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Das einzig gute an der Bude war die Aussicht. Ich hatte eben das erstbeste genommen, nachdem ich das Haus meiner Familie verlassen hatte, an dem Tag, als mein Vater sein Konsulat antrat. Jetzt lagen nicht nur unsere Differenzen sondern auch der Tiber zwischen uns. Trans Tiberim, das Viertel der Fremden, der Reisenden und der Aussenseiter hatte mich... wiederum... aufgenommen.
Die Herberge war groß, die beiden unteren Stockwerke aus Stein, darauf noch zwei aus Holz aufgebaut. Das oberste hatte ich komplett gemietet, für mich und meine Sklaven. Es war alles ziemlich runtergekommen, die Konstruktion nicht gerade vertrauenserweckend, die Küche schlecht... aber ich war viel zu gleichgültig und zu kraftlos, um mir nochmal irgendwas neues zu suchen. Sowieso verbrachte ich kaum Zeit in den Räumen... ich hatte ein Problem mit Wänden, beziehungsweise damit, sie so beklemmend eng um mich herum zu haben... und hing statt dessen die meiste Zeit oben auf der dazu gehörenden Dachterasse herum. Es war zwar scheußlich kalt... trotz der Kohlebecken, die meine Sklaven ständig am Glimmen hielten... aber dafür war es... weit und hell und luftig und ich konnte in den Himmel hinaufsehen. Wie die Wolken dahintrieben. Wie Vogelschwärme sich im Aufwind wiegten. Wie morgens die Sonne aufging. Wie sie abends hinter dem Horizont versank.
Ich hatte ein altes Zelt dort aufgeschlagen, und wohnte und schlief darin, dort oben auf dem Dach. Ohne Mauern um mich herum ging es sogar etwas besser mit dem Schlafen. Die Terasse war durch Bastmatten gegen Blicke von unten abgeschirmt. Manchmal saß ich stundenlang nur da, rauchte, in Decken gehüllt, ganz langsam eine Opiumpfeife und betrachtete den Himmel oben, und den träge dahinströmenden Tiber, und das Treiben unten in den belebten Strasse, auf den Plätzen und Höfen und niedrigeren Dächern. Von hier oben... war das genau der richtige Abstand. Manchmal spazierten Ringeltauben über die Dachtraufe und gurrten. Rrruuu... rrruu... Dann warf ich ihnen ein paar Krumen hin.
Meine Custodes war natürlich Tag und Nacht wachsam. Aber es kam niemand um mich zu ermorden. Um genau zu sein, kam überhaupt niemand. Ich hatte ja alle Brücken abgebrochen. Und offenbar drehte die Welt sich auch ohne mich weiter.