Zitat
Bei allem Respekt, Vibullius, aber ich lass mich nicht für dumm verkaufen. Der Kontext lässt in keinster Weise auf den Kamm eines Hahnes schliessen, so leid es mir tut... Das war sexuelle und unsittliche Belästigung, gepaart mit Ehrverletzung! Und so billig kommst Du da nicht weg, auch wenn es nicht Dein Prozess ist. Aber wie sagt man so schön, was nicht ist, kann noch werden.
Hochverehrter Meridius. Für dumm verkaufen möchte Dich hier niemand- noch nicht einmal ich, obwohl Du in der Gilvus sogar stellvertretender Pater factionis bist.
Nehmen wir doch uns einmal die Aussagen der Attentäterin zu Hand und lassen die Tat noch einmal vor unserem geistigem Auge vorbeiziehen, so schwer mir dies auch fallen tut, ob der seelischen Qualen, welche mich nachts in meinen Träumen noch immer verfolgen. Von den körperlichen Schmerzen möchte ich hier überhaupt nicht erst sprechen.
Was ist wesentlich im Leben der Menschen?
Nicht mit Flotten die Meere angefüllt zu haben, noch am Ufer des Roten Meeres Feldzeichen ausgestellt zu haben, noch auf dem Ozean herumgeirrt zu sein, auf der Suche nach Unbekanntem, wenn das Land nicht mehr ausreicht um Unrecht zu tun, sondern mit dem Geist alles gesehen zu haben und seine Laster bezwungen zu haben, was überhaupt der größte Sieg ist. Unzählbar sind die, die Völker und Städte in ihrer Macht gehabt haben, sehr wenige, die sich selbst in der Hand haben!
Was ist wesentlich?
Den Geist zu erheben über die Bedrohungen und die Verheißungen des Glücks, zu glauben, dass jenes nichts hat, was würdig ist, dass man es erhofft: denn was hat es denn, das würdig ist, dass man es anstrebt? Sooft du von der Beschäftigung mit göttlichem zum menschlichen zurückkehrst, wirst du ebenso geblendet sein, wie diejenigen, deren Augen von der hellen Sonne in den dichten Schatten zurückgekehrt sind.
Was ist wesentlich?
Mit heiterem Geist die Schicksalsschläge ertragen zu können, und was auch immer passieren mag, es so zu ertragen, als ob du gewollt hättest, dass es dir passiert. Denn du hättest es wollen müssen, wenn du gewusst hättest, dass alles nach einem Beschluss Gottes geschieht: weinen, klagen, jammern bedeutet abtrünnig werden.
Was ist wesentlich?
Ein gegenüber dem Unglück starker und unbeugsamer Geist, der nicht nur dem Überfluss abgeneigt ist, sondern ihn sogar hasst, der die Gefahr sucht noch vor ihr flieht, der es versteht, das Schicksal nicht abzuwarten, sondern es selbst in die Hand zu nehmen und gegenüber Glück und Unglück ohne Furcht und ohne Verwirrung aufzutreten, weder durch die Unruhe des einen noch durch den Glanz des anderen erschüttert.
Was ist wesentlich?
Keine schlechten Absichten in seinem Geist zuzulassen, die Hände rein zum Himmel zu erheben, kein materielles Gut anzustreben, daß irgendwer hergeben, oder irgendwer verlieren muss, damit es zu Dir übergeht, zu wünschen, was man ohne Gegner wünscht, nämlich einen guten Geist; die übrigen Dinge, die von den Menschen hoch eingeschätzt werden, selbst wenn irgendein Zufall Dir ein Haus herbeigebracht hat, so zu betrachten, als ob sie wieder vergehen würden, wie sie gekommen sind.
Was ist wesentlich?
Seinen Geist hoch über die Zufälligkeiten zu erheben, sich zu erinnern, daß man nur ein Mensch ist, so daß man weiß, falls man glücklich ist, dass es nicht lange dauern wird, daß man weiß falls man unglücklich ist, dass man es nicht ist, wenn man es nicht glaubt.
Was ist wesentlich?
Die Seele auf den vordersten Lippen zu haben. Diese Einstellung macht frei, nicht nach dem römischen Recht, sondern nach dem Naturrecht. Frei aber ist der, der seiner Knechtschaft entflieht.
War Germancia Nagiva nicht ihrer Knechtschaft aus der Gens und dem damit verbundenem Hang zum Unwesentlichem, wie dem Haß auf die Patrizier nicht versucht zu entfliehen, indem sie sich zu dieser bitteren Tat getrieben sah, wie sie des öfteren bekundete?
Für Sie war diese Tat das Wesentliche, um wieder ihre Freiheit zu erlangen und Ansehen in ihrer Gens und vielleicht auch in der Factio zu gewinnen.
Auch die Verteidigung täte gut daran, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und dieses sind nicht zwar schön zu hörende Worte, die der Phantasie eines Mannes entspringen und mir eine "sexuelle und unsittliche Belästigung, gepaart mit Ehrverletzung" vorwerfen, sondern das Hohe Gericht wird es erkennen, das Wesentliche ist die Aussage einer mündigen, vor Gesundheit strotzenden und stolzen Bürgerin Roms, welche mich zutiefst verletzte und dem Tode nahebrachte.
Und so bleibt mir nur noch festzustellen, daß eine kluge Frau ihr Haus aufbaut, aber eine Dumme es mit ihren Händen zerstört.
Im übrigen bin ich der Meinung, daß die Ausführungen des Meridius gerne einmal bei der nächsten Gelegenheit zu einer Dankesfeierlichkeit an meine Rettung durch den Titus Ferrius Maximus und des Gaius Caecilius Crassus zur Erheiterung der Gäste aufgeführt werden sollten, zudem ich das Hohe Gericht nebst dem Verteidiger und der Angeklagten, wenn sie denn wie beantragt überleben sollte, hiermit einladen möchte.