der Hand. Wie ich mit dem Messer die Handlungen an Chari bestrafte. Ich der Gegner von Gewalt, von Waffen, griff nach einem Messer, stach zu, um dem Ganzen ein Ende zu machen. Obwohl mir klar war, dass eine solche Tat das Ende von uns allen war. „Nein“, kam in einem zu hohem, zu lautem Quiekton von mir. Dieses nein betraf meine Gedanken, genauso wie die Situation, die wir gerade erlebten.