Er kannte nur einen einzigen Dives? Wäre der Iulier an deser Stelle etwas weniger von den Worten seines Gegenübers bewegt gewesen, hätte er diese Behauptung vermutlich als solche einfach so hingenommen. Allerdings war er eben durchaus noch aufgewühlt, sodass er ungläubig den Kopf schüttelte ob jener hier aufgetischten Geschichte. Nur ein einziger Dives... Den Namen des Triumvirn Licinius Crassus Dives verdrängte Faustus hier wohl ebenso wie den des Senators Matinius Agrippa Censorinus Dives Felix - und letzterer kandidierte immerhin noch kurz vor Kriegsaubruch zum Consul! (Natürlich konnte man sich durchaus über die Bedeutung der Agnomen bei jenen beiden Spontanbeispielen streiten, zu gut passte diese Deutungsvariante jedoch in die Wahrnehmung des Iuliers in just diesem Augenblick.)
Allerdings blieb keine Zeit, um auch nur einen jener Gedanken vorwurfsvoll zur Sprache zu bringen. Denn nach dem eigenen Wortschwall war es nun zunächst an der Zeit, dass auch Dives selbst dergleichen über sich ergehen ließ, so schwer dies auch war. Insbesondere nämlich als sich Faustus erhob und seine Hand so... so derartig ausstreckte, als hätte er Dives nur hierher eingeladen, um ihm einmal gehörig die Meinung zu sagen... da musste sich der Iulier in der Tat äußerst zurückhalten, um seinem Gegenüber nicht energisch ins Wort zu fallen. Andererseits jedoch fehlten ihm zeitgleich eh auch ein wenig die Worte bei der Aufforderung zur Sergia zu gehen und Faustus damit hier sich selbst zu über- und im Stich zu lassen.
"Ob du es glaubst oder nicht, hat es NIE einen Präfekten meiner Träume gegeben!", ergriff Dives letztlich doch noch das Wort, während auch ihn nun nichts mehr auf dem harten, kalten Dachboden hielt. "Doch gab es in meiner Welt einen Faustus - ja, einen FAUSTUS meiner Träume! Hätte ich dir sonst dieser Tage noch geschrieben? Hätte ich ansonsten alles stehen- und liegengelassen, um mich sogleich nach deiner Antwort hierher bringen zu lassen?", fragte er rhetorisch. "Warum also bin ich wohl hier? Wegen deines Ranges? Wegen deines Namens? - Ich bin hier wegen DIR!", antwortete er letztlich.
"Aber was erwartete mich nun hier; mich, der ich so dankbar und froh bin, dich hier LEBENDIG wiederzusehen? Du erklärst, dass du ausnahmslos ALLES verloren hättest - ja, alles und JEDEN!", rann eine Träne über die rechte iulische Wange, während Dives jenes nur unterbewusst wahrnehmend unbeeindruckt davon weitersprach. "Du behauptest, dass mein Held - und um ein solcher zu sein, braucht niemand eine schwarze Rüstung, eine Paradeuniform oder irgendeinen Titel! - nur ein Wrack wäre, dass besser tot sein sollte!" Er trat mit verständnislos zusammengezogenen Augenbrauen an Faustus heran, bevor er etwas ruhiger aber noch immer sehr eindringlich fortsetzte:
"Doch ich sage dir, dass es auch in der Vergangenheit schon stets mehr gebraucht hat als ein paar niederwerfende Worte von dir, um mich willentlich von dir fernzuhalten! Und auch durch das Verspritzen irgendwelchen Gifts gegen meine Verwandten und insbesondere meinen Großonkel Licinus, ohne den du dich hier und heute alleine streiten könntest, ohne den ich vielleicht gar selbst im Krieg geblieben und zum Kriegsopfer geworden wäre, wirst du es nicht vermögen mich vom Glauben an meinen Helden abzubringen!", verteidigte Dives seine Gefühle wie auch seinen Großonkel zumindest aus eigener Perspektive ähnlich intensiv, wie zuvor sein Gegenüber den decimischen Consul in Schutz genommen hatte. Denn in der Tat war dem Iulier sein eigentlich ferner Verwandter in der Nachkriegszeit zu einem vergleichsweise Vertrauten geworden - nicht zuletzt aufgrund des großen Vertrauensvorschusses, welchen Licinus ihm direkt nach der Befreiung aus den Castra Praetoria hatte zukommen lassen. So ging er dann auch auf irgendwelche Vorwürfe eines feigen Mitläuferdaseins auch nicht ansatzweise ein, da er überzeugt war, dass Licinus gleich Faustus lediglich das getan hatte, was ihm Ehre und Pflicht als Militär geboten. Welche Wahl hatte der dereinstige Primus Pilus der Prima bezüglich der beiden Kriegsparteien auch schon gehabt? Wenn der Legatus Legionis sagte 'hü', dann machte auch Licinus in militärischer Treue nicht einfach 'hott'. Genauso, so die divitische Sicht auf die Dinge, hatte auch Faustus die Befehle des Scheusals schließlich militärisch richtig umgesetzt, statt sich mit den Schwarzröcken politisch richtig gegen den Crassissimus zu erheben. (Das war kein Vorwurf gegen auch nur einen der beiden, sondern der decemvirischen Meinung nach lediglich das Anlegen gleicher militärischer Erwartungsmaßstäbe an beide Soldaten.)
"Und du sagst, ich würde mich von der Sergia in einen Käfig der Lügen einsperren lassen? Da frage ich dich, sind wir alle - du genauso wie ich - nicht längst schon im Lügennetz der Gesellschaft eingewickelt und gefangen? Oder hast du dich etwa jemals öffentlich zu einem anderen Mann bekannt? Hast du jemals, wann immer du selbst einen festen Freund hattest, der Öffentlichkeit erklärt, dass du fortan vom Heiratsmarkt wärst? - Ja, oder hast du dich mit ihm vor den wachsamen Augen der Welt verborgen und versteckt, hast Freunde, Bekannte und Verwandte durch Nichtaufklärung einer solchen Begebenheit auch selbst belogen und betrogen und dich auch selbst damit nur allzu eigens in den soeben kritisierten Lügenkäfig begeben?" Derlei, dass dem nicht so wäre, konnte sich Dives kaum vorstellen. "Drum sag mir, der ich NICHT aus meinem Glashaus heraus mit Steinen werfe, was so falsch daran ist, wenn ich in der Gefangenschaft der gesellschaftlichen Norm beibend eine Ehe einzugehen gewillt bin, die meinen Käfig nicht noch enger macht, als er jetzt eh bereits ist - die ihn durch die mehr oder weniger gewollte Einbeziehung dieser Sergia stattdessen nahezu auf aktueller Größe belässt?", näherte er sich Faustus so weit, dass nurmehr eine Handbreite ihre beiden Nasenspitzen trennte. "Mi casa es tu casa.", erklärte Dives leise in aufgrund falscher Betonung hörbar nicht nativ gesprochenem Iberisch. "Das ist es, was ich dir ehm... also, was ich irgendwann einmal irgendjemandem sagen können will." und was er dann auch einmal genau so meinen wollte - anders als bei der Sergia, die als seine Gattin ja ebenfalls in absehbarer Zeit einen Wohnsitz in der Casa Iulia finden würde.