Beiträge von Quintus Verginius Mamercus

    Als Quintus die Antwort seiner Gesprächspartnerin - seiner ersten hier in Alexandria - hörte, musste er spontan fröhlich lachen. Es war ja offensichtlich, dass die Mutmaßung, die sie gerade geäußert hatte, nicht stimmen konnte. Dafür stammte der Fummel, den sie an hatte, einfach aus einer viel zu hohen Preisliga, die sich eine gewöhnliche Diebin gar nicht hätte erlauben können. Außerdem war sie in eben diesen Klamotten in dem heruntergekommenen Teil des Marktes, wo sie sich gerade befanden, viel zu auffällig, als dass sie irgendwelchen dunklen Geschäften hätte nachgehen können.


    Also, nix mit Diebin. Aber Humor hatte diese junge Römern, und Schlagfertigkeit, das musste Quintus ihr lassen. Der Gedanke seiner Gesprächspartnerin gefiel ihm so gut, dass er ihn innerlich weiterspann: "Wenn die eine Diebin ist, dann hat sie ja schon einen ersten guten Fang gemacht, nämlich die Xanthippe von Sklavin da neben ihr", dachte der Verginier voller Ironie und Gehässigkeit, denn er hatte wohl mitgekriegt, dass diese am liebsten über ihn hergefallen wäre, als er ihrer Herrin unabsichtlich einen Stoß versetzt hatte. "Andererseits ist es ja auch ein schöner Zug von der Sklavin, dass sie so treu zu ihrer Domina steht und sie sogar mit ihrem eigenen Körper verteidigen würde", wurden Quintus' Gedanken an die Sklavin dann wieder versöhnlicher.


    Für seinen Sarkasmus hatte er auch schon wieder ein anderes Opfer gefunden, nämlich sich selbst, und das äußerte er jetzt selbstironisch lächelnd: "Na, du geschickte Diebin, dann kann ich dir ja nur gratulieren zu dem Opfer, dass dir gerade in die Arme gelaufen ist: Meine Taschen sind reich gefüllt mit Geschmeide und Gold und Edelsteinen." Bei diesen Worten hob Quintus grinsend den schmuddeligen Leinensack an, in dem seine wenigen Habseligkeiten steckten. "Allerdings gibt es in diesem Teil des Marktes auch noch ganz andere Güter, die eine Diebin locken könnten: schrumpelige Äpfel und verdatschte Pfirsiche zum Beispiel. Die gibt es hier teilweise sogar ganz umsonst", fügte der Verginier hinzu in Erinnerung an das undefinierbare Stück Fallobst, das ihm vor Kurzem ins Gesicht geflogen war.


    Jetzt wollte Quintus es aber auch genug sein lassen mit seinem Herumreiten auf dieser Diebes-Geschichte. Schließlich sprach er hier mit einer vornehmen Römerin und nicht mit irgendeiner Kneipenbekanntschaft. Ihm fiel ein, dass es ihm wohl gut anstünde, sich endlich vorzustellen, und so sagte er unvermittelt: "Übrigens, mein Name ist Quintus Verginius Mamercus, Frischimport aus Ostia. Habe die Ehre", setzte er hinzu, weil er das für eine Redewendung hielt, die einen Mann von Format auszeichnete.

    Die barsche Reaktion der Torwache auf seine ganz und gar ernst gemeinte Frage rief Quintus deutlich in Erinnerung, dass er sich in Alexandria zwar in der hellenischen Hemisphäre der Oikumene befand, hier im alten Königsviertel aber doch wieder eher unter römischer Fuchtel, so dass hier unbekleidete Männerkörper - und sei es im Dienste der Sicherheit - eher Kopfschütteln hervorriefen.


    Na, Quintus sollte es recht sein, gelangte er dadurch doch schneller zu seinem Ziel, nämlich der Regia Praefecti. Nach einem Abschiedsgruß schloss sich der Verginier der Anweisung des aufsichtsführenden Legionärs gemäß einigen anderen Soldaten an, die ihn zum Anmelderaum der Scribae führten.

    Der Weg von der Torwache bis zur Regia Praefecti war länger gewesen, als Quintus es sich vorgestellt hatte - überhaupt war hier in Alexandria ja alles so bombastisch. Statt zu ausgiebigem Sightseeing hatte der Verginier den Marsch zur Regia Praefecti aber dazu genutzt, sich sein zurecht gelegtes Sprüchlein noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, so dass er es hier beim Sitz des Provinzschreibers gleich parat hatte: COLOR=blue]"Salve, mein Name ist Quintus Verginius Mamercus. Ich komme aus Italia, lebe aber schon einige Zeit in Alexandria und bewerbe mich jetzt hier in der Provinzverwaltung auf eine Anstellung."[/COLOR]


    Gut, der Anfang war gemacht. Jetzt weiter: "Latein und Griechisch spreche und schreibe ich gut. Beschreiben würde ich mich als gründlich und zielorientiert; ich arbeite gerne auch an Details. Desweiteren bin ich sehr interessiert an allen technischen Fragen." Und jetzt der schwierigste Teil: "Weil ich leider noch nicht so viele Erfahrungen sammeln konnte - ich bin jetzt 19 -, wäre ich natürlich am Anfang auch mit einer untergeordneten Stellung zufrieden."


    Klang das jetzt alles sehr naiv? Quintus war sich nicht sicher, aber er hatte es wenigstens versucht.

    Aufmerksam hatte Quintus den Antworten des Schreibers auf seine Fragen zugehört, und er musste sich sagen: Dieser Schreiber da vor ihm hatte wirklich Ahnung! Der Verginier kam mit dem Tempo kaum mit, um all die neuen Informationen in seinem Kopf erst einmal auszuwerten. Schließlich hatte er sich aber doch einigermaßen besonnen: "Danke für Info mit der Proxenie! Da werde ich mich bald mal an den Gymnasiarchos wenden." Immerhin wusste Quintus in seiner neuen Heimat schon so ungefähr, was ein Gymnasiarchos war und was unter seine Zuständigkeit fiel.


    Damit war das Thema des Bürgerrechts erledigt. Aber es blieben noch eine ganze Reihe von anderen Punkten zu klären. Die "Rechte" eines Akroates, die der Schreiber dem Verginier gerade genannt hatte, nämlich Schlafplatz und Unterkunft, klangen natürlich verlockend, wenn man wie Quintus kaum Geld hatte. Aber was war mit den "Pflichten"? "Griechisch kann ich, wie gesagt, ziemlich gut" - sicher noch ausbaufähig, aber für den Anfang würde es mehr als reichen. "Du sprachst aber auch von Leistungen, die die Akroatai erbringen müssen. Welche wären das denn? Und gibt es eine bestimmte verpflichtende Studiendauer?" Der Verginius hatte zwar aufgeschnappt, dass die Schüler des Museions ein mehr oder weniger gemeinsames Leben führten, zu dem sicher auch bestimmte Regeln des Zusammenlebens gehörten. Seine Frage zielte allerdings mehr darauf ab, ob er hier bestimmte Studienleistungen würde erbringen müssen, also z.B. Kompilationen anfertigen. Dazu hätte Quintus durchaus Lust gehabt; ihn beschäftigten aber vorher noch zwei andere Dinge: "Weißt du, die Studiendauer ist für mich auch deshalb so wichtig, weil ich wissen muss, wieviel mich so ein Studium hier kosten würde. Und kann ich denn beim Studium auch eine mathematisch-technische Richtung einschlagen?" Der Verginius befürchtete nämlich, hinterher doch nur wieder Homer und Hesiod lesen zu müssen, wie als Knabe.


    Das waren jetzt ganz viele Fragen auf einmal; Quintus merkte es selbst: "Du, entschuldige, dass ich dich hier Löcher in den Bauch frage, aber ich bin halt neu hier in Alexandria und gerade erst noch dabei hier Fuß zu fassen und - aber ich will dich jetzt nicht mit meiner Lebensgeschichte langweilen. Also, wenn du willst, würde ich dich gerne einmal auf etwas zu trinken einladen. Hast du Lust?"


    Aber erst hoffte Quintus natürlich noch auf eine weitere kompetente Beantwortung seiner Fragen. :D

    "Waffen??" fragte Quintus verblüfft. Diese Frage erwischte ihn ganz und gar auf dem falschen Fuß, obwohl sie doch hier an der Torwache auf der Hand lag. "Ach so, ja, natürlich." Der Aufforderung des Miles gemäß, streckte Quintus seine Arme aus und erwartete die angekündigte Leibesvisitation.


    "Soll ich mich auch noch ausziehen?" Bei den hiesigen Temperaturen hatte der Verginier sowieso nicht viel an.

    Aufmerksam hörte Quintus den Erklärungen des Schreibers zu. Er war froh, dass nach seinem verpatzten Start jetzt zu den sachlichen Erwägungen übergegangen wurde, denn diese waren ein Terrain, auf dem er sich eigentlich ganz wohl fühlte.


    "Was würde es denn bedeuten, wenn ich mich in die Liste der Schüler aufnehmen lassen würde? Und welche Voraussetzungen bräuchte ich? - Ich meine, griechisch kann ich ganz gut, aber ich bin römischer Bürger und habe kein alexandrinisches oder sonstwie hellenisches Bürgerrecht."


    Außerdem hatte Quintus auch kaum Geld, aber das wollte er denn doch nicht so offen sagen. Er hoffte, dass der Schreiber von sich aus auf das Thema Kosten zu sprechen kommen würde.

    Nach seinem Misserfolg in Rom hatte Quintus eine Weile mit sich gerungen, ob er sich tatsächlich zur Provinzverwaltung begeben sollte. Aber schließlich - er war ja nun einmal nach Ägypten gekommen, um eine Zukunft aufzubauen und endlich ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu sein. Also führte ihn sein Weg zur Torwache - und hoffentlich auch an dieser vorbei.


    "Salvete", grüßte er, mal wieder auf Latein, "mein Name ist Quintus Verginius Mamercus, und ich bitte darum, in der Regia vorsprechen zu dürfen, da ich eine Anstellung suche."


    Einen ersten Erfolg verbuchte Quintus jetzt schon für sich, da es ihm leidlich gelungen war, seine Raubeinigkeit zu zügeln. So blickte er denn hoffnungsvoll zu den wachthabenden Milites hinüber.

    Es gab so gewisse Momente, in denen merkte der in dieser Hinsicht durchaus begriffsstutzige Verginier selbst, dass er sich mit seiner raubeinigen Art nicht nur Freunde machte. Sein Auftritt bei den Schreibern im Museion war einer dieser Momente. Keine Hand rührte sich zunaechst, als er sein Anliegen in Kommando-Ton vorgetragen hatte, und Quintus kam nicht umhin sich einzugestehen, dass dieselben Methoden, die ihm in der Welt heruntergekommener römischer Kneipen so viele falsche Freunde beschert hatten, in der hochzivilisierten Atmosphäre des alexandrinischen Museions womöglich Abscheu erregten. Dies alles hätte sich Verginius auch vorher schon sagen können. Hatte er aber nicht.


    Endlich erbarmte sich doch einer der Schreiber und redete Quintus sogar sehr freundlich an. Erleichtert und ein ganzes Stück bescheidener als zuvor näherte sich Quintus auf den Wink des Schreibers hin dessen Tisch, auf dem sich Papiere und Listen befanden.


    "Chaire und danke, dass du dich meines Anliegens annimmst", fing der Verginier in geläufigem Griechisch an. "Ich wollte eben nicht so flapsig rüberkommen, wirklich nicht. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob ich hier an der richtigen Stelle bin. Denn du hast Recht: Ich interessiere mich wirklich für ein Studium am ehrwürdigen Museion, allerdings in der technischen Richtung. Dafür habe ich mich schon immer sehr interessiert, aber alles, was ich so kann, ist ja doch nicht mehr als Flickschusterei. Ich brauche mehr Hintergrund und Überblick und hoffe, von den großen Leistungen hellenischer Techniker und Mathematiker profitieren zu können. Deshalb bin ich hier", bekräftigte Quintus noch einmal, um dann noch ein Wort anzufügen, das er irgendwo mal aufgeschnappt hatte und das er für besonders gebildet und daher für hier am Platze hielt: "Es geht um Systematik. Ich brauche mehr System."

    Zitat

    Original von Quintus Verginius Mamercus
    [...] und so setzte er brummend seinen Weg auf dem Fremdenmarkt fort.


    Dabei bemühte er sich natürlich auch, sein Gesicht von den Spuren des fruchtigen Flugobjekts zu reinigen, welches eben dortselbst eingeschlagen war. Neugierig - und auch hungrig - wie er war, konnte Quintus es nicht lassen, diese Reinigung zunächst einmal mit seinen Fingern vorzunehmen, die er danach ableckte. Doch sofort spukte er angewidert aus: Die matschigen Reste, die gerade auf seiner Zunge gelandet waren, hatten zwar noch einen Hauch von Pfirsichgeschmack, viel beherrschender war aber eine üble, schon vergorene Bitternis. Sofort tauchte in Quintus wieder die Lust auf Wein, Bier - egal, was - auf. Aber er war entschlossen, dem nicht nachzugeben, sondern wischte sich jetzt abrupt das ganze Gesicht mit dem Zipfel seiner bräunlichen Tunika und stampfte ungestüm weiter.


    Um ein Haar hätte der athletische Verginier bei diesem an sich lobenswerten Unterfangen eine zierliche junge Frau und ihre Begleiterin über den Haufen gerannt. Quintus war ihrer erst im allerletzten Moment gewahr geworden und stoppte gerade noch rechtzeitig, um einen fiesen Zusammenprall zu verhindern. Allerdings war er schon zu nah an die Dame heran gekommen, so dass er ihr ganz gegen seine Absicht doch noch einen kleinen Rempler mitgab.


    "Ach herrje!", entfuhr es Quintus sofort. Dieser Seufzer wäre fast die Einleitung zu einer frustgesteuerten Schimpftirade des Verginiers gegen die junge Frau geworden. Glücklicherweise aber machte Quintus zuerst noch einmal seine Augen richtig auf, bevor er seinen Mund ein weiteres Mal öffnete, und was er sah, machte ihn derart neugierig, dass er sich seine Flüche lieber verkniff: Vor ihm standen, wie schon gesagt, eine jüngere und eine ältere Frau, die jüngere ganz in der Aufmachung einer vornehmen Dame - die Herrin, wie Quintus sofort schloss, während die andere, ältere, wohl eine Sklavin sein musste. Was aber um alles in der Welt machte eine so vornehme Frau höchstpersönlich auf einem Lebensmittelmarkt, anstatt sich den drei K zuzuwenden: Klamotten, Klunker und Kosmetika? Nicht, dass die junge Frau in diesen drei Hinsichten noch viel hätte verbessern müssen, wie Quintus beiläufig bemerkte. Aber trotzdem: Hier flog schließlich faules Obst durch die Luft!


    Gründlich, wie der Verginius war, wollte er dieser merkwürdigen Sache nachgehen. Und da er in der jungen Frau ihm gegenüber wegen ihrer Gesichtszüge eine Römerin vermutete, wandte er sich jetzt auf lateinisch an sie: "Ach herrje - ich meine: Ach herrje, dass ich so ungeschickt war und beinahe mit dir zusammengestoßen bin. Ich habe dich doch hoffentlich nicht verletzt?" Diese Möglichkeit erschien Quintus angesichts der eher leichten Berührung vorhin in der Tat eher unwahrscheinlich, so dass er gleich weitersprach: "Ich bitte vielmals um Entschuldigung! Zu meiner Verteidigung kann ich aber sagen, dass wir hier offenbar auch gerade in einer besonders üblen Ecke der Xenai Agorai gelandet sind, wo sich Zusammenstöße nur schwer vermeiden lassen. Das ist jedenfalls mein Eindruck, aber ich bin gerade erst in Alexandria angekommen." Verschmitzt lächelnd fügte Quintus hinzu: "Ehrlich gesagt, glaube ich, dass du auch noch nicht lange hier bist. Wie sonst könnte jemand wie du freiwillig in eine solche Ecke geraten?"

    Das war ja alles noch viel beeindruckender, als er es sich ausgemalt hatte, dieses Alexandria. - Je länger Quintus hier zubrachte, desto größer wurden seine Augen und seine Bewunderung. Zu schade, dass es diesen Latinern gelungen war, sich auch dieses herrliche Fleckchen Erde unter den Nagel zu reißen: Die Ptolemäer hatten doch alles so schön gemacht - ob das unter römischer Herrschaft dauerhaft so bleiben würde?


    Solche Gedanken beschäftigten den Verginier auf seinem Weg zum Museion Alexandrias. Als er sich allerdings endlich bis zum Vorraum mit den Schreibern durchgefragt hatte und noch einen Moment lang zögernd vor der Türe stand, war er schon wieder damit beschäftigt, sich die Sätzchen in Erinnerung zu rufen, die er sich zurecht gelegt hatte. Nachdem ihm das mehr schlecht als recht gelungen war, trat er schließlich ein.


    "Chairete allerseits! Mein Name ist Quintus Verginius Mamercus, und ich bin aus Italia hierher gekommen, um mich bei den berühmten griechischen Ingenieuren in ihrer Kunst ausbilden zu lassen. Kann mir hier jemand weiterhelfen?"


    Erwartungsvoll blickte er in die Runde.

    Nicht ohne Erleichterung stellte Quintus fest, dass der viel zu starke Alkoholkonsum der vergangenen Monate sein Gehirn doch noch nicht so erweicht hatte, dass ihm nicht noch einfache Schlussfolgerungen gelungen wären. In der Nähe eines Hafens - und dann noch solch eines Hafens - musste sich ein Markt befinden, hatte sich der Verginier nämlich gesagt. Und tatsächlich: Nicht weit vom Hafen, in dem er gerade aus Ostia angekommen war, entfernt war ein riesiger Markt, von dem Quintus bald herausbekam, dass er "Fremdenmarkt" heiße.


    Mit einem Blick überschaute Quintus, dass es hier wohl wirklich alles gab. Er aber war allein auf der Suche nach etwas Obst, denn das stand erstens in deutlichem Gegensatz zu dem Ernährungsplan, dem er in seinen letzten Monaten in Italia gefolgt war und der hauptsächlich aus flüssiger Nahrung bestanden hatte, und zweitens wollte er nach seiner Reise im stickigen Bauch eines kleinen Frachtschiffes unbedingt etwas Frisches.


    Seine angespannte finanzielle Lage ließ ihn bald den Weg zu schon leicht fauligen Angeboten finden, und ehe er sich's versah, war auch schon ein Stück Obst in seinem Gesicht gelandet, dazu noch ohne alle Bezahlung: Zwischen den Billig-Obst-Ständen, zwischen denen sich Quintus gerade befand, liefen nämlich eine Reihe von Kindern umher, die sich gegenseitig mit den allerfauligsten und nicht mehr verkäuflichen Obststücken bewarfen. Eines dieser Flugobjekte hatte nun den Weg ins Gesicht des Verginiers gefunden, und es fehlte nicht viel, dann hätte Quintus aus Wut darüber schon wieder eine Prügelei vom Zaun gebrochen, wie er es in seiner letzten Zeit in Italia so oft getan hatte. Doch noch obsiegten seine guten Vorsätze, in dieser seiner neuen Heimat nicht schon wieder gleich negativ aufzufallen, und so setzte er brummend seinen Weg auf dem Fremdenmarkt fort.


    Sim-Off:

    Wer mag? :)

    Jetzt also Alexandria.


    Nachdem er an Land gegangen war, schüttelte Quintus erst einmal all seine schmerzenden Glieder. Abwechselnd hustete er die verbrauchte Luft aus dem Bauch des Schiffes, mit dem er nach Aegyptus geschippert war, aus seinen Lungen aus und sog dafür die frische Luft Alexandriens so tief er konnte in sich ein.


    Tja, war ja auch kein Passagierschiff gewesen, welches er in Ostia bestiegen hatte; das hatte er sich nicht leisten können. Mit einem kleinen Frachtschiff voller stinkender Amporen, eingepfercht in den eben schon erwähnten Bauch des Schiffes, hatte Quintus stattdessen das Mittelmeer überquert.


    In seine Tunika, die auch schon sehr mitgenommen aussah, waren all die Ausdünstungen seiner Reise tief eingezogen. Und nicht viel anders ging es den wenigen Habseligkeiten, die er in einem Leinensack mit sich führte. In diesem Aufzug ließ sich Quintus selbstverständlich nicht in der Hafenverwaltung registrieren, sondern schlich sich in aller Heimlichkeit in die Stadt hinein.


    Alles, was ihn hier und jetzt in Alexandria erwartete, konnte nur besser sein als das, was ihm in den vergangenen Monaten widerfahren und auch von ihm selber verschuldet worden war.

    Quintus brauchte gar nicht lange zu warten, bis sein Vetter in der Porta der Casa Iulia erschien: ein ganzer Römer!


    Als ein solcher, nämlich ein ganzer Römer und ganzer Mann, fühlte sich freilich auch Quintus, so dass ihn die Bemerkung seines Cousins, er sei aber sehr groß geworden, ein bisschen stutzen ließ. Immerhin war das seiner Meinung nach eine Bemerkung, die man vielleicht einem Zwölfjährigen gegenüber machte. Aber was sollte das schon?! Schließlich hatte das ja nicht irgendeine alte Tante zu ihm gesagt und ihm hinterher gar noch herablassend in die Wange gekniffen, sondern sein Vetter, der ihn gleich schon herzlich umarmte. Quintus erwiderte das gerne, bevor auch er dazu kam, seinen Cousin mit Worten zu begrüßen: "Salve, Don-, äh, Gaius!" Man war ja jetzt Römer. "Entschuldige, an deinen Namen muss ich mich wohl noch gewöhnen, wie überhaupt an alles hier. Aber ich habe dich natürlich nicht vergessen und freue mich, dich jetzt wiederzusehen!"


    Es war auch wirklich eine lange Zeit vergangen, da hatte Gaius natürlich Recht. Und noch dazu war in der Zeit ja auch so vieles passiert. "Ich soll dich herzlich von der ganzen Familie grüßen und dich dazu beglückwünschen, dass du das Bürgerrecht erlangt hast. Alle sind mächtig stolz auf dich. Ich natürlich auch."


    Das römische Bürgerrecht bot der Familie jetzt einfach ganz neue Möglichkeiten, an die vorher nicht zu denken gewesen war. "Ja, und jetzt haben sie mich hierher zu dir nach Italia geschickt, damit ich etwas Gescheites werde. Du weißt ja, Corsica ist schön, aber ganz so weit kommen kann man da nicht." Und deshalb war auch Quintus vollkommen damit einverstanden gewesen, seine Heimat zu verlassen und nach Italia zu gehen, ja, er hatte es eigentlich gar nicht abwarten können.

    Zitat

    Original von Faustus Octavius Macer
    Der junge Mann kam ein wenig unsicher rüber, seine Qualifikationen sprachen auch nicht unbedingt für ihn. Trotzdem war Macer nicht abgeneigt, diesem wenigstens eine Möglichkeit zu geben sich zu beweisen.


    Ich denke wir machen das folgendermaßen: Du bekommst von mir eine Aufgabe, die du zu bewältigen hast. Wenn du das zu meiner Zufriedenheit erledigen kannst, bin ich gewillt dir die Stelle zu geben. Zumal es auch keine anderen Bewerber gibt. Er wartete auf die Reaktion, bevor er die Aufgabe preisgab.


    Nach der Antwort des Curators Aquarum musste Quintus zuerst einmal tief durchatmen und sich zusammenreißen. Ja klar, er war enttäuscht, weil er den Beruf des Aquarius sehr gerne ausgeübt und am liebsten natürlich sofort eine Zusage bekommen hätte. Wenn er allerdings ehrlich zu sich selbst war, dann konnte er die Reaktion des Senators verstehen und sah auch ein, dass er eigentlich mit gar nichts anderem hatte rechnen können. Denn was hatte er mit seinen 17 Jahren schon vorzuweisen? Und außerdem war Aquarius in Roma ja nun wirklich ein ziemlich verantwortungsvoller Beruf, von dem hier so einiges abhing.


    Also hob Mamercus wieder seinen Kopf, den er nach der Antwort von Senator Octavius ein bisschen hatte sinken lassen, und fasste neuen Mut: Immerhin hatte der Curator Aquarum ja auch gesagt, dass er ihm, Quintus, eine Chance geben wolle, und die galt es jetzt zu nutzen. Dass man ihm Aufgaben geben würde, die er dann zu erledigen hätte, würde ja auch zunächst einmal Inhalt seines Berufes als Aquarius sein - warum also nicht gleich hier mit so etwas anfangen? Mamercus blickte dem Senator daher fest in die Augen und antwortete: "Ich danke dir, dass du mir eine Bewährungsprobe stellen willst, und hoffe, dass ich sie erfüllen kann." Gespannt wartete er jetzt auf die nächsten Worte des Octavius Macer.

    Zitat

    Original von Faustus Octavius Macer
    Die Früchte des Aushangs waren also schon recht früh zu erkennen, um so besser für Macer. Trotzdem mussten die Bewerber noch ausreichend geprüft werden. Gut, dann setz dich doch mal hin und erzähl mir ein wenig von dir. Gespannt lehnte er sich zurück und wartete


    "Danke, Senator Octavius!", sagte Mamercus und machte sich daran, der Aufforderung des Curators Aquarum nachzukommen. Er wertete diese Aufforderung auch schon als ersten kleinen Erfolg, dass er hier nicht ganz chancenlos wäre. Während er sich hinsetzte, überlegte er aber auch schon, was er jetzt bloß erzählen sollte. Für einen wie ihn, der bisher quasi nun unter Ziegenhirten gelebt hatte, war so ein Bewerbungsgespräch jetzt nicht gerade einfach.


    "Ich komme aus Corsica und bin erst vor wenigen Tagen überhaupt erst nach Italia gekommen, weil hier in Rom ein Verwandter von mir lebt. Vorhin habe ich also deinen Aushang gesehen und dachte, das wäre etwas für mich. Ich habe mich schon immer sehr für Technik interessiert und würde gerne in dem Bereich arbeiten. Schon als Junge auf Corsica habe ich gesehen und auch mitgeholen, wenn die Bewässerungskanäle für den heißen Sommer gerichtet werden mussten oder auch die Tunnel gereinigt werden mussten."


    Während Quintus das sagte, wurde ihm bewusst, dass seine Worte in den Ohren des Curators Aquarum vielleicht einfach kindisch klangen. Und er sah auch ein, warum. "Versteh mich bitte nicht falsch, Senator. Ich sehe natürlich, dass die Wasserversorgung einer so riesigen Stadt wie Rom etwas anderes ist als die Bewässerung von Kanälen auf Corsica. Es ist sicher eine große Verantwortung, die du und deine Mitarbeiter haben." Und sicher waren ja hier in Rom die Ansprüche auch noch andere als auf Corsica; wenn Mamercus da nur an die riesigen Thermen dachte, von denen er gehört hatte, oder die Wasserversorgung der edlen Villae, die er hier gesehen hatte und deren Bewohner - und Bewohnerinnen - bestimmt Wert auf Luxus legten. "Aber auch auf Corsica wollen die Menschen leben: In den Sommern regnet es oft wochenlang nicht. Menschen und Vieh würden verdursten, und die Ernte auf den Feldern würde verglühen ohne Wasser. Deshalb muss genug Wasser zu ihnen geleitet werden, man muss überlegen, woher man welches bekommt und wie es am besten fließen kann. - Ja, und das alles interessiert mich sehr, und es wäre eine Ehre für mich, hier zu arbeiten."

    Insgeheim war Mamercus nach dem kräftigen Empfang durch den Ianitor ein bisschen erleichtert darüber, dass danach alles ohne Komplikationen ablief und der Sklave gleich losging, um den anderen Verginier zu holen. Weil Quintus sich außerdem natürlich darauf freute, seinen Verwandten nach so langer Zeit wiederzusehen, erwartete er alles Weitere in gehobener Stimmung.

    Die Intensität der Reaktion aus dem Inneren des Officiums ließ keinen Zweifel daran, dass dort jemand war. Weil Quintus außerdem auch keinen Zweifel daran hatte, dass diese Intensität damit zusammenhing, dass hier jemand viel beschäftigt war, trat er sogleich ein und redete dann auch im Inneren des Officiums nicht um den heißen Brei herum: "Salve, Senator Octavius! Mein Name ist Quintus Verginius Mamercus. Ich habe vorhin auf dem Markt den Aushang gesehen, dass hier Aquarii gesucht werden. Ich würde das gerne machen und glaube, dass ich nach einer Einarbeitung dazu auch geeignet wäre."


    Fragen von Seiten des Curators Aquarum würden sicher nicht auf sich warten lassen, deshalb beließ es Mamercus erst einmal bei dieser Vorstellung.