"Entschuldigung?", erhob der gesandte Bote des Iuliers vorsichtig sein Wort, nachdem er zuvor hatte feststellen müssen, dass die Wohnung, in welcher er einen engen Freund seines Dominus hätte vorfinden sollen, mittlerweile anderweitig von irgendeiner Frau bewohnt wurde. Folglich trugen ihn seine Beine zunächst die zuvor erklommenen Stufen wieder hinab, bevor er sich im Erdgeschoss nach dem Vermieter umhörte, der seinerseits durch glückliche Fügung gerade in der ersten Etage eine Wohnung zu vermieten im Begriff war. Drum musste der Bote also einmal mehr ein paar Treppen steigen, bevor er den gesuchten Vermieter gerade beim Verlassen der Wohnung erwischte.
"Tut mir Leid, mein Freund, diese Wohnung ist geraaade weg.", gab der Mann dem iulischen Boten zur Antwort und zog das vorletzte Wort des Satzes dabei bedauernd leicht in die Länge. "Doch wenn du willst, dann habe ich zwei Straßen weiter noch eine leerstehende Wohnung. Auch für die gibt es zwar zaaahlreiche Interessenten.", gab er zu bedenken. "Aber ich zeige sie dir gerne trotzdem. Und mit den richtigen Argumenten... nun, da könntest du auch heute abend schon einziehen. Was hälst du davon?", bot er freundlich-zuvorkommend mit einem gewinnenden Lächeln im Gesicht an.
"Ich bin nicht auf der Suche nach einer Wohnung.", antwortete der Bote auf die Offerte. Dann holte er nach diesem vielen Treppensteigen erst noch einmal Luft... und wurde prompt vom geschäftstüchtigen Vermieter aufgefangen:
"Bist du dir da sicher? Die Lage ist gut! Sie liegt in der zweiten Etage. Da dringt der Straßenlärm nicht mehr ganz so hin. Und sie ist für die Verhältnisse hier in Trans Tiberim wirklich geräumig.", pries er an. "Im Erdgeschoss befindet sich ein Gemüsehandel mit täglich frischer Ware. Direkt gegenüber gibt es guten Fisch aus Ostia und die nächste Bäckerei ist auch keinen Katzensprung weit entfernt. Außerdem steht den Hausbewohnern ein eigener Wasserbrunnen im Hof des Gebäudes zur Verfügung." Soviel zur Brandgefahr und den Transportwegen für Nahrungsmittel.
"Nein, wirklich nicht. Ich bin mir sicher.", gab der Bote erneut zur Antwort. "Ich bin hier, weil mein Herr eine Botschaft an einen guten Freund zu senden wünscht. Dieser Freund jedoch ist offensichtlich umgezogen. Er wohnt nicht mehr im obersten Stockwerk." Er wiegte seinen Kopf ein wenig nach rechts. "Aber vielleicht weißt du als Vermieter ja... wohin er gegangen ist?", erkundigte sich der Gesandte schlussendlich und blickte seinen Gegenüber erwartungsvoll an.
"Hm...", überlegte der zunächst. "Ich weiß zunächst mal, wen du meinst.", gab er an. Denn immerhin hatte ihm dieser Mieter damals eine ganze Etage für gutes Geld abgemietet. Doch wohin es diesen Mann später verschlagen hatte..? "Wo dieser Freund deines Herrn jetzt ist, kann ich dir aus dem Stehgreif heraus jetzt nicht sagen.", musste er dann zugeben. "Aber ich verfüge über viele gute Kontakte hier in Trans Tiberim. Lässt du mir den Brief und etwas... Briefgeld da, dann bin ich mir sicher, dass das Schreiben am Ende seinen Empfänger erreichen wird.", tat er anschließend ganz geschäftsmännisch weit sicherer als er sich in diesem Punkt tatsächlich war. Er könnte sein Glück versuchen; mehr jedoch auch nicht.
"Das wäre großartig!", reichte die Überzeugungskraft für den iulischen Boten jedoch mit Leichtigkeit aus. Dieser holte sodann die verschnürte und mit weißem Wachs versiegelte - der Abdruck erinnerte entfernt an eine Dianthus-Blume - Tabula seines Dominus, des Maestus Infortunatus Devincendus, also des traurigen, unglücklichen vollkommen Besiegten, hervor und übergab diese an den Vermieter. "Hier. Und ich hoffe, das reicht für deine Aufwendungen? Mehr habe ich nicht bei mir.", übergab er am Ende dazu auch noch einen klimpernden Beutel mit einigen Sesterzen darin. Und nachdem sein Gegenüber lediglich zufrieden lächelnd nickte, begab sich der Bote also nach einem "Nochmal vielen Dank. Und vale." auf den Rückweg zur Casa Iulia...
Roma, A.D. VI KAL NOV DCCCLXIV A.U.C.
Maestus Infortunatus Devincendus s.d.p.
Lange Tage und noch längere Nächte rang der wohl einstig äußerlich schönste deiner zahlreichen Freunde mit sich, dir zu schreiben oder nur schweigend dir zu antworten. Dann setzte er, der mit den welken Lippen, der mit dem ergrauten Sonnenglanz auf dem Haupt, der mit der getrübten Reinheit im Blick, der seiner Flamme der Leidenschaft beraubte, der verlorene Freund, sich an diesen Brief.
Was nun soll er sagen, den tagein, tagaus seine ungeteilten Gefühle beinahe erdrücken? Was soll er sagen, dem du mit Leichtigkeit rätst, dieses Joch einfach von sich zu werfen? Was soll er sagen, den du frei sagst von dir? Und was soll er sagen, der doch in deinen Augen schon offenkundig längst verlorene Freund?
Ich vermag nicht zu siegen, kann den Konflikt nicht dominieren,
kann dieses Spiel der Gefühle nicht gewinnen, vermag es nur zu
verlieren, ohne dich.
Ja, ich komme mir verloren vor, fühle mich ganz nutzlos und allein,
und werde wohl nie wieder der einstmals Gekannte können sein,
ohne dich.
Ich versage zu rennen, scheitere schon beim Gedanken ans Fliegen,
und bar alleiniger Kraft durchzuhalten lass ich mich unterkriegen,
ohne dich.
Und weder finde ich Ruhe, noch vermag ich den Kampf aufzunehmen,
sehne mich von früh bis spät nach uns, einem gemeinsamen Leben,
ohne dich.
Ich kann den Konflikt nicht auslöschen, nehme alles auf mich darum,
akzeptiere indes weder unser stetes Entfernen noch deine Trennung,
ohne dich.
Denn ich darf jetzt nicht loslassen, würde einen großen Fehler tun,
wünsche dich in jeder schlaflosen Nacht zu mir oder anders herum,
ohne dich.
Ich habe meine Flügel verloren, stürze selbst beim Klettern nur ab,
bin ganz ohnmächtig, paralysiert, wie gelähmt und nur schwach,
ohne dich.
Ich kann nicht mehr sehen, bin blind für die Schönheit dieser Erden,
fühle ein tiefes Loch in meiner Brust, das nie wird geheilt werden,
ohne dich.
Ich komme mir verloren vor, fühle mich ganz nutzlos und allein,
und werde wohl nie wieder der einstmals Gekannte können sein,
ohne dich.